Als ich in die zweite Klasse der Grundschule kam, bekam ich meinen ersten Bücherei Ausweis.
Die Fassade der öffentlichen Bücherei erinnerte etwas an eine Burg. Ehrfürchtig betrat ich zum ersten mal die heiligen Hallen der Literatur.
Die nette Empfangsdame überreichte mir ein kleines graues Heftchen, in dem zukünftig alles vermerkt werden würde, was ich wann, wie lang aus geliehen hätte.
So manche Bücherstapel hab ich da im Laufe der Zeit rein und raus geschleppt, doch ein Buch, das erste, das ich ausgeliehen hatte, hatte es mir besonders an getan. „Roter Roller Klingeling“.
Es ging dabei um einen Roller, der Zauberkräfte besaß und allerlei Abenteuer erlebte.
Ich wollte unbedingt auch so einen Roller.
Was war die Freude groß, als ich eines Tages genau so einen Roller in einem Kaufhaus, sah. Ein Feuerwehr roter Roller mit weißen Reifen. Meine Eltern meinten allerdings, dass der viel zu teuer war. Außerdem hatte ich ja schon diesen kleinen Holzroller. Aber mit diesen winzigen Rädern, die der hatte konnte man kaum auf dem Kopfstein Pflaster fahren, mit dem die meisten Gassen damals noch gepflastert waren. Und bei uns im Hof, über den Rasen und durch die Beete zu brettern konnte man auch vergessen.
Und so ging ich, so oft ich Zeit dazu hatte in das Kaufhaus und sah mir ´meinen´ Roller an. Was könnte ich alles mit ihm erleben.
Als ich eines Tages wieder mal in diese Zweirad Abteilung ging, war er weg. Einfach nicht mehr da, verkauft. Mein Traum war zerplatzt. Ich war den Tränen nahe. Die ganzen nächsten Monate kam auch kein roter Roller mit weißen Reifen mehr rein.
Die Weihnachtszeit nahte und ich schrieb meinen Wunschzettel ans Christkind. Mein einziger Wunsch war natürlich der rote Roller mit weißen Reifen. Dafür wollte ich auch auf alle anderen Geschenke verzichten, meinetwegen für die nächsten Jahre.
Der heilige Abend war da und wir Kinder mussten in die Küche, während die Eltern das Wohnzimmer für das Christkind herrichteten, wie sie es damals nannten.
Um uns die Wartezeit zu verkürzen, erzählten wir uns gegenseitig Geschichten und auch, was wir uns so gewünscht hatten. Die Hoffnung auf den roten Roller hatte ich schon fast aufgegeben.
Plötzlich klingelte das Glöckchen. Aber etwas war anders, als die Jahre zuvor. Es hörte sich anders an. Fast wie eine... Fahrrad Klingel?... oder die von einem... konnte das sein?.... Roller?
Ich stürmte als Erster ins Wohnzimmer, das nur von dem festlich geschmückten Baum beleuchtet war. Und da stand er im Schein der Wunderkerzen und der elektrischen Lichterkette.
Ein Feuerwehr roter Roller mit schneeweißen Reifen.
Blöd war nur, dass es ein sehr langer, schneereicher Winter war und ich auf meine Abenteuer mit meinem neuen Roller noch einige Zeit warten musste.
Wie meine Eltern den Roller unbemerkt in den ersten Stock brachten und wo sie ihn bis zum Fest versteckt hatten, weiß ich bis heute nicht. Und sie haben es mir auch nie verraten.
Vielleicht hat ihn doch das Christkind gebracht?
Texte: Roland Schilling
Bildmaterialien: Roland Schilling
Cover: Roland Schilling
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2017
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