Genau genommen waren es ja weibliche Wesen. Und das nicht zufällig. Auch hatten alle drei den gleichen Vornamen und glichen sich wie ein Ei dem anderen. Und doch waren es drei unverkennbar eigene Persönlichkeiten. Sie gaben sich sozusagen die Klinke in die Hand.
Meine drei Schäferhündinnen.
Es war im Jahr 1976. Die Zeit des Kommissar Rex war noch nicht gekommen, sodass man uns keine niederen Beweggründe für die Rasseentscheidung unterstellen kann.
Der Grund für diese Wahl war, dass ich vermeinte, jede kleinste Gemütsbewegung in diesen wunderbaren Hundegesichtern, wie in keinem andern, lesen zu können. Das ist natürlich nur mein ganz persönlicher Eindruck. Es liegt mir fern, die Zuneigung anderer Hundefreunde zu ihren Lieblingen auch nur im Ansatz zu schmälern.
Damit wollte ich nur andeuten, dass es mir dabei keineswegs um die Anschaffung irgend eines Haus- und Hofhundes ging.
Selbst wenn mich die Frauen ob des gewagten Vergleichs am liebsten zerfleischen würden, es war die gleiche Sympathie im Spiel, wie ich sie bei der Wahl einer Lebensgefährtin getroffen hätte.
Dass alle drei denselben Namen trugen, war nach dem Tod der ersten Hündin eigentlich eine Folge der Trauerarbeit.
Um ein bisschen von ihnen zu erzählen, wird es sich nicht vermeiden lassen, sie mit Nummern zu versehen. Unsere Asta's I-III.
Als wir in unser mühevoll renoviertes Haus mit großem Garten einzogen, gab es eigentlich keinen Grund mehr, meinen lang gehegten Wunsch nach einem eigenen Hund hinauszuschieben.
Asta I war bereits ein Jahr alt, reinrassig und trotzdem ein richtiger Sozialfall. Eine uns bekannte Tierschützerin hatte sie von einem Trunkenbold freigekauft und wußte von unserem Hundewunsch.
Asta, an desolate Wohnverhältnisse gewöhnt und schon mehrmals als Spieleinsatz von ihrem früheren Besitzer in diversen Spelunken gehandelt, war abgemagert und stank ganz fürchterlich, als sie zu uns kam.
Ich erinnere mich noch an ihr erstes Fressen, das sie bei uns bekam. Nie mehr nachher habe ich einen Hund so würgen und nach Luft ringen gesehen wie in diesen 15 Sekunden die sie brauchte, um den Topf zu leeren.
Asta entwickelte sich innerhalb zweier Monate ganz prächtig. Sie bekam ein glänzendes Fell und wir besuchten mit ihr die Hundeschule.
Anfangs sträubte sie sich ganz entschieden gegen einen Spaziergang mit uns. Sie hatte sichtlich Angst davor, wieder auf Wanderschaft geschickt zu werden.
Ganz durch Zufall kam ich darauf, dass sie eine zirkusreife Nummer beherrschte: Sie konnte aus fünf bis sechs Meter Entfernung taubeneiergroße Kiesel die man ihr zuwarf, mit großem Geschick auffangen und sie legte sie dann fein säuberlich auf ein Häuflein geschichtet, mit großer Sorgfalt ab.
Sie war überhaupt eine große Schauspielerin. Stimmte man mit bedauerndem Tonfall ein Weh-Weh an, so zerfloss sie in Selbstmitleid und hinkte nicht selten dabei.
Natürlich durfte man von einem Hund, der seine Familie und das Haus in Alleinlage zu schützen, sich zur Aufgabe gemacht hat, nicht erwarten, dass man so ohne weiteres die Hand durch den Zaun stecken konnte und sie heil wieder zurückerhielt.
Ganz anders verhielt es sich, wenn ihr der Besucher eingehend vorgestellt wurde und dieser ihr glaubhaft versichern konnte, dass sie weiterhin der Mittelpunkt des Interesses blieb.
Um nicht unter die Hundenarren eingereiht zu werden möchte ich schon bemerken, dass unsere Liebe zu unseren Hunden nie in eine putzige Niedlichkeit ausartete. Dies hätte ja unsere Freunde zum Spielzeug degradiert.
Was ich immer bewundert habe, war das soziale Verhalten dieser Tiere dem Menschen gegenüber. Es ist ganz unglaublich, wie Hunde ihren natürlichen Trieb, die Fressgier, der Freundschaft zum vertrauten Menschen zuliebe, auf Eis legen können.
Asta I begleitete uns !3 Jahre durch dick und dünn. Große Hunde werden kaum viel älter. So hatte auch sie im letzten Jahr mit zunehmenden Herzbeschwerden zu leben.
Es war Mitte Februar, als es mit ihr zu Ende ging. An den letzten beiden Tagen weigerte sie sich das Haus zu betreten. Wir richteten ihr ein warmes Bettchen auf der Terrasse.
Nie vergesse ich ihren hilflosen Blick, mit den sie uns in ihren letzten Stunden betrachtete. Ich erinnere mich an kein Begräbnis, an dem mir die Vergänglichkeit des Lebens so bewusst wurde, als in diesem Augenblick.
So verwerflich oder unverständlich es für manche Leute klingen mag, wir hatten ein Familienmitglied verloren.
Es verging eine Woche und unsere Niedergeschlagenheit hatte sich kein bisschen gebessert. Keiner sprach es vorerst aus, aber alle wussten es: Wir brauchen einen neuen Hund und er sollte auf's Haar seiner Vorgängerin gleichen.
Wir setzten uns mit dem österr. Schäferhundeverband in Verbindung und wurden an einen oö. Züchter verwiesen, der zwei acht Monate alte Hundeschwestern zum Kauf anbot. Noch am selben Tag fuhren wir los.
Eine Hündin von beiden sah unserer Asta zum Verwechseln ähnlich. Gleiches Stockhaar, gleiche dichtbehaarte dicke Rute. Das war sie.
Als wir zuhause ankamen merkten wir, dass sie noch nie eine menschliche Behausung von innen gesehen hatte. Kein Wunder, der Züchter hatte sie in einem Freigehege gehalten.
Mit viel gutem Zureden und einem prall gefüllten Fresstopf war sie schließlich ins Haus zu locken. Gleich nach ihrer Mahlzeit mussten wir alle furchtbar lachen. Der Hund hatte noch nie einen Fernseher gesehen. Was soll ich sagen, er stellte sich genau so an, als hätte einer unserer Urahnen ein Handy in seiner Hosentasche läuten gehört.
Unsere Asta II hatte ein sonniges Gemüt. Sie konnte tatsächlich lächeln. Sie war unser Clown. Und das änderte sich auch mit zunehmenden Alter nicht.
Ohne Hund ging ab nun gar nichts mehr. Sie begleitete uns auf allen Urlaubsreisen ans Meer und lag, wie ich schattenliebend, neben mir unter einem Baum.
Eines Tages hatte sie ein einschneidendes Erlebnis. Es war im Sommer und ein Ballonfahrer brachte sein Himmelsgefährt in bedenkliche Nähe unseres Hausdaches. Dabei zischte die Gasflamme so höllisch, dass dies unserer armen Asta ihr ganzes Leben lang in Erinnerung blieb.
Wenn sie nachher irgendwo einen Ballon sah, wenn auch nur als kleines Pünktchen in weiter Entfernung, fing sie am ganzen Körper zu zittern an, sodass wir befürchten mussten, sie kollabiere. Diese Phobie weitete sich später auf alle Luftfahrzeuge aus, selbst auf jene Drachenflieger, die am Meer von einem Boot hinterhergezogen wurden. Wir vermieden derartige Begegnungen, wo es nur ging.
Abgesehen von dieser Schwäche, war sie ein ausgesprochen mutiger Hund und eine gutmütige Spielgefährtin für unsere Enkel im Babyalter obendrein. Sie war natürlich auch mein Anreiz für längere Spaziergänge.
Wie alles im Leben, ging auch diese schöne Zeit mit unserer zweiten Asta viel zu schnell vorbei. Einmal wird die Zeit kommen wo wir uns fragen müssen, ob sich ein ganzes Hundeleben für uns wohl noch ausgehen würde.
Asta II hielt uns zwölf Jahre die Treue.
Es war wieder wie beim ersten Abschied. Auch jetzt wurden wir erst wieder froh, als eine weitere Asta in unser Leben trat.
Was heißt trat, sie erschien.
Asta III erhielten wir von einer Züchterin, deren Hunde von einer Ausstellung zur anderen gefahren wurden und zahlreiche Schönheitspreise einbrachten.
Das war zwar nicht unser erklärtes Ziel, wir wollten ganz einfach wieder einen Familienhund wie gehabt. Die Schönheit dieser Hündin ließ sich aber keinesfalls absprechen. Auch hatten wir noch nie eine dieser Körpergröße.
Eigentlich hätte sie ein Schmeichelkätzchen werden sollen, so sanft verabreicht sie ihre Liebesbeweise an uns.
Wie jedes intellegente Lebewesen hatte auch unsere dritte Asta einen Vogel. Sie war anfangs nicht dazu zu bringen über Stiegen zu gehn. Mit viel Geduld wurde auch diese Macke beseitigt.
Das Wohnmobil, welches wir mit Pensionsantritt anschafften, ist für drei Fahrgäste zugelassen .
Nicht schwer zu erraten, wer die Dritte im Bunde ist.
Tag der Veröffentlichung: 16.07.2011
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