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Der Junge braucht ne Brille

 

Ich war inzwischen in der 2. Klasse.

Dass mit mir etwas nicht stimmt, nicht so war, wie bei anderen Kindern, ahnte ich bereits.

Während alle anderen vorlesen konnten, was der Lehrer an die Tafel schrieb, sogar aus der hintersten Reihe, kam mir schon etwas seltsam vor. Ich kannte zwar die Buchstaben und konnte sie auch lesen, wenn sie vor mir in einem Buch waren, Doch in der Entfernung zur Tafel, hatte ich meine Schwierigkeiten, diese zu unterscheiden. Besonderes wenn der Lehrer sie ziemlich eng aneinander schrieb.

Wenn ich die Augen zusammenkniff und mich konzentrierte, Einige Buchstaben einfach erriet, die sinnvoll in das Wort passen konnten, ging es einigermaßen. Aber ein flüssiges Lesen war so nicht möglich.

Mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Auch die Worte in den Büchern schienen ineinander über zu gehen. Beim lesen musst ich immer näher ran. Wenn ich etwas schrieb, lag ich quasi mit dem Kopf auf der Tischplatte.

Das entging natürlich weder meinem Lehrer, noch meinen Eltern.

Es war an einem Elternabend, als der Satz gefallen sein muss: „Der Junge braucht ne Brille!“

Von da an änderte sich mein Leben.

Nun war es damals noch nicht so verbreitet, dass Kinder Brillen trugen.

Dementsprechend war natürlich meine Reaktion. Ich bin jetzt offiziell behindert, oder was?

Heute kaum noch vorstellbar, dass man damals tatsächlich dafür gehänselt wurde ( Das Wort Mobbing gab es damals noch nicht), weil man eine Sehhilfe brauchte.

Eine Zeitlang musste ich sogar eine Augenklappe tragen, weil mein linkes Auge wesentlich schlechter war, als mein rechtes. Aber nicht etwa so eine coole Augenklappe, wie bei den Piraten, nein, das war so ein Ding, das irgendwie an das Brillenglas geklebt war. In Braun. Damit man auch wirklich aussieht, wie ein Depp.

Naja. Einen Vorteil sollte meine asymmetrische Sehschwäche, die mir trotz Augenklappe damals bis heute geblieben ist noch haben. Ich wurde deswegen beim Bund ausgemustert

Impressum

Texte: Roland Schilling
Bildmaterialien: Roland Schilling
Cover: Roland Schilling
Tag der Veröffentlichung: 12.01.2020

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