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Nun, das Bundesheer konnte mich nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen.
Gründe dafür kann man in einem Satz zusammenfassen: Jedes Quäntchen Individualismus wird durch diesen Herdenbetrieb im Keime erstickt.
Nichts für mich!
Die Zwangseinweisung, aufgrund festgestellter Tauglichkeit zum Dienst mit der Waffe, erfolgte im April 1963 in eine Kaserne bei Salzburg.
Die Unterbringung in 4-Bettzimmern war gegenüber nachfolgender Kaserne gar nicht schlecht.
Am darauffolgenden Morgen weckte uns infernalisches Gebrüll von anscheinend tollgewordenem Ausbildungspersonal. Mit wüsten Beschimpfungen, die von A wie Armleuchter über S wie Sauhaufen bis Z wie Zivilidioten reichten, wurden wir höflich zum Morgenappell gebeten.
Man merkte, diese strengen Aufseher haben sich schon richtig darauf gefreut, uns einen ersten Schock zu versetzen.

Man war natürlich nicht so bescheuert, um auch nur den geringsten Widerstand zu leisten. Trotzdem merkten die Ausbilder anscheinend an meiner Körpersprache, wie wenig mir dieser blinde Gehorsam schmeckte.
Später einmal erklärte uns ein gutgelaunter Leutnant das Phänomen dieser Marionettenausbildung eigentlich recht verständlich, wie folgt:
Auch der Autofahrer bewegt seine Füße reflexartig ohne darüber groß nachzudenken. Und genauso sei es eben zum Wohle des einzelnen Soldaten, auf übergeordnetes soldatisches Befehlsgebrüll, mit dem richtigen Reflexen zu reagieren. Könnte mitunter lebensrettend sein, meinte er noch.
Dieses synchrone Gezapple wurde nun Lehrstoff für die nächsten drei Monate.
Die Ausbildungsstätte hatte natürlich auch einen Hausberg. Denkt man dabei an „unbeschwertes“ Wandern, so ist genau das Gegenteil der Fall.
Die Ausrüstung hing tonnenschwer an uns und die imaginären Tiefflieger die angeblich ununterbrochen über uns hinwegdonnerten, ließen uns keine zehn normalen Schritte tun, ohne Mutter Erde wieder zu küssen. Selbst Kuhfladen sollten uns nicht abhalten, unser nacktes Leben zu retten.
Für Widerspenstige, zu denen ich nicht gehörte, hielt man die „Moorbäder“ bereit. Diese Spezialausbildung fand in Sumpfgebieten statt, die anscheinend durch sich wälzende Rekruten trockengelegt werden sollten.

Das Sturmgewehr, die Braut des Soldaten, wurde wie jede andere Braut auch, mit großer Begeisterung in Empfang genommen.
Nach Kenntnis ihrer Anatomie durch hundertfaches Zerlegen und ständigem Herumschleppen-Müssens ließ das Interesse an ihr, wie so oft im wirklichem Leben auch, schlagartig nach. Man hat sich sozusagen auseinandergelebt.
Die Grundausbildung ging zu Ende. Das Lehrziel, aus uns willenloses Kanonenfutter zu machen, war fast erreicht.
Selbst für den Fall eines atomaren Angriffs, waren wir gut vorbereitet.
Hier die Reihenfolge der Schutzmaßnahmen, die wir auch im späteren Zivilleben vielleicht einmal, wie man damals meinte, gut brauchen werde können.
Hier ein Auszug:
Bei Explosion nicht in den Atomblitz sehen.
Falls man sich nicht im Schützengraben befindet, sofort nächste Bodensenke aufsuchen.
Die ständig mitgeführte Zeltplane entrollen und ganzflächig damit zudecken (atomarer Staub)
Nach einer angemessenen Zeit (situationsabhängig) die schützende Hülle wieder verlassen und Kontakt mit der restlichen Truppe aufnehmen.

Nun hieß es, das erlernte Grundwissen zu verfeinern und in Manövern in die Praxis umzusetzen. Dies erfolgte in einer anderen Kaserne.
Hier erhielt ich die Spezialausbildung zum Artillerie-Funker. Meine Kenntnis des Buchstabieralphabets (Anton, Berta, Cäsar...) stammt noch aus dieser Zeit. Lernen für’s Leben.
Die Unterbringung entsprach dem äußeren Aussehn dieser Betonklötze.
Zusammengepfercht in 50-Mann Schlafsälen, verbrachten wir unruhige Nächte mit allen Lauten und Gerüchen, denen die Natur des Menschen nächtens freien Lauf ließ.
Nie und nimmer wäre es mir eingefallen, in Uniform eine der wenigen Heimfahrten anzutreten. Ich fuhr in dieser Zeit nur dreimal nach Hause. Mir ging ganz einfach die halb schreiend vorzutragende und demütige Bitterei um den Urlaubsschein beim Rapport nicht so recht über die Lippen. Eine Tugend oder Schwäche, die mir bis heute erhalten blieb.

Da ich täglich bei der ausrückenden Truppe war und keine "Traum-Hack’n" (Traumjob) wie Waffenkammer, Hausmaurer oder Schreiber ergattern konnte, war ich zwar täglich hundemüde und einem enormen Gewichtsverlust ausgeliefert, da mir das Essen auch nicht so recht schmecken wollte, aber die Zeit verging dadurch umso schneller.
Der Tag X stellte sich Ende Dezember ein und die wiedergewonnene Freiheit wurde wie nach einem Gefängnisausbruch stürmisch gefeiert.


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Tag der Veröffentlichung: 17.10.2009

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