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Marie mag Hunde, doch sie hätte nie gedacht, dass sie eine Vorliebe für Pudel entwickeln würde. „Pudel sind doch keine Hunde“, dieses oder ähnliche Vorurteile hatte sie klammheimlich mit anderen „Pudelnichtliebhabern“ geteilt.
Ja, und dann war sie zu Besuch in Kanada. Drei Wochen lang durfte sie Land, Leute und Pudel kennen und lieben lernen.
Da war zunächst Chloe, eine pechrabenschwarze, junge Pudeldame. Eigenwillig, temperamentvoll und intelligent war dieses Wesen und verstand sogar deutsch auf Anhieb.
„Wo ist der Ball?“ wollte Marie wissen, und schwupps, rannte Chloe los und kam tatsächlich mit dem Ball zurück.
Und dann gab noch es Percy, Nichte Hollys zweiten Pudel, weiß, klein, zart und sehr liebebedürftig. Wann immer sich die Gelegenheit bot, hopste er auf Maries Schoß und machte es sich dort gemütlich.

Maries Nichte, die einmal pro Woche mit ihrem Mann herrenlose Hunde aus einem Tierheim spazieren führt, hatte ihn eines Tages in ebendiesem Heim entdeckt, und das kleine abgemagerte Hundevieh sofort in ihr Herz geschlossen. Zum Leidwesen ihres Mannes, dem ein Hund völlig reichte.
Wie auch immer, Holly hatte ihn zur „Probe“ mitgenommen und natürlich behalten. Über die Vorbesitzer war nur soviel bekannt, dass sie den kleinen Kerl aus irgendwelchen Gründen nicht hatten behalten können.
So machte nun Marie mit Holly und den beiden Hunden ausgedehnte Spaziergänge am Lake Huron in Sarnia und träumte insgeheim davon, Percy im Handgepäck mit nach Deutschland nehmen zu können.
Und dann kam dieser Mittwoch, wie üblich liefen sie bei strahlendem Wetter über die Seepromenade, die in unregelmäßigen Abständen mit Picknickbänken bestückt war, als plötzlich eine etwas schrille Frauenstimme „Peachy, Peachy, my Peachy“, schrie. „Wer heißt denn wohl Pfirsich?“ lachte Holly und schaute ebenso erstaunt wie Marie auf Percy, der stocksteif stehen geblieben war. Von einer der Bänke sprang eine Frau auf, rannte zu Hollys kleinem Hund und hob ihn hoch. Mit Tränen in den Augen redete sie heftig auf Percy ein, der das alles eher gelangweilt über sich ergehen ließ, sein Blick ruhte nur unverwandt auf Frauchen Holly.
Doch dann geschah es, die Frau setzte den kleinen Kerl wieder auf die Erde, und was machte „Pietschi?“ Er rannte zu seinem ehemaligen Herrchen, das noch auf der Bank saß, hob sein kleines Beinchen und ein unglaublicher Strahl traf dessen Hose. Wie erstarrt standen alle daneben und sahen, wie das Wasser langsam in den linken, blank geputzten Schuh des Mannes tropfte. Marie fing sich als erste.
„Die Rache des kleinen Hundes“, lachte sie schadenfroh, und obwohl sie es in deutscher Sprache sagte, schien es jeder zu verstehen.
„Ja, mein Mann hat ihn in das Heim gebracht, und das hat „Pietschi“ ihm wohl nicht verziehen“, murmelte die Frau. Und „Pietschi?“ Nun, der stand bei Frauchen Holly und schaute gelangweilt der allgemeinen Aufregung zu.
„Pudel haben eben Charakter“, dachte Marie, und konnte sich nicht erinnern, irgendwann in vergangenen Tagen Pudel nicht gemocht zu haben.


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Texte: copyright by rosenjule
Tag der Veröffentlichung: 14.12.2009

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