Jan Papperitz und Schlafmütze B.
Benni hatte Brot vom Bäcker geholt und radelte langsam und ein wenig missmutig nach Hause, denn er wusste nicht so recht, was er anfangen sollte. Freund Daniel war mit seinen Eltern unterwegs und die anderen Freunde hatten auch alle irgendetwas vor. Vor seinem Lieblingsbaum, einer alten riesigen Eiche, sprang Benni vom Rad und ließ sich in das Gras fallen. Langweilig war ihm, vielleicht sollte er den Vater bitten, mit ihm zum Schwimmen zu gehen? Ach, der hatte sicher wieder keine Zeit. Auch gut, dann würde er endlich mal sein Rad putzen, und sich danach mit dem Computer beschäftigen. Eigentlich blöd, bei dem schönen Wetter, aber was sollte es. Vor sich hin brummend wollte Benni aufstehen, da erschrak er, denn auf einmal huschte irgendetwas Rosafarbenes blitzschnell über den Weg und verschwand in den Büschen, die den Weg säumten. Schnell sprang er auf, um hinterher zu fahren, da hörte er plötzlich jemanden singen:
Peter Petereit,
tut ja sehr gescheit,
doch stellst du ihm nur eine Frage,
ist’s für ihn die größte Plage,
denn Peter Petereit,
ist alles andere als gescheit.
Peter Petereit
tut mir wirklich leid,
denn er geht zu keiner Schule,
hockt immer nur in seiner Kuhle,
und, kann das möglich sein,
sein bester Freund das ist ein Schwein.
Und nun tauchte zwischen den Bäumen ein unglaublich dicker Junge in einer Lederhose und mit einem Schulranzen auf dem Rücken auf, und einen zweiten hielt er in der linken Hand. In seiner rechten Hand befand sich ein ganzer Napfkuchen, in den er kräftig hineinbiss. Kauend kam er nun auf Benni zu und fragte mit vollem Mund:
„Wer bist du denn?“
„Ich bin Benni, und du?“ gab Benni zurück.
„Oh“, lachte der dicke Junge, „ich bin Jan Papperitz und denke schneller als der Blitz.“ Er stopfte sich den Rest des Kuchens in den Mund und machte eine bedauernde Bewegung.
„Tut mir leid, Benni, ich hätte dir gerne etwas von meinem Kuchen abgegeben, aber du siehst, er ist schon alle. Es war ja auch nur ein klitzekleiner Napfkuchen, und mein Hunger ist immer noch sehr groß. Kann ich ein Stück von deinem Brot haben? Frisches Brot esse ich nämlich für mein Leben gern.“
„Nee“, lachte Benni, „das tut mir leid, aber wer einen ganzen Kuchen verdrückt hat, braucht kein Stück Brot mehr, und außerdem wartet meine Mutter darauf. Aber was machst du hier überhaupt, um diese Zeit sind die Schulen doch längst geschlossen. Und wieso hast du zwei Schulranzen?“
„Ach, du liebe Zeit, jetzt habe ich ganz vergessen, dass ich Frieder, das Schwein suchen muss“, lachte Jan Papperitz.
„Frieder das Schwein?“ fragte Benni verwundert, „warum suchst du ein Schwein?“
„Weil es weggelaufen ist, und nun hockt Peter Petereit in seiner Kuhle und kommt nicht heraus, sondern heult, dass einem Hören und Sehen vergeht. Dabei hatte er versprochen, heute endlich mit zur Schule zu kommen, um sich wenigstens einmal alles anzusehen.“ Jan nickte ein wenig betrübt mit dem Kopf.
„Wer ist Peter Petereit und was hat das Schwein damit zu tun?“ wollte Benni wissen und schaute sich den dicken Jan Papperitz genauer an. Eigentlich sah der recht hübsch aus mit seinen großen dunklen Kulleraugen und dem weißblonden Haar. Die Lederhose, die er trug, war so groß, dass Benni auch noch mit hinein gepasst hätte, und sein Hemd war ebenfalls ziemlich weit geschnitten und über und über mit lustigen Spielsachen bedruckt. Es war so weit, dass es wie ein Ballon auseinander ging, als jetzt ein Windstoß hineinblies.
„Gefällt dir mein Hemd?“ freute sich Jan Papperitz, „soll ich dir mal was zeigen? Ich kann jeden Gegenstand, der auf meinem Hemd ist, heraus zaubern.“
„Oh, wirklich?“ staunte Benni, aber da tauchte auf einmal ein heulender Junge in ziemlich zerlumpten Kleidern auf.
„Ach, Jan, wenn nun meinem Frieder etwas passiert ist, du wolltest ihn mir doch zurück bringen“, jammerte er, während dicke Tränen aus seinen Augen tropften. Und dann staunte Benni noch mehr, denn hinter dem zerlumpten Jungen tauchten plötzlich ganz viele Kinder auf. Als sie Jan Papperitz sahen, sangen sie im Chor:
Jan, Jan, Jan,
ist ein Wundermann,
mischt die Karten wie ein Großer,
zaubern kann auch ganz famos er,
zieht von Land zu Land,
allen Kindern wohlbekannt.
Jan, Jan, Jan,
fang doch endlich an.
Sieh doch, wie wir alle warten,
wann mischst du die Zauberkarten?
Mach doch nicht so lang,
fang lieber endlich an.
Jetzt umringten die Kinder den dicken Jan Papperitz, doch der zerlumpte Junge begann laut zu heulen:
„Nein, nein nein“, rief er, „erst musst du mir meinen Frieder herbei schaffen, du hast es versprochen.“
„Jawoll, ich habe es versprochen, und was Jan Papperitz verspricht, das hält er auch. Ich habe eine Idee, wenn du, Peter Petereit, von morgen an frisch gewaschen und gekämmt und in ordentlicher Kleidung zur Schule gehst, suchen wir Frieder, und danach gebe ich für euch alle die beste Vorstellung, die ich je gemacht habe. Nun, was sagst du, kannst du das versprechen?“
„Wenn ich meinen Frieder wieder bekomme verspreche ich alles was du willst. Also gut, ab morgen gehe ich gewaschen und gekämmt regelmäßig zur Schule.“
„Na, prima“, lachte Jan, „dann wollen wir mal, das heißt, du darfst es nicht nur versprechen, sondern musst es auch halten, ist das klar?“ Er hielt Peter Petereit die Hand hin.
„Aber sicher“, lachte der, „auch Peter Petereit hält immer, was er verspricht.“
„Na, wunderbar. Kommt Kinder, ihr könnt jetzt sehen, wie Jan Papperitz Frieder, das Schwein herbeizaubert, und danach gehen wir zu Peters Kuhle und die große Vorstellung beginnt. Was mag dein Schwein denn am liebsten?“
„Frisches Brot“, sagte Peter, „aber wo sollen wir denn auf die Schnelle frisches Brot her bekommen?“
„Mm, frisches Brot esse ich auch für mein Leben gerne“, lachte Jan Papperitz und schaute zu Benni hinüber.
„Ich denke, du kannst zaubern“, meinte Benni und hielt sein Brot ganz fest, „dann zaubere dir doch ein frisches Brot.“
„Ach, komm schon, Benni, du bist doch sicher nicht geizig. Ich zaubere nachher, aber jetzt brauche ich erst einmal dein Brot.“ Bittend schaute Jan Benni an, da rief eines der anderen Kinder:
„Nun mach schon, Benni, gib es Jan. Seine Vorstellung ist so toll, da kann man ruhig so ein Brot opfern.“
„Na gut“, sagte Benni und reichte es Jan, „aber nachher muss ich ein Neues kaufen.“
„Warte es ab, nette Kinder werden meistens belohnt“, freute sich Jan, roch an dem Brot, brach ein kleines Stück ab und schob es sich in den Mund.
„Jetzt passt auf“, rief er dann und begann laut zu singen:
Frisches Brot, frisches Brot,
wer es hat kennt keine Not,
Frieder, Frieder komm geschwind,
hierher wo die Kinder sind.
Zur Schule geht nun allezeit,
unser Peter Petereit.
Kaum hatte er zu Ende gesungen, da knackte es laut im Unterholz und ein dickes rosa Schwein schoss grunzend daraus hervor.
„Oh, Frieder, da bist du ja endlich“, freute sich Peter, lief zu seinem Schwein und umarmte es.
„Wie hast du das gemacht?“ wollte Benni wissen, da nahm Jan ihn beiseite und sagte leise:
“Peter wollte heute wieder nicht mit zur Schule kommen, da habe ich Frieder gesagt, er solle weglaufen und erst wiederkommen, wenn ich ihn rufe.“
„Dann war das also nur ein Trick, um Peter zur Schule zu bekommen?“
„Na, klar“, lachte Jan Papperitz, „was glaubst du, wie viel Tricks man manchmal anwenden muss, um Leute zu ihrem Glück zu zwingen.“
„Glück?“ fragte Benni zweifelnd, „meinst du wirklich, dass Schule Glück für uns Kinder ist?“
„Oja, das meine ich, und spätestens, wenn du groß bist, wirst du es auch für Glück halten“, sagte Jan und zwinkerte vergnügt.
„Igitt, jetzt redest du wie die Erwachsenen“, lachte Benni und schüttelte sich in komischem Entsetzen, denn Jan hatte inzwischen das ganze Brot verdrückt, „wie kann man nur ein ganzes Brot hinter einem ganzen Napfkuchen verschlingen?“
Jan lachte fröhlich.
„Weißt du Benni, ich bin der klügste Junge der Welt, und damit ich das auch bleibe, muss ich verflixt viel essen. Außerdem habe ich einfach immer Hunger.“
„Der klügste Junge der Welt?“ Benni schaute Jan zweifelnd an, „der dickste bist du sicher, aber auch der klügste?“
Jan nickte heftig mit dem Kopf und sagte dann:
„Los Kinder, nun kommt, meine Vorstellung beginnt gleich, und dann beweise ich Benni, dass ich wirklich das klügste Kind der Welt bin. Du wirst dich noch wundern, Benni.“
Eilig rannte er los und die anderen liefen flugs hinterher. Und dann waren sie an einer großen Sandkuhle, in deren Mitte eine kleine Hütte stand.
„Da wohnt Peter Petereit“, sagte Jan und sprang den sandigen Abhang hinunter, und alle Kinder rollten sich lachend und kreischend hinterher, bewarfen sich gegenseitig mit dem feinen Sand, bis sie wie Schneemänner aussahen und kaum noch Luft bekamen.
Jan Papperitz hatte inzwischen mit Peter Petereit eine wackelige Bretterbühne aufgebaut.
„Komm, Benni, hilf uns bei den Kisten“, rief er. Benni klopfte sich den Sand aus den Sachen und lief neugierig zu Jan und Peter. Und dann hievten sie gemeinsam zwei bunt bemalte Kisten auf die Bretter.
„Da ist ein wahrer Schatz drin“, flüsterte Peter Benni zu, „das sind nämlich Jans Zaubersachen, einfach toll, was der alles hat.“
„Und wie transportiert er die Sachen? Die sind doch ziemlich schwer, also kann er sie nicht auf dem Rücken tragen.“
„Natürlich nicht“, lachte jetzt Jan, der das gehört hatte, „sieh mal da drüben, Benni, da steht mein Wohnwagen und mein Esel steht davor und pennt mal wieder. Der ist aber auch immer müde. Darum nenne ich ihn auch Schlafmütze B.“
„Schlafmütze B.? Ein ulkiger Name für einen Esel“, lachte Benni.
„Na, ja, in Wirklichkeit heißt er Bruno, weil er nämlich nicht grau wie die meisten Esel ist, sondern ein braunes Fell hat. Schlafmütze B. ist nur sein Spitzname... Aber jetzt geht es los“, schrie er plötzlich laut, „alle Kinder Platz nehmen.“ Die Kinder ließen sich rund um die kleine Bühne in den feinen weißen Sand fallen und schauten gespannt zu Jan Papperitz, der jetzt sein Hemd aus der Lederhose zog, so dass es wie ein langer Kittel um ihn herum flatterte, und dann setzte er sich noch einen riesigen Zylinder auf den Kopf, an dem alle möglichen Figuren und Spielsachen befestigt waren.
„Benni, such dir ein Spielzeug von meinem Hemd aus, ich werde dir jetzt beweisen, dass ich der klügste Junge der Welt bin, weil ich dir genau den Gegenstand herbei schaffen werde, den du dir wünschst“, rief Jan Benni zu.
Benni schaute sich Jans Hemd genau an und wünschte sich ein kleines Holzpferdchen, und sofort war in dem Riesenhemd ein Loch und zwar genau an der Stelle, an der das Pferdchen gewesen war. Benni traute seinen Augen nicht, da rief Jan vergnügt:
„So, das war erst eine Kostprobe, nun geht es richtig los. Was soll es jetzt sein?“
Benni dachte an den bunten Ball auf Jans Hemd, und kaum war der Gedanke zu Ende gedacht, hielt Jan den Ball in der Hand. Benni wünschte sich ein Auto, Jan zauberte das Auto herbei. Eine Puppe, eine Mundharmonika, eine Trompete und eine Spieluhr folgten, und so ging es Schlag auf Schlag, bis Jans Riesenhemd nur noch aus Löchern bestand, und sich um ihn herum ein riesiger Spielzeugberg auftürmte.
„So, jetzt ist Schluss, kommt Kinder, jeder sucht sich aus, was er haben möchte, Benni zuerst.“ Jan zog das löcherige Hemd aus und warf es auf eine Kiste. Benni war ganz verwirrt und stand staunend da.
„Nun, Benni, was gefällt dir am besten?“ wollte Jan wissen. Am besten gefiel Benni immer noch das Holzpferdchen, und schwupps, hatte er es in der Hand. Und dann fiel ihm ein, dass er doch lieber die kleine Puppe wollte, weil seine kleine Schwester ja morgen Geburtstag hatte, und hastenichtgesehen lag auch die Puppe in seiner Hand. Benni war plötzlich ganz komisch zu Mute, und während die anderen Kinder sich nun lärmend über die restlichen Spielsachen hermachten, ließ er sich einfach auf den Boden fallen, denn um ihn herum drehte sich alles.
„Wo bekomme ich denn nun ein neues Brot her?“ dachte er noch, da war er auch schon eingeschlafen.
Als Benni aufwachte, war es später Nachmittag. Erstaunt sprang er hoch, na so was aber auch, wieder einmal war er unter seiner Lieblingseiche eingeschlafen. Ob der Baum irgendwie verzaubert war? Suchend schaute er sich um, wo waren denn Jan, Peter und die anderen Kinder? Hatte er das alles etwa nur geträumt? Doch da sah er das Holzpferdchen im Gras liegen und ein frisches Brot lag da ja auch, und in seiner Hand hielt er die kleine Puppe. Trotzdem schade, denn er wusste ja gar nicht, wie er Jan Papperitz wieder sehen konnte. Doch was war das? An dem Holzpferdchen hing ein kleiner Zettel, darauf stand:
„Bis bald, Schlafmütze B. (B. wie Benni)!!“
Da schwang sich Benni lachend auf sein Fahrrad, hatte er ein Glück, dass er Jan Papperitz, Peter Petereit und die anderen Kinder getroffen hatte. Und vielleicht dauerte es nicht lange, und er würde alle wieder sehen?
Tag der Veröffentlichung: 22.05.2011
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