Cover

Cyber Working.

Die Arbeit meiner Zukunft. Oder wie ich die Arbeit neu erfand.

Wir schreiben das Jahr meiner eingetroffenen Zukunft, feiern damit gleichzeitig dessen endliche Entstehung und die Beendigung der Umweltkatastrophen, Hungersnöte, Kriege und die Scheidung des kontinuierlich wieder kehrenden keifenden Ehepaares Herr Wirtschafts- und Frau Finanzkrise. Die längst fällige Ehre erweisen wir respektvoll und demütig dem intelligenten „Cyber Working“, in weiterer Folge kurz CyW genannt. Nicht nur, dass diese genialen Initialen, vielleicht nicht die Kürzel selbst - aber deren gewichtiger Inhalt, die Menschheit vor dem sicheren Abgrund und bevorstehenden Untergang gegen die damals weit verbreiteten und modernen Bewegungen, die des Kapitalismus und der österreichischen Bürokratie, rettete, obwohl das für sich genommen schon eine Recht stolze Leistung war, nein, CyW legte damit einen massiven und sicheren Grundstein für ein glückliches, mich zufrieden stellendes Stell-dich-ein mit den mannigfaltigen, süßen Kostbarkeiten des Lebens.

Ich bitte um eine Gedenkminute. Danke.

Es war ein harter mit vielen großen Steinen gepflasterter, langer Weg. Im Vergleich dazu waren die ersten Straßen des antiken Zeitalters im Herrschaftsbereich des alten Roms echte High-Tech-Autobahnen. Doch zu meinem Vorteil und zum nachteiligen, schlichten Pech der alten Römer gab es damals keine auf Quants basierenden Super-Heim-Computer im mobilen Mini-Taschenformat. Obwohl mit „Mini“ hier sicherlich und eindeutig untertrieben wurde, aber relativ gesehen es auch stimmen könnte. Also, es sind injizierbare Nanorobots, die, sobald sie sich im Körper an die Sinnesorgane und an die rechte, für die logischen Vorgänge zuständige, Gehirnhälfte anschließen, ihr eigenes Netzwerksystem bilden und damit Quantenverbindungen herstellen. Einmal eingestöpselt und der biologische Besitzer darf sich darüber freuen einen der schnellsten und kleinsten Computer der Menschheitsgeschichte sein eigen zu nennen. Damit hätten wir die erste Voraussetzung für das Cyber Working erfüllt, den Aufbau eines innerkörperlichen Quanten-Datentransfernetzes und einen Link in das holographische Big-Net. Das ist der Umschlagplatz aller Informationen und die aktuelle Bühne für das berufliche, politische und manchmal sogar gesellschaftliche Leben, bestehend aus riesigen Datenmengen und unzähligen Verbindungen in einer Welt aus farbenfroher Energie – mein Arbeitsplatz, die CyW-Sphäre im großen Netz.
Die beruflichen Aufgaben und Leistungen sind im Großen und Ganzen sehr simpel zu erklären, es sind die gleichen wie früher, die Sekretärin organisiert Termine, die Putzfrau … was wohl, der Tankwart wartet ungeduldig auf sein Trinkgeld, die alte Post kommt altersentsprechend zu spät oder nie, der listige Verkäufer telefoniert mit seinen geizigen Kontakten, die ÖBB investiert nicht in den Bahnkomfort, die Fahrscheingebühren der Wiener Linien nehmen immer fantastischere Höhen an, das AMS schickt ihre Mitglieder in nutzlose Kurse, der Bankangestellte rät dem ahnungslosen, naiven Kunden zu einem wertlosen, verlustreichen und teuren Aktienkauf - also wirklich das Übliche. Bis auf, man betreibt seine Tätigkeiten nicht von dem physischen Ort der, im internationalen Handelsregister eingetragenen, Firma aus, sondern von zuhause oder da, wo man sich gerade befindet. Jeder modifizierte Mensch ist eine Schnittstelle, ja sogar ein Kohlenstoff-Server für das Big-Net, eine der vielen Annehmlichkeiten: wir sind mit einem imaginären Klick in der Arbeit, ohne Zeit in den öffentlichen Verkehrsmitteln mit unseren unliebsamen Mitmenschen in der U-Bahn oder die jämmerliche Mittagspause mit unserem Chef zu vergeuden , und das allerbeste, wir sind mit einem Klick wieder aus dem Cyberbüro oder –tankstelle draußen. Die ehemals ständig steigende Suizidrate (während den jährlichen Weltwirtschaftskrisen) unter den, ach so armen Vorstandsmitgliedern und durchtriebenen Bankmanagern, ebenso wie die unmoralischen Amokläufe der heimischen Politik und der intergalaktischen Lobbys wurden erfolgreich eingedämmt. In jedem zweibeinigen Server wurde ein automatischer Notschalter integriert, vergleichbar mit einem FI-(Kurzschluss-)Schalter, um einem bedrohlich nahe kommenden Synapsen-Blackout, wegen erhöhter Stresswerte, zuvorzukommen, und zwar mit einem kräftigen Schuss eines Dopamin- und Serotonin-Cocktails - leicht geschüttelt und nicht gerührt, aus unserem Gehirn. Dieser programmierte Erhaltungsschutz ist der bedeutendste und tatsächliche Grund für den Bestand des neu geschaffenen Utopia. Denn Menschen waren danach einfach zu glücklich und zufrieden mit ihrer Umwelt, als dass sie vorhätten schädigend und willkürlich boshaft einzugreifen und selbstzerstörerische Veränderungen zu fordern oder zu erzwingen.

Auf der Plusseite stehend und daher sicherlich nicht vernünftig es hier zu unterschlagen, sogar besonders erwähnenswert, weil es meiner persönlichen Ansicht nach der gewaltigste Vorteil gegenüber der herkömmlichen und primitiven Arbeitsgesellschaft ist, ist selbstredend meine Errungenschaft. Außerdem war es auch mein eigener lobenswerter Beitrag zum Cyber Working. Meine Idee.

Bitte um Trommelwirbel.

Meine neidischen Wissenschaftskollegen ermüdeten nicht, mich regelmäßig in koordinierten Gruppen abzufangen und mir unermüdlich eines zu sagen
> Eigenlob stinkt bis zum Himmel. Vergessen Sie das nicht. Am besten niemals.<
Ich vergaß es auch nie, doch fühlte ich mich mit diesem veralteten Ausspruch niemals verbunden, mehr noch, mir kam es nie ins Bewusstsein, dass man damit möglicherweise meine künstlerische Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit mit diesen kritischen Bemerkungen in Zusammenhang bringen könnte. Doch so war es. Meine tadellose Selbstsicherheit half mir durch diese schweren Zeiten hindurch, beinahe unterlag sie diesen fürchterlichen Mobbing-Angriffen und den voraussehbaren psychischen Konsequenzen. Es war richtig hart. Nach ungefähr zwei Minuten und ein paar zerquetschten Sekündchen gewann ich meine innere Ausgeglichenheit zurück und verwarf im Eilverfahren alle kriegerischen Attacken meiner so schätzenswerten Arbeits“kollegen“. Anfangs kommentierte ich noch die kollegialen Übergriffe mit einem herabwürdigenden, von oben herabsehenden scharfen Blick und einem lockeren und ironischen >Wie peinlich, ist mir dieser Fauxpas etwa schon wieder unterlaufen? Was täte ich nur ohne sie, meine werten Herren?>
Wie erwähnt, nur anfangs. Schnell wurde ich dessen überdrüssig, und beschränkte mich seit jeher auf das helle und grauenerregende, vor Angst in deren Bann ziehende Aufblitzen meiner sonst herrlich strahlenden, einnehmenden grünen Augen.
Der geniale Clou war die relative Zeitkomprimierung innerhalb des Big-Net, einfacher ausgedrückt: Ein durchschnittlicher Cyber-Arbeitstag von acht komma neun Stunden beträgt in der realen Zeit kümmerliche acht komma neun Minuten. Logischerweise wurde ich nach dessen fertiger Entwicklung und Einführung in den Alltag zum „Man of the Century“ nominiert und gewählt, unterstützt von meinen, mir lieb gewonnenen, Wählern – der gesamten Arbeiterschaft der ganzen Welt. Verwunderlich war der Fakt, dass auch die heuchlerischen Betriebsräte für mich gestimmt hatten. Damit wurde ich zum berühmtesten V.I.P im Cyber-Universum und wer könnte dies noch von sich behaupten – nur ein paar tausend Menschen, welche mir sporadisch bei der Planung des Projektes
„Gegen den Zeitraub in der Arbeit“ unter die Arme gegriffen hatten. Man sollte die Innovation der Zeitrelativerungskompressionsmethode vielleicht mit einem Puzzle vergleichen. Jeder von uns war ein kleiner Teil von diesem Vorhaben, um dem modernen und unkonventionellen Konzept zum Erfolg zu verhelfen.

Pah!!

Solch eine engstirnige Sichtweise vertrat ich nie, ohne gleich von psychosomatischen Zuckungen gepeinigt zu werden. Deswegen unterließ ich es, erschuf, kreierte einen gründlicheren und weitsichtigeren Blickwinkel über dieses „Puzzle“-Ding. Von da an war ich nicht nur einer von vielen unter diesen winzigen, tausenden von Pappkartonteilchen, sondern das Puzzlebild selbst – der schöpferische Geist. Ohne den bei dieser Art von Spielen nichts mehr geht.
Rien ne va plus.

Mein Name?

Mr. Roulette

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /