Es war einen Tag vor Heiligabend. Ein Samstag. Meine Frau und ich schmückten den Tannenbaum, während unsere 16 jährige Tochter irgendwo abhing oder rumchilte, oder wie immer man das nennen mag. Es ist nicht mehr so harmonisch an Weihnachten, wie es früher war, aber es ist nun mal Tradition. Wir müssen uns eben damit abfinden, dass unsere Tochter langsam erwachsen wird.
Als wir also dabei waren, den Baum festlich zu schmücken, kam plötzlich Lena, unsere Tochter, ins Zimmer gestürmt. „ Papa, im Garten ist was.“ Rief sie aufgeregt. Na, was sollte denn das nun wieder sein. Ich ging also mit ihr in den Garten, als ich auch schon ein klägliches Miauen hörte.
Dann entdeckte ich das kleine Kätzchen unter der Hecke und holte es hervor.
Es hatte schwarzweißes Fell und war ganz verängstigt. Lena verliebte sich gleich in das kleine Fellbündel. „ Die sieht ja aus, wie ein Bankräuber.“ Bemerkte sie. Jetzt, wo sie es sagte, viel es mir auch auf. Wegen seiner schwarzweißen Fellzeichnug sah es aus, als hätte es eine Maske auf, wie man sie aus alten Gangsterfilmen kennt.
Wir nahmen das Kätzchen erst einmal mit ins Haus und gaben ihm ein Schälchen Wasser. „ Es hat bestimmt Hunger,“ stellte Lena fest. Wir hatten noch nie eine Katze und ich wusste nicht, womit wir sie füttern sollten außer vielleicht mit Mäusen, doch die hatten wir auch nicht. Meine Frau und meine Tochter sahen mich erwartungsvoll an. Ich ahnte, was jetzt gleich kommen würde. „ Oh, nein!“ Sagte ich. „ Ich fahr jetzt nicht noch in den Supermarkt und hole Katzenfutter.“ Bitte, sagten die Blicke der Beiden. Da fiel mir der Bioladen um die Ecke ein. So viel ich wusste, führte der auch Tiernahrung.
Ich machte mich also auf den Weg, um ein Festmahl für unseren unerwarteten Gast zu besorgen.
Im Laden befanden sich zwei Personen. Ein ältere, feine Dame mit einem Pelzmantel und einer Perserkatze auf dem Arm, die gerade ein Paar Babybananen begutachtete und die Verkäuferin.
Ich ging also zur Verkäuferin und fragte, ob sie Katzenfutter hätte. Sie musterte mich von oben bis unten und sagte. „ Wir führen nur Gourmettiernahrung.“ „ Also gut,“ stimmte ich zu, „ dann eben Goumetkatzenfutter.“ Das sollte scherzhaft gemeint sein, doch sie verfügte anscheinend nicht über viel Humor. Denn jetz sah sie mich noch etwas abfälliger an. Sie holte ein paar bunte Dosen, Becherchen und Schächtelchen aus dem Regal und stellte sie vor mir auf den Tresen. Dann begann sie mir zu erklären, was die Katze von Welt heutzutage so zu sich nahm. Ich deutete auf eine bunte. Dose, auf der eine schwarzweiße Katze abgebildet war und fragte, was die kostet.
„ Fünf Euro.“ War ihre knappe Antwort. „ Puh,“ rief ich überrascht, „ das ist ja mehr, als unser Abendessen kostet. Da kommt mir das Durchfüttern der Katze ja teurer als unsere Stromrechnung.“
Noch ein Scherz, der den Weg zum Humorzentrum im Gehirn meines Gegenübers nicht fand.
Jetzt wurde auch der Pelzmantel auf uns aufmerksam. „ Mein Herr. Ich will mich ja nicht einmischen,“ mischte sie sich ein, „ aber eine Katze ist ein ganz besonderes Wesen. Sie könnnen überall sparen, doch nicht an der Nahrung für ihre Katze.“ Ich stellte mir vor, wie unser Kätzchen, mit Messer und Gabel bewaffnet und einem Lätzchen umgebunden, vor einem silbernen Teller mit Goumettiernahrung saß. Ich schüttelte den Gedanken ab und kaufte schließlcih ein paar dieser Dosen.
Als ich mit meiner, mit Gourmetdosen gefüllten, Recyclingpapiertasche nach Hause kam, empfing mich meine Frau bereits im Flur. „ Sie hat sich schon etwas zum knappern gesucht,“ flötete sie.
Das Kätzchen saß einen Schritt hinter ihr, hielt sein Köpfchen etwas schief und sah mich mit unschuldigen Augen an, während meine Frau meine total zerfetzten Lieblingspantoffeln hinter ihrem Rücken hervorholte. Ich atmete tief durch. „ Das Vieh schläft heute Nacht im Geräte schuppen.“ Entschied ich, als Herr im Haus. Der Geräte schuppen ist ein kleines Häuschen aus Blech, in dem wir unsere Gartengeräte aufbewahren. Doch da hatte ich die Rechnung ohne die geballte Frauenpower in unserm Haus gemacht. Meine Frau und meine Tochter protestierten im Duett. Die ist doch so süß, kann doch nichts dafür, die arme Kleine.
Was soll ich sagen, ich ließ mich umstimmen, die Katze blieb wo sie war.
Ich holte vom Dachboden den Hamsterkäfig, oder besser gesagt, die Wanne des Käfigs. Wir hatten nämlich bis vor kurzem einen Hamster, der leider vor ein paar Monaten von uns gegangen ist und nun seinen ewigen Frieden im Garten unter dem Flieder gefunden hat. Alles was blieb, sind Erinnerungen, eine Packung Kleintierstreu und besagter Hansterkäfig. Ich holte also die Wanne des Käfigs, befüllte sie mit dem Kleintierstreu und stellte sie in den Flur. Die Katze begutachtete ihre Übernachtungsmöglichkeit und schnüffelte hier und schnüffelte dort. „ Krieg ich nichts besseres?“, schien ihr Blick zu sagen. „ Entweder das, oder Geräteschuppen !“ Antwortete mein Blick.
Die Katze entschied sich für Hotel Wanne mit Kleintierstreu.
Am nächsten Morgen schlurfte ich, wie immer, vom Schlafzimmer durchs Wohnzimmer ins Bad.
Mir war nicht bewusst, dass Katzen nachtaktive Tier sind. Das heißt, wenn normale Menschen schlafen, wird ihnen so richtig langweilig und sie stellen die verrücktesten Dinge an.
Ich schlurfe also, wie gewohnt durchs Wohnzimmer und sehe nicht das von der heimtückischen Katze hervor gezerrte Kabel der Weihnachtsbaumbeleuchtung. Ich verfange mich in der kunstvoll gelegten Schlaufe und knalle in gestreckter Länge auf den Wohnzimmerteppich. Das Kätzchen saß eine Armlänge vor mir, hielt sein Köpfchen etwas schief und schaute mich mit unschuldigen Augen an. Abwartend, was jetzt passieren würde. „ Komm her, du Mistvieh!“ Brüllte ich. „ Ich bring dich um.“ Es hallte durch`s ganze Haus. Wahrscheinlich haben es sogar die Nachbarn gehört und das am Morgen des heiligen Abends. Aber, da war schon meine Tochter zur Stelle und nahm das arme, verängstigte Kätzchen in den Arm. „ Du darfst ihr nichts tun!“ Sagte sie. Natürlich hätte ich der Katze nie etwas angetan. Aber, wenn man, halb verschlafen durch das Wohnzimmer schlurft und plötzlich kommt einem in rasantem Tempo der Wohnzimmerteppich entgegen, dann kann einem so ein Spruch schon einmal über die Lippen huschen.
Trotzdem, dass mir das Kätzchen noch so manchen Streich gespielt hatte, war es ein schönes Weihnachten. Es lief zwar nicht so wie geplant, doch war es diesmal vielleicht gerade wegen dem Chaos, das das Kätzchen verursachte, etwas ganz besonders. Das schönste war, dass meine Tochter nicht, wie geplant, in die Weihnachtsdisco ging, sondern das Fest mit uns feierte.
Am nächsten Morgen war das Kätzchen verschwunden. Wahrscheinlich ist es entwischt, als ich den Müll raus brachte. Wir suchten es überall, doch es blieb verschwunden. Meine Tochter war sehr traurig darüber. „ Wahrscheinlich hat sie sich erinnert, wo sie wohnt.“ Versuchte ich sie zu beruhigen. „ Dort gibt es bestimmt Kinder, die sie ganz schrecklich vermisst haben.“ Lena kam darüber hinweg, dass wir die Katze nie mehr wieder sahen. Doch seitdem verbringen wir die wenige Freizeit, die wir zusammen haben, viel intensiver als Familie miteinander.
Ein Jahr später, es war wieder kurz vor Weihnachten, viel mir sofort eine Anzeige in der Zeitung auf: „ Kleines, schwarzweißes, Kätzchen zugelaufen.. Bitte unter folgender Telefonnummer melden!“ Es war sogar ein Bild dabei, von unserem Weihnachtskätzchen.
Texte: Roland Schilling
Bildmaterialien: Roland Schilling
Cover: Roland Schilling
Tag der Veröffentlichung: 05.12.2011
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