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Marie nimmt Abschied


Maries Mutter wurde nur dreiundfünfzig Jahre alt, der Vater neunundsechzig, und Maries einziger Bruder folgte den Eltern im Alter von nur 49 Jahren. Es war ein langer Leidensweg, den der Kranke zu gehen hatte, und Marie begleitete ihn nicht nur bis zu seinem letzten Atemzug, sondern versprach ihm auch die Erfüllung seines letzten Wunsches, nämlich, in der Grabstelle der Eltern beigesetzt zu werden.
Mehr als zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, und nun steht Marie vor der Entscheidung, das Grab für weitere fünf Jahre zu kaufen, oder es einebnen zu lassen. Ihr Herz sagt kaufen, ihr Verstand und ihr Geldbeutel sagen nein, denn da sich das Grab in einer kleinen Stadt in der Nähe von Düsseldorf befindet, trägt sie natürlich auch die Kosten für die Grabpflege.
Marie hätte nie gedacht, dass eine solche Entscheidung so schwer sein kann. Seit etwa vierzig Jahren ist dieses kleine Stück Erde im Besitz ihrer Familie, und immer ist es für sie eine Art Zufluchtsort gewesen, so sieht sie sich als junge Frau auf der Bank dieses Friedhofs sitzen, unzählige Apfelsinen essend, und der Mutter erzählend, dass sie Großmutter wird. Sie geht mit Vater, Bruder und ihrer kleinen Tochter zum Grab der Mutter, sie sieht die Bilder der Beerdigungen sowohl der Eltern als auch des Bruders, sie fährt mindestens einmal im Jahr dorthin, und hat jedes Mal das Gefühl, sie sei nach Hause gekommen, und nun soll das vorbei sein?
Von diesen Gedanken geplagt, setzte Marie sich am Todestag der Mutter in ihr Auto, und fuhr zu dem 180 Kilometer entfernten Friedhof, um ihre Lieben zu besuchen. Dort angekommen, stand sie heulend am Grab, erzählte ihnen von ihrem Kummer, und hatte das Gefühl, dass sie sich endgültig von ihnen verabschieden musste. Das tat sie dann auch, und trat ein wenig getröstet die Heimreise an.
Wenige Tage später sprach sie mit einer Freundin darüber, dass sie immer noch traurig sei, da hatte die Bekannte eine wunderbare Idee.
„Ich habe einen Findling im Garten“, sagte sie, „der bekommt einen Platz in deinem Garten, und du machst ihn zu deinem Eltern- Bruder- Erinnerungsstein, so hast du weiterhin einen Platz, an dem du mit deinen Lieben sprechen kannst.“
Marie ist begeistert und dankbar, nicht nur von der Idee, sondern hauptsächlich darüber, dass sie so gute Freunde hat, und traurig ist sie nun auch nicht mehr, das heißt, nur noch ein kleines bisschen!
Und der Findling? Nun der hat einen Platz zwischen den Rosen gefunden und darauf sitzt nun ein steinerner Wichtel umrahmt von ebendiesen Rosen und freut sich mit Marie.

Impressum

Texte: copyright by rosenjule
Tag der Veröffentlichung: 11.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meinen Eltern und meinem Bruder gewidmet

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