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1


Es war kein Leichtes seinen kalten blauen Augen zu widerstehen. Vor allem, wenn sein sonst so hasserfüllter Blick sich plötzlich veränderte und auf einmal ganz weich wurde. "Was willst du?", knurrte ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen. Langsam kreisen seine Finger über meine Wange und wandern dann meinen Hals hinab zu meiner Brust und dann wieder hinauf und hielt dann an meiner Wange. "Das weißt du genau", sagte er mit rauchiger Stimme an mein Ohr. Mein Herz schlug wild in meiner Brust, ich hatte das Gefühl, es könne jeden Moment rausspringen. Tief durchatmen, sagte ich mir. Ich riss mich zusammen und wollte ihn fortstoßen, doch als meine Hände sich auf seine Brust legten, verlor ich die Kontrolle und meine Hände verharrten auf seiner starken Brust.
"Ich weiß, dass du es auch willst. Dass du mich willst", seine Stimme klang bedrohlich. Wie die eines Raubtiers.
Oh ja! Und wie ich ihn wollte!
Ein Teil von mir, der Teil, der noch vernünftig denken konnte, wollte sich wehren, ihn wegstoßen und weglaufen. Weglaufen? Ach was, Kämpfen! Kämpfen will ich endlich! Doch dieser Teil wurde immer kleiner und kleiner und verrauchte schließlich ganz und mit der Vernunft auch die Kampfeslust und die Rachgier.
"Braves Mädchen", murmelte er mir ins Ohr und ich spürte seinen eiskalten Atem.
Ich schloss nur noch meine Augen und das Nächste, was ich spürte, waren seine süßen Lippen und dann seine Zunge in meinem Mund, seine Hände wanderten zu meiner Taille und er zog mich an seinen Körper. Ich schlang meine Hände um seinen Hals und dann war plötzlich alles vorbei.
Ich lag in meinem Bett und die Sonne schien durch mein Fenster. Ich war allein. Schon wieder hatte ich von ihm geträumt und es nicht geschafft mich gegen ihn zu wehren. Ich raffte mich auf und lehnte mich mit meinem Rücken gegen die Wand.
"Lou?", hektisch klopfte es an meiner Zimmertür. "Lou, bist du wach?". Einen Moment erwog ich es, nichts zu sagen, doch dann wurde das Klopfen lauter. "Looouuu!". Eine zweite Stimme kam dazu: "Ist Louisa da drin?".
Ich verdrehte die Augen. Ich hasste diesen Namen und das wusste er genau.
"Ja, verdammt!", rief ich gereizt. "Bist du endlich fertig? Es ist spät!", rief die erste Stimme.
Verdammt, dachte ich. Wegen meines Albtraums hatte ich verschlafen. Ich beschloss, es als Albtraum anzusehen auch wenn ich es heimlich genossen hatte.
"Nun beeil dich, Louisa!".
Schnell schnappte ich mir die Schuluniform, die aus einem blauen Rock und einem weißen Shirt mit rotem Kragen bestand. An den Schultern war eine Art blauer Bolero angenäht.
Alle fanden sie schrecklich hässlich, was ich nicht verstand, da sie mir gefiel. Schnell zog ich mich an und schnappte mir meine Tasche. Ich wollte meine langen braunen Haare hochstecken, doch ich beschloss, dass es zu lange dauern würde und ließ sie einfach offen. Schnell schnappte ich mir meine Bürste, ich würde mir die Haare auf dem Weg zur Klasse kämmen. Vor meiner Tür warteten meine Beste Freundin Lee und mein Freund André.
"Endlich!", grinste André und zog mich an sich um mich zu küssen. Ich ließ es zu, doch ich fühlte mich unbehaglich. Seine Lippen fühlten sich unangenehm weich an und ich war erleichtert als Lee mich an der Schulter weg zog. "Kommt jetzt! Rumknutschen könnt ihr später noch! Die Gölki bringt uns um!".
André verdrehte nur die Augen, doch ich wusste sie hatte Recht. Mit der Pünktlichkeit war bei Professor Gölki nicht zu spaßen. Schnell rannten wir den Gang entlang, dabei ließ ich die Bürste schnell durch meine langen, schwarzen, widerspenstigen Haare gleiten.
Grade noch rechtzeitig schafften wir es in das Klassenzimmer und ich setzte mich auf meinen Platz.
Kaum saß ich auf meinem Platz, kam auch schon Professor Gölki herein und hinter ihr kam ein Schüler her. Ich erkannte ihn sofort. Noch bevor sich seine kalten blauen Augen auf mich richteten, war ich aufgesprungen. Ein paar Reihen weiter sprang auch Isabella auf.
Wenn ich nicht so auf IHN fixiert gewesen wäre, hätte ich sie angefaucht und ihr gesagt, dass ich keine Rückendeckung bräuchte. Aber ich war auf ihn fixiert und außerdem wäre das eine Lüge.
Auf seinem Gesicht breitete sich ein breites Grinsen aus.
"Louisa, bitte setzen sie sich wieder und sie genauso, Isabella", befahl Professor Gölki.
"Aber...!", warf ich ein.
"Kein Aber!", erwiderte sie scharf.
"Aber das ist...", versuchte ich es erneut.
"Das wissen wir. Setzen sie sich nun!". Einen Moment verharrte ich, dann nickte ich ergeben und setzte mich hin. Ich spürte, dass Lee mir einen teils neugierigen, teils besorgten Blick zuwarf, doch ich ignorierte sie.
Professor Gölki wandte sich an die Klasse und räusperte sich: "Darf ich vorstellen: Christian Bell!".
Christian grinste immer noch und sagte: "Hi! Ich bin Christian, aber nennt mich einfach Chris".
Es war an die ganze Klasse gerichtet, doch während er das sagte, ruhte sein Blick nur auf mir.
Und so starrten wir uns gegenseitig an.
Ich und der Mörder meiner Familie.

2


Es ist nun genau zwei Jahre her, dass Chris meine ganze Familie umgebracht hatte.
Es war schrecklich. Grade noch war meine Mutter an meinem Bett und hatte mir Gute Nacht gesagt und ich hatte die Augen geschlossen. Ein paar Minuten später spürte ich heißen Atem in meinem Gesicht und ich riss die Augen auf. Über mir stand Chris und sah mich mit einem begehrenden Blick an. Sofort wollte ich ihn küssen, meine Lippen auf seine drücken. Er zog mich magisch an. Doch dann sah ich das Blut auf seinem Gesicht. Ich trat ihm in den Magen und rollte mich vom Bett. Schnell lief ich die Treppe hinunter und da sah ich sie. Meine toten Eltern. Der Kopf meiner Mutter lag auf dem Boden, ihre Augen waren weit aufgerissen und in ihrem Mund steckte ein kleiner Arm. Der Arm meiner kleinen Schwester Rosalie. Sie war gerade mal 3 Wochen alt gewesen und nun war sie tot. Mein Vater saß auf dem Sofa und hielt den Rest von Rosalie in den Armen. Man hätte denken können, dass er noch lebte, wenn seine Augen nicht seine Wangen runter rutschen würden und seine Beine nicht ab den Knien fehlen würden. Ich beugte mich nach vorne und erbrach. Tränen trübten meinen Blick. Plötzlich legte sich eine Hand auf meinen Rücken. Jemand strich mir zärtlich die Haare nach hinten. Ich rammte ihm den Ellenbogen in die Seite und stolperte raus. Ich versuchte zu rennen, doch die Tränen machten mich praktisch blind. Dann bebte plötzlich die Erde und ich fiel hin. Chris hatte eine Bombe im Haus, sie war hoch gegangen. Ich wusste, ich musste weiter laufen, doch ich konnte einfach nicht. Verdammt! Ich hatte grade meine Eltern und meine Schwester tot aufgefunden. Und der Killer kam immer näher... ich musste jetzt los laufen! Das war meine einzige Chance zu überleben...
Eine Hand packte mich von hinten und zog mich an sich. Ich schrie und wollte um mich treten, doch er war zu stark. Er zog mich hoch und sah mich an. Seine Hände fuhren sachte durch meine Haare.
"Du... du hast meine Eltern und meine Schwester...", stotterte ich.
"Umgebracht.", erwiderte er. Seine Stimme war rau und er sagte das Wort als sei es etwas Liebevolles. Seine Hand legte er auf meine Wange und er sah mir tief in die Augen.
Lange Zeit standen wir einfach so da. Warum brachte er mich nicht um?
"W-warum?", hauchte ich.
Und dann war der Moment, an dem er seine Lippen sanft auf meine legte. Ich wollte ihn wegstoßen, mich wehren. Ich wollte kämpfen!
Doch ich konnte nicht. Ich war schwach und wehrlos. Zu gerne hätte ich behauptet, dass ich seiner Stärke unterlegen war, doch ich erwischte mich dabei, wie ich es genoss. Plötzlich war da ein Ruck, unsere Lippen lösten sich von einander und er taumelte zur Seite. Ein Mädchen das ungefähr so groß war wie ich kam auf uns zu gerannt. Ihre blonden, fast weißen Haare wehten hinter ihr her. Sie wirkte so stark, dass ich sie einfach beneiden musste. Ein schmerzvolles Stöhnen von der Seite riss meine Aufmerksamkeit von ihr. Chris blutete an der Schulter. Sein Gesicht war vor Qual verzerrt, doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Er riss mich an sich und drückte mich gegen sich. Das Einzige, was ich dachte, war 'Jetzt ist mein Tod gekommen', doch er murmelte mir nur etwas ins Ohr und verschwand dann. Ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten und fiel auf die Knie. Das weißhaarige Mädchen kniete sich vor mir in die Hocke und ich kniff ängstlich die Augen zusammen. Eine Zeit passierte gar nichts, als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, dass sie mir die Hand ausstreckte. "Alles in Ordnung mit dir?", fragte sie und lächelte mich dabei so freundlich an, wie meine Mutter es immer tat. "Hat er dich irgendwo verletzt?". Ich schüttelte den Kopf und versuchte Chris' letzte Worte zu verstehen. Was hatte er bloß gesagt?
Ich hatte das seltsame Gefühl, dass es etwas Wichtiges war. Zögernd ergriff ich ihre Hand und sie zog mich hoch. Ich war überrascht, wie stark sie war. "Ich bin Isabella", begrüßte sie mich. "Lou..Lou..", stammelte ich. "Lou?", fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. "Louisa."
"Oh bitte, darf ich dich Lou nennen?", fragte sie mich plötzlich aufgeregt. Benommen nickte ich. Sie strahlte mich an, als hätte sie im Lotto gewonnen. "Gut. Und du nenn mich Basi!". Im nächsten Moment umarmte sie mich plötzlich. "Es tut mir so leid! Wäre ich nur früher gekommen, hätte ich deine Eltern noch retten können". Tränen liefen ihr über die Wangen und in ihrem Gesicht spiegelte sich mein eigener Schmerz wider.
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Entschuldige... normalerweise bin ich nicht so emotional. Das liegt wohl daran, dass ich dich mag. Nunja, ich habe einen Auftrag zu erfüllen!". Auftrag?,dachte ich geschockt. War sie etwa auch eine Mörderin?
Doch sie versuchte nicht, mich umzubringen sondern ergriff nur meine Hand und zog mich mit sich.
In dem Moment als sie mich berührte war es, als würde Chris mir seine letzten Worte wieder ins Ohr flüstern.
"Wir werden uns wieder sehen."

3


Und nun saß eben genau dieser Chris hier in dieser Klasse. Die Lehrer wussten bescheid,sie waren alle eingeweiht. Sie hatten Isabella doch geschickt um meine Familie und mich vor ihm zu Retten!
Und nun sahen sie ihn an als wäre er ein ganz normaler Schüler. Ich spürte Isabellas Blick auf mir,doch ich versuchte ihn zu ignorieren.
Am Anfang waren Isabella und ich dabei die besten Freundinnen zu werden. Doch dann hatte ich Lee kennen gelernt,sie warnte mich immer mehr vor Isabella und da war sie nicht die einzige. Isabella sei total verrückt,hieß es. Am Anfang hatte ich mich davon natürlich nicht beirren lassen-so eine bin ich nicht. Doch dann fand ich heraus das sie Chris Schwester ist! Ab dem Moment konnte ich ihr nicht mehr vertrauen. Hätte sie mir das wenigstens von Anfang an gesagt,doch jetzt konnte ich mir nie ganz sicher sein ob sie nicht vielleicht doch mit Chris unter einer Decke steckt. Als es endlich klingelte nahm Lee mich am Arm. "Alles in Ordnung?",frage sie. Ich nickte doch es sah wohl nicht sehr überzeugend aus,denn sie zog nur eine Augenbraue hoch. In dem Moment kam Chris und legte mir einen Arm um die Schultern. "Hallo Loulou,lange nicht mehr gesehn!"
Ich versteifte mich. Traute mich nicht mich zu bewegen,oder überhaupt zu Atmen. Woher kannte er überhaupt meinen Namen? und womit nahm er sich das recht mich 'Loulou' zu nennen?!
"Ihr kennt euch?",frage Lee und zog dabei ihre Augenbraue hoch,mit beiden konnte sie es nicht.
"Na klar",sagte Chris und lachte. "Hat sie denn nie von mir erzählt? Wir sind Sandkasten Freunde!"
"Achso",erwiderte Lee und langsam breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. "Davon hat sie uns ja gar nichts erzählt".
"Ach wirklich?",fragte Chris mit gespieltem entsetzen. "Ja wirklich",ertönte da plötzlich eine Stimme hinter mir. Es war André,er zog mich an sich-weg von Chris und ich atmete erleichtert aus.
Chris lachte."Sorry ich wusste nicht das sie schon die gehört",erklärte er. Doch es hörte sich nicht wirklich glaubwürdig an.
Das fand André anscheinend nicht,er nickte und lächelte den neuen dann auch an.
"Komm Chris,wir zeigen dir die Schule! Ich bin übrigens Lee",irgendwas in ihrer Stimme hatte sich verändert,aber ich konnte nicht deuten was.
"Gerne das würde sehr freuen",antwortete er lächelnd und warf mir einen Seitenblick zu. "Ich kann nicht!",rief ich automatisch. Lee warf mir einen fragenden Blick zu. "Ich meine ich muss mal! Geht schonmal vor ich finde euch schon",korrigierte ich schnell. Danne riss ich mich von Adré los und rannte los. Ich konnte nicht in seiner Nähe bleiben,ich wusste nicht was dann passieren würde.
Ich rannte aufs Mädchen Klo ohne zu wissen was ich da wollte. Schließlich musste ich nicht wirklich. Als ich dort angekommen war lehnte ich mich gegen die Wand und atmete tief durch. Augen schließen und bis Zehn zählen dachte ich nur,als sich plötzlich eine Hand auf meine Stirn legte.
Mir entfuhr ein kurzes Kreischen als die hand sich plötzlich auf meinen Mund legte. Mit Aufgerissenen Augen sah ich das mir gegenüber Isabella saß. Sie hatte einen Finger auf ihren Mund gelegt und schüttelte den Kopf. "Willst du das deine Freunde angerannt kommen? Er wird dann auch dabei sein",zischte sie und nahm dann ihre Hand von meinen Lippen.
"Ist doch nicht meine Schuld wenn du mich so erschreckst",murrte ich und verschränkte die Arme.
Einen Moment saßen wir uns still gegenüber,doch dann sprach ich leise:"Was macht er hier?".
Isabella sah mich mit einem Mitleidigen Ausdruck an. "Ich weiß es nicht",sagte sie leise. Sie sah mich nicht an,vielleicht aus Scham? Wusste sie bescheid?
Oder...vielleicht konnte sie auch mein Gesicht einfach nicht ertrage. Ich schluckte und stand ruckartig auf. "Du bist doch seine Schwester! Du MUSST doch irgendwas wissen!",rief ich verzeifelt. 
Sie blieb weiter sitzen,doch sie hob den blick und sah mich an. "Vielleicht hat er was beim letzten Familien treff erzählt",sagte sie Sarkastisch. "Ich habe es nur vergessen,weil diese Familien treffen nicht existieren".
Seufzend ließ ich die Schultern sinken. "Tut mir leid...",sagte ich. Sie hatte ja recht,woher hätte sie denn etwas wissen sollen?

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Tag der Veröffentlichung: 19.12.2012

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