Es kam mit der Weihnachtspost; ein ganz normal aussehendes Paket in braunem Packpapier und verschnürt mit derber Doppelschnur. Es unterschied sich in nichts von den vielen anderen Paketen, wie sie Postboten tagtäglich austragen. Mit diesem aber hatte es eine besondere Bewandtnis, eine ganz besondere, denn es brachte einen völlig unerwarteten Gruß aus der Vergangenheit.
Nachdenklich schaute Marie auf den Absender: „Eva Krause-Helmer“, las sie, der Name sagte ihr nichts.
„Hoffentlich explodiert es beim Öffnen nicht“, dachte sie und musste über ihre Gedanken lachen. Sie stellte den Karton auf den Küchentisch und versuchte, den Bindfaden aufzuknoten. Doch das war zu schwierig, also holte sie eine Schere, um die Schnur zu zerschneiden, da klingelte es an der Tür. ---
Zeitungswerber los zu werden ist ganz schön anstrengend, man sollte nicht so schnell die Tür öffnen.
Nun läutete auch noch das Telefon.
Doch endlich war auch das erledigt. Also nichts wie hin zum Paket. Marie zerschnitt die Verschnürung, riss das Papier vom Karton und öffnete ihn. ---- Eine Puppe hielt sie plötzlich in der Hand, eine alte Schildkrötpuppe deren Zöpfe zu Schnecken gedreht waren. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie, an eine solche Puppe konnte sie sich erinnern. Auch die Kleidungsstücke kamen ihr bekannt vor. Ein Kleidchen gehäkelt aus blauer und gelber Wolle, das Hemdchen aus rosafarbenem Kattun. Waren die Träger nicht abknöpfbar?
Marie wurde es ganz schwindelig, Himmel, das war ja ihre Puppe Anneliese, wo kam die her? Hastig durchwühlte sie den Karton. Da war ein Briefumschlag. Wie war der Absender? Eva Krause-Helmer? -- Moment--Eva Krause hieß doch damals das Kindermädchen in Danzig. Sie zwang sich zur Ruhe und setzte sich mit Puppe und Brief in einen Sessel.
„Liebe Marie“, las sie, „wir schreiben jetzt das Jahr 1985, also hüte ich seit nunmehr vierzig Jahren diese Puppe wie meinen Augapfel, um sie eines Tages ihrer Besitzerin zurück geben zu können. Beim letzten „Danziger Treffen“ stieß ich zufällig auf Deine Tante, und so erfuhr ich Deine Adresse.
Hier schicke ich Dir nun Deine Anneliese, sie hat Krieg, Flucht und Zeit überdauert und ist glücklich, endlich heim zu kommen.
Auch ich würde mich über ein Wiedersehen sehr freuen.
Herzlichst
Dein altes Kindermädchen Eva Krause-Helmer.“
Da saß Marie nun mit ihrer Anneliese und sie hatte ein Gefühl, als sei sie vierzig Jahre zurück versetzt worden, denn längst vergessene Bilder tauchten vor ihr auf. Sie sah den kleinen Weihnachtsbaum im Kriegsjahr 1944, sah sich als Vierjährige voller Freude die ersehnte Puppe in die Arme schließen, sah Mutter, Bruder, Tante und Cousine und dann kamen die Tränen, sie weinte und weinte, wie sie nie zuvor geweint hatte und merkwürdiger Weise tat das richtig gut.
Mehr als zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, Anneliese ist nun auch schon eine ältere Dame von über sechzig Jahren, aber ihren alten Zauber hat sie nicht verloren!!!
Texte: copyright by rosenjule
Tag der Veröffentlichung: 17.11.2009
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