Auf der Fahrt
Hymne
Dann werd ich sehn
Wie die Zeit verlief
Die aus Hoch und Tief
Ihre Gründe zog
Wie die Schritte gehn
Die das Leben wog
Und in kühnem Sprung
Durch die Dämmerung
Vor der Lösung stehn
Beginnender Abschied
Noch blickt des Jägers Auge scharf:
Er kennt der goldnen Steppe leeres Bild,
erspäht darin das scheue Wild,
nach dem er gestern noch die Waffe warf.
Heut aber blickt er seltsam mild
gelassen auf des Vortags Beute,
pfeift nicht zur Hetzjagd seine Hundemeute,
nach heiß begehrtem Wild.
Still steht im lichten Schatten heute,
der einst gewaltig Speere warf.
Gelassen vor den grünen Augen darf
sich tummeln seine Beute.
So kennt das Wild und wittert heute
der goldnen Steppe leeres Bild.
Tristan
So zu sterben. Dieses bißchen Leben
So fortzuwerfen, voller Inbrunst
An einen Wahn davonzugeben
Das war es wert, zu lieben.
So aber, dieses bißchen Lieben,
so fern von dir in Langeweile
wo bist du mir geblieben?
Melot, mein Freund, wo bist du, wo dein Schwert?
Daß ich dich reize es zu heben?
Der Streich war eines Freundes wert
Wie lieb ich dieses Leben.
Die zweite Ewigkeit
Zurückgeworfen in die alte Zeit,
da alles fremd war und wie Schatten
der Abend kam: das Feld, ein Gatter,
dahinter Wiese, Wald und weit,
weit fern erst plätscherte der Fluß
und Strom dahin. Der Weiher
schien grün durch's Laub und freier,
freier schien ich für Gruß und Kuß.
Gen Mittag ein befreiendes Gewitter,
es tost durch endlos lange Zeit:
mein Weg war weit.
So steh ich heut am Ufer, Zwitter.
Bin ich bereit
für diese zweite Ewigkeit?
Siegmund
Dieser Moment! Mit einem Mal
zu wissen, Sterben war,
was hinter deiner Qual
das stolze Schwert gebar.
War's das? War das der Wert,
den du gewannst in dieser Nacht?
Einmal in hellem Stolz das Schwert
zu halten, voller Macht?
Nein, Freund, so nicht. Dein Licht
erbleicht. Er führt den Speer,
der später bricht –
das wilde Heer.
Die Schwester stirbt da nicht.
Siegmund zerbricht.
Sieglinde
Dieser Moment! Mit einem Mal
zu wissen: das ist Leben
was hinter deiner Qual
dir gegeben,
nach vorne strömt. Der Augenblick
der alles ändert: Leben
und kein Zurück,
kein Schwert, kein Tod. Vergeben
dem Bruder, ach, Geliebter, ohne Wahl.
Da bleibt kein Blick,
Jahrhunderte voll Qual
und kein Zurück.
Sieglinde bricht,
der Bruder stirbt im Licht.
Sonnenglut
Goldene Steppe, Fiebertraum,
der Dich bedrückte, fortgeflogen,
im Funkenflug davongezogen,
wie nur ein alter Baum,
der leise brennt in Sonnenglut.
Bereit.
Die Bahn ins Ungefähr gebogen,
so weit das Auge schreit.
Du Sonne, die am Himmel glüht
und täglich neuen Irrsinn blüht
Du machst den Abschied leicht.
Dein Augenblick, so seicht.
Sonnenbrand
in goldner Steppe, Feuerland.
Von einst
Hirschkäfern gleich, die sich, vielleicht im Juli
am Eichensaft berauschen,
der leise gärt im Sonnenglanz
und taumelnd Deinen Schritten lauschen:
So lieb ich Deinen trunknen Tanz,
einziger Gott von Zeit zu Zeit.
Ich haste durch die Ewigkeit,
die mir die andern Götter gaben,
bevor sie in die Dämmerung versanken,
die sie sich selber in Gedanken
bescherten, wie der Herr der Raben:
Neun Nächte hing ich am windigen Baum
mir selbst geweiht im wilden Traum
in meiner trunknen Ewigkeit.
Ein karges Lob
Hinausgeworfen aus der Zeit,
die mir gehörte. Ewig fern.
Wer weiß, wie weit
und wo er strahlt, mein Stern?
So einsam wieder, hohle Tage,
die trunknen Nächte Deiner Ferne,
voll dunkler Lieder.
Da steh ich wieder. Daß ich dächte.
Daß ich einst dächte, Dir zu nahen.
Was mich betrifft:
Gönn mir die Rettung alter Sage,
Ein wenig Wirrnis, drin zu sinken.
Bis dahin will ich trinken.
Dir Welt ein karges Lob.
Auf der Fahrt
Im Nirgendwo gestrandet, Stadt und Steppe
gleich fern, steht still mein Zug
im bleichen Nebel dieses Herbstes.
Was ich ertrug,
hierhin zu kommen, sollte weiter führen
und immer weiter in die Welt hinaus,
daß ich, ein treuer Schatten trunkner Schwüre
im Vogelflug
durch Herbst und Winter Küsten finde,
die ich nie träumte in der Welt davor.
Um dort, mit freundlichem Gesinde
zu stehen, vor dem blauen Tor.
Voll kühner Weisheit im Empfinden,
befreit von meiner Tage Sünden.
Impotenz
Heller Nächte irrer Tanz
um vergessenes Verlangen
trüber Blick, seltsames Bangen
ewiger Glanz.
Weiße Haut, Dein helles Fließen
Stöhnen, Lust, gieriger Blick
Voller Angst, Blut strömt zurück
kein Vergießen.
Kein Vertrauen, kurzes Sprießen
heißer Schmerz um den Verlust
nichts mehr geht, sobald du mußt
kein Vergießen.
nur verlorenes Verlangen
Bangen.
Spielerei
Dieses Entsetzen: plötzlich stehst Du da
im Rat der Götter, Wünsche in der Hand.
Laut sagt der Höchste Deiner Götter: Ja!
Und sendet Dich an Land.
In dieses Land, das Du nicht kanntest:
purpurner Himmel, Rauch, eiskalte Luft,
Tausend Maschinen, Einsamkeit, ein Duft,
den Du im Traumbild Hölle nanntest.
Du wolltest leben – aber so?
Träumtest Du nicht von weißem Strand?
Von gelber Sonne, blauer See und grünem Land?
Dies Spiel: den Neid der Götter macht es froh.
Und doch ein Trost im grauen Land:
die Zeit verrinnt, wie Sand.
Allein
Allein wie einst. In Jugendtagen,
da schmeckte mir die Einsamkeit.
Auch damals tönte Klagen,
indes, das war kein Leid.
Das war ein Jauchzen, Jubilieren,
ein mich Versenken in ein Spiel
voll Anmut, lächelndes Verlieren
und alle Tage hatten ... Ziel.
Da wußt ich viel.
Was weiß ich Irrer heute noch?
Der Tag – ein Loch
Ein trunknes Spiel
Und lebe doch.
Ein Freund aus alten Tagen
Dieses Ersterben deiner letzten Dichtung
Typhus im Blut, ein trunkner Schluck
aus wildem Jubel, Trotz und dann: ein Ruck
von ungefähr in diese Richtung.
So fremd und dennoch, so vertraut
durch die Jahrhunderte. Was war
weiß man nicht mehr, nur das ist klar,
daß einem Irrlicht graut,
vor dem, was in ihm liegt und bleibt
von ungefähr es vorwärts treibt
in irgendeine Richtung,
vielleicht in diese Dichtung
voll Sehnsucht, die zerbricht.
Was fehlt, kennt diese Erde nicht.
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2010
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