Früher, als ihr Mann noch lebte, sah Marie selbstverständlich nur informative Sendungen und anspruchsvolle Berichte oder Filme im Fernsehen,
doch je älter sie wird, desto mehr liebt sie es, zum Ausklang des Tages Heiteres, Besinnliches oder gar „Leichtes“ zu sehen. Letzteres bis vor wenigen Jahren jedoch nur „heimlich“, niemals hätte sie das vor anderen zugegeben.
Doch heute spricht sie ungeniert darüber, dass sie sich Filme von Pilcher, Lindström usw. anschaut, denn heute ist Marie ja auch älter und reifer geworden, und schert sich nicht sehr darum, was andere sagen. Denn, schaut sie am späten Abend Nachrichten, kann sie nicht einschlafen, schaut sie irgendwelche überaus wichtigen Dokumentationen, kann sie nicht einschlafen, schaut sie anspruchsvolle Reportagen, kann sie ebenfalls nicht einschlafen, sieht sie dagegen „Im Tal der wilden Rosen“, o.ä. schläft sie schnell und ruhig ein, weil sie sich nicht aufregen muss, denn in diesen Streifen läuft alles nach dem gleichen Schema, nämlich:
Zu Beginn fast aller dieser Filme sind zwei Menschen miteinander verbandelt. Im Laufe der Handlung verliebt sich dann einer der Beiden in einen Anderen, bzw. in eine Andere. Zunächst sind die Neuverliebten glücklich, dann meldet sich das schlechte Gewissen, weil sie ja den bisherigen Partner nicht kränken wollen. Und dann entpuppt sich gerade der als sehr verständnisvoll, und gibt den Anderen großherzig frei, eine letzte innige Umarmung soll die Trennung besiegeln, und just in dem Moment kommt der neue Liebende um die Ecke und zack, die erste Krise ist da..
Doch welch ein Glück, es klärt sich kurz vor Schluss noch alles auf. Puh, Ende gut, alles gut, Schlaf gesichert.
Aber irgendwie ärgert sich Marie, dass den Schreiberlingen nicht endlich mal etwas anderes einfällt. Sei es wie es sei, sie schaut sich dennoch den Quatsch immer wieder an, von wegen der Entspannung!!!
Kürzlich nun wollte Maries längst erwachsene Tochter wissen, was ihre Mutter denn so am liebsten guckt, wenn sie denn guckt.
Marie lachte und gestand, dass Pilcher und Co am Abend ihre bevorzugten Fernsehsendungen seien. Und was sagte die Tochter? Dass auch sie sich nach anstrengendem Tagwerk am liebsten von unkomplizierten Sendungen berieseln lasse, bei denen sie nicht groß nachdenken muss, sondern die sie einfach nur unterhalten.
Marie war freudig überrascht, dass die Tochter keine Schwierigkeiten hatte, das zuzugeben.
Als Marie in ihrem Alter war, hat sie derartiges lieber verheimlicht.
Als sie ihr gerade zu ihrer Offenheit gratulieren wollte, meinte die Süße mit einem Augenzwinkern:
"Aber bitte, Mami, erzähle das niemandem."
Texte: copyright by rosenjule
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2010
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