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„wo gehst hin?“

„ich will im laden gegenüber mineralwasser besorgen!“

„dann ich komm mit!“

abdul, der aus gründen, die ich nicht kenne, immer gerade dann vor meinem hotel in agadir steht, wenn ich zum einkaufen gehen will, hakte sich bei mir ein und lachte aus seiner zahnlücke:

„hast glück gehabt! vergiss das klein geschäft hier. in talborjt kenn ich anderes, hat das beste mineralwasser von ganz agadir - wirst schon sehen!“

„ach, abdul! vielleicht ein anderes mal! jetzt habe ich so grossen durst, dass ich mir das mineralwasser gleich hier besorge!“

ich lief die wenigen schritte über die strasse und betrat den laden, der wirklich sehr praktisch direkt gegenüber meinem hotel liegt. dort gibt es nicht nur mineralwasser, sondern auch seife, nescafe und vieles andere zu kaufen. der patron hockt jeden tag im dämmerlicht hinter seiner kasse und addiert auf einem stück zeitungspapier irgendwelche zahlen. sie stimmen wohl nie, denn kaum hat er alles zusammen gerechnet, zerknüllt er das papier, wirft es in eine ecke, greift sich eine andere zeitung und beginnt erneut zu rechnen. hinter dem tresen seines ladens stehen zwei junge marokkaner. ich nehme an, dass es seine söhne sind. sie boxen sich gegenseitig vor die brust und kichern, - aber nur so lange, wie niemand den laden betritt. wenn die tür aufgeht, räuspern und recken sie sich und schauen den kunden neugierig an. der jüngere darf wohl noch nicht bedienen, denn er entfernt sich jedes mal sofort in die tiefen des ladens und sortiert dort die konservendosen mit den eingelegten sardinen und tomaten. der ältere aber fragt in bestem deutsch:

„was darf es sein?“

„eine grosse flasche mineralwasser!“ der marokkaner sieht mich augenzwinkernd an: „hast viel durst, oder?“ der patron zerknüllt gerade wieder eine zeitung und wirft sie achtlos über die schulter. sein jüngerer sohn stolpert im hintergrund über eine kunstvoll errichtete pyramide aus tomatendosen. es scheppert gewaltig. der marokkaner hinter dem tresen, der mich eben noch mit diesem unerklärlichen augenzwinkern angesehen hat, verbeugt sich in meine richtung, zuckt entschuldigend mit den schultern, wendet sich ab und beginnt, die herumliegenden tomatendosen wieder zu einer pyramide aufzubauen, während sein jüngerer bruder auf dem fussboden sitzt und an einem blutigen zeigefinger lutscht.

abdul, der auch im laden nicht von meiner seite gewichen ist, zeigt auf den kühlschrank mit den mineralwasserflaschen und flüstert mir ins ohr: „sind viel zu teuer! lass uns gehen!“

und da inzwischen alle - auch der patron - damit beschäftigt sind, die pyramide aus tomatendosen wieder ins gleichgewicht zu bringen, verlassen wir das geschäft und treten zurück auf die strasse, die um diese mittagsstunde im heissen licht der marokkanischen sonne verbrennt.

ich habe grossen durst.

das sage ich abdul.

er nickt verständisvoll, legt zwei finger in die lücken seiner zähne und pfeift.

bremsen quietschen. neben uns hält ein alter peugot, der in orange lackiert ist und viele beulen hat. „steig mal ein!“ ruft abdul und setzt sich neben den taxifahrer. ich lasse mich auf die hinterbank fallen und denke darüber nach, wie viele tomaten in einer tomatendose platz haben und ob auch tomatensaft den durst löschen kann.

jetzt spricht abdul mit dem taxifahrer. was sie miteinander zu bereden haben, verstehe ich nicht. wenigstens kramt der taxifahrer gleich darauf in seinem handschuhfach und zieht eine musikcassette nach der anderen heraus, die er abdul zur begutachtung hin hält. irgendwann nickt abdul, die cassette verschwindet im schlitz des radios - und schon untermalt arabischer sing-sang den stau, in dem wir gerade stecken geblieben sind.

unser taxifahrer schreit zornig gegen den lärm von der strasse und die arabische musik im auto an, kurbelt das seitenfenster herunter und beschimpft einen neben uns wartenden autofahrer, der nichts weiter tut, als geduldig im stau zu stehen. abdul macht es ihm nach, fuchtelt mit den armen und flucht ebenfalls ... sein zeigefinger richtet sich immer wieder auf mich.

ja, ich weiss! ... ich bin schuld: am verkehr, dem stau und an den ineinander verkeilten autos.

hätte ich nur niemals gesagt, dass ich durst habe.

als das taxi ganz und gar zwischen grossen und kleinen autos eingeklemmt ist und unser fahrer gerade schimpfend eine neue musikcassette ins radiofach schiebt, schreit abdul plötzlich:

„raus hier! nach talborjt wir kommen auch zu fuss!“

... und springt mit einem satz aus der taxe. „was jetzt?“ frage ich, als ich hinter ihm her laufe und mir einen weg durch den dieselgestank der im stau stehenden autos suche.

„jetzt können wir gehen zu fuss nach talborjt. wir können aber auch essen eine kleine tajine in hübsch lokal gleich hier ...wie du willst!“

„abdul! ich habe durst! ich bin nur aus dem hotel gegangen, um mir eine flasche mineralwasser zu kaufen!“

abduls gesicht verfinstert sich. er sieht mich aus seinen schwarzen augen prüfend an: „warum sagst das nicht gleich?“

er pfeift wieder durch seine zahnlücken - so laut, dass auch gleich ein kleiner, orange-farbener peugot mit vielen beulen neben uns hält.

„steig mal ein!“

der taxifahrer, - es ist derselbe, der uns vor wenigen minuten hier her gebracht hat -, gibt gas und abdul mustert wieder die cassetten mit der arabischen musik. jetzt macht der taxifahrer einen grossen umweg, um nicht noch einmal in einen stau zu geraten. endlich hält er mit seinem taxi vor dem kleinen laden gegenüber meinem hotel.

der junge marokkaner steht hinter dem tresen und reckt sich, als wir den laden betreten. hinter der kasse sitzt der patron und zerknüllt die zeitungen. im hintergrund sehe ich, dass sein jüngerer sohn gerade versucht, die letzte tomatendose auf der wieder aufgebauten tomatendosen-pyramide zu placieren. der marokkaner hinter dem tresen zwinkert erwartungsvoll mit seinen augen. sein bruder tritt dazu, wirft die tomatendose, für die er nun doch keinen platz mehr auf der pyramide gefunden hat, in die luft, klatscht zweimal in die hände und fängt sie wieder auf.

abdul, der mir in den laden gefolgt ist, stösst mir seinen zeigefinger in den rücken.

„nun sag schon, was du willst“ zischt er mir ins ohr.

„ich habe durst!“ antworte ich.

abdul zeigt auf den kühlschrank mit dem mineralwasser. „dann nimm davon. ist nicht ganz billig, aber zweitbestes in ganz agadir!“

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Tag der Veröffentlichung: 17.10.2008

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