Cover

Er besitzt unbestritten vielseitiges Talent. Beruflich ist er erfolgreich, verlässlich und auch einigermaßen teamfähig. Mit seinen 43 Jahren ist er ein Mann, von dem man annimmt, auch ohne Klavierspiel Glück bei den Frauen zu haben.

Gustav ist modern gekleidet und würde niemals weiß besockt in seine Sandalen schlüpfen. Auch hat er, dem Trend der Zeit entsprechend, seinen Haarwuchs aus jenen Reservaten verbannt, die zwar von der Natur an diesen Stellen vorgesehen sind, von den Damen heutzutage aber nur allzu oft abgelehnt werden.Kurz und gut, Gustav sollte eigentlich der Traummann für Damen ab 30 sein.

Sollte.

Der Gedanke, dass dem nicht so sei, war aber immer sein ständiger Begleiter. Gustav hat in der Nähe von Frauen regelrechte Lähmungserscheinungen. Vielleicht liegt es daran, weil er ohne schwesterliche Nervensäge aufgewachsen ist, sodass er nun die Frauen für engelsgleiche Wesen hält, denen man sich nur mit unendlicher Behutsamkeit nähern könnte?
Nun, Gustav ist natürlich nicht von gestern und er weiß freilich, dass es auch Frauen gibt, deren Gewöhnlichkeit kaum zu überbieten ist.
Nein, seine Sprachlosigkeit tritt ausschließlich dann ein, wenn er auf Frauen trifft, mit denen er nur zu gerne in ein Naheverhältnis treten würde.
Frauen aber, die solch gehemmtes Verhalten "ganz einfach süß" finden, sind deren wenige. Gustav jedenfalls hatte nie das Glück, einer dieser Märchenfeen zu begegnen.
Vielmehr ist es doch so, wie überall in der Natur: Das stärkste Geweih und das lauteste Gebrüll zieht die sendungsbewußte Weiblichkeit nach wie vor in ihren Bann.

Bist auch du auf der
Suche nach dem Glück
bisher allein und enttäuscht
auf der Strecke geblieben.....

Gustav ist heilfroh, diese schwülstigen Worte nicht direkt an eine Frau richten zu müssen. Nun aber, mittels Inserat, scheint diese erste Kontaktaufnahme geradezu ein Kinderspiel zu sein. Vor allem ist eine peinliche persönliche Absage so gut wie unmöglich.
Die Vorstellung, es könnten gleich mehrere einsame Frauenherzen seinem Lockruf nicht widerstehen, läßt sein Selbstbewusstsein geradezu senkrecht nach oben schnellen.

.....Wer weiß, vielleicht kann
mehr daraus werden.
Ein sehnsüchtiger
Kuschelbär

fügt er noch vielversprechend für Damen hinzu, welche gerne ihre häusliche Couchlehne mit Puppen und anderem Getier schmücken.
Jetzt, da die Netze ausgelegt sind, tritt erwartungsvolle Spannung in Gustavs Leben. Freilich ist ihm bewusst, dass dieser erste Schritt der Anbahnung, zugleich auch der leichteste gewesen ist.
So geht er daran, ein erstes Treffen generalstabsmäßig vorzubereiten. Frei nach dem Motto,der erste Eindruck sei der beste, tut er auch sein Bestes, um aus dieser Begegnung mit der Zweiten Art als eindeutiger Sieger hervorzugehen.

Die Bildzuschrift von Uschi trifft exakt 2 Wochen nach Aufgabe von Gustavs Inserat bei ihm ein.
Er ist begeistert.
Das Bild zeigt eine hübsche Frau um die dreißig mit ausdrucksvollen Augen und leicht spöttischem Zug um den schönen Mund.
"Hallo Kuschelbär, ich komme. Du wirst überrascht sein", steht im beiliegenden Brief.

Schon eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit, steht er mit Blumen in den feuchten Händen am Treffpunkt. Kein einziges Wort, das er sich für die Empfangszeremonie ausgedacht hat, will ihm mehr einfallen.
Ein Taxi hält 50 Meter vor ihm. Der Fahrer steigt aus und hebt einen faltbaren Rollstuhl aus dem Kofferraum. Eine junge Frau schwingt sich geschickt aus dem Taxi und nimmt Platz im Rollstuhl.
Zielstrebig treibt sie ihr Gefährt in Richtung des total verdutzten Gustav.
Je näher sie an ihn herankommt um so breiter wird ihr spöttisches Lächeln: "Hallo Kuschelbär, wartest du schon lange?"
Gustav hatte nie mehr ein Problem mit Frauen. Ganz im Gegenteil, er war endlich am Ziel seiner Wünsche angelangt.

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Tag der Veröffentlichung: 19.07.2009

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