Willst Du die Feen singen hören? Ich weiß, wo wir welche finden können. Kennst Du den Wald, gleich vor den Toren der Stadt? Den mit dem geheimnisvollem Felsenlabyrinth? Man sagt,es sei eine vor Jahrtausenden eingestürzte Tropfsteinhöhle. Aber ich weiß es besser. Es war einmal eine Burg. Eine Burg der Feen und Elfen. Woher ich das weiß, fragst Du? Aus uralten Sagen. Sie sind älter, als das gedruckte Wort. Sie wurden von Generation zu Generation weitererzählt. Und in einer mondhellen Nacht, so wie heute, in der Mittsommernacht, so wie heute, kann man sie sehen. Und hören. Wer ihren Gesang hört, so sagt man, wird nie mehr unglücklich sein. Also? Kommst Du mit? Du brauchst auch gar nicht viel dazu. Nur etwas Mut. Nein, die Taschenlampe kannst Du hier lassen. Wir wollen sie ja nicht stören. Nur beobachten und ihren Gesängen lauschen. Nur noch dieses Tor und wir verlassen die Stadt. Jetzt müssen wir nur dem Bachlauf folgen. Immer bachaufwärts. Er führt uns direkt in den Wald. An seiner Quelle warst Du doch schon mal. Weißt Du noch, Damals als wir das Picknick machten. Natürlich war es da heller. Es war ja auch Tag. Aber die Augen gewöhnen sich schnell an die Dunkelheit. Merkst Du es schon? Der Mond scheint hell genug. Wir müssen halt nur ein bisschen aufpassen, wo wir hintreten. Siehst Du, jetzt sind wir schon im Wald. Warte, still. Hörst Du es da vorne rascheln? Siehst Du das kleine Männchen mit dem Hut aus Rinde? Das ist ein Gnom. Manche sagen auch Zwerg dazu. Er hilft den kranken und verletzten Tieren und sorgt für Ordnung hier im Wald. Da staunst Du, was? Ich hatte also doch Recht. Es gibt sie, die Fabelwesen aus den Sagen. Siehst Du, wie fleißig er Kräuter sammelt? Ach! Jetzt ist er verschwunden. Schade. Aber komm wir müssen weiter. Nein. Das „ HuHu“ kommt nicht von einem Geist. Das ist eine Eule. Sie macht sich bereit, für ihre nächtliche Jagd. Aber hast Du da vorne das Plätschern im Bach bemerkt? Lass uns mal nach schauen. Schau nur. Eine Wassernixe. Sie sorgt dafür, dass es den Fischen und Pflanzen im Bach gut geht. Jetzt schwimmt sie bachaufwärts. Sie hat den gleichen Weg wie wir. Horch, da vorne raschelt es schon wieder. Achtung! In Deckung! Da streift ein Kobold durchs Unterholz. Diesen missmutigen kleinen Fellkneulen solltest Du lieber aus dem Weg gehen. Denn sie sind hinterhältig und böse. Doch auch das Böse muss es geben, sonst wüssten wir das Gute ja nicht zu schätzten. Wenn wir uns ganz still verhalten, sind wir wie ein Teil des Waldes. Hast Du bemerkt, dass die Tiere gar keine Angst vor uns haben? Mir ist eben sogar ein Eichhörnchen über die Füße gekrappelt. Ist das nicht toll? Am Tag kannst Du so etwas nicht erleben. Da vorne sehe ich schon die ersten Felsen. Etwas müssen wir jetzt klettern, bis wir zu der Lichtung kommen. Komm, ich helfe dir. Geschafft. Wir verstecken uns hinter dem Felsen dort. Von da müssten wir einen guten Blick haben. Bald. Bald werden sie kommen. Nur etwas Geduld noch. Siehst Du, da kommt schon die erste angeflogen. Siehst Du ihr herrliches, glitzerndes, blaues Gewand ? Und da hinten kommt schon die nächste. In strahlendem Grün. Pass auf, zieh den Kopf ein und lass die leuchtend rote Fee über uns hinweg fliegen. Ist das nicht herrlich? Immer mehr Feen kommen auf die Lichtung und fangen an, ihren Reigen zu tanzen. In allen Farben des Regenbogens, in allen Farbschattierungen, leuchten, strahlen und glitzern sie. Hör nur. Jetzt stimmen sie ihren Gesang an. Wie eine Harfe, mit hauchzarten Saiten. Wie Glöckchen aus feinstem Glas. Kannst Du sie hören? Kannst du sie sehen? Kannst Du dir vorstellen, wie die Feen in allen Farben des Regenbogens auf der vom Mondlicht gefluteten Lichtung ihren Reigen tanzen? Kannst Du dir vorstellen, wie sie ihren bezaubernden Gesang anstimmen? Kannst Du das ? Wirklich?
Dann herzlichen Glückwunsch. Dann hast du genug Fantasie, um gedruckte Worte in deinem Kopf in Bilder und Töne umzuwandeln. Und wann immer Du mal traurig bist, schließe die Augen,und stelle Dir die Waldlichtung vor. Und stelle dir vor wie die Feen singen. Du wirst sehen, bald geht`s Dir wieder besser.
Wirklich.
Ende
Tag der Veröffentlichung: 06.10.2011
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