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ich habe es für dich getan. (Schularbeit)~


Ramon
„Beeilung!“, schrie ich meinem Team zu. Wir sprangen aus dem Wagen und rannten auf das Einfamilienhaus zu, dass in dieser Gegend ganz friedlich herum stand. Menschen blieben auf den Strassen stehen und beobachteten unseren Einsatz. Einige Polizisten drängten sie weg, damit sie nicht zu neugierig wurden. „Passt auf, er ist unberechenbar!“, rief ich den Kollegen zu, die sich ihre Angst anmerken liessen. Aber in einer solchen Situation musste man ein kühles Köpfchen bewahren. Das konnte ich schon immer. Schliesslich erreichten wir das Haus und umstellten es. Ich hatte wie immer die Ehre die Türe einzutreten. Ich schoss das Schloss auf, damit wir ungehindert eintreten konnten und drückte die Türklinke herunter. Man hatte hier alle Läden runtergekurbelt, alle Vorhänge zugezogen und jedes einzelne Schloss verriegelt. Wir sicherten ein Zimmer nach dem anderen. Betrübt mussten wir feststellen, dass alle leer waren. „Ich war mir doch so sicher, dass er uns jetzt nicht wieder voraus ist“, murmelte ich enttäuscht und liess meine Waffe sinken. Mein Team befand sich in den anderen Räumen. Nur einer meiner Kollegen war auch hier und durchsuchte den Raum. Wir standen im Wohnzimmer. Ein weiterer Kollege rief zu uns: „Hier ist niemand mehr!“ „Seid ihr euch da sicher?“, sagte jemand hinter mir. Die Stimme klang gerade zu herausfordernd. Ich fuhr zusammen, denn ich bemerkte, dass dieser Kerl direkt hinter mir stand. Ich hatte ihn zu spät bemerkt, darum gelang es dem Typen mir meine Waffe aus der Hand zu schlagen und sie aufzuheben. Als sämtliche FBI-Agenten ihre Waffen auf ihn richteten, packte er mich grob und drückte mich an sich. Das kühle Metall der Waffe berührte meinen Schädel. Der Kerl lachte höhnisch, während er drohte mich zu töten, falls ihn jemand aufhalten sollte und marschierte mit mir aus dem Haus. Er hatte mir eine Hand auf meinen Mund gelegt, darum konnte ich keine Befehle mehr erteilen. Meine beste Freundin und liebste Arbeitskollegin flüsterte entsetzt: „Ramon…“ Sie sprach gerade meinen Namen aus. Ich liess mir das nicht gefallen und schaffte es, meinen Mund frei zu kriegen: „Schiesst!“ Der Typ fluchte und schrie meine Kollegen wieder an, dass er mich umbringen würde, sobald sie schiessen würden oder auch nur einen Schritt weiter kamen. Mein Team rührte sich natürlich nicht. Sie waren viel zu besorgt um mich. Sie würden meine Sicherheit und Gesundheit nie aufs Spiel setzen. Doch ich bestand förmlich darauf. Mir war das egal, wenn man den Kerl dafür endlich bekam, war das okay. „Tut es!“, rief ich ein letztes Mal, ehe der Kerl seine Körperkraft gegen mich einsetzte. Ich war nicht stark. Und auch nicht besonders gross. Ich war klein und zierlich. Ein feiner Mensch. Und er war das krasse Gegenteil von mir. Seit den vier Jahren, in denen ich schon im Dienst bin, hatte ich mich noch nie so hilflos und verzweifelt gefühlt. Noch nicht einmal. Und jetzt wusste ich langsam nicht mehr, was ich noch tun konnte. Als wir die Strasse erreichten, begannen die Menschen zu schreien und umher zu rennen. Sie brachten sich alle in Sicherheit. Wenige blieben stehen und beobachteten die Szene einfach. Was in denen wohl gerade vorging? Dieser Kerl, der mich gerade entführte, hatte unzählige Kinder entführt. Entführt und anschliessend umgebracht. Er ist ein Serienmörder, der in letzter Zeit über vierhundert Kinder entführt und umgebracht hatte. Jedes Mal, wenn er jemanden ausgelöscht hatte, schickte er uns die Leichen. Ekelhaft, ich weiss. Wir haben so lange nach ihm gesucht und endlich waren wir so nahe dran. Dann tat dieser Kerl so was und all unsere Hoffnungen lösen sich in Luft auf. Er brachte mich zu seinem Auto, dort verpasste er mir einen Schlag gegen meinen Schädel und fuhr schnell mit dem Auto davon. Ich blieb verwundet und am Boden liegend auf der Strasse zurück. Hätte ich meine Waffe noch, dann hätte ich auf ihn geschossen! Ich hätte ihn womöglich gleich erschossen! Wütend richtete ich mich langsam auf. Mein Kopf fühlte sich grauenhaft an. Blut lief mir übers Gesicht und tropfte von meinem Kinn auf den Boden. Meine Stirn hatte eine schlimme Wunde davon getragen. Stacy, meine beste Freundin erreichte mich gerade und fiel mir um den Hals, während ich mich mühsam auf den Beinen hielt. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht!“, jubelte sie in Tränen ausgebrochen. Meine Kollegen verständigten schon das Krankenhaus. Ich lächelte Stacy zu und meinte: „Ich bin halt zäh.“
Als der Krankenwagen kam, musste ich mich von meinem Chef aus in das Krankenhaus entführen lassen. Dort vernähte man meine Stirn und machte ein grosses Pflaster drauf. Man sagte mir, dass das leider eine schöne Narbe geben würde, aber ich würde mich für die Narbe eines Tages rächen. Der Serienmörder hiess: Joe Doobini. Er war ein kranker Mensch, dem es offenbar zu langweilig war. Das Motiv war uns bis jetzt immer noch unbekannt, aber ich schwor mir, dass ich den Kerl zur Strecke bringen würde. Kostete es was es wolle.
Als ich an dem Abend zu Hause ankam, machte ich mir sofort einen Kaffee. Während ich den kochte, klingelte mein Telefon. Ich seufzte genervt und liess alles liegen und stehen, damit ich den Anruf entgegen nehmen konnte. Immer noch seufzend nahm ich ab: „Ramon Mead.“ „Ramon, schön Sie wieder zu hören“, lachte Joe am anderen Ende der Leitung. Ich schauderte bei seiner Stimme, aber er rief gerne Mal bei der Polizei an und terrorisierte die Menschen dort. Immer, wenn er eine Leiche schicken wollte. Aber privat rief er sonst nie an. Darum machte mir das etwas Angst, aber diese präsentierte ich ihm ganz sicher nicht auf dem Silbertablett. „Sie sind es also. Haben Sie für heute nicht schon genug angerichtet?“, erwiderte ich makaber. Ich stellte mir gerade seine hässliche Visage vor. Wie er grinste und diesen kalten Blick aufgesetzt hatte. Das machte mich noch aggressiver. Er sprach mit einer ruhigen und beherrschten Stimme: „Für heute genügt es. Ich wollte Ihnen nur schnell sagen, dass ich ihre Nichte hab.“ „Was…?!“, jetzt drehte ich durch, „Du verdammter Mistkerl! Wenn ich dich in die Finger kriege, kannst du was erleben!“ „Wollen Sie ihre Stimme ein letztes Mal hören?“, fragte er mich höflich. Das machte mich noch wütender. Ich ballte meine freie Hand zur Faust, damit ich meine Wut etwas zügelte. Aber mir gelang es nicht mehr, als Katies schrie: „Onkel! Tu’s nicht! Er will nur, dass du…“ Ihr wurde der Mund zugedrückt. Ich fluchte laut. Joe lachte und sagte danach: „Sie ist ein hübsches Ding, Ramon. Deine Schwester übrigens auch. Das soll nur meine Rache für heute sein. Ich schick dir die Leiche, viel Spass damit.“ Damit legte er auf. Bevor ich noch etwas tun konnte, vernahm ich den lästigen Piepton. Ich betrachtete die Nummer. Er hatte von einer Telefonzelle angerufen. Meine geliebte Nichte… Sie war erst dreizehn… Und meine arme Schwester macht sich sicher schon fürchterliche Sorgen. Ich stand nicht länger wie angewurzelt herum und rief meinen Chef an, der glücklicher Weise immer noch arbeitete. Als er meine Neuigkeit hörte, wollte er, dass ich sofort zu ihm ging. Also zog ich mir was an und liess meinen halbfertigen Kaffee einfach stehen. Meine Nichte hatte eindeutig Vorrang. Ich fuhr in meinem nagelneuen Porsche zum Revier. Ich hatte sämtliche Verkehrsregeln missachtet, damit ich so schnell wie möglich ans Ziel kam. Beim Revier liess man die Telefonzelle orten. Vielleicht hielt er sich noch in der Nähe auf. Solche Möglichkeiten sollte man einfach nie ausschliessen. Obwohl Joe ein sehr schneller Mörder war, hoffte ich, dass Katie es so lange überleben würde, bis wir ihn wieder fanden. Es dämmerte, als mich der Chef dann zu dieser Telefonzelle schickte, damit meine beste Freundin und ich den Ort gründlich untersuchen konnten. Es dauerte eine weitere Stunde, bis wir dort ankamen. Stacy begutachtete die etwas ältere Zelle und meinte dazu nur: „Wie ekelhaft, was da alles herum klebt.“ Ich warf selber einen raschen Blick in die Zelle. „Ich muss mich übergeben“, brummte ich und spürte, wie sich mir der Magen schon umdrehte. Aber nicht etwa, weil die Zelle so ekelhaft war, sondern weil hier drin eine alte Leiche war, die mitten im Verwesungsprozess war. Und das stank! Stacy wollte die Zelle gar nicht erst betreten, so wie ich. Sie blieb auf sicherem Abstand und verständigte das Revier. Ich musste mich in der Zwischenzeit um die Leiche kümmern. Ein etwa vierzehnjähriger Junge, blond, bleich, blaue Augen und er trägt ganz normale Kleidung. Jeans und ein nettes T-Shirt. Ich hatte vorher noch Fotos gemacht, wie ich ihn gefunden hatte. Auch das könnte ein Hinweis gewesen sein. Dann zog ich mir die weissen Latexhandschuhe an und begann die Leiche zu drehen. An seinem Hals erkannte man deutliche Würgegriffe. Eventuell wurde er erwürgt. Aber er hatte auch Messerstiche in der Bauchgegend und am Rücken. Aber Blut gab es hier keines. Das bedeutete, dass der Junge nicht hier gestorben ist, sondern hier eher abgeladen wurde. Vielleicht, weil er so gestunken hat. Mir fiel dann auf, dass ich den Jungen irgendwo schon einmal gesehen hatte. Aber wo nur? Stacy fragte mich immer noch auf sicherem Abstand: „Und? Schon was Interessantes entdeckt?“ „Allerdings“, sagte ich und schaute mir sein Gesicht noch einmal gründlich an. „Er schien erwürgt worden zu sein. Aber vielleicht wurde er auch erdolcht. Ich weiss nicht, was stimmt, aber die Autopsie wird uns dann mehr verraten“, erklärte ich ihr und drehte das Gesicht des Jungen um etwa sechzig Grad. An seinem Hals, dort wo die Aorta sich befand, erkannte ich das Markenzeichen des Täters. –Das hatte ich ganz vergessen zu erwähnen. Joe hinterliess an seinen Opfern bei der Aorta immer ein seltsames Muster, das einer Rose glich. Dieses Muster zeichnete er selber ein, in dem er einen Filzstift benutzte. –Wasserfester Filzstift. Erkannte keine Grenzen. Das würde eine Weile dauern bis man das abrubbeln konnte. Zum Glück habe ich eine Weile im Leichenschauhaus gearbeitet. Ich war auf dem Gebiet sehr gut, aber der Geruch trieb mich beinahe in den Wahnsinn. Also wechselte ich wieder. Aber wenn ich eine Leiche fand, dann untersuchte ich sie meistens selber rasch. Die einzige Bedingung, die es dabei gab, war, dass ich alles zu erst fotografieren musste, bevor ich was anfasste. Und ich musste Latexhandschuhe tragen. –Warum sollte für euch klar sein. Und für die etwas unklugen Menschen unter euch, das musste ich tun, wegen der Fingerabdrücke. Aber dieser Junge kam mir immer noch so bekannt vor. Irgendwo hatte ich ihn schon einmal gesehen. Aber ich wusste nicht wo und wann und auch nicht wer es war. „Er stinkt ganz schön“, beklagte sich Stacy und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht herum. „Er ist wenigstens nicht so ekelhaft wie deine drei Katzen“, gab ich zurück. Ich verspürte den Drang, den Jungen zu verteidigen. Stacy war empört: „Wieso? Die sind doch zuckersüss! Vor allem die zwei Babykätzchen!“ „Ja, sind sie. Aber deine geliebten >Babykätzchen< kennen keine Manieren. Die essen doch die Kotze der Mutter!“, erzählte ich ihr. Das hatten sie einmal gemacht, als ich bei ihr zu Hause war. Dafür schämte sie sich etwas, aber es waren immerhin Katzen. „Das ist die Natur“, verteidigte Stacy ihre Katzen. „Es würde reichen, wenn deine jungen Katzen die Kotze wenigstens anständig aufessen würden, aber nein. Sie mussten sich auch noch darum prügeln, wer das letzte Stück Erbrochenes fressen durfte“, sagte ich, während ich den Jungen weiterhin betrachtete. „Lass sie doch“, meinte Stacy gereizt. Ich liess es, weil sie sonst wütend auf mich wäre. „Sieh dir das an“, ich winkte sie zu mir. Stacy tat das nur ungern, aber sie machte sich sofort auf den Weg zu der Leiche in der Telefonzelle. Ich rutschte etwas zur Seite, damit sie auch etwas Platz in dieser engen Zelle hatte. Dabei zeigte ich ihr meinen Fund. Der Junge trug einen Zettel bei sich. In einer unsauberen Handschrift stand darauf:
Joe Doobini ist mein Mörder. Ich schrieb diese Nachricht kurz bevor er mich abholte, damit er mich loswerden konnte. Er will sich nach meinem und nach Katies Tod in Alaska niederlassen. Wer immer auch meine Nachricht finden wird, muss schnellstens nach Alaska fliegen und ihn aufhalten. Dort will er weitere Kinder entführen und ihnen schreckliche Dinge antun. Beeilen Sie sich! Gabriel.
„Gabriel…“, murmelte ich traurig. Natürlich. Ich kannte den Jungen. Er war der Freund von Katie und liebte sie abgöttisch. Der arme Kerl. „Joe Doobini, ich werde dich kriegen und mich für den Jungen rächen“, brummte ich hasserfüllt und schloss die Augen des toten Jungen. Jetzt sah er nicht mehr so schockiert aus wie vorhin, sondern wirkte jetzt friedlich. Als würde er schlafen. Ich strich ihm übers Haar, als wäre er mein eigner Sohn. Denn so habe ich für ihn empfunden. Ich hatte ihn so gemocht. Ein lieber Junge. Der perfekte Freund für meine Nichte. Aber jetzt… Stacy legte mir tröstend eine Hand auf meine Schulter und flüsterte traurig: „Es tut mir ja so leid. Er ist zu weit gegangen.“ „Nein, Stacy. Er ist schon lange zu weit gegangen“, meinte ich mit klarer Stimme und erhob mich, denn unsere Kollegen trafen gerade ein. Stacy warf dem Jungen einen traurigen und mitfühlenden Blick zu, als würde er noch leben und schaute zu mir auf. Ich überliess das Sprechen Stacy, denn im Moment war ich dazu nicht in der Lage. Ich musste den Kerl aufhalten. Egal zu welchem Preis. Das ganze wurde immer persönlicher. Je länger es anhielt. Und er schlug verdammt schnell zu. Wir mussten uns beeilen, bevor noch mehr Kinder zu Schaden kommen.
Die Autopsie ergab, dass der Junge mit Messerstichen attackiert wurde, die für ihn tödlich waren. Der Blutverlust war ziemlich gross, aber dem Kerl muss das zu wenig lange gedauert haben, denn er hat ihn danach gleich erdrosselt. Es wäre wenigstens schnell gegangen. Das besänftigte mich zwar nicht, aber es war ein gewisser Trost zu wissen, dass er kaum Schmerzen erleiden musste. Ich fragte mich den ganzen Tag über, ob Katie noch lebte, oder ob sie schon tot war. Den Rest des Tages verbrachten wir damit Zeugen zu befragen und heraus zu finden, wo der Typ sich auf halten könnte. Aber wir landeten in einer Sackgasse. Nach der Arbeit schlenderte ich gemütlich zu meinem Porsche. Ich könnte heute Nacht sicher nicht schlafen, aber dafür hatte ich genug Zeit um das Rätsel weiter hin zu lösen. Ein wirkliches Rätsel gab es leider nicht, aber ne Menge Hinweise, wo sich der Mörder möglicherweise mit Katie aufhalten könnte. Der Junge muss gewusst haben, dass Joe ihn am 3. Juni umbringen würde. Laut der Autopsie stimmte das Datum auch. Er wurde um den Mittag ermordet. Auf der Windschutzscheibe meines Wagens klemmte ein zerknüllter Zettel. Ich seufzte und nahm ihn zu mir, damit ich ihn entfalten und lesen konnte. Jemand hatte mit roter Farbe darauf geschrieben:
Ich werde dich jetzt auch töten...
Ich stellte schnell fest, dass das Blut war. Angeekelt brachte ich das Stück Papier schnell ins Büro. Ich kann es leider erst morgen abgeben, daher schon alle zu Hause waren. Und ich musste annehmen, dass Katie nicht mehr lebte. Denn ich schien sein nächstes Opfer zu sein. In vielen Fällen hört man, dass der Bulle immer mit auch in den Fall verwickelt wurde, weil der den Täter behinderte. In den meisten Romanen war das so. –Lest nach, wenn ihr’s mir nicht glaubt. Zum Beispiel im Weltbild gab es immer wieder Bücher. Ich schaute mir immer die Krimis an und fand dort nur solche Bücher, in denen der Polizist selber zum Opfer wurde. Aber diese Bücher sind bis jetzt immer gut ausgegangen. Also konnte ich davon ausgehen, dass es bei mir genau so war. Ich wusste es nicht, aber ich hoffte es. Obwohl ich gerade eine Todesdrohung bekommen hatte, verspürte ich gar keine Angst. Ich fühlte mich elend, weil meine Nichte möglicherweise tot war, aber um mich sorgte ich mich nicht. Das Schlimmste war, dass ich das meiner Schwester beibringen musste, sobald wie die Leiche hatten. Ein bis jetzt verborgenes Bauchgefühl sagte mir, dass Katie ganz sicher tot war. Die Nachricht richtete das alles aus.
Zwei ruhige Tage vergingen. Ich befürchtete jeden Morgen, dass man mir heute sagen würde, dass man Katie gefunden hatte. Aber nie kam etwas in der Art. Nie ging es auch nur einen Schritt weiter. Mein Boss und all meine Kollegen wussten von der Todesdrohung, die ich bekommen hatte. Sie wollten mich überwachen lassen, doch ich habe das abgelehnt, weil ich auf mich selbst aufpassen wollte. Ich durfte auf den Kerl schiessen, wenn er mir etwas anhaben wollte. Und das war der beste Trostpreis, den ich hatte. Schliesslich holte mich diese schlechte Nachricht doch noch ein. Man hatte Katie tot aufgefunden. Gefunden ist übertrieben. Sie wurde uns per Post zugeschickt. Der Kerl hatte sie ertränkt. Ich könnte ihn… Aber irgendwie hatte ich beinahe keine Kraft mehr dazu. Ich hatte all meine Kraft in Hoffnung umgewandelt. Doch das hatte mir nichts gebracht. Jedes einzelne Opfer, das Joe gehabt hatte, hatte er auch getötet. Ich wollte das erste Opfer sein, das den Spiess umdrehte, wenn dies nötig war. Das dem Kerl zeigte, wer hier der Chef war. Jemand musste ihn aufhalten und das würde ich nach dem Tod der beiden Kinder gerne selber tun. Mit den eigenen Händen. Natürlich durfte ich ihn nur dann was anhaben, wenn es sein musste. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass es so kommen würde. Die Freizeit nutzte ich dennoch sinnvoll, weil ich mich ablenken musste. Es war ein unerträglicher Gedanke, wenn man die ganze Zeit wusste, dass jemand aus dem Gebüsch springen würde und einen töten würde. Kaltblütig. Grausam. Von Mal zu Mal schlimmer. Stacy begleitete mich darum auf einen Rummel. Dort hatten wir sehr viel Spass. Ich schoss für sie ein niedliches Häschen, das ich ihr schenkte. Sie freute sich riesig darüber und gab mir im Gegenzug einen Kuss auf die Wange. Überglücklich schlenderten wir durch den Rummel und fuhren mit den wildesten Bahnen. Bei einer Bahn, bei der es Loopings gab, drückte sie sogar meine Hand. Dabei wurde mir ganz schwummrig. Ich glaube, ich bin verliebt! Den ganzen Abend über hatte ich sie am liebsten geküsst, doch ich fand nie genügend Mut dazu. Eine Wahrsagerin bot Stacy und mir an, uns kostenlos die Zukunft voraus zu sagen, weil sie uns beide süss fand. Sie erkannte sofort, dass ich in Stacy verliebt war, aber gleichzeitig sah sie auch, dass wir noch nicht zusammen waren. Darum wollte sie uns gerne sagen, wie es weiter gehen würde. Natürlich unterhielt sie sich einzeln mit uns. Stacy kam zu erst an die Reihe, unterdessen ging ich aufs Klo. Als ich wieder zurück war, wollte mich die Wahrsagerin sprechen. Sie führte mich in ihren Wagon, wo sie einen stimmungsvollen Raum eingerichtet hatte. Ich durfte mich ihr gegenüber setzten. „So mein Junge. Die erste grosse Liebe?“, fragte sie mich und zwinkerte mir zu. Die Frau selber schien im mittleren Alter zu sein. Ich schüttelte den Kopf: „Leider nicht die Erste, aber die wahre Liebe.“ Dabei errötete ich. Die Wahrsagerin lächelte mir warmherzig zu und nickte. Anscheinend wollte sie genau das von mir hören. Sie bat mich, mir ihre Hände zu reichen. Ich gab sie ihr unverzüglich: „Was sehen Sie denn?“ Sie fuhr mit ihren sanften Fingern über meine Lebenslinie und über die anderen Linien, die ich auf der Handfläche hatte. „Du wirst sehr glücklich sein. Das sehe ich bei den Wenigsten“, erzählte sie mir. Ich lehnte mich gespannt nach vorne. Ich wollte kein weiteres Wort von ihr verpassen, das auf mich zu kam. „Du bist von unglaublicher Freude umgeben. Deine Aura ist sehr positiv, aber auch eine dunkle Seite verbirgt sich in dir“, sagte sie ruhig. Sie erstarrte und blieb mit ihrem Finger, wo sie war. Ich hielt es nicht länger aus und drängte sie: „Was denn? Was sehen Sie?“ „Deinen Tod“, verriet sie mir traurig. Ich entzog ihr meine Hand: „Das kann nicht sein.“ „Tut mir Leid. Aber so wird es höchstwahrscheinlich kommen. Du kannst es nur verhindern, indem du die falsche Entscheidung treffen wirst.“ Mein Herz schien auszusetzen. Um mich herum begann sich alles zu drehen. Ich würde sterben. Es überraschte mich zwar kaum, aber ich hatte immer gedacht, dass Wahrsager alles Betrüger und Hochstapler waren. Aber sie hatte einfach Recht. Ich wusste es selber, dass ich möglicherweise bald sterben müsste. Aber nicht so. Und nicht erst dann, wenn ich Stacy schon liebte. Es würde mir dann nur noch schwerer fallen. Ich kann sie nicht alleine lassen. „Auch wenn du sterben wirst, wirst du dabei glücklich sein“, fügte sich noch rasch hinzu, ehe ich mich erhob und mich dafür bedankte. Ich bedankte mich praktisch dafür, dass ich mein Todesurteil bekommen hatte. Abartig. Während des restlichen Abends war ich äussert ruhig und verstört. Stacy fiel das natürlich sofort auf, aber sie überschüttete mich nicht einfach mit Fragen, so wie ich geglaubt hatte. Statt dessen versuchte sie meine Laune zu bessern. Sie wollte um elf mit mir aufs Riesenrad, weil dann ein Feuerwerk abgelassen wurde. Also liess ich mich mitschleppen: „Aber nur, weil du es bist.“ Sie lächelte mir herzhaft zu und zog mich in einen Sitz. Dort setzten wir uns rein. Niemand sonst wollte zu uns, also hatten wir diese Art „Bank“ für uns alleine. Das Riesenrad wurde in Gang gesetzt und schon befanden wir uns in der Luft. Oder fast. Wir berührten eigentlich noch den Boden. Stacy zeigte in den Himmel, als das Feuerwerk begann: „Schau! Wie wunderschön!“ Ich berührte sie zärtlich im Gesicht und küsste sie ganz einfach. Das letzte was ich tun wollte, bevor ich sterben musste. Okay, jetzt kann Joe kommen und mich erschiessen. –Und wenn man vom Teufel spricht. Kaum waren wir wieder unten, da waren auch schon Schüsse zu hören. Ich ahnte schon, dass es mein Mörder war und schubste Stacy: „Los, schnell weg von hier!“ Sie rannte los, bemerkte aber, dass ich nicht mit kam und drehte sich panisch nach mir um. Die Leute rannten kreischend davon. Alle in einem Strom zu den Parkplätzen. Nur ich blieb stehen und Stacy lief gegen den Strom an, bis sie mich wieder erreichte: „Los, komm schon!“ „Ich kann nicht. Der Kerl ist wegen mir hier“, murmelte ich und strich ihr übers Gesicht. „Versprich mir, dass du zurück kommst!“, forderte sie, als sie bemerkte, wie ich sie weg schieben wollte. „Stacy, ich kann nichts garantieren…“, wich ich ihr aus. Ich wurde von ihr unterbrochen: „Ich gehe nur dann, wenn du mir versprichst, dass du zurück kommst!“ „Ich komme wieder“, log ich und drängte sie davon. Sie drückte mir einen letzten Kuss auf den Mund, ehe sie schweren Herzens zu den Parkplätzen rannte. Joe erreichte mich gerade und applaudierte: „Welch schönes Stück! Sehr gut gespielt.“ „Du bist doch krank“, fuhr ich ihn an und überprüfte, ob ich meine Waffe auch noch bei mir hatte. Ich hatte sie noch. Heute hatte ich den ganzen Tag über Bauchschmerzen gehabt. Mein Bauch hatte mir gesagt, dass ich heute eine Waffe brauchen würde. Also habe ich seinen freundlichen Rat befolgt. „Regeln wir das wie zwei echte Männer“, meinte Joe und holte meine alte Waffe nach vorne, die er gestohlen hat. Ich zog meine ebenfalls heraus: „Gute Idee. Darauf warte ich schon lange.“ „Erst seit zwei Tagen“, korrigierte er mich, „Aber du hast Recht, auch ich konnte es kaum erwarten.“ „Dann wollen wir Mal loslegen“, knurrte ich und richtete meine Waffe auf ihn. Joe tat es mir gleich, als wäre er mein Spiegelbild. „Was das für eine Sauerei geben wird“, kicherte er. Ich beachtete das nicht und konzentrierte mich. Joe eröffnete das Feuer schliesslich als Erster. Ich wich seinem Schuss aus und sprang hinter eine Bank vom Riesenrad. Joe schoss weiter hin auf die Bank, als könnte er sie durchbohren. Ich war gezwungen mein Versteck zu verlassen, daher sein Plan aufging. Als ich hervor kam, war niemand mehr in Sicht. Nur der verlassene Rummel beleuchtete die Nacht. Ich schaute mich verwirrt um. Wo steckst du? Jemand klopfte mir auf die Schulter. Ich wirbelte herum und drückte ab. Doch ich hatte ihn nicht getroffen. Er war mir ausgewichen und hatte mir danach noch einmal eines über die Rübe gezogen. Ich stürzte und verlor meine Waffe schon wieder. Er wusste, wie man es machte. Verärgert stellte ich fest, dass der Kerl hinter mir stand und die Waffe auf mich gerichtet hatte: „Bei dir macht es einfach keinen Spass, darum werde ich dich so schnell wie möglich loswerden. Du Glückspilz.“ Er wollte gerade abdrücken, da überkam mich ein Adrenalinstoss. Den nutzte ich voll aus und trat ihm ins Schienbein. Der Kerl sprang zurück und feuerte auf mich. Ich rollte davon und erreichte meine Waffe wieder: „Jetzt ist Schluss, du Bestie!“ Ich schoss und traf auch. Der Kerl hatte genau gleichzeitig abgefeuert wie ich. In dem Moment sprang Stacy heraus und zerkratzte ihm das Gesicht: „Lass ihn in Ruhe!“ Der Kerl liess seine Waffe fallen. Ich fiel in der Zeit zu Boden und stellte fest, dass ich nicht mehr atmen konnte. Meine Lunge. Er hatte meine Lunge erwischt. Keuchend beobachtete ich den Kampf, schliesslich gewann Joe die Oberhand und schlug Stacy nieder. Stacy fiel zu Boden und rührte sich nicht mehr. Sie hatte heute ihre Waffe nicht mitgenommen. Joe war auch verletzt, er hielt sich sein Bein. Weit wird er nicht mehr kommen. Denn ich hörte schon die Sirenen der Polizei. Ich hustete Blut heraus. Joe lachte mich aus: „Gute Arbeit. Du bist der erste, der so weit gekommen ist. Aber ich bin unschlagbar.“ „Es ist vorbei, gib auf“, keuchte ich und versuchte aufzustehen. Joe schoss wieder auf mich. Dieses Mal traf er mich in der Herzgegend. Ich stürzte wieder auf den staubigen Boden. Staub wirbelte auf. Joe lachte mich höhnisch an: „Nein, für dich ist es vorbei. Noch ein letztes Wort?“ „Ja“, sagte ich angestrengt, „Im Namen des Gesetzes, du bist verhaftet, Joe Doobini!“ In dem Moment wurde Joe von den Polizisten überrumpelt und festgenommen, noch während sie ihn abführten rief er mir zu: „Das wirst du nicht überleben, mein Freund. Das schaffst du nicht.“ Ich beachtete ihn gar nicht erst und schon gar nicht die Polizisten die mich mit Fragen überschütteten. Einer drückte mir die Wunde mit seinen Händen zu, damit ich nicht noch mehr Blut verlor. Ich steckte die Hand nach Stacy aus. Inzwischen konnte ich kaum noch sprechen: „Stacy… Es tut mir Leid.“ „Sprechen Sie nicht, gleich ist der Krankenwagen hier“, ermahnte mich einer der Polizisten. Stacy wurde überprüft. Der Polizist bestätigte, dass sie noch lebte. Während mich langsam die Schwärze umgab. Eine ungewohnte Wärme umgab mich. Luft bekam ich keine mehr. Auch wenn ich wusste, dass ich Stacy verlassen musste, war ich glücklich. Genau so, wie es mir prophezeit wurde. Ach, Stacy… Ich packte den Polizisten neben mir am Ärmel: „Richten Sie Stacy noch was aus.“ „Mach ich, aber nur, wenn sie danach nicht mehr sprechen“, sagte dieser. Ich nickte und hauchte: „Sagen Sie ihr, dass ich sie liebe.“ Mit diesen Worten wich das letzte bisschen Leben aus mir. Meine Hand glitt zu Boden, der Polizist begann wild umher zu rufen. Die Stimmen wurden immer leiser und leiser. Bis sie schliesslich ganz verstummten und die Schwärze sich in weisses Licht umwandelte. Die Wärme war schön mollig. Sterben war gar nicht so schlimm. Wieso fürchten sich nur alle davon? Der letzte Gedanke, den ich haben konnte, handelte nur noch von meiner Stacy, die ihr leben ohne mich verbringen musste. Ich wünschte ihr alles Glück der Welt, während ich dahin schied.
Stacy
Meine Hand wurde gedrückt, als ich endlich aufwachte. Meine liebe Mutter sass auf einem Stuhl und wischte sich einige Tränen ab: „Mein Liebling!“ „Mom. Was ist denn los?“, fragte ich desorientiert und sah mich um. Ich lag in einem Krankenhaus. Ich versuchte mich aufzurichten. Doch ein schlimmer Schmerz durchzuckte mich. Ich stöhnte auf, blieb aber sitzen. „Streng dich nicht zu sehr an“, meinte Mutter und strich mir übers Haar. Ich lächelte ihr zu und hielt meine schmerzende Stelle. Wir waren nicht alleine in dem Raum. Mein Chef stand am Ende meines Bettes und lächelte mir zu: „Schön, dass Sie uns wieder mit Ihrer Anwesenheit beehren. Sie haben uns heute gefehlt.“ Ich lächelte ebenfalls. Dann kam mir alles wieder in den Sinn: „Wo ist Ramon? Geht es ihm gut?“ „Es geht ihm nicht so gut“, murmelte Mutter traurig. Beide schenkten mir einen mitfühlenden Blick. „Wo ist er?“, meine Stimme klang unglaublich schwach und zerbrechlich. Als hätten sie Angst, dass das passieren könnte antwortete mir mein Chef: „Er ist tot.“ Mein Magen verzog sich. Mein Herz klopfte laut. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Mutter nahm mich in den Arm, weil sie wusste, dass ich jetzt weinen würde. Ich weinte mir meine Seele aus dem Leibe. Dabei flüsterte ich immer: „Ramon…“ Das Leben war nicht fair. Es gab viel und nahm auch viel wieder mit. Aber wir können uns unser Schicksal nicht immer aussuchen, weil wir die falschen Entscheidungen nicht treffen wollten. Obwohl die manchmal sinnvoller waren. Und das war der Preis dafür. Und das Leben hatte mir Ramon genommen. Ramon…

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.07.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für all meinene Freunde und Krimifans

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