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„Nicht zu Hänschen, gleich zu Hans“...


Marie und einige Damen ihrer Schreibgruppe haben eine sogenannte Patenschaft für den alten Friedhof übernommen. Das heißt, sie opfern je nach Wetterlage zwei bis drei Mal pro Monat jeweils zwei Stunden ihrer Zeit und rücken mit Hacken, Harken und Pieksern bewaffnet sowohl dem Unkraut als auch den Abfällen zu Leibe, die freundliche Mitmenschen achtlos weggeworfen haben.
Mehrere große gefüllte Abfallsäcke werden danach von Mitarbeitern des Bauhofs abtransportiert. Die Arbeit macht den ehrenamtlichen Paten nicht nur Spaß, sondern ist zum Teil auch recht mühevoll, das Ergebnis aber erfreut sie jedes Mal aufs Neue.
Kürzlich nun kehrten sie nach getaner Arbeit zu ihren Autos zurück, die sie in der Nähe des Friedhofes abgestellt hatten, (der Chef des Bauhofes hatte ihnen erlaubt, sie für die Zeit der Arbeit dort zu parken) und fanden Strafzettel an den Windschutzscheiben beider Wagen vor. Natürlich empörten sie sich darüber, schließlich mussten sie ja die Gerätschaften irgendwie transportieren, und beratschlagten, was sie dagegen unternehmen könnten.
„Wir gehen zum Rathaus“, sagte die Eine. „Oder zur Polizei“, meinte eine Andere.
„Die kann uns auch nicht helfen“, bremste die Nächste, „am Besten, wir gehen gleich zum Bürgermeister.“ „Genau“, stimmten die anderen begeistert zu, „wir gehen nicht zu Hänschen, sondern gleich zu Hans, das ist das Richtige.“
So stiegen also vier Damen, verstaubt, mit schmutzigen Händen und nicht sehr ordentlichen Frisuren in ihre Autos und fuhren zum Rathaus. Dort stürmten sie in das Vorzimmer des Bürgermeisters und begehrten ihn zu sprechen. Die beiden Vorzimmerdamen starrten sie entgeistert an, und befanden, dass das unmöglich sei, sie würden ihnen aber gerne einen Termin geben; für nächste Woche oder so.
„Wir wollen keinen Termin, wir wollen den Bürgermeister sprechen, und zwar jetzt“, beharrten die vier entrüsteten Damen.
„Das ist nicht möglich“, bekamen sie zur Antwort, „der Bürgermeister ist in einer Besprechung.“
„Dann warten wir, bis die Besprechung beendet ist, zwei Minuten Zeit, mehr wollen wir gar nicht.“
„Also gut“, resignierte eine der Sekretärinnen vor soviel geballter Frauenpower, „nehmen Sie bitte draußen Platz, ich werde sehen, was ich tun kann.“
„Einverstanden“, die Friedhofspatinnen nahmen im Flur Platz und was geschah? Nach etwa zwanzig Minuten wurden sie von einer sehr freundlichen Vorzimmerdame ins Allerheiligste gebeten, brachten in Windeseile ihrem Bürgermeister ihr Anliegen vor, und was machte der? Er lachte, ließ sich die Strafzettel aushändigen und versprach, sich darum zu kümmern und außerdem zu veranlassen, dass der Chef des Bauhofs ihnen für das nächste Mal Parkerlaubnisscheine ausstellen würde. Binnen weniger Minuten waren unsere Damen wieder draußen und verließen zufrieden das Vorzimmer.
Später allerdings mussten sie herzhaft lachen, denn als sie sich gegenseitig genauer betrachteten, wurde ihnen klar, weshalb die Vorzimmerdamen so entgeistert geschaut hatten, sie sahen nämlich alle vier ein bisschen wie gerupfte Hühner aus, verschmutzt wie sie waren, dazu in alten Jeans und schlabbrigen Shirts!!
Wie auch immer, die vier Damen waren jedenfalls ganz begeistert, denn, so befanden sie, ihr Bürgermeister hatte sich wirklich als „bürgernah“ erwiesen.


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Texte: copyright by rosenjule
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2010

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