Viel ist nicht geblieben vom Fasching in unserer kleinen Stadt. Der Rosenmontag, ein ganz normaler Arbeitstag und am Faschingsdienstag sind ab Mittag die Geschäfte in der Innenstadt geschlossen. Dann ist die Stadt wie ausgestorben.
Wie so eine Geisterstadt, in den alten Westernfilmen, wobei wir beim Thema wären.
Am Rosenmontag saßen wir immer wie gebannt vor dem Fernseher und sahen die Rosenmontags Züge aus dem Rheinland. Im Gegensatz zu den üblichen Fernseh- Gewohnheiten ein wahrer Fernseh- Marathon.
Am Faschingsdienstag dann war wieder Zeit für eigene Abenteuer.
An einem Fasching im Februar kann ich mich noch erinnern, als wir Cowboys und Indianer waren. Inspiriert durch einige Western im Fernsehen.
Das heißt, ich war ein Indianer Häuptling und mein Bruder Sheriff.
Der vordere Teil der Gasse, war unser Revier, während der hintere Teil, da wo die Gasse um die Ecke ging das Revier der wilden Rothäute und abtrünnigen Gauner war (unsere Nachbarskinder, aus einer Familie, die verdammt viele Kinder hatte).
Meine Oma bestand darauf, dass ich eine Mütze aufsetzen sollte. „Indianer brauchen keine Mützen“, sagte ich. „Aber du wirst dich erkälten“, gab meine Oma zu bedenken. „Indianer fürchten weder Tod, Teufel noch Schnupfen“, entgegnete ich. Und auch mein Bruder weigerte sich standhaft unter seinem Sheriff Hut eine Mütze zu tragen. Wir konnten den Gaunern und Banditen doch nicht wie die Deppen gegenüber treten. Die hätten sich doch totgelacht.
O.K. So hätten wir auch gesiegt, aber das wäre doch ein ziemlich unehrenhafter Sieg gewesen.
Wir waren Cowboys und Indianer. Helden der Prärie, die sich für die gute Sache einsetzten und das Böse besiegten.
Ich mit Federschmuck auf dem Kopf und brauner Fransen Jacke und – Hose und mein Bruder im Sheriff Kostüm sattelten unsere Mustangs (In unserer Fantasie) und begaben uns in die unendliche Weite der Prärie.
Dort angekommen hat es mich schon verdammt arg in den Ohren gefroren. Vielleicht hätte ich mich vorher erkundigen sollen, was Indianer im Winter tragen.
Aber wir hatten ja eine Mission. Die wilden Rothäute und abtrünnigen Banditen zur Strecke bringen.
Die Gasse war menschenleer. Nur vorne an der Straße tummelten sich Clowns, Tanzmariechen und andere zwielichtige Gestalten. Aber das sollte uns nicht interessieren. Unser Ziel war der hintere Teil der Gasse, auf den wir uns auf leisen Sohlen anschlichen.
An der Ecke angekommen flüsterte mein Bruder mir zu: „Du schaust um die Ecke, ob da jemand ist und ich geb dir Feuerschutz!“ „Wie, Feuerschutz?“, fragte ich. „Du gehst jetzt da rum und wenn jemand kommt, knall ich ihn ab“, erklärte er.
Mir war gar nicht wohl dabei, obwohl wir natürlich nur Waffen mit Zündplättchen hatten. Aber ich glaube, wenn man sich so in ein Spiel vertieft, spielt das keine Rolle.
Ich schlich mich als um die Ecke und da war tatsächlich einer. Der anscheinend Wache schob. Er sah mich aber nicht. Ich also in den nächsten Hauseingang um mich zu verstecken. Der Typ schlenderte an mir vorbei in Richtung Gassenecke. Er hatte mich noch immer nicht bemerkt. Mein Herz schlug bis in die Spitzen meines Federschmuckes.
An der Ecke wartete mein Bruder, ich musste also handeln und sprang aus meiner Deckung. „Halt!“ schrie ich, während ich meinen Revolver auf ihn richtete. Er drehte sich verdutzt um, richtete seinerseits seine Flinte auf mich, aber ich war schneller, drückte den Abzug meiner Waffe und ...Päng... mein Feind fiel ziemlich theatralisch zu Boden. Es war ein ungeschriebenes Gesetz zwischen uns Kindern. Wenn du das Päng hörst, bevor du selber reagieren kannst, bist du getroffen und tot.
Der Schuss alarmierte jedenfalls die anderen Wilden und Ganoven, die aus ihren Verstecken kamen und es entwickelte sich eine wilde Schießerei.
Die Luft war erfüllt von Zündplättchenqualm und die Mauern der Altstadthäuser warfen das Echo des Kindergeschreis zurück.
Es war eine lange, gnadenlose Schlacht. Aber am Ende hatten wir alle überlebt, auch die, die gefallen waren.
Am Ende saßen wir alle zusammen und ließen den Tag Revue passieren.
Es war irgendwie nicht wichtig, wer nun gewonnen hatte und wer nicht.
Und während wir alle über unsere Heldentaten plauderten riefen irgendwann unsere Mütter zum Abendessen.
Und am Aschermittwoch war dann eh alles vorbei.
Texte: Roland Schilling
Bildmaterialien: Roland Schilling
Cover: Roland Schilling
Tag der Veröffentlichung: 06.02.2018
Alle Rechte vorbehalten