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Es war einmal ein kleiner Junge, der hieß Wanja. Er sollte sich auf eine lange Reise begeben. Es wurde ihm gesagt, dass diese Reise sehr wichtig sei und er unbedingt das Ziel erreichen müsste. Aber niemand sagte ihm, welches das Ziel wäre. Das, sagte man ihm, müsse er selbst herausfinden. So packte Wanja also die nötigsten Sachen zusammen und marschierte los. Er wusste nicht in welche Richtung er sich wenden sollte und so lief er mal hier hin und mal dorthin. Nichts hielt seine Aufmerksamkeit fest und so wurde er immer unzufriedener. Ihm war klar, dass das nicht seine Aufgabe sein konnte.

Er setzte sich an den Wegesrand und überlegte, wie es weitergehen könne. Während er so da saß wurde er immer trauriger, dass er überhaupt losgegangen war. Obendrein fühlte er sich schrecklich allein. So begann er bitterlich zu weinen und niemand war da, der ihn in seine Arme schloss, tröstete oder Rat wusste. Er weinte so lange, bis er erschöpft einschlief. Wanja schlief tief und traumlos. Doch als er wach wurde, wusste er, dass er sich zunächst für eine Richtung entscheiden und dieser beharrlich folgen musste.

Wanja schnürte sein Bündel und ging einfach der Sonne entgegen, denn das, so dachte er, könne nicht falsch sein. Er lief und lief so weit ihn seine Beine trugen. Er durfte sich nur keine Gedanken darüber machen, welches Ziel er eigentlich erreichen wollte. Dennoch holten ihn diese Gedanken irgendwann ein und er brach vor Erschöpfung und Sinnlosigkeit zusammen. Eine ganze Weile blieb er reglos liegen, bis er sich sagen konnte, dass er schon so einen langen Weg zurückgelegt hatte, dass er nun nicht aufgeben konnte. Das gab ihm Mut. Er rappelte sich hoch und setzte seinen Weg fort.

Nach nicht allzu langer Zeit gelangte Wanja an eine Kreuzung, von der 2 Wege abgingen. Der Eine war breit und ausgetreten, der Andere steinig und im Hintergrund konnte man sehen, wie Dornen den Weg fast versperrten. Wanja überlegte nicht lange und wählte dann den ausgetretenen Pfad.
Leicht und locker war sein Schritt. Er musste nicht auf den Weg achten. Automatisch lief er weiter. Wanja lief und lief. Die ausgetretenen Spuren fühlten sich hart an und deshalb versuchte er daneben zu gehen, aber dabei musste er sehr achtsam sein, sonst rutschte er wieder zurück in die alten Spuren. Nach einer Weile war ihm das jedoch egal und er suchte statt dessen Abwechslung in der Umgebung. Doch dort passierte nichts. Nach und nach spürte er seine Füße nicht mehr und doch lief er weiter. Auch seine Beine merkte er nicht mehr und schließlich hatte er gar kein Gefühl mehr für seinen Körper. Aber sein Kopf arbeitete fieberhaft weiter, denn er überlegte, welches Ziel ihn wohl erwartete. Da jedoch seine Umgebung keine Anregung brachte und ihm auch nichts einfiel, stellte sich auch in seinem Kopf Gleichgültigkeit ein. Trotz allem ging er weiter in den ausgetretenen Spuren. Während er so lief fühlte er sich immer leerer und leerer.
Jeden Tag marschierte Wanja nun. Er kam erstaunlich schnell voran und irgendwann vergaß er, warum er überhaupt weiter ging. Er tat es einfach, ohne darüber nachzudenken. Alles wurde ihm egal. Und so kümmerte er sich auch immer weniger um sich selbst. Er wusch sich nicht, ließ Mahlzeiten aus und vergaß sogar zu trinken. Im Vordergrund stand nur noch immer weiter zu gehen – wofür auch immer. Nachdem er jedoch mehrere Tage hintereinander weder gegessen noch getrunken hatte, brach Wanja mitten auf seinem Weg kraftlos zusammen. Bewegungslos blieb er liegen. All seine Energie schien mit einem Mal weg zu sein. Es gab keinen Halt, keine Zukunft, keine Perspektive. Es gab nichts mehr. Wanja lag da und wartete reglos auf ein Ende.

Doch plötzlich umgab ihn ein seltsames Licht. Seit langer Zeit spürte er zum ersten Mal wieder Wärme auf seiner Haut. Das Licht hüllte ihn ein, durchflutete ihn und ergriff ihn auf seltsame Weise. Auf einmal durchzuckte es Wanja und er wusste wieder, dass er sich eigentlich auf der Suche nach einem Ziel befand. Genauso plötzlich wurde ihm klar, dass er nun schon so lange diesen ausgetrockneten Spuren folgte, dass er dort sicher sein Ziel nicht erreichen würde.

Doch was sollte er tun? Er fühlte sich so schwach und seinem Schicksal ausgeliefert. Doch das Licht umgab ihn noch und spendete ihm Mut. Er begann zu trinken und aß seine restlichen Brotkrümel. Das gab ihm ein wenig Kraft. Dann beschloss Wanja den Weg zur Kreuzung zurück zu gehen, um den beschwerlichen Weg in Angriff zu nehmen.
In dieser Zeit umgab ihn das Licht und er fühlte sich ein wenig geborgen. Und immer wieder bemühte sich Wanja die ausgetretenen Spuren zu verlassen und eigene Wege zu finden. Aber immer wieder rutschte er zurück und dachte dann bei sich, dass es auch bequem sei, diesen Spuren zu folgen. Doch immer wieder machte es ihn auch unglücklich, weil er es als langweilig empfand. Oftmals strauchelte er auch, wenn er versuchte, eigene Wege zu gehen und manchmal blieb er dann für einen Moment liegen und überlegte, ob es sich lohnen würde weiter zu gehen. Aber seine eigene Neugierde und die Kraft des Lichtes trieben ihn voran.

Nach langer Zeit erreichte Wanja endlich die Kreuzung, aber er hatte schon eine Menge seiner anfänglichen Kraft und seines Mutes eingebüßt. Dennoch wusste er, dass man ihn nicht umsonst losgeschickt hatte, dass es irgendwo ein Ziel geben musste.

Doch der neue Weg war so beschwerlich, dass er sich hoffnungslos niederließ. Das Licht war verschwunden und er fühlte sich furchtbar allein. Woher sollte er die Kraft und den Mut nehmen so einen beschwerlichen Weg zu gehen für ein Ziel was er nicht kannte, wo er nicht wusste, ob es sich überhaupt lohnen würde. Wanja verharrte lange Zeit an dieser Stelle, unschlüssig, ob er nicht einfach wieder zurück nach Hause gehen sollte. Innerlich war ihm jedoch klar, dass er das nicht tun durfte. Er musste dieses Ziel erreichen, um seiner selbst Willen und um zu zeigen, dass er das schaffen konnte. Große Angst beschlich Wanja, denn er fühlte sich sehr unsicher. Doch er schluckte, atmete tief durch und machte sich erneut auf den Weg. Vom nächstgelegenen Baum brach er sich einen Ast ab zur Stütze und zur Verteidigung, aber immer in der Hoffnung, dass es nicht nötig sei.

Zunächst versperrten ihm Dornen den Weg. Aber es war einfach sich einen Weg hindurch zu bahnen. Wanja behielt nur ein paar Kratzer zurück. Das gab ihm Mut, seinen Weg fortzusetzen.

So gelangte Wanja an einen Fluss, den er überqueren musste. Der Fluss war tief und Wanja hatte nie schwimmen gelernt. Ratlos blieb er am Ufer stehen. Sollte hier seine Reise zu Ende sein? So lange war er nun schon unterwegs, aber er hatte das Gefühl, dass das schwierigste Stück noch vor ihm lag. Wanja begann zu zweifeln: lohnte sich diese Reise überhaupt? Wie sollte er ein Ziel finden, welches er nicht kannte. Wozu die Schwierigkeiten auf sich nehmen? Warum nicht einfach nach Hause zurück gehen? Das jedoch war das Einzige was ihm klar war, dort durfte er erst nach erreichen des Zieles wieder hin. Frustriert setzte sich Wanja ans Ufer. Nachdem er einige Zeit angespannt aufs Wasser gestarrt hatte, tauchte plötzlich ein großer Hecht auf. Er schwamm immer von einem zum anderen Ufer und Wanja wünschte sich, auch schwimmen zu können. Vorsichtig stieg er mit den Füßen in das kalte Nass. Nach und nach ließ sich Wanja immer tiefer hineingleiten. Dennoch hatte er große Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren und zu ertrinken. Immer wieder tauchte der Hecht auf. Das bestärkte Wanja und er bemühte sich jeden Tag aufs Neue, sich über Wasser zu halten. Mit der Zeit gelang ihm das immer besser. Fest entschlossen wollte er das andere Ufer erreichen, doch die Strömung in der Mitte des Flusses war so stark, dass er nicht dagegen ankam. Doch plötzlich kam ihm der Hecht zu Hilfe. Vorsichtig stupste er Wanja an, damit dieser das andere Ufer erreichen konnte. Ziemlich erschöpft legte sich Wanja ins Gras. Er überlegte, dass er fast die Hoffnung aufgegeben hatte und es trotzdem geschafft hatte. Außerdem hatte er schwimmen gelernt. Das machte Wanja sehr stolz und so gönnte er sich ein wenig Schlaf.

Als er erwachte, wurde ihm klar, dass er schon einiges geschafft hatte, aber er immer noch keine Ahnung von dem Ziel hatte, was er erreichen musste. Sein Unterbewusstsein sagte ihm jedoch, dass es ein sehr weiter und schwieriger Weg sein würde. Es lastete wie eine schwere Bürde auf ihm und machte das Aufstehen anstrengend. Wanja machte sich auch nur deshalb auf den Weg, weil er das stillsitzen unerträglich fand, denn es brachte ihn nur ins Grübeln.

Wanja war noch nicht lange unterwegs, als er an einem hohen Berg ankam, den es zu erklimmen galt. Den Berg hinauf zu gelangen erforderte wiederum alle seine Kräfte. Nirgends gab es eine breite Stelle, an der er sich einmal ausruhen konnte. Endlich gelangte er auf den Bergkamm. Sein Blick schweifte über die riesige Weite vor ihm. In seinem Herzen machte sich Sehnsucht breit. Alle diese Länder wollte Wanja gerne besuchen. Was für ein Traum. Doch schon bald zerstreuten sich seine Fantasien, denn er musste zunächst den vor ihm liegenden Pfad finden. Ihm schien nichts weiter übrig zu bleiben, als weiter den Bergkamm entlang zu klettern. Das war gefährlich. Der Kamm war sehr schmal und es ging ständig auf und ab. Ein paar Mal rutschte Wanja ab und verlor den Halt. Um ein Haar wäre er abgestürzt. Plötzlich zog auch noch ein Sturm auf. Wanja hatte Todesangst und hielt sich krampfhaft an den zerklüfteten Felsen fest. Warum nur, warum nur nahm er das alles auf sich? Er wagte es nicht, sich zu bewegen. Endlich hörte der Sturm auf und Wanja konnte ein wenig seiner Angst beiseite schieben, so dass er weiter klettern konnte. Als der Weg wieder breiter wurde schaute Wanja sich um. Er musste feststellen, dass das Stück, was ihm unendlich lang vorgekommen war, wo er gedacht hatte, er würde es nicht überleben, in Wirklichkeit nur ganz kurz war. Zunächst war Wanja enttäuscht, doch dann sagte er sich immer und immer wieder, egal, wie lang das Stück war, ich habe es trotz aller Widrigkeiten geschafft. Ich habe nicht aufgegeben und es war verdammt schwer. Das beruhigte ihn und stimmte ihn ein wenig froh, so dass er pfeifend seinen Weg fortsetzen konnte.

Doch dann lastete weiter die Frage auf ihm, warum er überhaupt diesen Weg auf sich nahm. Was suchte er denn eigentlich? So in seine Gedanken vertieft lief er weiter. Die Straße wurde steiler und diese Frage schien ihn immer mehr zu beschweren. Deshalb setzte er sich wieder hin, um eine Pause zu machen. Von dort konnte er wieder weit in die Ferne schweifen. Das lenkte ihn ab, denn er stellte sich vor, was es dort zu entdecken gab. Immer begieriger wurde Wanja, das vor ihm liegende auch tatsächlich zu erkunden.

Neugierig und euphorisch ging Wanja nun weiter – kein Gedanke mehr daran, was er eigentlich suchte. Nur der Weg und die Abenteuer die ihn erwarteten waren noch wichtig.

Plötzlich stürzten etliche Krieger aus einem Gebüsch und fielen über Wanja her. Wanja bekam Angst und fragte sich, was er getan haben möge. Sie nahmen ihn mit und banden ihn an einen Pfahl in der Mitte des Dorfplatzes. Dort stand er einige Tage. Niemand sprach mit ihm. Niemand beachtete ihn. Ab und zu bekam Wanja etwas Wasser zu trinken. Nachdem Wanja seine anfängliche Angst überwunden hatte, begann er zu beobachten, was um ihn herum vor sich ging. Wanja beobachtete sehr genau und, weil Wanja sehr sensibel war, spürte er oft Mitleid mit einigen dieser Menschen. Irgendwie spürten die Leute das und wenn sie sich unbeobachtet fühlten gingen sie zu Wanja und erzählten von sich. Zuerst verabschiedeten sie sich schnell wieder, doch als sie merkten, dass Wanja ihnen auch immer wieder Hinweise zu dem gab, was sie erzählten, blieben sie auch länger. Wanjas Angst war nun nicht mehr wichtig. Er stand dort und es wurde nie langweilig. Natürlich musste er viele Entbehrungen hinnehmen, aber er erkannte es als seine Aufgabe an, dort zu stehen und zuzuhören. Er hatte sich schon mit dem Gedanken angefreundet, dass diese Art der Gefangenschaft nie enden würde, als plötzlich jemand kam und ihn losband. Wanja wurde zum Dorfältesten geführt und musste sich lange mit diesem unterhalten.
Der Dorfälteste erklärte ihm, dass er Wanja lange beobachtet habe. Er fragte ihn über die Schicksale der Stammesmitglieder und was Wanja ihnen geraten habe. Wanja fühlte sich verpflichtet alles zu erzählen. Der Dorfälteste war sichtlich beeindruckt über die Ideen die Wanja gehabt hatte. Dann sagte er Wanja, dass er sich bei ihm bedanken müsse, weil er einiges zum Guten gewendet habe. Um ihm seinen Dank zu erweisen, würde er Wanja seine Freiheit schenken, ihn aber bitten, weiter bei seinem Stamm zu leben. Wanja überlegte tatsächlich sehr lange, erklärte dann aber, dass er sein Ziel weiter verfolgen wolle. Das machte den Dorfältesten traurig, aber er konnte Wanja verstehen und ließ ihn ziehen. Zum Abschied bekam Wanja von den Dorfbewohnern in Dankbarkeit verschiedene Geschenke. Mit diesen im Gepäck zog Wanja weiter. Trotz seiner Gefangenschaft hatte Wanja die Zeit in diesem Dorf gut getan und er fühlte sich innerlich gestärkt. Seine Schritte auf dem weiteren Weg waren ausladend und fest. Und der Weg den er beschritt war eindeutig und leicht zu gehen. Immer wieder sah er innerlich das Bild von der Weite des Landes vor sich und der Gedanke festigte sich, dass er neben der Suche nach dem Ziel auch versuchen wollte, das Land zu erkunden.

Einige Zeit später gelangte Wanja an eine große Kreuzung. Intuitiv entschied er sich für einen Weg. Doch schon kurz danach endete dieser Weg und Wanja kehrte wieder um. Er versuchte den nächsten Weg, aber auch dieser endete wieder. So probierte Wanja etliche Wege, aber bei jedem ereilte ihn das gleiche Schicksal. Wanja kehrte erneut zur Kreuzung zurück. Ihm blieb nur noch ein Weg übrig, den er noch nicht probiert hatte. Wanja setzte sich frustriert mitten auf die Kreuzung. Er war schon ganz k.o. Er haderte mit seinem Schicksal – wie konnte er so viel Pech haben – und er hatte Angst diesen letzten Weg, diese letzte Möglichkeit auszuprobieren. Was sollte er tun, wenn er auch auf diesem Weg nicht weiter kam? Müsste er dann nach Hause zurück gehen? Dann wäre er ganz gescheitert. Wanja war so mutlos und so hoffnungslos. Alles in ihm sträubte sich und er hatte unsägliche Angst, diesen Weg in Angriff zu nehmen. So blieb Wanja erneut reglos sitzen.
Während er so saß beobachtete er zwei Mäuse bei der Futtersuche. Immer wieder kamen sie aus ihrem Bau geflitzt. Aber über ihnen kreiste ein Bussard, der nur auf eine Gelegenheit wartete zuzustoßen. Die Mäuse agierten sehr vorsichtig und Wanja erkannte, dass sie es nach und nach schafften genügend Futter in ihren Bau zu bringen. Sie schienen sich nicht von ihrer Angst vor dem Bussard einschüchtern zu lassen. Wanja begann zu grübeln, warum die Mäuse so mutig waren und er immer wieder die Flinte ins Korn werfen wollte. Er hatte keine Idee dazu, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, das es Schlimmeres gab als ein paar Sackgassen und er nicht aufgeben durfte.

Fest entschlossen nahm Wanja den übrig gebliebenen Weg in Angriff, in der Hoffnung, dass er ihn seinem Ziel ein Stück näher bringen würde. Wanja hatte Glück, denn dieser Weg endete nicht und so zog er eine Weile unbeirrt dahin.

Zunächst war Wanja sehr froh, dass er nicht aufgegeben hatte und das machte ihn auch ein wenig stolz. Er ging aufrechter und war fest entschlossen, dieses unbestimmte Ziel zu erreichen. Unterdessen führte ihn sein Weg in einen Wald. Zunächst genoss Wanja den kühlen Schatten, doch der Wald wurde immer dichter, immer undurchdringlicher. Er war froh, dass der Weg vor ihm durch die Kieselsteine etwas hell erschien. So konnte er erkennen wie es weiter ging. Etwas mulmig wurde es Wanja schon und er blickte oft ängstlich nach rechts und links, ob nicht doch irgendwo Gefahren lauerten. Der Wald wurde immer noch dichter und der Weg wurde immer noch schmaler. Auch gab es keine Kieselsteine mehr und schon bald war es um Wanja herum sehr, sehr dunkel. Eine schreckliche Angst stieg in ihm hoch und er malte sich aus, was alles passieren könne. Von der Angst wurde er ganz gefangen genommen. Sie machte ihn so hilflos, aber er bemühte sich trotzdem den Weg nicht aus den Augen zu verlieren und weiter zu gehen. Als er dann noch unheimliche Geräusche um sich herum wahrnahm, die er nicht deuten konnte, nahm die Angst ihm fast den Atem. Wanja blieb starr stehen. Er hatte den Eindruck, sich nie mehr von der Stelle bewegen zu können so sehr lähmte ihn die Angst. Mit laut klopfendem Herzen blickte er sich suchend um. Er wagte nicht zu atmen. Kein Windhauch regte sich, alles schien plötzlich still zu stehen. Wanja versuchte sich zu beruhigen. Immer und immer wieder sagte er sich, dass er nichts bedrohliches sah und einfach nur weiter gehen müsse. Aber er glaubte sich nicht.
Da war so viel Ungewisses was ihn gefangen hielt. In sich spürte er Zittern und Unruhe. Er wünschte nichts sehnlicher als so schnell wie möglich wegzulaufen. Aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Er hatte das Gefühl, nichts tun zu können. Panik ergriff ihn, aber er konnte ihr nicht entrinnen. So begann Wanja tief ein und aus zu atmen und seine Atemzüge zu zählen. Er versuchte sich auf nichts anderes zu konzentrieren. Ganz langsam wurde er ruhiger. Vorsichtig versuchte er sich auf dem Weg langsam weiter zu tasten. Er wurde nicht mehr nur von seiner Angst beherrscht, sondern da war auch der Wille weiter zu kommen. Es war sehr schwierig für Wanja und kostete ihn viel Überwindung. Immer wieder blieb er stehen, um sich Mut zuzusprechen, Kräfte zu sammeln und sich sein Ziel irgendetwas zu finden, vor Augen zu führen. Das kostete Wanja seine ganze Kraft. So blieb er irgendwann verzweifelt stehen und fragte sich frustriert zum hundertsten Mal, warum er das alles in Kauf nahm. Aber er konnte beim besten Willen keine Antwort darauf finden.
Als er schon fast resigniert hatte, flogen ein paar leuchtende Punkte um ihn herum. Zunächst wunderte er sich, aber dann entschied er, dass es wohl Glühwürmchen sein müssten. So etwas Schönes hatte Wanja selten gesehen und ihr Erscheinen nahm ihn ganz gefangen. Sie flogen erst um ihn herum, aber dann entfernten sie sich. Das machte Wanja traurig, denn ihr Dasein gab ihm so viel Hoffnung. Um sie nicht zu verlieren, folgte er ihnen einfach. Kein Gedanke erinnerte Wanja noch an die Gefahr und seine Angst in diesem Wald. Sein Interesse galt nur noch den Glühwürmchen.
Alsbald hatten sie ihn aus diesem dunklen Wald heraus geführt. Wanja war freudig überrascht und setzte sich erst einmal nieder, um das Geschehene zu verarbeiten. Das fiel Wanja schwer, denn immer noch spürte er deutlich die Angst in sich. Immer wieder redete er sich ein, dass er auch dieses Abenteuer erfolgreich bestanden habe. Dennoch konnte er es nicht wirklich glauben, weil ihn die Angst noch so sehr beherrschte. Wanja stand auf und lief im Sonnenlicht umher, um auf andere Gedanken zu kommen. Irgendwann fand er so viel Kraft, dass sein Blick nicht mehr nur zu Boden gerichtet war, sondern er stehen blieb und aus sicherer Entfernung den Wald betrachten konnte. Und endlich konnte er auch fühlen, dass die Gefahr vorbei und er in Sicherheit war. Wanja atmete tief durch, machte sich vor Stolz ein wenig größer und empfand einen großen Tatendrang, um seinen Weg fortzusetzen mit allem was ihm dort begegnen würde.

Leichtfüßig, fröhlich und voller Selbstbewusstsein lief Wanja dahin. Er besah sich die Blumen am Wegesrand und erfreute sich an ihnen. Auch die Vielfalt der Tiere, die sich auf den Wiesen tummelten, fiel ihm plötzlich wieder auf. Das machte es ihm leicht zügig voran zu kommen. Erneut schaffte er ein großes Stück Weg. Doch im Laufe der Zeit wurde sein Schritt langsamer, verlor sich die Leichtfüßigkeit und auch sein Stolz. Denn wiederholt fragte sich Wanja nach dem Sinn seines Weges, fragte er sich welches Ziel er denn nun erreichen wollte. So geriet er immer tiefer in seine Grübeleien und bemerkte nicht mehr all das Schöne am Wegesrand. So bemerkte Wanja auch kaum, wie er in ein Dorf gelangte. Doch schon bald umringten ihn ganz viele Leute. Sie betrachteten Wanja kritisch, musterten und beäugten ihn von allen Seiten. Wanja wurde sehr unwohl dabei, denn er bemerkte wie abgerissen und dreckig er inzwischen aussah. Es dauere auch nicht lange und die Leute begannen über ihn zu spotten, ihn auszulachen. Wanja hatte das Gefühl, immer kleiner zu werden, ihnen hilflos ausgeliefert zu sein und sich nicht wehren zu können. So ließ er all die Gemeinheiten über sich ergehen, obwohl es ihm dabei immer schlechter ging. Tränen traten in seine Augen. Er konnte und wollte sie nicht mehr zurückhalten. Er hatte keine Kraft mehr dazu. Die Leute erschraken über das was sie getan hatten und hielten inne in ihren Äußerungen. Stumm starrten sie Wanja an. Eine unangenehme Stille breitete sich aus.

Wanja hob vorsichtig den Kopf und blickte in viele schuldbewusste, aber auch erwartungsvolle Gesichter. Wanja konnte die Stille nicht mehr ertragen, deshalb begann er zu erzählen. Er erzählte, dass er von zu Hause weggeschickt wurde, um ein Ziel zu suchen, von dem er immer noch nicht wusste was es war. Er erzählte, wie anstrengend der Weg gewesen war und wie nahe er dran war aufzugeben, wenn ihm das Licht nicht geholfen hätte. Er erzählte auch von seinen Irrwegen und wie viel Kraft und Geduld es ihn gekostet hatte, schwimmen zu lernen. Auch von seinem beschwerlichen Weg über den Bergkamm und von seiner Gefangenschaft berichtete Wanja. Und schließlich erzählte er auch noch von dem dunklen Wald und den Glühwürmchen die ihm geholfen hatten.
Immer wieder versuchte Wanja deutlich zu machen, mit wie viel Angst er immer wieder gekämpft hatte, gegen wie viel Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit er immer wieder angehen musste. Dennoch hatte er bis hierher seinen Weg geschafft. Durch seine Erzählungen gewann Wanja auch wieder ein wenig Selbstbewusstsein. Die Dorfbewohner hatten gebannt gelauscht. Sie hatten mit gelitten und sich gefreut. Und sie konnten nun gut Wanjas Zweifel an dem Sinn dieses Weges erkennen. Aber sie machten ihm Mut. Zunächst entschuldigten sie sich bei ihm, dass sie so gemein gewesen waren. Dann sagten sie ihm, wie sehr sie ihn bewunderten, dass er all diese Gefahren bereits gemeistert und nie aufgegeben habe. Sie konnten ihm jedoch nicht helfen bei dem Sinn und dem Ziel welches Wanja auf seinem Weg suchte. Trotzdem tat ihm ihre Anteilnahme gut. Durch seine Erzählungen war ihm klar geworden, was er schon gut gemeistert hatte und das stärkte ihn.

So beschloss Wanja, seine Suche fortzusetzen und die Dorfbewohner stützten ihn in dem Glauben auch ein Ziel zu finden. Um ihm ihre Wertschätzung zu zeigen, begleiteten sie ihn auf einem Stück seines Weges. Sie entschuldigten sich noch oft für ihr anfängliches Verhalten und zollten ihm ihre Bewunderung für das was er bereits geleistet hatte. Wanja gewann eine Menge innere Stärke und in ihm entwickelte sich die Idee, dass nicht nur das Ziel Sinn des Weges sei, sondern auch, dass der Weg selbst eine Art Ziel darstellte. Und wieder einmal fühlte er genug Mut, um nicht aufzugeben.
Es tat ihm gut, dass die Dorfbewohner ihn noch lange begleiteten und ihm immer wieder sagten, dass sie seine Leistung bewunderten. Das bestärkte Wanjas Hoffnung, doch noch sein Ziel zu erreichen.

Irgendwann mussten die Dorfbewohner nach Hause zurückkehren. Wanja war wieder allein. Er fühlte sich einsam und ihm fehlte der Zuspruch. Er wusste, dass er die Stärke in sich selbst finden musste. Aber das war so schwer. Um sich aber damit nicht auseinander setzen zu müssen, konzentrierte er sich auf jeden seiner Schritte. Als das schließlich auch nicht mehr half, begann Wanja seine Schritte zu zählen. Das empfand er jedoch auch nicht als richtig und so setzte er sich erneut allein an den Wegesrand. Nun hatte er schon so einen langen Weg zurückgelegt. Natürlich hatte er all diese Gefahren gemeistert und konnte sich vor den Dorfbewohnern darstellen. Aber seine Erfolge erreichten sein Innerstes nicht. Er fühlte sich wertlos und unnütz. Das machte ihn traurig und verzweifelt. Wieder einmal war Wanja an einem Punkt angelangt, wo er lieber aufgeben wollte. Was machte das alles nur für einen Sinn?

Lange saß er so da und grübelte. Die Zeit verstrich und nichts passierte. Die Stille wurde ihm so unheimlich, dass er es nicht aushalten konnte. Plötzlich fiel ihm sein Stock wieder ein, der ihm ein wenig Stütze bot. Langsam, gebückt und traurig machte er sich wieder auf den Weg.

Das Bündel mit seinen Habseligkeiten, was er trug, erschien ihm unendlich schwer. Abermals setzte er sich am Wegesrand nieder. Auf einmal stiegen Tränen in ihm hoch. Tränen darüber, so allein zu sein, Tränen darüber so verzweifelt zu sein und Tränen darüber, keine Kraft mehr zu haben. Er weinte lange, sehr lange und seine Verzweiflung schien kein Ende zu nehmen. Er wusste keinen Rat mehr und fühlte sich so nutzlos und absolut wertlos.
Doch plötzlich kippte seine Stimmung und aus der tiefen Verzweifelung erwuchs Hass. Er hatte solch einen Hass auf sich, dass er sich auf seine Hände setzen musste, um sich nicht zu schlagen. Sein Hass war so groß, dass er sogar aufpassen musste, seinen Kopf nicht auf die Erde zu knallen. Sein Herz schlug bis zum Hals und Panik ergriff ihn, weil er nicht wusste, wie er mit diesem Hass umgehen sollte. Deshalb packte er sein Bündel und rannte so schnell er konnte los, um das nicht mehr spüren zu müssen. Wanja rannte so schnell ihn seine Füße trugen. Er bekam schon kaum noch Luft, aber das war ihm egal. Er rannte einfach weiter, bis er nichts mehr spürte und auch dann rannte er noch. Kein Gedanke war mehr in seinem Kopf und das war gut so. Er hörte nur noch sein Herz schlagen, doch dann streikte sein Körper und er fiel zu Boden. Sein Herz schlug immer noch rasend schnell, denn seine Panik war immer noch da. Doch plötzlich löste sich etwas in ihm. Befreite ihn innerlich. Er selbst schien sich von sich zu entfernen. Er sah sich dort liegen – tot. Aber es berührte ihn nicht. Er fühlte sich frei, schwerelos, entledigt von seiner Bürde, entledigt von seiner Wertlosigkeit, entledigt von seiner Einsamkeit. Er genoss dieses Gefühl der Freiheit und empfand zum ersten Mal so etwas wie Glück. Dieses Gefühl mochte er niemals wieder hergeben.

Wanja ging vollkommen auf in diesem Glücksgefühl. Wie schwerelos und unbelastet schien er durch Raum und Zeit zu gleiten. Nebel umgab ihn, ließ ihn treiben, weil nichts mehr seine Gedanken fesselte. Frei und unbekümmert. Doch nach und nach wurde der Nebel immer dichter und raubte ihm fast den Atem. Plötzlich erschrak Wanja vor dem was da passierte. Das Glücksgefühl verschwand und Angst überkam ihn. Ihm wurde bewusst, dass es falsch war, was da gerade passierte. Dennoch war er hin und hergerissen, denn nichts wünschte er sich sehnlicher als dieses leichte und schwerelose Dahingleiten. Trotzdem hatte er eine Aufgabe zu erfüllen, die ihn auch nicht los ließ. Aber er wollte nicht wieder alleine endlose Meilen zurücklegen und nach einem Ziel suchen was es vielleicht nicht gab. Zweifel erfüllten ihn. Sollte er sich einfach im Nebel weiter treiben lassen? Er schien zu keiner Entscheidung fähig zu sein. Das Glücksgefühl kehrte nicht zurück und er fühlte sich hilflos und einsam.

Unschlüssig beobachtete er noch wie er bewegungslos auf dem Weg lag, als ein kleiner brauner Hund herbei sprang. Er leckte durch sein Gesicht und legte sich winselnd neben ihn. Instinktiv spürte Wanja, dass sich dieser Hund auch alleine fühlte. Ein unsichtbares Band schien ihn mit dem Hund zu verbinden und zog ihn unwillkürlich in seinen Körper zurück. Der Hund bemerkte, dass Leben in Wanja kam und sprang schwanzwedelnd um ihn herum.

Vorsichtig öffnete Wanja die Augen und sah wie der Hund auf ihm und über ihn hinwegtollte. Er schien plötzlich so froh zu sein, da mochte auch Wanja nicht mehr liegen, sondern wollte an der Seite des Hundes bleiben. Er beschloss, ihn Terri zu nennen. Zunächst förderte Wanja aus seinem Bündel etwas Brot zutage, welches sie sich teilten. Seite an Seite machten sie sich nun gemeinsam auf den Weg. Endlich fühlte sich Wanja nicht mehr so allein. Terri zeigte so viel Freude, dass Wanja ganz davon eingenommen war. Er folgte Terri und freute sich über dessen Ausgelassenheit. Ein Stück des Weges rannten sie gemeinsam aus lauter Übermut. Dann ließen sie sich auf eine Wiese fallen und rollten übereinander her. Wanja dachte, was es für ein Glück sei, Terri begegnet zu sein. So zufrieden hatte er sich selten gefühlt. Aber er musste auch seine Aufgabe im Blick behalten, für die er dank Terri wieder Mut gesammelt hatte.

Dann begann es zu regnen. Tagelang regnete es und immer wieder zog Nebel auf, bei dem man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Geduckt zogen die beiden Freunde weiter. Nach und nach waren sie ganz durchnässt. Wanja begann zu frieren. Die Kälte schien in ihn einzudringen. Erneut überkamen ihn Zweifel über den Sinn seines Weges. Tief geduckt und vollkommen in Gedanken versunken zog er weiter. Doch plötzlich sprangen aus dem Wald den sie gerade durchquerten, etliche Räuber. Terri begann zu bellen, zu knurren und fletschte die Zähne, aber das schüchterte die Räuber nicht ein. Sie stürzten sich auf Wanja, rissen ihn zu Boden und stahlen ihm alle seine Habseligkeiten. Alles was er auf seiner Reise geschenkt bekommen hatte, alles was er von zu Hause mit genommen hatte, alle Erinnerungen, alle Freude die damit verbunden waren, alles war weg. Alles wurde ihm gestohlen.
Die Räuber blieben vor ihm stehen und lachten höhnisch. Wanja war nun alles egal. Nichts war mehr wichtig. Wie unbeteiligt betrachtete er das Schauspiel. Doch so, dachte er könne ihm niemand mehr etwas anhaben. Nichts würde ihn erreichen. Nichts könnte ihn verletzen. Im Moment war er einfach nur froh, den Überfall überstanden zu haben.

Die Räuber sahen in Wanja eine gute Beute. Sie nahmen ihn mit in ihr Versteck und gaben ihm zahllose Aufträge, die Wanja widerstandslos erfüllte. In den ersten Tagen suchte er noch nach Wegen, den Räubern zu entfliehen, weil er das Gefühl hatte, eingesperrt zu sein. Doch nach einigen Tagen war dieses Gefühl weg, denn er wusste sowieso nicht wohin er gehen sollte. Die Suche nach dem Ziel schien ihm sinnlos und so war er im Grunde froh, jeden Tag neue Aufträge von den Räubern zu bekommen. Er war nur zu gerne bereit, diese zu erfüllen. Je mehr Aufträge er bekam, umso besser ging es ihm, denn dann blieb keine Zeit mehr zum Nachdenken. Jedes Nachdenken führte ihn in ein absolutes Nichts, in eine völlige Sinnlosigkeit für sein eigenes Leben.
Terri lief tagelang um Wanja herum und versuchte Aufmerksamkeit zu bekommen, aber Wanja bemerkte ihn kaum noch. Das machte Terri sehr traurig und so legte er sich etwas abseits auf den Boden und beobachtete seinen Freund. Was war aus ihm geworden? Seinen Augen fehlte der Glanz, seine Haare waren stumpf und seine Bewegungen fast schon mechanisch. Er arbeitete, aber schien die Welt um sich herum gar nicht wirklich wahrzunehmen. So vergingen einige Monate und Wanjas Zustand wurde immer schlechter. Er redete kaum noch und seit einiger Zeit kümmerte er sich weder um seine Kleidung, noch darum, sich zu waschen. Nachts lag er oft wach und starrte in den Sternenhimmel. In all seiner Hoffnungslosigkeit schienen sie ihm etwas Gutes zu geben und er wünschte nichts sehnlicher als dort hin zu gelangen. Jede Nacht lag Terri ganz dicht neben ihm und war bemüht ihn irgendwie zu erreichen, aber alles schien vergeblich. Darüber wurde Terri so traurig, dass sein Herz ganz schwer und krank wurde. Schon bald konnte er nicht mehr aufstehen, um seinen Herrn zu begleiten. Da bemerkte Wanja, dass ihm etwas fehlte. Tief in seinem Inneren schien sich etwas zu rühren, schien die Trostlosigkeit zu überdecken. Er sorgte sich um Terri, er wollte ihn auf keinen Fall verlieren. Das schien ihn aus seiner Trance zu erwecken, er sah plötzlich die Realität wieder und ihm wurde klar, dass er so nicht weiterleben konnte. Er spürte wieder Kraft in sich. Neben seinen alltäglichen Arbeiten kümmerte er sich nun intensiv um Terri. Er redete viel mit ihm, streichelte ihn und schmiedete Pläne vor den Räubern zu fliehen. Auch Terri spürte die Energie, die von Wanja ausging und er spürte seine Liebe tief in seinem Herzen. Das machte ihn froh und half ihm, langsam wieder gesund zu werden. Nun wussten beide, dass sie immer füreinander da sein würden.

Die Räuber waren mittlerweile so daran gewöhnt, dass Wanja alle seine Aufgaben stets erfüllte, dass sie gar nicht mehr auf ihn achteten. So war es ein Leichtes für die Beiden zu entkommen. Eine Weile trauerte Wanja noch um all seine Habseligkeiten, die die Räuber ihm gestohlen hatten, aber dann wurde ihm bewusst, dass er Terri als Begleiter hatte und, dass das mehr wert war als alles was er bisher besessen hatte. Für die Beiden war es wie ein Neuanfang. Alles was Wanja erlebt hatte schien der Vergangenheit anzugehören. Fast schon als wäre alles in einem anderen Leben passiert. Ganz neu wollte er entscheiden, wie es nun weitergehen sollte. Wanja nahm sich einige Tage Zeit für diese wichtige Entscheidung. Während dieser Zeit taten die Beiden nur das was ihnen gerade in den Sinn kam und nur das was ihnen Spaß machte. Wanja lachte viel über Terris Kunststücke und sie genossen es beisammen zu sein und ihr Nähe zu spüren. Es waren Tage vollkommenen Glücks. In den ersten Tagen meinte Wanja, dass das ewig so weitergehen könne. Doch dann spürte er große Sehnsucht in sich. Sehnsucht nach zu Hause, nach lieben Menschen die mit ihm redeten. Er wollte wieder zurück, aber durfte er das, bevor er dieses Ziel gefunden hatte? Lange grübelte er, wie er sich entscheiden sollte, aber zu Hause fand er das wonach er sich sehnte: Geborgenheit, Sicherheit und Gemeinschaft. Er hatte schon so viele Abenteuer bestanden, dass er endlich Ruhe finden wollte. Seine Entscheidung fiel ihm nicht leicht, denn er wollte doch beweisen, dass er das Ziel gefunden hatte, trotzdem war er sich sicher, dass es Zeit war zurück zu gehen.
Nachdem der Entschluss feststand, spürte Wanja, dass er nicht mehr so rastlos war. Er musste nicht mehr ziellos umherirren, denn er wusste genau wohin er wollte. So machte er sich mit festem Schritt und seinem treuen Begleiter auf den Rückweg.

Die Sonne schien, es war warm und die beiden machten Pause, wo immer sie auch ein schönes Plätzchen fanden. Es wurde ihnen nie langweilig und sie genossen es beisammen zu sein. Hin und wieder durchquerten sie Dörfer und Städte. In manchen legten sie eine Rast ein, oder wurden von netten Menschen eingeladen, Gast bei ihnen zu sein. Ihre Aufenthalte waren aber nie sehr lange, denn Wanja zog die Sehnsucht weiter zu seiner Familie.

Eines Tages gelangten sie wieder in ein Dorf und wurden von einem Bauern zu einer Mahlzeit eingeladen. Wanja war sehr hungrig und so gingen sie mit. Der Bauer brachte sie zu seiner Hütte und als sie eintraten, saßen schon alle am Tisch und redeten munter durcheinander. Neben der Bauersfrau saßen noch fünf Kinder mit fröhlichen, runden Gesichtern. Außerdem gab es noch eine alte Oma mit faltigem, gutherzigem Aussehen und ein Mädchen mit schwarzem, langen Haar und dunkelbraunen, großen Augen, welches Wanja aufmerksam beobachtete. Während des Essens bestürmten die Kinder Wanja mit Fragen, woher er komme, was er suche und wohin er ginge. Geduldig beantwortete Wanja alle Fragen und erzählte dann von seinen Abenteuern. Alle lauschten begeistert, bis es draußen schon fast dunkel wurde. Wanja und Terri wurden eingeladen über Nacht zu bleiben. Während die Kinder ins Bett gebracht wurden, bat das Mädchen Wanja um einen Spaziergang. Eigentlich wollte sie noch mehr über den Sinn und das Ziel von Wanjas Reise erfahren, aber je länger sie gingen, umso mehr sprachen sie über die Wünsche und Träume die sie in ihrem Leben hätten. Das Mädchen bewunderte Wanjas Mut und erzählte ihm, dass sie sich auch wünschte, in ferne Länder zu reisen, andere Menschen kennen zu lernen und Abenteuer zu bestehen. Wanja gestand ihr, dass seine Reise zwar aufregend gewesen war und er viel erlebt und gelernt hätte, aber, dass das nicht alles für ihm im Leben sei. Für ihn sei es auch wichtig, eine Familie zu haben, Menschen die ihn schätzten und liebten und bei denen er Geborgenheit und Schutz fand. Die ganze Nacht unterhielt sich Wanja mit dem Mädchen. Sie verstanden sich sehr gut und hatten beide das Gefühl, sich schon ewig zu kennen. Am Ende der Nacht stand der Entschluss fest, dass das Mädchen seine Träume verwirklichen wollte und mit Wanja und Terri zusammen die Reise fortsetzen wollte. Es war nicht leicht ihre Eltern zu überzeugen, aber weil sie sie liebten, ließen sie ihre Tochter ziehen.

Das Mädchen packte ein paar Habseligkeiten zusammen und am darauffolgenden Tag machten sie sich nun zu dritt auf den Weg. Das Mädchen, dessen Name Madita war, war ganz aufgeregt. Außerdem war es begierig darauf Wanjas Familie kennen zu lernen. Aber bis dahin mussten sie noch ein gutes Stück Weg zurück legen. Es dauerte nicht lange und sie waren ein eingespieltes Team. Sie teilten sich alle Aufgaben, die zu erledigen waren, ohne, dass es darüber Streit gab. Ebenso teilten sie das was sie jeden Tag erlebten miteinander. Und so wurde jeder ein Teil des anderen. Es war, als wären sie schon immer gemeinsam auf dem Weg gewesen. Terri freute sich, dass Wanja und Madita sich immer näher kamen. Mittlerweile konnten sie über alles reden, was sie bewegte und vertrauten sich blind. Sie wussten, dass jeder alles für den anderen tun würde. Sie hörten sich gegenseitig zu, trösteten sich, zeigten Verständnis und unterstützen sich wo immer es möglich war. Sie fühlten sich tief und innig verbunden, ja, sie liebten sich. Wanja konnte sich eine Welt ohne Madita nicht mehr vorstellen.

Und so kam der Tag, an dem sie Wanjas Familie erreichten. Alle waren sehr aufgeregt und Wanja überlegte schon seit Tagen, wie er erklären sollte, dass er umgekehrt war, ohne das Ziel gefunden zu haben. Madita machte sich schon Sorgen, weil er so still und in sich gekehrt war, obwohl er sich doch auf seine Familie freute. Aber in dem Moment als er den heimischen Hof erblickte, wusste er, dass er noch mehr als das Ziel gefunden hatte. Ihm wurde plötzlich klar, dass er durch alle Erfahrungen und Erlebnisse die er auf der Reise gemacht hatte geprägt worden war. Er war durch viele Tiefen gegangen und doch hatte er die Stärke besessen immer weiter zu gehen. Er hatte auch viel Schönes erlebt und all das hatte ihm geholfen zu erkennen, wer er war. Und die lange Suche nach einem Ziel hatte ihn dazu gebracht nun genau zu wissen, wie seine Zukunft aussehen sollte. Er wollte mit Madita eine Familie gründen und immer wenn ihnen danach war, wollten sie wieder eine Reise machen. Aber er wusste, dass er immer wieder in sein zu Hause zurückkehren wollte.

So begrüßte er überglücklich seine Familie und erklärte ihnen, dass er alles gefunden habe, was er brauchte. Er habe gelernt, sich in allen Situationen zurecht zu finden und nie aufzugeben und er habe herausgefunden, was ihm im Leben wirklich wichtig sei. Und zu seinem größten Glück habe er die Liebe gefunden, mit der er all das Wichtige im Leben teilen wollte.

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Tag der Veröffentlichung: 12.10.2011

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