Der karierte Papierkorb
In Maries Besitz ist ein karierter Papierkorb, dessen Herkunft sie einfach nicht ergründen kann. Bereits mehrmals hat sie ihn entsorgen wollen, doch jedes Mal fallen ihr Geschichten ein, die mit diesem Korb, (eigentlich ist es kein Korb, sondern eher ein Papiereimer) in Verbindung stehen.
Zum Beispiel diese:
Maries Mann war selbständiger Handelsvertreter und stellte sowohl im Frühjahr als auch im Herbst auf diversen Messen seine Kollektionen vor, auf denen auch Maries Anwesenheit erwünscht war.
Hauptsächlich zum Kaffee kochen und bewirten der Geschäftsfreunde.
So fand unter anderen zweimal jährlich eine mehrtägige Messe in der Gütersloher Stadthalle statt. Dort mieteten sie zusammen mit einem Vertreter für Damen- Strickwaren einen Raum, zu dem eine kleine Küche gehörte.
Natürlich war auch die Frau des Kollegen anwesend.
Marie packte nun am Tag vor der Messe alles zusammen, Einweg- Kaffeegeschirr, Plastik- Bestecke, Servietten, Becher, Kaffee, Milch, Zucker, Säfte und was so alles gebraucht wurde. Und nicht zuletzt Mülltüten, die sie in dem karierten Papierkorb verstaute.
Auf dem Messestand angekommen, stellte sie alle Sachen auf die Seite ihrer Küchenhälfte, und versah den so genannten Papierkorb zusätzlich mit einer Mülltüte, da später Kaffeefilter und gebrauchtes Geschirr in ihm landen würden. Einen großen blauen Müllsack konnte sie des Abends vor die Tür legen, den nahm das Reinigungspersonal dann mit.
Soweit so gut, die Frau des Kollegen ihres Mannes packte etwas später ihre Sachen in der anderen Hälfte der kleinen Küche aus, und erschien Marie ziemlich wortkarg, auch lächelte sie kaum, so dass Marie mehr und mehr verstummte. Allerdings kam sie immer wieder in Maries Hälfte und warf mit unfreundlichem Gesichtsausdruck ihren Abfall in den karierten Papierkorb.
Marie entnahm dann mehrmals die volle Mülltüte und gab dann jeweils eine neue in das Behältnis. Am Abend war dann eine große blaue Mülltüte voll, die sie, wie bereits erwähnt, abends vor die Tür legte.
Als sie am nächsten Morgen zur Messe kamen, war der Kollege mit Frau bereits anwesend, und Marie staunte, denn ihr karierter Mülleimer stand nun in der Küchenhälfte des Kollegenpaares.
Marie grinste und ging nun während des Tages in deren Hälfte, um den Abfall loszuwerden. Sie fand das alles komisch, sagte aber nichts, auch nicht zu ihrem Mann.
Am nächsten Morgen holte Marie den Eimer wieder in ihre Ecke, denn an dem Tag war sie vor den anderen da.
Als sie im Laufe des Tages einmal zur Toilette ging, stand der Eimer wieder bei der Kollegenfrau.
Marie lachte und meinte dann lakonisch, man könne doch den Eimer in der Mitte platzieren. Gesagt getan, das Lächeln der Dame wirkte jedoch wie eingefroren.
Am letzten Abend nun, das Einpacken aller Sachen, der Kollektionen eingeschlossen, dauerte immer recht lange, war endlich alles verstaut, da rief Maries Mann, der mit vollen Händen der Küche einen letzten Rundumblick gönnte:
„Schatzi, du hast Deinen Mülleimer vergessen.“ Marie ging zurück, da sagte die Frau des Kollegen erstaunt:
„Sagen Sie bloß, das ist Ihr Mülleimer?“
Marie nickte lachend und von da an waren die Beiden recht gut befreundet.
Wenn Marie heute darüber nachdenkt, muss sie immer noch schmunzeln, aber sie weiß auch, heute würde sie anders handeln. Gleich ein Thema ansprechen, aber als junge Frau...
Aber ihren Eimer behält Marie, sie hat ihn eben feucht abgewischt und er sieht wieder aus wie neu. Wenn sie bloß wüsste, wie und wann er in ihre Familie gekommen ist.
Texte: (c) by rosenjule
cover by rosenjule
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2011
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