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Wann immer ich ein Formular ausfüllen muss und auf die Frage stoße:
„Welchen Beruf üben Sie aus“, ergreifen mich schreckliche Minderwertigkeitsgefühle, „Hausfrau“ muss ich nämlich an diese Stelle setzen. Am liebsten würde ich gleich das Wörtchen „nur“ hinzufügen.

„Der arme Wolfgang muss so schwer arbeiten“, sagt meine Schwiegermutter voller Mitgefühl bei jedweder Gelegenheit und ein feuchter Schimmer in ihren Augen unterstreicht dieses Mitgefühl.

„Der arme Wolfgang“, ist selbstständiger Handelsvertreter und liebt seinen Beruf und seine Kunden über alles, er ist mit Leib und Seele Kaufmann. Wenn er in der Zwischensaison ein paar Tage nicht zu reisen braucht, wird er schon ganz kribbelig. Ohne Kollektion macht er dann „Stippvisiten“ bei seinen Kunden, „Zur Kontaktpflege“, wie er sagt.
Ich mache mir darüber meine eigenen Gedanken, enthalte mich jedoch wohlweislich jeglichen Kommentars.

Von mir sagt niemand „Die arme Marie muss soviel arbeiten“, im Gegenteil, als ich kürzlich wegen unangenehmer Schmerzen in der Herzgegend und im linken Arm unseren Hausarzt aufsuchte, der totale Überforderung diagnostizierte und mir dringend Erholung empfahl, was sagte da meine liebe Schwiegermutter, die bei meiner Rückkehr zu Besuch war, mit hochgezogenen Augenbrauen und lang gezogenem Uuuu: „Duuu, wovon denn?“

Mein liebes Wölfchen nahm mich zwar liebevoll in den Arm, aber manchmal habe ich das Gefühl, er denkt auch so.

Kein Mensch verliert ein Wort über die Dinge, die ich tue. Habe ich jedoch, aus welchen Gründen auch immer, irgendetwas nicht erledigt, höre ich Sätze wie: „W I R müssten auch mal wieder saugen,
oder eigentlich wollte ich das gestreifte Hemd anziehen, das ist wohl noch nicht gebügelt, und die blaue Hose ist immer noch in der Reinigung?“ Dabei habe ich sie gestern erst hingebracht.

Na ja, und manchmal geht mir einfach der Hut hoch, wenn ich diese gönnerhaften Mienen meiner Männer sehe, wie sie viel sagende Blicke tauschen ob ihrer etwas rappeligen Ehefrau und Mutter, die ja nichts auszustehen hat, und dennoch manchmal so hibbelig ist. Oder wenn meine Tochter, die es ja eigentlich besser wissen müsste, da sie selbst Mutter von zwei Kindern ist, in Anbetracht der Tatsache, dass ich momentan nicht berufstätig bin, fragt:
„Ach, tust Du im Moment gar nichts, Mami?“
„Stell dir vor, ich tue im Moment gar nichts“, gebe ich dann seelenruhig zur Antwort.
Nur in Gedanken füge ich hinzu: Ich tue halt die üblichen Dinge, als da sind: Waschen, putzen, einkaufen, kochen, aufräumen, bügeln, Fenster putzen, Betten beziehen, Unkraut jäten und führen der Geschäftsbücher meines selbstständigen Mannes.
Ferner fahre ich zur Bank, zum Optiker, wenn meinem Sohn mal wieder irgendetwas den Bügel von der Brille gerissen hat, ich kaufe Schulsachen, schreibe Entschuldigungen, bringe Aufträge zur Post, besorge, angefangen bei Socken über Tag- und Nachtwäsche bis hin zu Blazern alles, was die Herren benötigen, tausche bei Nichtgefallen alles wieder um, und wundere mich heimlich, dass ich keine Schuhe heran schaffen muss.
Dann mache ich Geschäftstermine für meinen Mann, Arzttermine für meinen Sohn, fahre letzteren zu diesen Terminen und harre manchmal stundenlang mit ihm in Wartezimmern aus.
Bei Bedarf helfe ich Freunden in deren Geschäft aus, bringe Kunden zum Bahnhof oder hole sie ab, schaffe Expressgut nach Hause, nehme telefonische Bestellungen auf und gebe sie weiter, bringe Musterteile zu Kunden und stehe meinem Mann bei diversen Messen hilfreich zur Seite. Puh!!!

„Du hast ja keine Ahnung, wie anstrengend Schule ist, Mami“, sagt mein Sohn Oliver. Nee, ich habe keine Ahnung, ich liege ja auch während des ganzen Tages nur dumm herum und langweile mich. Der arme Junge hingegen muss zu allem Überfluss auch noch wahnsinnig viele Hausaufgaben erledigen. Merkwürdig, dass er diese Wahnsinnsarbeit immer in so kurzer Zeit bewältigt.

Und wenn ich gerade fertig bin und mein Sohn tapst mit schmutzigen Schuhen durchs Wohnzimmer, und ich wage zu meutern, was höre ich dann?

„Du brauchst dich doch nicht zu beklagen“, sagt mein Herr Sohn dann mit der Überheblichkeit seiner knapp 18 Jahre, „du hast dir diesen Job doch ausgesucht.“
Eine interessante Behauptung, nur stimmt sie so nicht, ich habe mir diesen Job wirklich nicht ausgesucht, er hat sich einfach so ergeben.

Und dann geschieht etwas Wunderbares, mir wird die Geschäftsführung eines Kinderfachgeschäftes angeboten. Erfreut greife ich zu, verdiene ganz gut, und kann davon einmal wöchentlich eine Reinmachfrau finanzieren, die auch noch gerne bügelt, mein Mann entdeckt seine Leidenschaft fürs Kochen, mein Sohn bringt tatsächlich auch mal den Müll heraus, meine Tochter ist stolz auf ihre tüchtige Mutter, und oh Wunder, meine Schwiegermutter höre ich kürzlich am Telefon sagen:
„Die arme Marie muss wirklich viel arbeiten“, und ich lache mir ins Fäustchen, denn ich bin wieder wer.
Um ehrlich zu sein, diese Arbeit ist gar keine, denn sie macht nur Freude, und so schwer wie Hausarbeit ist sie bei Weitem nicht, aber das behalte ich wohlweislich für mich.


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Texte: copytright by rosenjule
Tag der Veröffentlichung: 08.12.2009

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