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Flohmarkt

Letzten Samstag haben wir uns einmal getraut. Wohnmobil gepackt mit all den Dingen dir nur unnütz rum stehen oder liegen. Um 5:30 aufstehen, eine unchristliche Zeit.
Wir fuhren zum Messegelände München Riem, dem ehemaligen Flughafen.
Nachdem wir unsere Standgebühr entrichtet hatten, wurde uns ein Platz zu gewiesen. Tische aufbauen und schon ging das dekorieren der Ware los.
Als erstes stellte meine Frau ihre alte Nachttopfsammlung auf den Tisch. Zum Teil Villeroy&Boch. Wir hatten sie einmal in Regensburg auf einem Flohmarkt erstanden. Als wir damals vollgepackt mit diesen edlen Teilen zu unserem Auto gingen, frugen uns Passanten ob wir keine Toilette zu Hause hätten. Meine Frau antwortete, dass wir sehr viele Bekannte aus dem Norden haben. Das sind Kaffeetassen für den Besuch. Alle haben schallend laut gelacht.
Das zur Geschichte der Nachttöpfe, wobei alle Dinge aus der Vergangenheit eine Geschichte haben. Manches traurig, vieles heiter. Schon während des Aufbaus waren schon die Schnäppchenjäger unterwegs. Flohmärkte haben ein eigenartiges Flair. Es ist wie auf einem orientalischen Basar. Die meisten Händler sind Ausländer, meistens Türken. Ich möchte besonders betonen, dass ich nicht ausländerfeindlich bin.
Ich liebe es, wenn türkische Mitbürger fragen“ Was kosten, ein Euro?“
Das Teil hat einen Wert von 10 Euro, was soll ich da sagen. Ich sage nur „Hajde, Hajde, gehma Hause.“
„ Was guckst du böse, isse Flohmarkt, musse ma handeln, vastehst du.“
Ich kann ja nicht wirklich böse sein, sie sind halt so.
Bei Flohmärkten liegt immer so ein leichter Geruch von Knoblauch in der Luft.
Ich liebe Knoblauch, nur nicht in der Früh um acht.
Türken sind Spezialisten im Verkauf von Elektroartikeln aller Art.
Auf die Frage ob die Geräte funktionieren, kommt die Antwort „ Hab isch alles bropiert, isch bin ährlische Türk, kannste misch glauben.“ Ich glaube alles.
Was es so alles zu kaufen gibt. Da liegen alte verrostet Eisenteile, echt antik neben Schrott der zum Alteisen gehört. Aber alles findet seinen Liebhaber.
Ich sage immer , Flohmarkt ist so als wenn du eine heiratsfähige Tochter hast.
Alle fassen an, wollen testen und fragen nach dem Preis, und nehmen sie dann doch nicht.
Das ist alde türkische Lampe. Beim näher betrachten findet man auf dem Boden klein eingraviert, Made in Taiwan. Man kann es ja probieren.
Ich liebe Stände an denen alles chaotisch sortiert ist. Wo man sich die Hände schmutzig macht von Rost und dem Geruch von alten Kellern. Manche Rarität ist da schon zum Vorschein gekommen.
Alle Nationalitäten sind vertreten, als Käufer oder Händler.
Ein Sprachwirrwar wie beim Turmbau zu Babylon. Eigenartig, dass Frauen alle Dinge die kleine Schubladen haben, diese auf und zumachen müssen, während Männer immer Messer die zum Verkauf auf dem Tisch liegen aus der Scheide ziehen.
Knöpfe jeglicher Art sind der Renner bei Frauen. Sie wühlen mit steigender Begeisterung in der Kiste und zahlen dann gerne ein paar Euro wenn sie fündig geworden sind. Am Nachbarstand waren alte elektrische Nähmaschinen zum Verkauf ausgestellt. Türkische Männer sind ganz wild darauf. Ich glaube dass das Handwerk des Nähens in der Türkei von Männern ausgeübt wird.
Manchmal wurde mir ganz schwarz vor Augen. Gruppen mit Afrikaner kaufen Elektrogeräte, ungeprüft ob die Dinger noch funktionieren. Alles ist Vertrauenssache.
Handeln macht mir großen Spaß. „Willst du misch kaputtmachen? Hab ich 2 Tochter die mussene heirade, musse isch Aussteuer bezahle.“
Ein Kunde den ich mit Grüß Gott begrüßte, erschrak und sagte „ Sie sprechen ja deutsch und sogar bayrisch.“ Wir konnten uns ein Grinsen nicht verkneifen.
Alles wird verkauft. Frauen stehen an Kleiderständern und vor Bergen von Kinderbekleidung. „ Isch gebe disch fünfzig Cent.“
Bei KiK kostet das Ding vielleicht einen Euro und ist neu. Naja, Hauptsache 50 Cent gespart.
Besonders Interesse fand unser Toilettenstuhl. Äußerlich sieht er aus wie ein normaler, altdeutscher Esstischstuhl. Mit gedrechselten Beinen, lederbezogene Sitzfläche und unterhalb der Sitzfläche mit Bommeln verziert.
Wenn man die Sitzfläche anhebt, erscheint eine Klobrille aus Kirschholz und eine Porzellanschüssel mit Deckel. Erstaunte Gesichter und schallendes Gelächter erfüllt die Luft.

Alle diese Dinge die zum Verkauf angepriesen werden, sind stumme Zeugen aus vergangener Zeit. Was würden sie uns erzählen wenn sie sprechen könnten. Die Puppe mit einem Arm, die einen erbarmt in ihrem jämmerlichen Zustand. Haben sich 2 Kinder um sie gestritten oder war es der Wutanfall eines kleinen Mädchens das sich langsam zu einer zickigen Frau entwickelt. Das alte Grammophon das ein melancholisches Lied aus seinem Schallrohr wimmert. Vielleicht hat sich nach dieser Musik ein verliebtes Paar im Kreise gedreht.
Dann kommt der Mann der sagt „ Wolle Rose kaufe?“
Der alte Teddy dessen Fell sich aufgelöst hat vom vielen Kuscheln.
Einsam eine alte Kloschüssel. Obwohl sie sauber ist glaube ich dass sie sehr viel durchgemacht hat, bzw. durchgemacht worden ist.
In einer alten Kiste liegen vergammelte Werkzeuge und einige total verrostete Nägel. Mich wundert dass sie nicht beschriftet sind mit Made in Golgatha.
Nichts ist unmöglich. Ich habe das Gefühl dass alles was alt ist auch automatisch teuer sein muss. Aus Teilen die aus der Altkleidersammlung stammen, werden Designerstücken, Unikate wie man mir erzählt.
Irgendwie ist alles liebenswert, sogar ausgetretene Schuhe finden ihren Käufer.
Auch alte Unterhosen die noch im Schritt offen sind, Liebestöter der Oma werden zu Verkaufsobjekten.
Bei Dingen aus der alten DDR hört man Stimmen „ Gugg emol, das hab’sch ooch emol gehobt, gennens mir een guden Preis mochen?“
Na gut, er soll es haben.
Leben und leben lassen ist die Devise. Kein Neid wenn der Nachbar mehr verkauft. Jeder Käufer hat das verdient was er kauft.
Wenn die Kundschaft zu unverschämt wird, wünschte ich mir einen Baseballschläger um Ihnen einen Scheitel zu ziehen. Aber das ist ja verboten.
50 Euro Umsatz, nicht die Welt, aber zu Hause hätte ich gar nichts. Gaudi hamma g’habt, g’froren hamma oba schee wars doch.

Bis zum nächsten Flohmarkt


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Texte: alle Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 16.03.2010

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