Cover

Eine vergnügliche, manchmal aufregende, immer aber spannende reise, die karin, gundel und ich nach ägypten unternahmen! kommt einfach mit auf unsere fahrt von kairo nach assuan - eben einmal den nil hinauf! ich verspreche euch: das wird kein reise-bericht á la baedeker und auch keine "studierte" kunst-exkursion zur wiege unserer kultur (puhh!), obwohl uns gundel mit nofretete ganz schön nervte!

Aber da karin die süsse hatschepsut in ihr herz geschlossen hatte, war das gleichgewicht immer wieder schnell hergestellt. wenn ich aber dann sagte:

"mumien sind die damen alle!" sprachen die vier kein wort mehr mit mir!


MOPEDS UND PYRAMIDEN

Kairo ist eine graue stadt. sie ist grau, wenn wir sie von oben aus dem flugzeug sehen, und bleibt es, wenn wir durch ihre strassen fahren. die häuser kairos haben keine farben.

gundel, karin und ich hatten am flughafen eine taxe gerufen und wollten ins hotel „kairo-pyramides“. der taxifahrer stürzte sich auch gleich mit seinem fahrzeug in den verkehr. es ist völlig in ordnung, wenn auf zweispurigen strassen die autos in vierer-reihen fahren. da es aber in kairo kaum zweispurige, sondern meistens vierspurige strassen gibt, fuhren sie hier alle in acht spuren.

wirklich glücklich sind in kairo wohl nur die, die sich auf einem moped und eingehüllt in eine dichte dieselwolke ihren eigenen weg suchen.

wir standen im stau und hörten dem hupkonzert zu, das vielleicht giuseppe verdi zu seiner oper „aida“ inspiriert hatte, mir aber nur in den ohren weh tat.

gundel sass mit ihrem breitkrempigen strohhut neben mir und winkte den insassen der autos zu, die neben uns im stau standen und ebenfalls nicht weiter wussten. sie lächelte, winkte und tat gerade so, als sei sie die gattin des gouverneurs von kairo! das half uns allerdings nicht! denn unsere taxe hatte sich jetzt mit den anderen autos so verkeilt, dass auch ein herbeieilender polizist nichts ausrichten konnte, obwohl er mit seiner pfeife wütend etwas regeln wollte, was sich seinen trillernden anordnungen trotzig entzog.

karin sass neben dem fahrer und kümmerte sich nicht darum, was um sie herum passierte. sie durchsuchte hektisch ihren kleinen koffer, den sie vor sich auf den knien hatte. als sie dann noch begann, den inhalt auszupacken und neben sich auf den sitz zu legen, wurde ich neugierig.

„was suchst du denn?“

„den zettel, auf den ich mir notiert habe, wie unser hotel in kairo heisst!“

„es ist das „kairo-pyramides“!

„ja, danke! das weiss ich! aber ich möchte nun auch den zettel finden, wo ich es mir aufgeschrieben habe. denn ich weiss ganz genau: eingepackt habe ich ihn.“

gundel unterbrach ihr winken.

„wenn karin schon in ihrem kleinen koffer nicht bescheid weiss, was fange ich dann erst mit meinen zwei koffern an?“

dann kicherte sie und winkte einem moped-fahrer zu, der gerade von einem pick-up gerammt worden war und sich erschrocken am dach unserer taxe festhielt.

karin sortierte jetzt die dinge ihres koffers, die neben ihr auf dem sitz lagen.

ich sah amüsiert zu, wie sie einen schlafanzug, einen pulli, eine leinenhose und einen kleinen plastik-beutel nach dem verlorenen zettel durchsuchte. das war alles, womit karin reiste! wohin sie auch fuhr: nie hatte sie mehr als diesen kleinen koffer dabei.

„das reicht mir!“ sagte sie, wenn ich wieder einmal skeptisch auf ihren winzigen koffer sah. „mehr brauche ich nicht!“ und da sie im reisen sehr erfahren ist, musste ich es ihr einfach glauben.

ich ahnte, dass dieses kleine handgepäck einer der gründe war, warum gundel so gern mit karin verreiste. denn gundel hat immer zehn weisse blusen und mindestens genauso viele hosen und röcke dabei. sie reist auch nie ohne mehrere paar schuhe und etliche leichte kaschmir-pullover! weil sie immer so perfekt angezogen ist - und so perfekt winkt und lächelt, dass sich eben gerade ein ägypter an der strasse tief vor ihr verneigt -, benötigt sie immer einen zweiten koffer. den stellt sie dann karin hin! vor unserem abflug nach ägypten fragte karin sehr irritiert: „was soll ich denn mit deinem koffer?“ aber gundel lächelte nur und sagte: „nach dem check-in ist er wieder meiner!“

„hier ist der zettel! er war in meiner hosentasche!“ karin winkte mit einem stück papier in der hand. „und das hotel heisst: „kairo-pyramides“!

der stau hatte sich so weit aufgelöst, dass unsere taxe wieder im schritt-tempo voran kam.

„die ägypter sind sehr nett, sie winken mir alle zurück!“ sagte gundel und schnappte sich karins zettel. sie besah ihn sich: „nun wissen wir aber immer noch nicht, ob das hotel in kairo steht!“ sie hielt ihren strohhut fest, weil ein windstoss gerade eine wolke von feinem sand in das geöffnete fenster blies.

ich sah drei steinerne spitzen aus dem grauen häusermeer wachsen. was war das? eine luftspiegelung oder ein trügerisches spiel von sand, benzindämpfen und flimmernder hitze? die drei pyramiden - cheops, chephren, mykerinos - wuchsen in den himmel von kairo und schwebten ockerfarben vor einem dunstigen himmel. warum dachte ich plötzlich an kleine päckchen mit zigaretten-papier?

warum wusste ich, das ich das alles schon kannte? die pyramiden wuchsen vor meinen augen in den himmel und blieben doch fern wie ein traum, um deren falsche bilder wir längst wissen.

das grösste wunder der welt war hingestellt in eine stadt, die staubig heiss war und sich längst - aus allen fugen geraten - am rande des chaos eingerichtet hatte.

unsere taxe bewegte sich im schrittempo auf die pyramiden zu. ihre grösse und
anmut betäubten in mir jeden gedanken von zeit und raum. nicht anders musste es herodot und alexander ergangen sein, - und dem kleinwüchsigen korsen, der hier davon träumte, ein kaiser unter dem schatten der pyramiden zu werden. sie hatten die stille und das schweigen der pyramiden aber noch viel überwältigender erfahren.

denn jetzt hupten alle autos, weil die ampel vor uns im sekundentakt von grün nach rot sprang und keiner wusste, was sie wirklich wollte. auf der kreuzung schoben sich die autos ratlos ineinander.

gundel begann, ihre weisse bluse von dem feinen gelben sand zu säubern, der von draussen hereingeweht war. „jetzt sehe ich aus wie die pyramiden!“ lachte sie und schüttelte sich.

karin, die ihre kleider wieder in dem kleinen koffer verstaut hatte, seufzte:

„ich habe doch etwas vergessen!“

gundel und ich sahen sie neugierig an.

„wo ist mein kleiner arabische sprachführer? wie soll ich denn das alles hier ohne ihn verstehen?“

unsere taxe aber hielt endlich vor dem hotel „kairo-pyramides“.


WURSTBRÖTCHEN FÜR ECHNATON

Gundel nahm, kaum dass wir beim frühstück waren, ein buch aus ihrer handtasche.

„ich lese euch jetzt vor, wie nofretete ihren mann kennenlernte!“

„langweile uns doch nicht! wir wissen doch schon jetzt, dass nofretete unglücklich wurde! du bist doch geradezu verliebt in das unglück anderer frauen!“

karin liess bei diesen worten den teebeutel in ihrer tasse hüpfen und schüttelte den kopf.

„liebe karin!“ gundels augen blitzten. „wie ich höre, stehen heute die pyramiden auf dem programm. und da werde ich euch doch erzählen dürfen, wer in den pyramiden wohnte!“

„ach, so!“ erwiderte karin spitz. „dann willst du uns nicht erzählen, wie nofretete ihren mann kennenlernte, sondern wo sie ihn traf. in den pyramiden - zum liebesrendevous!"

jetzt hielten sich meine beiden freundinnen die hände vor den mund. es nutzte aber nichts! sie brachen in ein solches gelächter aus, dass die gäste an den nebentischen neugierig zu uns herüber sahen.

als gundel sich beruhigt hatte, packte sie das buch wieder ein, nahm einen croissant, bestrich ihn mit orangen-konfitüre und sagte:

„es war echnaton, in den sich nofretete verliebte! aber da die ägypter ihn nicht mochten, weiss keiner, wo er geblieben ist!“

karin zog den teebeutel aus der ihrer tasse.

„das ist aber schade! da haben wir den weiten weg nach ägyptem gemacht und echnaton ist gar nicht da!“

„viel schlimmer!“ rief gundel. „auch cheops, chephren und mykerinos hat keiner mehr gesehen!"

ich hatte meinen freundinnen still zugehört und amüsierte mich über ihren wortwechsel. sie meinten es ja nicht wirklich ernst, was sie da sagten. es war eben ihre art, mit den geschichten und der geschichte ägyptens umzugehen, die für alle ein staunendes rätsel bleibt.

so viele namen und ereignisse! dynastien, pharaonen, tempel, kriege, pyramiden und nekropolen!

das nicht geringste geheimnis ist der zeitraum, in dem sich die kultur ägyptens entfaltete. 3000 jahre, in denen dynastien entstanden, zur blüte kamen und vergingen. aber die symbole der herrschaft - ihre tempel und die in den stein gemeisselten abbilder ihres lebens - bleiben für den flüchtigen betrachter dieser unvorstellbaren dimension von zeit immer gleich und ein seltsames rätsel.

wer ahnt schon, dass zwischen den tempeln von philae in assuan und den pyramiden in gizeh fast 3000 jahre liegen? nicht der wandel beherrschte ägypten, sondern die ewigen bilder von geburt, leben und tod.

die erkenntnis einer sich wandelnden, vergänglichen welt war der grund, zeitlose bilder zu schaffen. vielleicht war ägypten, das dem tod in bauwerken und bildern so viel platz einräumte, in wirklichkeit eine kultur, die den tod aus dem leben für immer verbannen wollte.

„rolf! hast du nicht richtig ausgeschlafen, oder warum sitzt du hier so gedankenverloren am tisch?“

„ach, karin! die nacht war wunderbar! man sagt, dass die pyramiden selbst den am schlaf erkrankten neue kraft zu wunderbaren träumen geben!“

gundel kicherte. „und wenn dann noch der vollmond über den pyramiden steht...!“

ich spürte auch, dass mich meine gedanken und spekulationen entfernt hatten von diesem morgen, der hell und sonnig durch die grossen fenster herein schien.

karin schnitt ein brötchen auf und belegte es mit salami-scheiben. so leuchtend rote wurstscheiben, mit kleinen gelben flecken darin, hatte ich noch nie gesehen.

„mein proviant für die pyramiden!“ sagte sie und klappte das brötchen zu. gundel sah genau hin:

„nofretete nimmt zum frühstück aber nur kleine blätterteig-pasteten! wusstest du das nicht?“

„das ist mir egal!“ rief karin. „von mir bekommt der arme, verlassene echnaton einen ägyptischen "hamburger!"

"wie sieht der denn aus?" fragte ich erstaunt.

"rund, knallrot, mit gelben tupfern!"


WO BLEIBT NOFRETETE?

Karin und gundel wussten natürlich, dass weder echnaton noch nofretete auf uns warteten. beide lebten viel später als cheops, chephren und mykerinos. es war um 1350 vor christus, als amenophis IV. nilaufwärts das heiligtum achet-aton gründete und mit allen traditionen des ägyptischen reiches brach. er legte seinen namen ab und nannte sich echnaton, der sonnengeweihte!

„hast du überhaupt ein taxi bestellt?" karin sah mich skeptisch von der seite an.

„es wird schon kommen! aber ohne gundel können wir nicht fahren! wo ist sie?“

„gundel sortiert sicherlich noch ihre blusen, hosen und pullover! wenn du mich fragst: bei zwei koffern würde auch ich den überblick verlieren!“

amarna, den ort des sonnen-heiligtums, wollten wir auf unserer reise nicht besuchen. warum auch? nach allem, was ich gelesen hatte, war das dorf nur noch ein wenig staubig und sehr gottverlassen! der pharao und gott echnaton hatte diesen ort in der sekunde seines sterbens verlassen und hinter ihm brachen alle mauern.

„warum braucht gundel immer so lange, um ihre kleider zu sortieren? aber, egal! dann stehen wir hier eben vor dem hotel herum und warten seelenruhig und mit gottvertrauen!“

"wie amenophis!“

„was sagst du?“

„ich denke gerade laut darüber nach, wie wohl dieser pharao das chaos und die verwirrung erlebte, als er beschloss, sich aus theben zu verabschieden!“

„kannst du gundel nicht einmal gut zureden, dass sie das nächste mal auf den zweiten koffer verzichtet?"

„gern, karin! denn ich nehme an, dass amenophis überhaupt nichts mitnahm, als er sich auf den weg nach heliopolis machte!“

„dann war er wie ich! was braucht jemand, wenn er auf reisen geht? doch nur seinen verstand und eine kreditkarte!“

karin zog aus ihrer tasche das in eine serviette eingeschlagene wurstbrötchen.

„magst du ein wenig essen? es ist bald mittag, ach, was sage ich: mittag vorbei!“

gundel eilte mit einem weissen schal, der ihr um die schultern wehte, aus dem hotel.

„also hier seid ihr! ich habe euch überall gesucht!“

karin blickte sie von oben bis unten an.

„ist dieser schal nun aus dem ersten oder zweiten koffer? wo hätten wir denn deiner meinung nach auf dich warten sollen?“

die amun-priester blieben allein in ihrem tempel von karnak zurück. immer war es so gewesen, dass die neuen pharaonen zuerst zu ihnen kamen, um in ihrem heiligtum dem gott aller ägypter zu huldigen. immer hatten sie prächtige geschenke dabei und versprachen den priestern neue, noch grössere und mächtigere tempel. eilfertig schnitten die priester dann den namen des gerade zu den göttern gegangenen pharaos aus säulen und stelen, um sie mit frischen lobpreissungen für den neuen, einzigen und allmächtigen pharao zu schmücken.

„ich habe an der rezeption des hotels auf euch gewartet - so, wie es ausgemacht war!“

ich sah karin fragend an. sie zuckte mit den schultern. wir konnten uns nicht erinnern!

„ihr habt gar nicht auf mich gewartet!“ gundel schaute mit hochgezogenen augenbrauen in die runde.

„aber gundel! davon kann doch keine rede sein! wir stehen hier seit einer halben stunde und fragen uns, wo du bleibst! und mittag ist schon fast vorbei!“ karin legte das wurstbrot zurück in die tasche.

„dann erinnert euch bitte daran, was wir im flugzeug besprochen haben!“ in gundels stimme lag empörung.

„ja, was denn?“ fragte ich ratlos.

die priester des amun liefen aufgeregt durch ihr heiligtum und flüsterten sich die namen der pharaonen zu, denen sie gedient hatten und die ihnen immer grössere und gewaltigere tempel an den nil gebaut hatten. in theben waren nicht die pharonen die herren - hier beugten sie ergeben das knie vor den mächtigen und weisen priestern des amun. so war es immer gewesen. und so würde es bleiben, bis zu dem tag, an dem die sonne im westlichen land der toten versinkt und nie mehr im osten aufgeht.

amenophis stellt die ordnung der welt auf den kopf! schimpften sie und rissen voller wut an ihren heiligen gewändern. seht seine schiffe, mit denen er theben verlässt, um in heliopolis ein neues reich zu gründen! dieser echnaton, wie er sich wider alle sitte nennt, sperrt uns in unseren eigenen tempeln ein und will uns tausendjährige macht nehment! die sonne selbst, so ist sein wille, soll amun und alle götter des reiches verbrennen! echnaton hält sich an keine verabredung! er kehrt uns priestern den rücken und lässt uns mit kleinen, machtlosen göttern zurück!

aber das ist unser fluch und unsere grosse wut! amarna wird am jüngsten tag selbst verbrannt, staubig und gottverlassen sein!

dem himmel sei dank! nach amarna wollten karin, gundel und ich auch nicht!

„wir haben im flugzeug darüber gesprochen, wo wir uns wieder treffen, falls wir uns in ägypten verlieren sollten!“

„vielleicht an der rezeption des kairo-pyramides?“ fragte ich. ich konnte mich überhaupt nicht erinnern.

„ach, was!“ gundels augen blitzten.

„ich weiss, was sie meint!“ karin zog aus ihrer tasche ein kleines buch. „ich habe nämlich meinen arabischen sprachführer wiedergefunden!“

dann las sie vor:

„ma´lesch! sekka hadid! suckar! ayez, min fadlak mathar!“

und was heisst das?“ fragte gundel spitz.

karin übersetzte, was wohl überhaupt nicht zu übersetzen war:

„das macht nichts! hier haben sie zucker, bittesehr! und nun fahren sie mich mit der eisenbahn zum flugplatz!“

„ach, was!" gundel war empört. "wir wollten uns in ägypten immer genau dort wieder treffen, wo wir uns verloren haben!“

„dann lasst uns jetzt doch zusammen einsteigen!“ rief karin, denn gerade hielt unsere taxe in der hotelauffahrt.


EIN HÜFTGELENK FÜR CHEOPS

Die abgase der grössten stadt afrikas lagen als dichte wolke über kairo, als wir den nil überquerten und das westufer erreichten. schon lange vorher hatten sich die spitzen der drei pyramiden von gizeh aus dem häusermeer erhoben und wuchsen in den trüben himmel, je näher wir der nekropole kamen.

ich erinnerte mich an den anflug auf kairo.

als ich aus dem fenster des flugzeugs sah, lag unter uns die libysche wüste, - ockerfarben und durchzogen von ausgetrockneten flussläufen. es ist nicht einfach, über dieser wüste in den sinkflug zu gehen, denn starke aufwinde wollen das flugzeug von seinem kurs abbringen. immer wenn wir gerade an höhe verloren hatten, trug uns der heftige wind aus der wüste wieder empor und die piloten hatten mühe, in diesen turbulenzen den weg hinunter zu finden.

mir war es recht, dass unser flugzeug für den anflug auf kairo so viel zeit brauchte, denn vor meinem augen entstand das bild der ganzen geografie ägyptens.

das land liegt in der wüste. rechts des nils erstreckt sich die libysche, links die arabische wüste. durch diese wüsten fliesst der nil. seine beiden ufer sind ein grüner gürtel aus feldern, palmenhainen und wiesen. dieses schmale band durchschneidet sand, geröll und felsen. ägypten ist eine flussoase in der unendlichen wüste!

„cheops lebte 2690 vor christi! so steht es in meinem reiseführer!“ karin hielt uns das aufgeschlagene buch hin und zeigte mit dem finger auf eine fotografie.

„und das ist seine pyramide!“

gundel, die mit mir auf der hinterbank der taxe sass, beugte sich neugierig vor und studierte das foto im reiseführer sehr genau und sagte dann:

„dein reiseführer stimmt nicht!“

„warum denn das!“ karin schlug empört das buch zu.

„weil cheops 2688 vor christi in alexandria gesehen wurde und 2692 ein neues hüftgelenk brauchte!“

karin sah gundel erstaunt an.

„woher weisst du das?“

„intuition!“, lächelte gundel. „und mein wissen, dass jeder pharao länger als ein jahr gelebt hat. im übrigen stimmt etwas mit dem foto in deinem reiseführer nicht!“

karin blätterte in ihrem buch und besah sich das bild noch einmal.

„es sieht aber doch aus wie eine pyramide!“

„mein gott, karin! nun sieh es dir doch einmal genau an! ist eine pyramide grün? nein! ist eine pyramide viereckig? nein! sind auf den spitzen von pyramiden parabolantennen befestigt? nein!“

karin starrte gundel und dann das foto an.

„aber, gundel! nun entschuldige einmal! ich sehe nichts von all´ dem! aber wie muss denn eine pyramide deiner meinung nach aussehen?“

ich hörte der unterhaltung meiner beiden freundinnen aufmerksam zu. ich wollte die beiden nicht unterbrechen! aber diesem cheops konnte nie und nimmer in alexandria ein neues hüftgelenk eingesetzt worden sein. zu seiner zeit gab es die stadt noch gar nicht. sie wurde erst gegründet, als alexander, der grieche, auf seinem weg nach indien einmal kurz in ägypten vorbei schaute, dort ein oder zwei kleine kriege führte und dann weiterzog.

ägypten blieb besiegt zurück.

um dem land aber die niederlage so recht ins gedächtnis zu schreiben, bestimmte er seinen bruder zum neuen pharao. und der gründete die stadt alexandria am mittelmeer.

es mag sein, dass er sie gar nicht nach seinem bruder benennen wollte, sondern nach dem neuen ägyptisch-griechischen geschlecht, das er am nil begründet hatte. da er aber den namen „ptolemäer“ immer wieder vergass, entschied er sich für die einfachere lösung.

was auch ein kluger entschluss war! denn sonst würden heute die ägypter ihre sommerwochen nicht in alexandria verleben, sondern in „ptolemäeria“. und ob die ägypter sich wirklich darauf verstanden, künstliche hüftgelenke zu konstruieren? ich glaube nicht! denn wenn sie - sehr selten - in ein biblisches alter kamen, reichte ihnen wohl ein stock, mit dem sie aber vielleicht künstliche hüftgelenke in den sand malten.

jetzt aber wiederholte karin mit gespieltem ernst ihre frage an gundel:

„wie muss denn eine pyramide deiner meinung nach aussehen?“

gundel schlug sich ihren weissen baumwoll-schal um die schultern, drehte energisch das fenster der taxe herunter, steckte ihren kopf hinaus und rief:

„wie das da!“

vor uns wuchs die cheops-pyramide in den dunst des morgens und berührte mit ihrer spitze fast den himmel.


GEOGRAPHEN UND STERNE

Ich sah zu diesem ungetüm, der cheops-pyramide empor. ich erinnerte mich: die ägypter hatten mehr als zwei millionen steinblöcke aufeinander geschichtet, die jeder über zwei tonnen wog. noch heute rätseln die wissenschaftler, wie das möglich war.

hatten sie rampen gebaut, auf denen sie dann die steinernen quader auf hölzernen rollen bergan zogen? das konnte ich mir nicht recht vorstellen, denn je höher die pyramide, desto steiler musste die rampe sein - oder aber länger! ab einer gewissen höhe der pyramide musste die rampe dann eine so gewaltige länge haben, dass ihre konstruktion bei weitem schwieriger war als die der pyramide selbst. steiler aber konnte man die rampe nicht bauen, weil die last der steine einfach zu schwer war, um sie hinauf zu ziehen.

es blieb ein rätsel!

„wir befinden uns jetzt am westufer des nils, im nekropolen-gürtel der vierten dynastie!“

karin sah von ihrem buch auf. „so wenigstens steht es in meinem reiseführer!“

„ach!“ antwortete gundel. "gut das du das vorliest! erinnere mich doch bitte daran, dass ich unbedingt nach einem gürtel aus krokodil-leder schaue! die sollen in ägypten recht preiswert sein.“

„und wenn du den nicht findest, dann nimmst du einfach einen nekropolen-gürtel!“ ergänzte ich.

„ich schätze imitate aus china überhaupt nicht“, lachte gundel. während karin ihren reiseführer wieder in der handtasche verstaute, machten wir uns auf den weg zum eingang der cheops-pyramide.

wir mussten uns in die schlange der touristen einreihen, die geduldig auf einlass in das 5000 jahre alte gebäude wartete.

ein gebäude, oder doch nur ein symmetrisch angeordneter steinhaufen? warum standen eigentlich diese riesigen kegel hier in der wüste?

mir kam eine geschichte in den sinn, die so atemberaubend war, dass ich sie nie wieder vergessen habe.

karin stiess mich an. „wir können jetzt weitergehen! damit sind wir zwar noch nicht in der pyramide, ihr aber doch schon um 300 jahre näher!“

geduldig machten wir mit allen touristen zwei schritte und warteten wieder, während die sonne immer höher stieg und uns auf die köpfe brannte. gundel zog ihren weissen schal ganz fest über ihr haar und sagte:

„warum wollen wir uns eigentlich die mumien in der pyramide anschauen? wenn es nicht bald weiter geht, liegen hier draussen bald mumien aus ganz europa herum!“

„in der cheops-pyramide liegt kein pharao!“, entgegnete karin, die auch schon ein wenig blass geworden war.

„dann weiss ich wirklich nicht, auf was wir warten! ich bin doch nicht nach ägypten gekommen, nur um festzustellen, dass sich alle pharaonen gerade im urlaub oder sonstwo befinden!“ gundel fächelte sich mit der kleinen eintrittskarte, die wir am eingang zu den pyramiden erhalten hatten, luft ins gesicht. „nächstes mal buche ich all-inclusive! dann muss wenigstens ein pharao uns die hand schütteln!“

„ ... oder mit einer bauchtanz-gruppe auftreten“, lachte karin. jetzt schob sich die touristen-schlange wieder drei schritte weiter in richtung pyramide.

wenn wir in den klaren nächten afrikas im warmen sand liegen und in den himmel sehen, erwartet uns das grösste schauspiel, das menschen auf dieser erde zuteil werden kann. wir sehen nicht in eine dunkle unendlichkeit, - in diesem so grenzenlosen universum leuchten die sterne.

und sie haben alle namen, die wir nicht kennen! in so einer nacht, - wenn unser blick ganz weit in den himmel geht -, freuen sich wohl die sterne, dass ein menschenkind sie anschaut. denn je länger wir in die nacht hinaus sehen, desto mehr sterne erscheinen vor unserem auge, tief gestaffelt im dunkel der nacht! bald ist der himmel ein einziges funkeln und blitzen! immer neue sterne steigen in das gewölbe aus licht! stille sterne und tanzende sterne, weisse und gelbe ... der himmel wird zum sternenmeer, - weil ein menschenkind nachts auf dieser erde im warmen sand der wüste liegt und seinen blick zum himmel richtet!

„nun stehe hier doch nicht allen im weg! die touristen müssen ja schon einen bogen um dich machen! wenn du nicht aufpasst, sind wir bald wieder am ende der schlange!“ gundel sah mich streng, in wirklichkeit aber belustigt an, nahm meinen arm und zog mich zurück in die menschenschlange, die weiter geduldig vor dem eingang zur pyramide wartete.

... und so geschah es, dass eines nachts ein geograph aus england vor seinem zelt in der wüste sass und sich den himmel besah. einige sterne leuchteten heller als andere und mitten hindurch zog sich das funkelnde band der „milchstrasse“. da er viel zeit damit zugebracht hatte, die orte der vielen pyramiden entlang des nils in eine karte einzutragen, wurde er plötzlich hellwach: am nächtlichen himmel, so erkannte er, spiegelte sich die karte ägyptens! wenn er sich die „milchstrasse“ als den nil vorstellte, lagen die hellsten sterne zu der galaxie exakt so verteilt wie die pyramiden zum grossen fluss ägyptens!

als der geograph am nächsten morgen die karten ägyptens mit dem himmel verglich, der vor 5000 jahre über ägypten gestanden haben musste, hatte er die gewissheit:

die pharaonen des alten reiches wollten ein abbild des firmaments auf erden errichten. ihre pyramiden waren sterne, die in einem anderen grenzenlosen himmel - den grossen wüsten ägyptens - standen!

da es vor dem eingang der pyramide nun gar nicht weiter ging, hatte sich karin wieder in die lektüre ihres reiseführers vertieft.

„hört einmal zu: hier steht, dass cheops gar nicht in der pyramide beigesetzt wurde! man hat ihn an einem ganz unbekannten ort vergraben!“

gundel stellte sich dazu und sah ihr neugierig über die schulter :

„das sage ich doch! sie führen uns hier alle an der nase herum!“ bei diesen worten knotete sie ihr weisses tuch noch fester um den kopf. „wir sollten jetzt zu mittag essen, anstatt auf verstorbene oder beurlaubte pharaonen zu warten!“

da aber hatten wir endlich den eingang zur pyramide erreicht und ein ägypter in brauner uniform winkte uns in den dunklen gang und mitten hinein ins totenreich.


VON VERGESSLICHEN BAUMEISTERN

"Das ist mir hier entschieden zu dunkel!“ hörte ich karin.

wir tasteten uns mit den anderen touristen durch einen engen, dunklen gang, der nur von schwachen, flackernden glühbirnen notdürftig beleuchtet war. als wir immer weiter in das innere der pyramide vordrangen, schlug uns heisse, feuchte luft entgegen. der gang führte hinunter in die tiefe und seine wände waren nur roh behauen. ich hörte das keuchen der touristen vor und hinter mir und wollte mir gar nicht vorstellen, welche last sich gerade über meinem kopf türmte. diese pyramide bestand immerhin aus mehr als zwei millionen steinblöcken, von denen jeder mindestens zwei tonnen wog.

„wann nimmt denn dieser schreckliche tunnel einmal ein ende? wohin führt er überhaupt?“ das war gundels stimme. „es hätte wirklich gereicht, wenn wir uns die pyramide von aussen angesehen hätten! gibt es hier einen notausgang? haben die ägypter eigentlich daran gedacht, fluchtwege für touristen anzulegen, als sie die pyramiden bauten!“

„selbstverständlich, sogar feuerlöscher gibt es hier!“ antwortete ich.

„und die rettungswesten findest du oben in der grabkammer“, ergänzte karin. "so steht es in meinem reiseführer!"

„soetwas dummes kann nur in einem buch stehen, das du im sonderangebot für 99 cent ergattert hast!“ rief gundel verächtlich.

„4 euro 99! aber das mit dem sonderangebot stimmt! woher weisst du das?“

„ich kenne dich, du bist geizig! und ich habe zufällig gesehen, dass dein reiseführer von 1990 ist!“

„na, und?“

„überlege doch einmal! kann es nicht sein, dass seitdem noch einige grosse und kleine pyramiden im sand entdeckt wurden? die stehen dann nicht in deinem buch!“

ich verstand nicht, dass meine beiden freundinnen bei der hitze, die in der pyramdie herrschte, noch in der lage waren, eine unterhaltung zu führen. ich ahnte aber, dass sie es taten, um die beklemmung zu vergessen, die uns alle in diesem engen tunnel erfasst hatte.

„aber die cheops-pyramide ist in meinem reiseführer vortrefflich beschrieben!“

„die kann man ja auch mit ihren 147 metern höhe schlecht übersehen!“

gundel musste immer das letzte wort haben.

vor uns lag nun das ende des tunnels. noch einige schritte, und ich konnte mich aus meiner gebückten haltung aufrichten. wir hatten die „grosse galerie“ der pyramide erreicht. sie schnitt sich, - über acht meter hoch -, in das innere der pyramide und führte aufwärts zu der grabkammer des pharao. ihre granitwände waren, im gegensatz zu dem engen tunnel, durch den wir gekommen waren, glatt behauen und bildeten mit dem kraggewölbe in grosser höhe eine mächtige, weite halle. erst jetzt hatten wir die architektur der pyramide wirklich betreten, denn der tunnel, der in die pyramide führte, war erst viel später von grabräubern in den stein getrieben worden.

obwohl die feuchte hitze unerträglich blieb, ging es doch leichter voran. die „grosse galerie“ war auch besser ausgeleuchtet, so dass karin ihren reiseführer auspackte, um auf dem weg hinauf nachzulesen, was sie gerade sah.

„wir sind jetzt in der „galerie“ der pyramide! aber glaubt bitte nicht, sie hätten sie so gross gebaut, um den sarkophag bequem hinauf tragen zu können! ihr müsst nämlich wissen, dass der sarkophag nicht hinterher, sondern schon während sie hier bauten, aufgestellt wurde. sie haben - sozusagen - die pyramide um ihn herum gebaut“.

„aha!“ antwortete gundel, die wieder ihre eintrittskarte als fächer benutzte.


„wie weitsichtig! ich glaube aber, dass sie den sarkophag in der wüste vergessen haben!“

„warum denn das?“

„ganz einfach! was hast du draussen gesehen? eine oder drei pyramiden?“

„natürlich drei! cheops, in der wir jetzt sind, chephren und mykerinos ...“

„das sagt dir vielleicht dein komischer reiseführer für 4 euro 99 cent! aber stimmt das auch?“

ich wusste nicht, auf was gundel hinaus wollte, ich hörte aber auch nicht genau hin, denn jetzt hatten wir den schmalen, niedrigen gang erreicht, der von der galerie in die grabkammer führte.

„das sagt nicht nur mein buch, sondern jeder, die sich mit den pyramiden auskennt!“ karin blätterte nervös in ihrem reiseführer.

gundel dachte kurz nach, dann sagte sie:

„nun, ich werde es dir erklären! die ägypter hatten vor 5000 jahren beschlossen, ihrem pharao ein grabmal zu errichten. also holte man von überall steine heran und schichtete sie aufeinander.“

„aber das wissen wir doch längst!“ rief karin empört.

„moment! als die ägypter die pyramide fertig gestellt hatten, bemerkten sie, dass sie den sarkophag vergessen hatten. der stand immer noch in der wüste herum und passte natürlich nicht mehr in den eingang!“

„und dann?“ fragte karin neugierig.

„... bauten sie eine zweite pyramide! denn irgendwo musste der sarkophag ja hin, oder?“

„das leuchtet ein!“ lächelte karin.

„als sie aber die zweite pyramide gebaut hatten, schlug sich der baumeister erst die hand vor die stirn und wurde dann vom pharao gevierteilt.“

„der arme! warum denn das?“

„weil er wieder den sarkophag vergessen hatte!“

„und dann?“

„ ... mussten sie eben noch eine dritte pyramide bauen!“

„und vergassen noch einmal den sarkophag?“

„nein, dieses mal nicht! aber es war ihnen beim bau der vielen pyramiden fast das geld ausgegangen, deshalb ist die dritte pyramide auch ein wenig kleiner geraten als die anderen! um aber die peinliche angelegenheit zu vertuschen, taten sie so, als hätten sie die pyramiden für drei verschiedene sarkophage samt dem dazu gehörenden pharao gebaut!“

dank gundels grossem wissen über das antike ägypten gab es jetzt also zu den tausend theorien über die pyramiden von gizeh noch eine neue. glauben musste ich sie nicht, zumal das, was ich gerade sah, gundels komischer theorie von den vergesslichen baumeistern ganz einfach widersprach:

in der mitte des dämmrigen raums mit viereckigem grundriss stand der offene sarkophag aus granit. seinen deckel entdeckte ich aber nirgends.

immer mehr touristen schoben sich in die kammer, deren wände glattgeschliffen und ohne jeden schmuck waren. auch gundel und karin standen nun neben mir und betrachteten den groben quader aus granit, in dessen mitte eine menschengrosse wanne herausgemeisselt war.

karin stiess gundel an: „da steht doch der sarkophag! sie haben ihn also keineswegs draussen vergessen!“

„du hast recht!“ antwortete gundel betont kleinlaut und verkniff sich ein lächeln. „dann wird es wohl so gewesen sein, dass immer gerade dann kein verstorbener pharao zur hand war, wenn sie wieder eine pyramide mit einem sarkophag in der mitte fertig gebaut hatten.“

„jetzt reicht es mir mit deinen spekulationen! ich halte mich lieber an meinen reiseführer. dort steht, dass dies die grabkammer des cheops ist! hier sollte er seine letzte ruhe finden!“

„und hat er?“ fragte gundel spitz zurück.

„das weiss ich nicht, der sarkophag ist ja leider leer!“

„das sage ich doch: es fehlte ihnen eben manchmal ein toter pharao, wenn sie wieder einmal eine schöne pyramide in die wüste gestellt hatten!“

meinen freundinnen war offensichtlich die hitze zu kopf gestiegen. aber auch ich litt unter der verbrauchten luft und war auch sehr beunruhigt, denn ich dachte daran, wie klein und verloren wir doch inmitten dieses stein-kolosses waren.

wenn sich nun irgendwo die granitplatten lösen und den weg versperren?
wenn dieser ganze haufen aus steinen ins rutschen kommt?

ich hatte nun alles gesehen und wollte auf dem schnellsten weg zurück ans tageslicht!

vor dem eingang zur pyramide traf ich gundel und karin wieder. sie wurden von zwei ägyptern bedrängt, die ein kamel hinter sich her zogen. meine freundinnen sollten auf diesem tier in die wüste reiten, weil ein dritter ägypter, dem ein fotoapparat um den hals hing, von ihnen ein bild machen wollte.

"so ein ritt auf einem kamel ist viel zu teuer!“ schüttelte gundel den kopf.

„ach, was! er will uns doch nur fotografieren! auf einem kamel in der wüste und vor den pyramiden! er verkauft uns doch nichts!“ rief karin. "also tun wir ihm doch den gefallen! er braucht sicher ein nettes urlaubsbild, damit er seiner familie später zeigen kann, dass er in ägypten war!“

aber gundel wollte nicht aufs kamel und erlaubte auch dem fotografen nicht, ein bild von ihr zu machen. „dafür bin ich nicht richtig angezogen!“

jetzt hielt ein bus neben uns. als alle touristen ausgestiegen waren, versammelten sie sich in einem halbkreis um ihren reiseleiter. der zeigte mit dem finger über die schulter und erklärte mit ernstem gesicht:

„was sie hinter mir sehen, das sind die pyramiden!“


MAMELUKKEN UND MARMELADE

mir hatte der ausflug ins totenreich eigentlich gereicht. ich war auch ein wenig enttäuscht, in der riesigen cheops-pyramide keinen pharao angetroffen zu haben. ich dachte an einen besuch in london. da hatte ich mir das wachsfiguren-kabinett der madame tussaud angesehen, in dem so viele berühmte menschen herum standen - nicht alle tot, aber immer in wachs.“

„könnt ihr mir sagen, ob madame tussaud einen wächsernen pharao im programm hat? ich kann mich gar nicht entsinnen!“

karin liess ihren reiseführer sinken und sah mich verwirrt an. „wie kommst du gerade hier in kairo auf das wachsfiguren-kabinett in london?“

„ganz einfach! wenn madame tussaud so einen pharao hat, kann sie ihn doch nach ägypten ausleihen! dann müssten sie ihn in der cheopspyramide nur noch in die steinerne wanne legen und dann ...“

„... sehen alle touristen cheops beim baden zu!“ fiel mir karin ins wort und schüttelte den kopf.

„diese idee ist absurd!“ meldete sich gundel zu wort und ich schämte mich schon, die frage überhaupt gestellt zu haben. daher bemühte ich mich redlich, ein lachen zu unterdrücken und fragte zurück:

„warum denn? mit so einem pharao würde das ganze hier doch gleich viel lebendiger aussehen!“

„ach, was!“ grinste gundel. „lege du einmal bei diesen temperaturen eine wachsfigur in den sarkopharg da oben! die ist doch nach wenigen minuten geschmolzen!“

"ja, ja!", meldete sich jetzt wieder karin. „dann brauchen sie nur noch einen docht in die wanne zu stecken und schon haben sie eine ewig brennende kerze !“

„welch´ gute idee bei der schlechten beleuchtung in der pyramide!“ kicherte gundel.

ich schlug den weg zum ausgang der nekropole ein. ich sehnte mich nach einem schattigen platz und einem grossen mineralwasser. meine neugier an toten und verschwundenen pharaonen war erst einmal gestillt und ich wollte mich nun wieder dem leben und seinen kleinen freuden zuwenden.

„wo willst du hin? hier geht es zur sphinx!“

gundel zeigte in die entgegengesetzte richtung, wo hinter einer sanddüne der verwitterte kopf eines löwen hervorschaute.

„ach, gundel! seht euch diesen steinhaufen bitte allein an. ich warte dann im hotel auf euch!“

„zum sphinx!“, sagte karin sehr bestimmt und las weiter in ihrem buch.

„willst du mir etwa vorschreiben, wohin ich zu gehen habe?“ fragte ich gereizt zurück.

„du kannst tun, was du möchtest“, lächelte karin und sah von ihrem buch auf. „aber es heisst nun einmal: der sphinx! so steht es in meinem reiseführer!“

„nun stecke doch einmal dein lächerliches sonderangebot weg!“ mischte sich gundel ein. „ich habe im unterricht gelernt, dass es „die sphinx“ heisst. und deshalb gehen wir jetzt alle dahin.“

„in welchem unterricht warst du denn?“ gundel strich die seiten des buches glatt und klappte es hörbar zusammen.

„was weiss denn ich! griechische mythologie! ist eben schon sehr lange her!“

„du willst also sagen, dass es die griechen waren, die ihre sphinx hierher in den wüstensand setzten?“

„karin! sprich nicht in diesem ton mit mir! deine besserwisserei interessiert mich nicht. jemandem, der sein wissen aus einem buch nimmt, das er auf einem wühltisch für 99 cent gekauft hat, glaube ich einfach nicht.“

wir mussten jetzt wirklich bald in den schatten! die sonne stand fast im zenith und brannte auf unsere köpfe. bei meinen freundinnen hatte sie offensichtlich schon einigen schaden angerichtet, denn karin suchte jetzt ihren reiseführer hervor und wedelte damit vor gundels gesicht herum.

„meinst du dieses buch, das übrigens 4 euro 99 gekostet hat? weisst du, von wem es ist? nein? dann will ich es dir sagen. geschrieben hat es mustafa harid!“

„und wer bitte ist mustafa harid?“

„das weiss ich auch nicht!“

wir standen vor dem sphinx von gizeh und ich erzählte meinen freundinnen, dass er einst zum totentempel des chephren gehört hatte. die totentempel standen nicht weit von den pyramiden entfernt und die priester des amun verrichteten dort den totendienst, sorgten mit nahrung, kleidung und getränken für den verstorbenen und begleiteten ihn mit gebeten und anrufungen in ein besseres, schöneres leben. was konnten sie dafür, dass ihr pharao nie etwas essen und trinken wollte! schliesslich setzten sie sich an den gedeckten tisch, priesen ihren pharao noch einmal - und assen alles selber auf.

als ich bei meinem vortrag einen trockenen mund bekam und mich schon wieder nach einem schattigen platz und einer grossen flasche mineralwasser sehnte, sagte gundel:

„jetzt verstehe ich, warum du ins hotel gehen wolltest, anstatt mit uns die ...ich meine, den sphinx anzusehen!“

ich sah sie fragend an.

„du hast natürlich gewusst, dass dem sphinx vor kurzem die nase abgefallen ist! wir kommen eben zu spät! ich meine, wenn man sich die venus von milo anschaut, weiss man gott sei dank schon vorher, dass ihr ein arm fehlt! aber das hier ...,“ sie zeigte auf den sphinx und schüttelte den kopf. "„... hat uns keiner gesagt!“ und dann fügte sie energisch hinzu: "warum haben sie uns nicht informiert, dass diese schöne skulptur gerade dabei ist, sich in ihre bestandteile aufzulösen? was ist in ägypten eigentlich los? wir reisen den weiten weg bis kairo - und was erwartet uns? zerbröselte denkmäler und verschwundene pharaonen!“

„mamelukken!“, murmelte karin.

„richtig! auch die habe ich hier noch nicht gesehen! mit denen wird eben nur im reiseprospekt geworben! und wenn man da ist, sind sie alle weg!“

gundel hatte jetzt einen ganz roten kopf.

„aber mamelukken gibt es doch schon lange nicht mehr in ägypten!“ beschwichtigte karin. „sie waren die von den türken eingesetzte und von den ägyptern verhasste oberschicht. die mamelukken herrschten im land und machten, was sie wollten! mit ihrer macht war es erst zu ende, als napoleon ins land kam!“

„hast du das auch bei mustafa harid gelesen?“ stöhnte gundel und setzte sich auf einen stein.

„ja! das und viel mehr!“ gab karin schnippisch zurück.

„na, gut!“, stöhnte gundel. „ich brauche die mamelukken auch nicht. aber irgendwer sollte sich in diesem land schon einmal bequemen, da zu sein, wenn wir hierher kommen.“

„aber die pyramiden sind doch da, der sphinx auch! und morgen gehen wir in das ägyptische museum!“ rief karin.

„und was gibt es da zu sehen?“ fragte gundel tonlos.

„mumien! viele mumien!“

„also da sind die mamelukken alle hingekommen!“, seufzte gundel.

dann aber richtete sie sich plötzlich auf, strich energisch über ihren rock, zuckte zweimal ganz seltsam mit ihrer rechten schulter und erklärte:

„aber die nase hätten die mamelukken dem sphinx nun wirklich nicht wegschiessen müssen.“

unter den palmen des hotelgartens genossen wir den kühlen schatten und eine eisige limonade. als karin ihren reiseführer aus der tasche nahm, sagte gundel:

„gib ihn einmal her! ich glaube, mustafa harid ist doch nicht so ganz dumm!“


geschrieben (open end) 2003


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.10.2008

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