“Verzeihung, darf ich Sie was fragen?” Schon eine Weile sieht sie den groß gewachsenen, älteren Herrn in der Waschmittelabteilung des Supermarkts, wie er unschlüssig zwei Flaschen verschiedener Wäschepflegemittel in den Händen wiegt und mit verzweifelter Miene deren Gebrauchsanleitung studiert.
Fast kommt sie ein wenig ins Stottern, als sie in seine hellblauen Augen blickt, während sie ihm den Unterschied zwischen Gardinenweiß und einem Entfärbemittel zu erklären versucht. Sein dankbares Lächeln, so schien ihr, war dann um einige Augenblicke länger geraten, als dies die gebotene Höflichkeit erfordert hätte.
Elisabeth, die solche Glücksmomente aus reinem Selbstschutz lange nicht mehr mit großer Selbstverständlichkeit auf sich bezog, dachte noch, wie kommt er eigentlich dazu, ausgerechnet mich zu fragen? Schließlich standen da noch jüngere, hübschere Frauen in der Nähe. Dachte er etwa nur, die ist alt genug, um in diesem Metier Bescheid zu wissen.
Alt genug und doch im Herzen jung geblieben. Das klingt ja wie ein Auszug aus einem Gedicht, das einem zum 60. Geburtstag vom jüngsten Enkel, auf Geheiß seiner ehrgeizigen Eltern, vorgetragen wird.
Ja, sie ist 60. Aber ihr Wesen, und davon ist sie überzeugt, hat sich seit ihrem 30. Geburtstag kein bisschen verändert. Es war ganz einfach die Zeit. Die Zeit, die so schrecklich schnell vergangen ist.
Da waren die Jahre mit Werner, ihrem Ex. Zuerst war alles einfach himmlisch. Dann kam die Zeit, in der man sich aus dem Gröbsten herausarbeitete. Über die anschließende steile Karriere von Werner, an der sie nicht unbeteiligt war, hatte man sich zu freuen. Der straffe Sekretärinnen-Hintern mit Schmollmund und nix im Hirn, war dann das Ende ihrer 30jährigen Ehe. Und das ist auch schon wieder fünf Jahre her.
Lotti, die beste und geduldigste aller Freundinnen, liegt ihr nun ständig in den Ohren, wie nett es doch im Seniorenklub wäre. Die schönen Spiele, die sie dort machen würden. Und überhaupt. Die gemeinsame, gut organisierte Busreise zum Wolfgangsee vor kurzem und der anschließende Besuch in einer Gerberei, in der es so herrlich günstige Lederjacken gegeben hätte.
Elisabeth kann und will da nicht hingehen. Dieser Alterskindergarten mit Animation, wie sie ihn gerne nennt, wäre wohl das Ende ihrer kreativen Spontanität gewesen.
Der Mann mit dem Waschmittelproblem ist nun vorne an der Kasse angekommen. Also, wenn der sich jetzt umdreht und nochmals so ein charmantes Lächeln an sie senden würde, sie täte das glatt erwidern. Und zwar ganz eindeutig. Allerdings eine Einladung zu einem Kaffee müsste man leider verschieben.
Ist doch der Enkel täglich pünktlich um halb eins vom Kindergarten abzuholen. Du wirst sehen, das hält dich jung, hat ihre gestresste Schwiegertochter noch gemeint....
Tag der Veröffentlichung: 09.09.2009
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