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"Oh, Himmelsrubin, Botin des Paradieses, deine Blütenblätter sind so zart wie die Haut einer reinen Jungfrau. Ihr Purpur strahlt wie die Morgenröte am Himmel über der Wüste. Dein Duft ist ein süßer Rausch, der Hauch eines Engels.
Gäbe Allah meinen Worten auch zehnmal mehr Kraft und Wohlklang, sie fassten doch immer noch nicht die Fülle des Wohlgeruchs, der deinem Kelch entströmt..."


Till kannte den Namen des Dichters nicht, der diese Verse vor vie¬len Jahren in einer fremden Sprache geschrieben hatte. Es war ein Perser, der als Poet und Sänger am Hofe des Schahs in Isfahan gelebt hatte.
Till liebte diese Verse. Er sprach sie immer wieder leise vor sich hin, während er die Rosen des Klostergartens beschnitt, die be¬schei¬denen Schwes¬tern jener Wun¬derblume, die der Dichter besang.
Die Rosa centifolia, die hundertblättrige Rose.
Sie blühte im fernen Persien und war die schönste Rose, ja die schönste Blume der Welt.
Rose der Rosen.
Blume der Blumen.
Geschenk Gottes an die Menschen.

Till träumte von dieser Blume. Sie rief ihn.
Er hatte darüber nie mit irgendeinem Menschen gesprochen, nicht einmal mit dem alten Bruder Martin, dem Gärtner, der ihm wohl wollte, der ihm den Vater ersetzte und ihn zum Gartengehilfen ausgebildet hatte. Dessen Nachfolger er einmal zu werden hoffte.
Klostergärtner der berühmten Abtei St. Johannis am Bodensee zu sein! Schon das war ein kühner Traum für einen Jungen ohne Herkunft, ohne Familie, genau genommen sogar ohne Namen, denn sein wirklicher Name war unbekannt.
Und nun rief ihn die Rose!
Till selbst wusste nicht recht, was es bedeuten sollte, dass die Rose ihn rief. Er wusste, dass Gott die Menschen berief, die er zu Kreuzzüglern oder Heiligen machen wollte. Aber er war kein Mystiker, kein Ritter und kein Prophet. Er war nichts als ein einfacher Gärtnerjunge. Ein hochbegabter Gärtner, gewiss. Aber doch nur ein kleiner Gärtnerjunge in der Abtei St. Jo¬han¬¬nis, Novize und künftiger Laienbruder des Ekklesias¬tenordens, 15 Jahre alt.
Die Rose erschien ihm fast jede Nacht. Eine einzelne Blüte an ei¬nem im Dunkel verschwinden¬den Stiel, in überirdisches Licht ge¬taucht, mit weit geöffnetem Kelch, ein funkelndes Juwel: so sah er sie. Übergroß, überdeutlich. Niemals anders.
Er sah sie. Und er hörte sie. Sie sprach ohne Stimme zu ihm.
Sie schickte eine Botschaft in seine Träume, die lautete: ziehe aus und suche mich, finde mich und hole mich zu dir, überwinde alle Hindernisse und Gefahren, kämpfe um mich, er¬obe¬re mich!
Allein der Gedanke daran verschlug ihm den Atem.
Wie sollte er sich aufmachen ins ferne Persien? Er war doch kein Ritter, kein Kreuz¬fahrer! Im Gegenteil: er war ein Nichts, ein Niemand. Er besaß weder ein Heim noch eine Familie. Er war ein Findelkind, von unbekannten Eltern auf der Schwelle des Klos¬ters ausgesetzt, von den Mönchen ernährt und aufgezogen, be¬stimmt, einer derjenigen zu werden, die für die Priester, die ganz ihrer Hingabe an Gott lebten, die notwendige Arbeit taten: ein Laien¬bruder. Seine Heimat war dieses Kloster. Gott hatte ihn hierher gesetzt und es dabei gut mit ihm gemeint. War nicht der Kloster¬gar¬ten ein kleines Paradies? Und er, der Findling, durfte ihn bestellen! Durfte die Kräuter und Blumen, die Bäume und Nutz¬pflanzen hegen. Sollte er nicht eines Tages gar der Herr und Mei¬ster dieses Gartens werden? Er musste sich dessen würdig erweisen, indem er seine ganze Kraft in den Dienst des Klosters stellte.
Was aber sollte der Abtei eine Wunderblume aus dem fernen Persien nützen?
Und warum sollte ausgerechnet er, der Lehrling, auszie¬hen, um sie zu beschaf¬fen? Er war in seinem ganzen Leben nur wenige Male aus dem Kloster herausge¬kommen, und das stets in Begleitung Bruder Martins, des Gärtners, dem er Kör¬be mit Pflanzen oder Gerätschaf¬ten nachgetragen hatte. Selbst die Bischofsstadt Konstanz kannte er nur von Hörensagen, obwohl er ihre Türme bei klarem Wetter am Untersee aufragen sah. "Persien" war für ihn nichts als ein Name, verbunden mit der Vor¬stellung von einer unendlichen Entfernung. Musste man nicht über das hohe Gebirge, dessen blau und weiß schimmernde Gipfel¬kette man vom Klostergarten aus am südli¬chen Horizont sah? Jenseits dieser mächtigen Berge lag Italien, das wusste er, denn dort lebte in seinem römischen Pa¬last der Papst, der oberste Herr der Chris¬ten¬heit, Stellvertreter Gottes auf Erden. Italien war umgeben vom mittelländischen Meer. Das hatte ihm einer der gelehrten Brüder erzählt, den er über die Kreuzzüge ausgefragt hatte. Über das Meer fuhr man viele Wochen bis nach Jerusalem, der heiligen Stadt, in deren Mauern das Grab Christi lag. Nur wenige Gläubige kamen je¬mals dorthin. Aber so unvorstell¬bar weit Jerusalem auch entfernt war - Persien war noch viel entlegener. Wie sollte er jemals diese unendliche Entfernung bewältigen? Und selbst, wenn er dort¬hin gelangte: die Wunderblume wuchs nicht auf freiem Feld, son¬dern im Garten des Königs, den sie dort Schah nannten, schwer be¬wacht und unzugänglich für jeden Eindringling, besonders für Fremde, Ungläubige. Er würde, wenn schon nicht un¬terwegs, so doch spätestens beim Versuch, sich der Blume zu bemächtigen, getö¬tet werden. Im fremden Land! Ohne die Sakramente! Das Abenteuer würde ihn am Ende noch das Seelenheil kosten. Konnte es einen besseren Beweis dafür ge¬ben, dass es sich um eine Eingebung des Satans handelte?
Und doch, er konnte es nicht ändern: die Blume rief ihn. Wieder und wieder. Stand ihm allnächtlich vor den geschlossenen Augen, entfaltete sich zu ihrer ganzen leuchtenden Pracht, sprach zu ihm in ihrer stummen Sprache.
Warum rief ihn die Blume? Warum rief die Blume ausgerechnet ihn?
Er wusste es nicht. Er hörte, doch er verstand nicht.
Genauso wenig wagte er, dem Ruf zu folgen.
Er fühlte sich zu schwach, zu minderwertig, zu kraftlos.
Und doch quälte ihn eine unerträgliche Sehnsucht, drängte es ihn mit aller Macht, den Wunsch der Blume zu erfüllen, sich aufzuma¬chen nach Persien, sie zu holen!
So sehr er auch betete und fastete: die Versuchung blieb bestehen.
Nur die Furcht vor dem Unbekannten, sein mangelndes Vertrauen zu sich selbst und in die eigenen, jugendlichen Kräfte hielten ihn zu¬rück. Ein wenig auch die Anhäng¬lichkeit an seinen väterlichen Freund, den Bruder Gärtner.
So war es. Die Botschaft der Rose verwirrte den jungen Gärtner über die Maßen.


Ostern war seit einer Woche vorüber, und man lebte bis zu den Pfingst¬tagen in der Fest- und Jubelzeit, in der es - zur Freude namentlich der jüngeren Brüder - täglich zwei Mahlzeiten gab. Zur Zeit der Prim, um sechs Uhr in der Frühe, nach den endlosen Stun¬den des nächtlichen Gottesdienstes, den Psalmen und Lektio¬nen, den einschläfernden Lesungen und dem feierlich=erhabenen Chorgesang, versammelten sich die Mönche im Kapitelsaal, um unter der Leitung des Abtes, des Priors und des Unterpriors die Angelegenheiten des Klosters zu beraten, Ent¬scheidungen zu treffen, und die wichtig-sten Dienste zu verteilen, während der Novizenmeister im Kreuzgang die Novizen um sich versammelte. Till fürchtete diesen Augenblick des Tages, bei dem er sich aus der Geborgenheit des Klos¬tergartens und der Fürsorge seines Protektors herausgerissen fühlte, schutz¬los der Strenge des harten, kalten und starren Zuchtmeisters der Mönchs-Anwärter ausgeliefert.
Bruder Reinhold - den die Novizen Bruder Unhold nannten - war ein großer Ge¬lehrter. Es hieß, er kenne nicht nur den Psalter und das Neue Testament, son¬dern auch die Bücher der heiligen Kirchenväter auswendig. Er war von hoher, asketisch-abgezehrter Gestalt, bleich¬¬häutig und bartlos, mit si¬chelförmiger Nase und wie in steter Verachtung der Welt beständig herabgezogenen Mundwinkeln. Der Ton seiner gebieterischen Anspra¬chen war scharf und schnei¬dend, sein Urteil gnadenlos und von verlet¬zender Strenge. Stets trafen seine mit bedrohlich ge¬dämpf¬ter Stim¬me hervorgestoßenen Bemerkungen zuverlässig die Schwächen des An¬geredeten und steckten wie Giftpfeile im Fleisch.
Zum Glück waren die Laienbrüder nur selten das Objekt seiner Auf¬merksamkeit; sie standen zu tief unter ihm, waren in seinen Augen dumme, verächtliche Hand¬langer. Sein Interesse galt ausschließlich den künftigen Klerikern, den Priester¬schü¬lern unter den Novizen, von denen nicht wenige aus vornehmen Familien stammten, was sie die im Rang unter ihnen stehenden Laien deutlich spüren ließen. Bruder Reinhold unterstützte sie in ihrer Hoffart, indem er be¬merkte, der heilige Benedikt habe in seiner Ordensregel zwar Ar¬mut, Keuschheit und Gehor¬sam, nicht aber Dummheit von den Mönchen gefordert. So konnte Till die all¬morgendliche Visitation durch den Novizenmeister in aller Regel unbehelligt, wenn auch nicht ohne Zittern und Zagen, überstehen, denn - obwohl er der Favorit des Klostergärtners war und somit eine herausgehobene Stellung unter den Laien-Novizen innehatte - er war zu niedrig von Stand und von Bildung, um von mehr als einem kurzen, frostigen Blick aus den Raubvogelaugen des Bruders Unhold getroffen zu werden.
So war es in der Regel.
Heute aber sollte es anders werden.
Es schien, als sollte der unglückliche Gärtnerbursche heute dem Falken zum Fraß vorgeworfen werden, während die übrigen Novizen mit kaum verhohlener Freude zusahen, wie er zer¬fleischt wurde.
Seit Stunden schon zitterte Till vor der Begegnung mit Bruder Rein¬hold.
Was wollte der furchtbare Zuchtmeister der Klosterjugend von ihm?
Till hatte sich niemals einen Tadel seines Lehrmeisters, des Herrn des Kloster¬gartens, zugezogen. Im Gegenteil: stetes Lob war ihm von Bruder Martin zuteil geworden. Till war überaus geschickt im Umgang mit Pflanzen. Kein Strauch verdorrte, keine Blume welkte unter seiner Obhut. Nie hatte, das gaben selbst die ältesten Klo¬sterbrüder zu, der Garten prächtiger geblüht. Gäste lobten und be-wunderten die Vielfalt und Farbigkeit der Blumen, deren Anordnung und Rei¬henfolge der Bruder Gärtner bestimmt hatte - doch war Till es, der sie setzte und hegte, düngte und wässerte, sie von Schäd¬lingen freihielt, sie gesund erhielt und aufzog. Längst überließ Bruder Martin ihm sämtliche Arbeiten, die mit der Hege und Pflege der Blumenbeete zu tun hatten. Er selbst kümmerte sich nur noch um die Aufzucht der Heilkräuter und Apothekenpflanzen im Kräutergar¬ten, wo er gemeinsam mit dem Bruder Medikus viele Stunden ver¬brachte, während Till für die Pracht und Schönheit im paradiesi¬schen Teil des Gartens sorgte - denn jeder Klostergarten sollte, so hieß es in der Ordensregel, ein Abbild des Paradieses sein. Niemals war der Garten der Abtei diesem Ideal so nahe gewesen wie unter der eifrigen und liebevollen Pflege des jungen Gärtners. Selbst der Prior, so hatte ihm Bruder Martin eines Tages insge¬heim anvertraut, gab zu, dass die Gabe des jun¬gen Laienbruders, Blumen zu Prachtexemplaren ihrer Art zu machen, etwas Wun¬der¬sames hatte. So hatte Till sich sicher und geborgen gefühlt in seinem Klos¬tergarten, erfüllt von seiner Aufgabe, auf beschei¬dene Weise geachtet, durch Gottes Gnade an jenen Platz gestellt, der ihm aufgrund seiner Begabung zukam und auf dem er hoffte, zeitle¬bens Gutes und Großes bewirken zu können.
Und nun sollte er gemaßregelt, gezüchtigt und gedemütigt werden.
Wofür?
Schon vor Beginn der Nokturnen, als die Novizen sich im kalten Vorraum der Kirche versammelten, hatten die Mitbrüder getuschelt und ihm hämi¬sche Blicke zugeworfen. Doch keiner zeigte sich be¬reit, ihn darüber aufzu¬klä¬ren, was ihm denn vorgeworfen wurde. Man rückte von ihm ab wie von einem ertappten Ver¬brecher, einem Sün¬der, dem die Absolution verweigert wurde. Er, der Bevorzugte, war plötz¬lich der Einsame, über den - endlich ein¬mal! - die Missgunst der Neider triumphierte.
Till besaß keinen Freund unter den Novizen des Klosters. Nie war er sich dessen so bewusst geworden wie in jener dunklen ersten Stunde der Aprilnacht, da er fröstelnd und zähneklappernd außer¬halb ihrer Gemeinschaft stand, die Augen schwer vom viel zu kurzen Schlaf.
Stets teilten sich die Novizen in zwei Gruppen. Die Laienbrüder bildeten die eine, die Priesterschüler die andere. Letztere un¬terhielten sich nicht sel¬ten auf Latein, der Gelehrten- und Pries¬tersprache, während im Kreise der Ungebildeten die Volkssprachen im Gebrauch waren. Till gehörte so recht zu keiner der beiden Gruppen. Er stellte einen Sonderfall dar, seit sich seine un¬gewöhnliche Begabung im Umgang mit Pflanzen gezeigt hatte und man ihn, im Alter von acht Jahren, für immer zur Gartenarbeit ein¬geteilt hatte. Der Neid auf seine Son¬derstellung mach¬te ihn zu einem weißen Raben, den die Artge-nossen mit Schnab¬el¬hieben aus ihrer Mitte vertrieben.
Auch der Novizenmeister ärgerte sich ständig darüber, dass Till seiner Macht ent¬zogen war und der Gärtner ihn, wie er glaubte, über die Maßen verwöhnte. Till wusste, dass Bruder Reinhold nur auf eine Gele¬genheit wartete, sich seiner zu bemäch¬tigen, ihm eine Verfehlung nachzuweisen, die schwer-wiegend genug war, um ihn dem scheinbar verderblichen Einfluss des Gärtner¬meisters zu entziehen. Bislang hatte Till sich nichts zuschulden kommen lassen. Nun aber war es an¬scheinend so weit, denn als die Novizen in ihrem gemein¬samen Schlafsaal zur Stunde der Prim in ihre Kutten stiegen, näh¬erte sich ihm der bös¬willigste unter den Neidern, stellte sich unter den Augen aller Mitbrüder vor ihm auf, verzog sein gemeines Ge¬sicht zu einer bos¬haften Fratze und verkün¬dete ihm grinsend und frohlockend, mit hohntriefender Stimme:
"Heute bist du dran, Blumenfreund. Nach den Laudes wirst du ge¬schlachtet!"
Seitdem grübelte Till verzweifelt darüber nach, was um Himmels willen er ver¬brochen haben könnte.
Welche Sünde hatte er begangen?
Sollte er wirklich eine so schwere Schuld auf sich geladen haben, dass sein Feind endlich die lang ersehnte Handhabe hatte, ihn um seine Stellung zu bringen, ihn aus dem geliebten Garten zu ent-fernen?
Till wusste, dass ihm jegliche Freude am Leben genommen wäre, wenn er nicht mehr im Garten arbeiten durfte. Er war für den Umgang mit Pflanzen geboren. Sein Talent hatte sich schon früh gezeigt. Schon als Kind hatte er in Tongefäßen und in einer verwilderten Ecke des Klostergar¬tens Pflanzen gezogen. Niemand hatte ihm den Umgang mit Blumen beigebracht. Er hatte das Aufziehen von Pflanzen ge¬lernt, wie man die Regeln eines Spiels zu begreifen lernt, weil es einem Freude bereitet. Ständiges Beobachten hatte ihn gelehrt, wie die Pflanzen lebten. Schlie߬lich hatte er sie zu "lesen" verstan¬den. Die Farbe und Form ihrer Blät¬ter und Blüten hatten zu ihm ge¬spro¬chen. Er hatte die Botschaften der Pflanzen ver¬stan¬den wie man die Zeichensprache eines Taubstummen zu verstehen lernt, wenn man die Geduld auf¬bringt, sie zu studieren. Er be¬griff, dass die Pflanzen so deutlich wie jedes andere Lebewesen ihre Wünsche und Bedürf¬nisse ausdrück¬ten. Um zu verstehen, was sie einem sagten, bedurfte es nur des geduldi¬gen Ent¬zifferns der Zeichen im Buch der Natur.
Na¬türlich blieb sein Talent nicht unent¬deckt. In einem Kloster gibt es keine Geheimnisse. Der Gärtner hörte bald von sei¬nem kindlichen "Kollegen" und ließ ihn beob¬achten, nahm auch selbst das wunder¬same Gärtlein des merkwürdigen Knaben in Augen¬schein - und erkannte verblüfft, dass das Kind ohne jede Hilfe schöne, ge¬sunde Blumen gezogen hatte. Als Till acht Jahre alt und vom Kind zum Knaben geworden war, bat der Gärt¬ner darum, ihn in seine Obhut nehmen zu dür¬fen, um ihn zu einem regelrechten Gärtner auszubilden und seinem Natur¬talent die nötige Form zu geben, denn er war schon seit langem in Sorge um ei¬nen geeigneten Nachfolger.
Der Abt, ein Ge¬lehrter, dem Blumen nichts als störende bunte Farbflecke wa¬ren, erfüllte dem Bruder Gärt¬ner den Wunsch, und so wurde Till Bruder Martin als Lehrling übergeben.
Sieben glückliche Jahre lang war er nun Schüler des weisen und gütigen Klos¬tergärtners Bruder Martin, den er liebte und verehrte wie einen Vater, oder bes¬ser: wie einen Großvater, denn er musste über mehr als 50 Jahre hinweg zu sei¬nem Lehrmeister aufblicken. Er wurde nicht, wie die übrigen Laien-Novizen, tag¬täglich zu einer anderen Arbeit eingeteilt, die vom Novizenmeister nach der Prim festgelegt wurde, sondern er ar¬beitete ausschließlich im Garten - eine Regelung, die Bruder Reinhold als einen unerträglichen Ein¬griff in seine Zu¬ständigkeiten emp¬fand.
Für Till stellte der Klostergarten den Mittelpunkt der Welt dar, und wirklich war er ja das Abbild von Gottes Schöpfung im Klei¬nen. Auf den Beeten und Her¬barien drängte sich zusammen, was der Schöpfer dort draußen über die weiten Räume verteilt hatte. Ob¬gleich ihm die Fülle der Natur jenseits der Mauern ver¬schlossen blieb, lernte er sie doch in ihrer Vielfalt kennen, da er sie in den Reihen der Beete vor Augen hatte. Alles, was draußen wuchs, wuchs auch hier drinnen.
Während andere ihre Kennt¬nis der Welt aus gelehrten Büchern schöpf¬ten, lernte er, der Analphabet, bald so gut im Buch der Natur zu lesen wie die Priester¬schüler in der latei¬nischen Grammatik. Schon bald war er ein Natur-Gelehrter, der in einem Blu¬menbeet, einem Stück Wald oder Wiese lesen konn¬te wie ein Priester in der Bibel. Die Form und Zusam¬menstellung der Pflanzen auf einem Stück Land, ihre Konzentration oder ihr Fehlen, ihre Ausartungen oder Verkümmerungen teilten ihm alles über die Beschaffenheit des Bo¬dens mit, den Mangel oder den Überfluss an Nährstoffen ebenso wie das Zuviel oder Zuwenig an Wasser sowie süßen und sauren Stoffen. Wie ein erfahrener Reisender beim Anblick einer fremden Stadt aus der Kleidung, dem Gebaren und den Sitten ihrer Bewohner auf den Stand der dortigen Kultur zu schließen vermag, so wusste Till, wenn er ein von Pflan¬zen bewachsenes (oder von ihnen gemie¬denes) Stück Erde sah, alles über die dortigen Lebensverhältnisse sowie über die Möglichkeiten, die sich dort für empfindliche Kul¬turpflanzen boten.
Doch es war ein weiter Weg bis zu diesem Wissen und zu diesen Fähigkeiten ge¬we¬sen.
Zunächst hatte Till lernen müssen, dass ein Gärtnerlehrling keineswegs tun und lassen durfte, was er wollte. Im Gegenteil. Da waren eine Menge Regeln und Vor¬schriften zu beachten.
Vor allem galt es zu begreifen, dass eine Pflanze nicht einfach nur eine Pflanze war. Jede Blume war ein Symbol. Der Garten selbst symbolisierte die Gebärmut¬ter, die Schönheit und Reinheit der Jungfrau Maria. Diese wurde auch symboli¬siert durch weiße Rosen, während rote Rosen das Blut Christi darstellten. Mariae Verkündigung wurde durch Madonnenlilien dargestellt. Veilchen versinnbildlich¬ten die Demut, Gänseblümchen die Unschuld, Iris den Glauben, die Weisheit und den Mut. Nicht zu vergessen den Salbei: auch er verkörperte die Jungfrau Maria.
Ein Klostergarten musste in vier Beete eingeteilt sein, um die vier Enden der Welt zu repräsentieren. Die Beete mussten exakt gleich groß und geradlinig sein, um die Herrschaft des Menschen über die Natur zu belegen.
Es versteht sich, dass mit so hoch bedeutsamen Gewächsen nicht leichtfertig um¬ge¬gangen werden durfte. Die Anlage eines Klostergartens war nicht in das freie Ermessen des Gärtners gestellt und durfte sich nicht nach dessen Schönheits¬sinn richten, sondern unterlag, wie das gesamte Klosterleben, strengen Regeln. Der Kreuzganggarten zumal musste karg und streng sein. Blumen und Zierrat hatten dort nichts zu suchen. Nichts als vier gleichförmige Stücke kahlen, kurz¬ge¬schnittenen Rasens durften dort angelegt werden, durchzogen von einem Weg¬kreuz aus Sand. Die grüne Farbe symbolisierte die Auferstehung und das ewige Leben. Das Herz eines Blumenliebhabers aber ließ sich durch das Anpflanzen von Grashalmen nicht zufrieden stellen, und Till liebte Blumen über alles!
Darum weinte er, als der Meister ihm ankündigte, er habe sich in seinem ersten Lehrjahr nur um den Rasen im Kreuzganggarten zu kümmern. Fast bedauerte er, Gärtnergehilfe geworden zu sein, denn zuvor, im weitläufigen Wirtschaftsgarten des Klosters, hatte er die Freiheit gehabt, ein kleines Beet ganz nach seinem eige¬nen Geschmack zu bepflanzen.
Bruder Martin erzählte ihm eine Legende. Ein Klostergärtner hatte einst einen wunder¬schönen Garten gepflanzt, den liebte er über alles. Eines Tages senkte sich eine lange Leiter vom Himmel herab und eine Stimme hieß ihn hinaufstei¬gen. Der Bruder begann mit dem Aufstieg, und mit jedem Tag kam er dem Para¬diesgarten ein Stück näher. Doch als er auf der obersten Stufe stand blickte er unter sich und sah seinen eigenen Garten. Da erfüllte ihn Sehnsucht, und er fiel von der Leiter. So verlor er den Himmel um seines Gartens willen. Das war die Strafe für Hoffart, eine große Sünde.
Tatsächlich musste Till nicht nur eines, sondern zwei Jahre lang den Rasen pfle¬gen. Später begriff er, dass dies eine Einübung in Demut war. Der Meister lehrte ihn die Achtung auch vor der geringsten Pflanze, die Liebe zu allem, was wächst, und zugleich den Respekt vor dem Einfachen. „Ein Rasenstück,“ pflegte er zu sa¬gen, „ist nicht weniger wert, gepflegt zu werden als der schönste Rosengarten.“
In seinem zweiten Jahr gab Till ihm sechzehn Zwiebeln. Davon sollte der Lehrling eine in je¬de Ecke der vier quadratischen Rasenstücke pflanzen. „Wollen sehen,“ sagte er. „wie vie¬le davon du zum gedeihen bringst.“ Es waren weiße Lilien. Wäre nur eine von ih¬nen nicht angegangen, hätte es das geometrische Gleichgewicht des Gartens emp¬find¬lich gestört, und ein Jahr lang wäre seine Unvollkommenheit für jedermann sichtbar gewesen, denn man durfte Lilien – Symbole der Jungfrau Maria – nicht ausraufen oder pflücken. Folglich umhegte und umsorgte Till die ihm anver¬trau¬ten sechzehn Blumen von früh bis spät, als hinge sein Leben davon ab.
Alle sechzehn Blumen gediehen.
Im Laufe der Zeit bekam Till immer größere Freiheiten. Der Klostergarten bestand zum Glück nicht nur aus dem „hortus conclusus“ innerhalb des Kreuzganges, sondern hat¬te noch einen zweiten, größeren Teil, den sogenannten „Abtgarten“. Hier durfte Till end¬lich wieder Beete nach eigenem Gut-dünken bepflanzen, einen Garten nach seinen Vorstellungen schaffen -: und hier kam ihm dann zum ersten Mal die Idee, die sein ganzes zukünftiges Leben bestimmen sollte: dass ein Gärt¬ner ver¬suchen solle, aus seinem Garten ein Abbild des Paradieses zu ma¬chen! Auch im Abtgarten galten Regeln, aber sie waren nicht so streng wie im Kreuz¬gang¬garten. Till durfte Blumenbeete anlegen, zwei davon allein für seine Lieb¬lings¬blume, die Rose. Er durfte einen Laubentunnel bauen und mit Gei߬blatt, wildem Wein und Heckenrosen bepflanzen. Endlich durfte er zeigen, was er konnte, und tatsächlich: der Abtgarten blühte und gedieh herr¬lich und erregte allgemeine Bewunderung.
Dadurch ermutigt, hatte Till sich in diesem Jahr eine unerhörte Kühnheit erlaubt. Er hatte auch im Kreuzganggarten Blumenbeete angelegt! Sie waren nur schmal und lagen an den äußersten Rändern, doch würden, wenn alles gut ging, künftig rund um den Kreuzgang Lilien wachsen. Mitten auf den Rasenstücken aber sollten Rosenbäume stehen, Symbole Jesu Christi im Grün der Aufer¬ste¬hung. Dazu wollte er an den vier Enden der Wege Spalierbögen errichten, die mit Pfingstrosen und Weinlaub bepflanzt waren: Symbole des Heiligen Geistes. Er wür¬de die Veränderungen den gelehrten Mönchen gegenüber mit theologischen Ar¬¬gu¬¬menten rechtfertigen: denn zusätzlich zum ewigen Leben verkörperte der Gar¬¬ten nun auch noch die Heilige Dreifaltigkeit, war also um einiges frommer als zu¬vor. Er hoffte, dass dies den strengen Brüdern einleuchten würde. Sich selbst aber gestand er ein, dass er es um der Schönheit willen tat. Der karge, grüne Kreuz¬ganggarten war ihm – bei allem Respekt - insgeheim immer als ein arm¬seliges Gebilde erschie¬nen.
Natürlich verstieß er damit gegen geheiligte Traditionen, durchbrach die überlie¬ferten Regeln für den Gartenbau. Er tat es auf eigene Verantwortung. Er hatte nicht einmal Bruder Martin gefragt, der ihm schon lange freie Hand bei der An¬lage der Zierbeete ließ. Dies galt aller¬dings bisher nur für den Abtgarten. Nun aber hatte er sich ins gärtnerische Zen¬trum des Klosters, den Kreuzganggarten, vorgewagt und dort eigen¬mäch¬tig Ver¬änderungen vorgenommen.
Er konnte damit Lob gewinnen und sich als Klostergärtner ein Denkmal setzen. Wenn seine Idee den Brüdern einleuchtete, würde sie sich womöglich auch in anderen Klöstern verbreiten. Man würde seinen „Garten der heiligen Dreifaltig¬keit“ nachahmen. Er würde Ruhm ernten, eine neue Tradition für das Anlegen von Klos¬tergärten begründen. Aber er konnte sich auch den Zorn seiner Oberen zu¬ziehen, wenn sie die Neuerung ablehnten. Selbst die Gunst seines Gönners Bruder Martin konnte er sich damit verscherzen, denn der blieb letztlich für alles verantwortlich, was sein Gehilfe tat.
Es konnte das Ende seiner Laufbahn als Gärtner bedeuten.
War es nun soweit? War dies der Grund, warum er bestraft werden sollte?
Warf man ihm Ruhmsucht vor, Eigen¬sinn, Verstoß ge¬gen das Ge¬bot des Gehor¬sams?
Es konnte wohl nicht anders sein, denn sein gärtnerischer Regelverstoß war die einzige Sünde, auf die er sich besinnen konnte.
Aber wie hatte der Novizenmeister überhaupt von seinem Ungehorsam erfahren? Die verbotene Pracht steckte doch um diese Jahreszeit noch tief im Boden, für Laien nicht erkennbar! Nur unscheinbare, grüne Keime streckten derzeit ihre Köp¬fe aus dem Erdreich. Wer ver¬stand so viel von Gärtnerei, dass er erkennen konnte, was da an Ver¬botenem und Unorthodoxem aus dem Boden wuchs? Wer - außer ihm und Bruder Martin - konnte von einem Keim auf die Art der Pflanze schließen? War Bru¬der Unhold dazu imstande?
Till konnte sich das nicht vorstellen, und so grü¬belte er, während die Psal¬men und Litaneien an seinem ver¬schlos¬senen Ohr vorbei¬zo¬gen, unaus¬gesetzt darüber nach, was um des Him¬mels willen er wohl außerhalb des Gartens verbrochen ha¬ben könnte.

Zum Ort der Verhandlung war nicht der Kreuzgang, sondern das Re¬fektorium aus¬erkoren worden. Zwei Lateinschüler forderten Till nach dem Ende der Vigilien in gebieterischem Ton auf, ihnen zu folgen, und wie eine Schildwache geleiteten sie ihn schweigend zum Speisesaal. Der Novizenmeister saß auf dem erhöhten Platz des Tischvorlesers. Die Novizen hatten, getrennt nach zu¬künftigen Priestern und Laien, an zwei langen Esstischen Platz ge¬nommen wie Zuschauer einer Ge¬richts-verhandlung. Auf dem Tisch vor Bruder Rein¬hold lagen eine Bibel und die Or¬dens¬regel.
Die beiden Lateiner befahlen Till, auf dem harten Steinboden vor dem Richter¬tisch niederzuknien, ehe sie sich zurückzogen und ihn seinem Schicksal über¬ließen.
All' dies deutete darauf hin, dass Till weit mehr als eine Straf¬predigt oder einen Tadel zu erwarten hatte. Das Ganze erinnerte an die Befragung eines Ketzers vor dem Gerichtshof der Inquisi¬tion.
Während Till ihm vorgeführt wurde, saß der Novizenmeister stumm und reg¬los, mit steinernem Gesicht, an seinem Pult. Er ließ, vermutlich mit voller Absicht, so viel Zeit vergehen, dass Till auf dem harten, unebenen Steinboden die Knieschei¬ben zu schmerzen be¬gannen.
Till hatte, wie es den mönchischen Vorschriften entsprach, die Hände in die Är¬mel seiner Kutte gesteckt und den Blick zu Boden gesenkt.
Er schrak zusammen, als Bruder Reinhold plötzlich: "Silentium!" rief - obwohl in dem Saal drückendes Schweigen herrschte.
Der Novizenmeister begann die Verhandlung mit einer Gebetsformel:
„Ehre und Ruhm Jesum Christum in alle Ewigkeit. Amen."
„Amen", respondierten die Novizen im Chor.
Nun richtete der Inquisitor das Wort an den Beklagten.
„Laienbruder Till", sagte er. „Du weißt, warum du hier vor uns kniest."
Till zuckte wie von einem Geißelhieb getroffen zusammen. Er wusste auf die Fest¬stellung seines Anklägers nichts zu erwidern. Er spür¬te, dass seine Hände zit¬ter¬ten.
„Antworte!"
„Ich weiß es nicht, ehrwürdiger Vater", flüsterte Till.
„Lauter!"
„Ich weiß es nicht, ehrwürdiger Vater", wiederholte Till mit be¬bender Stimme.
„Du leugnest also!", donnerte der Novizenmeister.
Till war zutiefst verstört. Er hatte keineswegs die Absicht, zu leugnen. Er sagte die Wahrheit. Er wusste nicht, welche Sünde er bekennen sollte.
„Antworte!"
„Ich leugne nicht, ehrwürdiger Vater. Ich weiß es nicht."
„Er weiß es nicht. So, so."
Die Stimme des Novizenmeisters triefte vor Hohn.
Aus den Augenwinkeln sah Till um sich her grinsende Gesichter, vor allem am Tisch der Laienbrüder.
Er wusste, dass es die Lage eines Sün¬ders verbesserte, wenn er seine Verfehlung freiwillig bekannte und bereute. Till war bereit, zu gestehen, dass er den Kloster¬garten regelwidrig angelegt hat¬te, ohne dafür um Erlaubnis zu fragen. Doch noch ehe er ein solches Bekenntnis her¬vor¬stammeln konn¬te, fuhr ihn der Inqui¬si¬tor erneut an:
„Ich sehe, du bist verstockt. Aber das wird dir nichts nützen. Wir sind über deine Verfehlungen im Bilde. Wir geben dir hiermit ein letztes Mal die Gelegenheit, Reue zu zeigen und zu bekennen."
Till stiegen die Tränen in die Augen. Da es verboten war, die Hän¬de aus den Kut¬tenärmeln zu nehmen, konnte er sie nicht abwischen, und so rannen sie ihm die Nasenflügel hinab und über die Wangen. Er schämte sich vor seinen Kameraden wegen des jämmer¬lichen Anblicks, den er bot.
„Wie lautet der Zauberspruch, mit dem du die Rosen verhext?", brüllte ihn der Inquisitor an.
Till erstarrte. Was bedeutete diese Frage? Bezichtigte man ihn tatsächlich der Zau¬berei, der schwarzen Magie? Dann stand es schlimm um ihn, schlimmer als er je geahnt hatte, denn Zauberei war ein todeswürdiges Verbrechen wider den Heiligen Geist und konnte mit dem Schei¬terhaufen be¬straft werden.
Aber er hatte doch niemals Zauberei angewandt! Er kannte gar keine magischen Formeln. Er hatte es nicht nötig, Pflanzen zu behex¬en. Alles, was er für die Gar¬tenarbeit brauchte, hatte ihm Gott ver¬liehen: sein Talent, seine goldenen Hände als Gärtner.
Wenn man ihn als Schwarzkünstler hinstellen wollte, dann nur mit Hilfe falscher Zeugen.
Würden seine Neider wirklich so weit gehen, Meineide zu schwören, um ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen? Ging der Hass des Novi¬zenmeisters wirklich so weit, dass er ihn, einen fünf¬zehn¬jährigen Jungen, dem Feuertod überantworten wollte?
Till blickte durch den Tränenschleier hindurch in das kalte, un¬bewegte Gesicht des Inquisitors und erschauerte.
„Antworte!"
„Es... es ist kein Zauberspruch, ehrwürdiger Vater", stammelte Till.
„Was ist es dann?"
"Ein Lied. Ein Gedicht."
Der Junge kannte den Unterschied zwischen einem „Gedicht“ und einem „Lies“ nicht genau. Bruder Martin hatte ihm erzählt, dass man den Preisgesang an die Rose im fernen Persien zu einem Instrument sang, dessen Namen er sich nicht hatte merken können. Also war es wohl ein Lied. Aber er kannte die Weise nicht. Darum war es für ihn ein Gedicht. Genauer gesagt: Eine Hymne. Auch diese Bezeichnung stammte von Bruder Martin, der nicht nur die Pflanzen, sondern auch die Poesie liebte. Till hatte sich das Wort eingeprägt. Hymne. Bruder Martin sollte ihn nicht für einen Dummkopf halten.
„Ein Lied. So, so. Du singst also während der Arbeit Lieder. Ist dir das Schweige¬gebot innerhalb der Klausur nicht bekannt?"
„Doch."
„Dennoch singst du."
Till warf sich, wie es der Vorschrift für einen bekennenden Sünder entsprach, vor seinem Befrager auf die Erde.
„Mea culpa!"
„Erhebe dich. Dir wird für das Übertreten des Schweigegebots eine Buße aufer¬legt."
Till begab sich wieder in die kniende Position. Er wusste nicht, wie er die Worte des gestrengen Meisters verstehen sollte. War dies nun alles? Warf man ihm nichts weiter vor, als während der Gartenarbeit ein Lied gesungen zu haben? Durfte er tatsächlich hoffen, so leichten Kaufes davon zu kommen?
Doch der Novizenmei¬ster machte seine Hoffnung zunichte, indem er fortfuhr:
„Nun, wir wüssten gern, was für ein Lied es war, das du gesungen hast. Handelt es sich um ein frommes Lied, ein kirchliches Lied?"
„N...nein, ehrwürdiger Vater", stotterte Till.
"Nun, was für ein Lied ist es?"
„Eine Hy…“ Till scheute vor dem gelehrten Wort und sagte stattdessen: „Ein Loblied, ehrwürdiger Vater." Bruder Martin hatte ihn gelehrt, dass Hymnen Loblieder waren. Die meisten selbstverständlich auf Gott, dem ja auch dieses Lied galt. Ein Dank an den Schöpfer für die Erschaffung der Rose, des Geschenks aus dem Paradies.
„Ein Loblied. So, so. Auf die Mutter Gottes?"
„Nein, ehrwürdiger Vater."
„Auf wen also?"
„Auf... eine Blume.“
Ein hämisches Lachen ging durch die Reihen der Novizen, das der Meister mit einem scharfen: "Silentium!" zum Verstummen brachte.
„So lass uns die Verse hören, die du zum Lob einer - Blume zu rezitie¬ren beliebst!", forderte der Novizenmeister den Knieenden auf.
Das also war es! Die Verse. Die Hymne des arabischen Dichters zum Lobpreis der Rosa centifolia. Till fühlte sich, bei aller Ver¬wirrung und Angst, im Grunde seines Herzens erleichtert. Konnte es denn eine Sünde sein, Verse zu rezitieren, die zum Lob einer Blume geschrieben waren? Hatte er sie nicht von seinem Lehrmeister, dem Bruder Gärtner, gelernt? Also konnten es keine verbotenen Verse sein, selbst wenn es weltliche waren. Bereitwillig sagte Till die erste Strophe des Rosenhym¬nus auf.
„Oh, Himmelsrubin, Botin des Paradieses, deine Blütenblätter sind so zart wie die Haut einer reinen Jungfrau."
„Silentium!"
Der wütend herausgebellte Befehl des Inquisitors galt den Novizen, die bei der Erwähnung der "Haut einer reinen Jungfrau" zu kichern begonnen hatten.
Der Novizenmeister fixierte Till mit einem stechenden Blick.
„Von welcher reinen Jungfrau redest du da?", fragte er.
Wieder hörte man unterdrücktes Kichern auf den Bänken der Novizen.
Till war von der Frage überrascht. Er hatte niemals an eine be¬stimmte "Jungfrau" gedacht. Ja, genau genommen wusste er gar nicht so recht, was der Dichter mit seinem Vergleich hatte ausdrücken wollen, denn er hatte niemals ein Weib auch nur von Ferne gesehen, geschweige denn einen Eindruck von der Beschaffenheit ihrer Haut empfangen. Schamröte überzog sein Gesicht.
Der Novizenmeister ergriff wieder das Wort.
„Als reine Jungfrau bezeichnet ein Mönch nur eine Einzige", sagte er. "Und zwar welche?"
Er hatte diese Frage nicht an Till, sondern an die Lateinschüler gerichtet. Einer von ihnen antwortete prompt:
„Die heilige Maria, Mutter Gottes."
„Sieh mich an!", forderte der Novizenmeister den armen, vor ihm knienden Sünder daraufhin auf. "Ist in deinem Ge¬dicht die Rede von der heiligen Jungfrau Maria?"
„Nein", bekannte Till in höchster Verlegenheit.
„Nun, so sage uns, welche Jungfrau du meinst und wo du sie so gut kennenge¬lernt hast, dass du über die Beschaffenheit ihrer Haut Be¬scheid weißt."
Die Novizen lachten, ohne dass der Meister es ihnen verwehrte. Es war offensicht¬lich, welche Absicht er verfolgte. Till sollte lä¬cherlich gemacht werden.
Doch worauf lief das Ganze hinaus? Was wollte der Novizenmeister ihm vorwer¬fen? Wollte er ihn der Lästerung der Mutter Gottes be¬zichtigen? Dies war jedoch aus den Versen nicht herauszulesen, die, wie immer man sie drehte und wendete, Lobpreisungen einer Blume waren. Gotteslästerung konnte also nicht das Verbre¬chen sein, um dessentwillen man hier über ihn zu Gericht saß. Das einzige, was der Novizenmeister ihm bislang anlasten konnte, war Torheit, Naivität, und die stellte kein strafwürdiges Verbrechen dar.
Wozu also die Inszenierung dieses inquisitorischen Prozes¬ses? Das strenge und demütigende Verhör, dem Till unterzogen wur¬de, war durch die lässlichen Sün¬den, die man ihm bislang vorgewor¬fen hatte, nicht gerechtfertigt.
Der Novizenmeister musste also noch etwas anderes in der Hinterhand haben. Alle seine bisherigen Fragen dienten nur der Vorbereitung, der Einschüchterung des Delinquenten. Den schwersten, den eigent¬lichen Vorwurf würde er sich für den Schluss, für den Höhepunkt des Prozesses aufheben. Der Novizenmeister war ein kühler Stratege, der seine Vorgehensweise sorgfältig plante und der gelernt hatte, wie man eine Gerichtsverhandlung führte.
„Nun, wir wollen das Verfahren abkürzen", sagte er in diesem Mo¬ment. "Zitiere uns die übrigen Verse."
„Dein Duft ist ein süßer Rausch, der Hauch eines Engels", fuhr Till fort. „Gäbe Allah meinen Worten..."
„Halt!", donnerte der Novizenmeister. "Wiederhole die letzten Worte!"
„Gäbe Allah..."
„Allah!"
Der Novizenmeister brüllte den Namen des fremden Gottes mit einer solch uner¬warteten Lautstärke heraus, dass Till zusammenschreckte. Das Echo von Bruder Rein¬holds Stimme hallte von den Wänden des Refektoriums wider.
„Wie kannst du es wagen, in den Mauern dieses Klo¬sters den Namen dieses Gräuels zu lobpreisen?"
Till schwieg voller Entsetzen. Das war es also! Sie bezichtigten ihn der Abgötterei, der Huldigung einer fremden Gottheit. Schlim¬mer noch: des Gottes der ärgsten Feinde der Christenheit, der ent-setzlichen Sarazenen, die das Grab Jesu besetzt hielten und allen frommen Pilgern, die dort beten wollten, das Martyrium berei¬teten.
„Kennst du das erste Gebot? Kennst du es? So sage es uns!"
„Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir."
"Du sollst nicht andere Götter haben neben mir!"
Der Novizenmeister wiederholte mit donnernder Predigerstimme den entschei¬denden Satz des Gebots.
„Du aber beschwörst den Götzen der Sarazenen!", fuhr er fort. "Ist es nicht so? Bekenne!"
„Nein...", stammelte Till.
„Du leugnest? Zitiere die Verse!"
Der Befehl galt einem der Lateinschüler, der daraufhin mit lei¬ernder Stimme verstümmelte Verse, die er auf einer Schreib¬tafel notiert hatte, vorlas.
„Wir fühlen Sehnsucht zu dir zurückzukehren. Wir sind Verbannte auf Erden, wenn wir nicht bei dir sind. Befreie uns. Deine Gläubi¬gen versammeln sich um dich."
„Stammen diese Verse aus dem Lied, das du ständig zitierst?"
Till wusste nicht, ob er mit „Ja" oder mit „Nein" antworten sollte, so verstümmelt waren die Verse, so sinnentstellend wurden sie vorgetragen - und doch waren die Worte, genau genommen, wirklich Teile des Rosenliedes, wenngleich sie hier all' ihrer Poesie beraubt waren.
In Wirklichkeit lauteten sie so:
„Wir verehren dich, Blume der Blumen, als ein vom Himmel gefal¬lenes höheres Wesen, Geschenk Gottes.
Alle Gläubigen fühlen mit dir die Sehnsucht, zu Ihm zurückzu¬keh¬ren, zu den Herrlichkeiten Seines Gartens, deren du eine bist.
Doch blühe, wir bitten dich, für uns arme Gläubige hier auf Erden, bis der All¬mächtige sich unser erbarmt, denn wir bedürfen der Wunder in der Mühsal unserer Tage.
Gewähre uns die Gnade deines Anblicks, schönste, vollkommenste der Blumen, denn wir sind wie du Verbannte hier auf Erden, befreit erst, wenn Er am letzten Tag die Schar seiner Gläubigen um sich versammelt."
„Bekenne!", donnerte der Novizenmeister.
Till warf sich auf den Boden, streckte in Ergebung die Arme von sich.
„Mea culpa."
„Bekennst du, diese Verse wieder und wieder zitiert zu haben, so dass andere sie hören konnten?"
„Mea culpa."
„Bekennst du, diese Worte an den Gott der Sarazenen gerichtet zu haben? Bekennst du, einen Abgott angebetet zu haben? Bekenne!"
Till schwieg. Er wusste, dies durfte er nicht bekennen, selbst wenn sie ihn prügel¬ten, denn es war das Bekenntnis der Häresie, der schlimmsten, un¬verzeihlichsten aller Todsünden.
„Bekenne! Oder willst du leugnen?"
„Ich... ich habe...", schluchzte Till, das Gesicht auf den Stei¬nen.
„Was hast du?"
„Ich dachte..."
„Was dachtest du?"
„Ich dachte: Gott ist Gott."
Eisiges, entsetztes Schweigen folgte auf diese Worte.
Trotz seiner Angst erkannte Till sogleich, dass er einen entsetz¬lichen Fehler be¬gan¬gen hatte. Seine Worte konnten nämlich als das Gegen¬teil dessen ausgelegt werden, was er mit ihnen gemeint hatte.
Natürlich hatte Till sagen wollen, dass der Name "Allah" für ihn nichts weiter war als einer der tausend Namen Gottes, des Allmäch¬tigen, der für ihn selbstver¬ständlich der Gott der Bibel war, der einzige, den er kannte, und an den er fest und unverbrüchlich glaubte. Nun aber hatte er, entgegen seiner Absicht, mit seinen ungelenken Worten Gott auf eine Stufe mit anderen Göttern ge¬stellt, somit seine Ein¬zigartigkeit und Allmacht geleugnet.
Dem Novizenmeister verschlug es angesichts dieser ungeheu¬ren Häresie schein¬bar die Sprache.
„Sagtest du: Gott ist Gott?" wiederholte er in gespielter Fas¬ungslosigkeit. Mit Vor¬bedacht sprach er im Flüsterton, als wage er das Unglaubliche kaum auszuspre¬chen.
„Du stellst den Herrn, unseren Gott, auf eine Stufe mit - Allah?"
Till versuchte verzweifelt, seinen verhängnisvollen Fehler zu korrigieren.
„Nein", stammelte er. "Das tue ich nicht. Ich wollte nur sagen..."
„Was wolltest du sagen?"
„Es ist doch nur ein Wort."
„Ein Wort? Gott ist nur ein Wort? Ihr hört es! Er sagt, Gott ist nur ein Wort!"
„Häresie!", brüllte der Novizenmeister mit mächtiger Stimme. Den Novizen stan¬den die Haare zu Berge. Till, noch immer auf dem rauen Steinboden des Refek¬tori¬ums zu Füßen des Inquisitors ausgestreckt, brach erneut in Tränen aus.
"Häresie! Anathema! Häresie!"
Der Novizenmeister war ein erfahrener Prediger. Er wusste, wie man die Gemüter der Zuhörer ergriff. Wie Abraham a Santa Clara ver¬stand er es, aus eindringli¬chem Flüstern in durchdringendes Ge¬brüll, von gespielter Sanftmut in flammen¬de Empörung überzuwech¬seln. Er konnte mit seiner Stimme die Harfen der En¬gel ebenso wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts beschwören.
Till fühlte sich von dem schreienden Inquisitor zur ewigen Ver¬damm¬nis verurteilt, obwohl er unschuldig war.
Natürlich hatte er niemals die Existenz und Einmaligkeit Gottes leugnen wollen, noch jemals den Gott der Muslime angebetet. Es war ihm nie der Gedanke ge¬kom¬¬men, dass in den Worten des persischen Dichters ketzerisches Gedankengut enthal¬ten sein könnte. Er hatte nur die Schönheit der Verse empfunden, die den Zauber einer wunderbaren Blume besangen.
„Ihr missversteht mich! Ihr verdreht meine Worte!" hätte Till schreien mögen, doch wagte er es natürlich nicht, als kleiner Gärtnerjunge dem mächtigen Bruder Reinhold zu widersprechen. Die Worte versagten sich ihm. Innerlich ergab er sich. Er wusste, er war verloren. Er sah vor seinem inne¬ren Auge die Bilder des Feuertodes, der ihm bestimmt schien.
Konnte dies denn wirklich sein Schicksal sein? War Gott so voller Zorn über ei¬nige unbedacht dahingeplapperte Verse? Ver¬brannte die Kirche Knaben, die in ihrer Einfalt Worte sprachen, deren Sinn sie nicht weislich erwogen hatten?
"Erhebe dich, mein Sohn!"
Im ersten Moment begriff Till die Worte des Novizenmeisters nicht, die ihm von unangemessener Sanftmut zu sein schienen.
„Erhebe dich!"
Verwirrt raffte Till sich auf. Seine Beine waren taub. Seine Knie schmerzten. Er taumelte.
Zu seiner Überraschung sah ihn der Novizenmeister milde und väter¬lich an.
„Du weißt, welches Wort unseres Herrn auf dich zutrifft, Bruder Till?", fragte er. „Es lautet: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."
Till konnte sich den plötzlichen Sinneswandel des Novizenmeisters nicht erklä¬ren. Verbarg sich hinter der vorgeblichen Milde noch eine weitere Hinterlist?
„Stimmst du mir zu, Laienbruder Till?"
Till hielt es für richtig, mit: "Ja", zu antworten, obwohl er dem rätselhaften Sinneswandel des Inquisitors misstraute und er außerdem seiner Stimme kaum noch mächtig war.
„Du bist ein einfältiges Geschöpf, Laienbruder Till", fuhr der No¬vizenmeister fort. „Auf dich trifft noch ein weiteres Wort unseres Herrn zu. Es lautet: Selig sind, die gei¬stig arm sind."
Till erwiderte nichts. Er konnte nicht recht an die zur Schau ge¬stellte Milde des Novizenmeisters glauben, obwohl tief in sei¬nem Inneren die Hoffnung auf ein gnädiges Entkommen aufkeimte.
„Aber!" Erneut hob Bruder Reinhold seine Stimme zur donnernden Kanzellaut¬stärke: „Du bist auf üble Wege geraten. Der Teufel hat sich in deinem Herzen eingenistet. Du aber merkst es nicht einmal. Du gehorchst unwissend den Ein¬flü¬sterungen einer inneren Stimme, die dich zum Bösen verleitet. Zur Häresie und Idolatrie! Hier gilt das Gebot: Wehret den Anfängen!"
Der Prediger begann umherzugehen. Seine Rede richtete sich nicht allein an Till, sondern an die Gemeinschaft der Novizen, die stumm auf ihren Zuhörerbänken saßen und nicht wagten, ihr Frohlocken über Tills Erniedrigung zu zeigen.
„Was ihr hier eben erlebt habt, mag euch vor Augen führen, wie schnell man ab¬gleitet ins Verderben, wenn einem der Schutz und der Schirm der brüderlichen Gemeinschaft fehlt, wenn man sich abson-dert und eigene Wege gehen will."
Till hörte dies und wusste: die Worte betrafen seinen Sonderstatus als ständigem Gehilfen des Bruders Gärtner.
„Hast du, Bruder Till, die Lehre, die dir erteilt wurde, wohl verstanden?"
„Ja, ehrwürdiger Vater", antwortete Till ergeben. Der sanfte, väterliche Ton Bruder Reinholds sorgte dafür, dass ihm allmählich ein wenig leichter ums Herz wurde. Sterben wer er wohl nicht müssen! Sie würden für ihn keinen Scheiterhaufen anzünden.
„Bist du bereit, die Folgerungen aus dieser Lehre zu ziehen, mein Sohn? Buße zu tun?"
„Ja."
„Bist du bereit, reumütig in den Kreis deiner Mitbrüder zurück¬zukehren, anstatt dich in deinem Garten von ihnen abzusondern?"
Obwohl Till am liebsten ein gellendes: „Nein!" herausgebrüllt hätte, wusste er, was er zu tun hatte.
Er senkte den Kopf und antwortete mit „Ja", obwohl er wusste, dass er damit sein Schick¬sal besiegelte: Er würde nicht wieder in den Garten zurückkehren. Man raubte ihm seine bevor¬zugte Stellung. Als Teil der Herde würde er künftig den Befehlen des Novizen¬meis¬ters bedingungslos gehor¬chen müssen.
„Wir sehen in dir keinen Ketzer, mein Sohn", Bruder Rein¬hold kam zum Ende seiner Rede. „Sondern ein verirrtes Schaf. Deine Worte entspringen nach un¬serer An¬sicht nicht der Häresie, sondern der Torheit, der stupidi¬tas. Das ist ein Mangel, aber keine Sünde." Till errötete. Er verstand sehr wohl, dass Bruder Reinhold ihm eine vergiftete Absolution erteilte, indem er ihn als Dumm¬kopf hin¬stell¬te.
"Der verlorene Sohn bedarf der liebenden Worte, nicht der schel¬ten¬den", fuhr der Novizenmeister fort. „Ihm wird vergeben - sofern er seine Fehler einsieht und künftig in Demut im Kreis seiner Brü¬der lebt. Bist du dazu bereit, mein Sohn?"
„Ja, ehrwürdiger Vater."
„Wirst du gehorchen ohne zu murren?"
„Ja, ehrwürdiger Vater."
„So sei uns willkommen."
Bruder Reinhold drückte Till in einer eher harten als liebevollen Umar¬mung an seine Brust.
„Wir erlegen dir eine Buße auf, die dem Ausmaß deiner Verfehlung angemessen ist, mein Sohn", sagte er mit einem Lächeln von unver¬kennbarer Falschheit. „Bete fünfzig Mal das Credo und fünfzig Mal das Ave Maria. Dann geh und melde dich bei Bruder Pezzold."
Till erstarrte. Vom Tisch der Laienbrüder war schadenfrohes Ge¬lächter zu hören. Jedermann im Saal wusste, was der Befehl des Novizenmei¬sters zu be¬deuten hatte.
Bruder Pezzold war der Schweinehirt des Klosters.


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Tag der Veröffentlichung: 27.09.2010

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