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Evolution



Mehr kann ich nicht erinnern

Aufgang


Amöbe einst im warmen Ozean
der frühen Sonne, schwerelos
hinschwebend, unbestimmte Bahn.

Das war ein Leichtes, ewig groß
lag Welt und Meer und Zeit und Leben
um mich herum und schwerelos

ich mitten drin
da hatte Leben – Sinn

So ohne Schwere hinzuschweben
Amöbe einst im Ozean
da schmeckte mir mein Leben.


Irrwege


Irrwege, die ich ging. War da ein Duft?
Der über Wassern hing in warmer Luft?
So fing das an. Ich hob den Mund
Vom dunklen Grund. Elend begann:

War alles anders und ich hob zum Strand
die Augen, ging an Land
schob meinen Leib in harte Luft
und folgte Blüten, Moderduft.

Verlor den Halt der warmen Flut
Kroch in Gewalt der Sonnen Glut.
Begann den Lauf, der nirgend endet:
Hält nichts mehr auf, kein Elend wendet.

Darf mich mein enger Leib beschweren?
Einst schwamm ich frei in warmen Meeren.


Und dann: Aufrecht


Schmerzhaft Dein Knie gestreckt,
verlassen
der grünen Äste Gewimmel
in diesen azurnen Himmel
voll Schmerz den Arm gereckt.

So frei der Arm, frei für die Waffe,
die Stein war, oder Ast und Dir
vereint war, Du warst hier

und warst ein Gott, ein Affe
vielleicht ein fremdes Tier

Du hörst Dein Gewimmer
und willst Dich verstecken
doch Deine Klagen erschrecken
der goldenen Sterne Geflimmer.


Nicht Mensch: ein Zwerg


Schlammgeboren
Meine Wiege höhlentief
und ich schlief
traumverloren.

Goldne Stimme, die mich rief
schlammversunken
erdentrunken,
als ich schlief.

Öffnete mir Sucht und Sage
Glitzern, Glimmern, Sonnenlicht
kannte meine Höhle nicht

Trat zu Tage
kroch aus meiner Höhle tief
Daß ich nie mehr schlief


Intermezzo


Dann leuchteten die Augen grün
und blau im fremden Glanz, sie brachten
was unermeßlich schien
ein seltsames Umnachten:

Viel wirre Ohnmacht, ein Vergessen
das sonst nichts kennt auf dieser Welt
so fremd der Blick und das ermessen
hilft nichts. Kein Halt, der dieses hält.

Kein Halten. Nein, wir brachten
das Elend aus dem Fiebertraum
in diesen Raum
Umnachten.

und wußten nachher kaum
was wir getan im Fiebertraum.


Schlaflos


Millionen Jahre Furcht: Vergessen
kann ich das nicht, zu kurz die Zeit
der neuen Not und kein Ermessen
wohin das führt. Die Zukunft weit

und ohne Ziel, zerschmettert
die Brücke zur Vergangenheit.
Ein Sturm durchwettert
Millionen Jahre Zeit.

So schlaf ich nicht.
Hindämmernd auf der Brücke
der Gegenwart. Viel tausend Stücke
seltsamer Art, diffuses Licht

und doch ein Strahl: ich lebe Augenblicke
versunken in vergangene Geschicke.


Abschied


So dazuliegen, wie ein toter König,
drapiert auf meinen kalten Schild
das Schwert im Arm, ein wenig
ganz leise lächelnd: mild,

weil's doch vorüber ging. Vergangen
der eitle Wahn,
da bleibt mir kein Verlangen,
vollendet meine Bahn.

So dazuliegen. Wein doch Deine Träne!
die mir nie galt,
vergiß nicht, daß ich wähne:
die Welt ist kalt.

So dazuliegen: toter König,
der Rest gilt wenig.


Erwachen


Dieses Leben! Immer noch
in verlorener Gebärde
zu erwachen. Diese Erde!
Oder doch?

Strahlt Erlösung? Rettung bricht
aus dem Rausch in diesen Morgen?
Traum, vergebens. Woher borgen
die erforderliche Sicht

daß es lohne? Wo der Mut
wieder neu zu wachen?
Irres Lachen.

Sonnenglut:
Nimm mir die Beschwerde
dieser Erde.


De Profundis


Endloser Schmerz, den Deine Ferne
uns gab:
Warum die Nacht,
nachdem Du erst die goldne Pracht
uns zeigtest: Millionen Sterne?

die heller leuchteten, als jetzt
einjeder Blitz, den wir entzünden,
in seiner Flamme Dich zu finden:
so tief verletzt,

daß wir Dich, kämst Du wieder
noch einmal an den Balken schlügen,
weil wir Dein Strahlen nicht ertrügen.

Und traurig klängen unsre Lieder,
die wir Dir weinten in der Ferne:
Millionen Jahre ohne Sterne.


Fenris


Jahrtausende an diesem alten Knochen
herumzukauen, toten Kriegers Arm
das hält im Herzen Haß und Wüten warm
bis du die dritte Fessel auch zerbrochen.

In Sturm und Tosen spür ich deinen Harm.
Rot glüht das Feuer unterm Eisenkessel
zernagt von Wunden bricht die Zauberfessel
da lacht die harte Seele, reckt der Arm

von selbst sich nach des Schwertes rotem Knauf
greift tobend dumpfer Zeiten Götzen an
rot leuchtet Blut im dunklen Todeslauf.
Dein Tag, du starker Wolf bricht brausend an

laut grollend greifst du dein Vermächtnis auf
Die Schlange peitscht die Flut bergan.

Mehr kann ich nicht erkennen

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.11.2010

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