Ich erwachte, starrte in die Dunkelheit und spürte, wie mein Herz heftig gegen meine Brust hämmerte und unergründliche Angst mir die Kehle zuzuschnüren drohte.
Es musste noch mitten in der Nacht sein und irgendwas war anders. Konzentriert starrte ich an die Zimmerdecke. Ja, da war es wieder. Kein wirkliches Geräusch, mehr eine Ahnung eines solchen. Angestrengt lauschte ich, versuchte mit meinen Sinnen die Nacht zu durchdringen. Dort unten im Wohnzimmer musste irgendwer sein. In meinem Kopf verstärkten sich die Geräusche, die aus den unteren Räumlichkeiten zu mir drangen und eigentlich kaum zu hören waren. Jetzt ging jemand an der Schrankwand entlang, öffnete die Glastür der Vitrine, schob ein paar Dinge beiseite, schloss, vermutlich enttäuscht, dort nichts von Wert gefunden zu haben, diese so leise, wie er sie zuvor geöffnet hatte. Wer auch immer da unten war, schlich nun weiter und ich konnte fast sehen, wie dieser jemand die Zimmerwände mit den Augen abtastete.
Ich besaß nichts, was sich zu stehlen lohnte. Doch plötzlich kam mir die Geldkassette in den Sinn, die ganz unten im Wohnzimmer in dem kleinen Schränkchen lag. Es waren nur wenige Hundert Euro darin, aber ich brauchte das Geld, hatte noch einige dringende Rechnungen zu bezahlen. Siedendheiß durchfuhr mich der Gedanke, dass der Einbrecher diese Kassette finden könnte. Er müsste nur noch ein wenig weitersuchen und sicher würde er sie dann bald in seinen Händen halten. Ich musste das unter allen Umständen verhindern. Aber was, wenn der dort unten nicht alleine war? Was, wenn er gar bewaffnet wäre?
Ich versuchte, mein Zittern zu unterdrücken, als ich mich so leise wie möglich von meinem Bett erhob. Langsam und vorsichtig zog ich mir erst meine Jeans an, dann streifte ich auch das T-Shirt über. Mir war ein Gedanke gekommen. Eine absurde Idee, die völlig daneben gehen könnte. Trotzdem musste ich es riskieren. Fast unhörbar öffnete ich den Schlafzimmerschrank, tastete ein wenig in ihm herum und zog schließlich meinen schwarzen Hoodie hervor. Aufgeregt wie ich war, verhedderten sich zuerst meine Arme beim Überstreifen, dann aber gelang es mir. Schließlich streifte ich mir auch die Kapuze über und zog diese tief ins Gesicht.
Mein Herz raste, als ich die Tür vom Schlafzimmer öffnete und die ersten Treppenstufen hinter mich brachte. Meine rechte Hand umklammerte dabei das Treppengeländer fast schmerzhaft und am liebsten wäre ich wieder zurück in mein Zimmer geflüchtet, um mich dort unter dem Bett zu verkriechen.
Ich zwang mich, einen Schritt nach dem anderen zu tun. Dann hatte ich endlich das Wohnzimmer erreicht.
Seine Gestalt strich immer noch schattengleich durch das Zimmer. Als er mich dann bemerkte, hielt er inne. Auch wenn ich sie nicht erkennen konnte, spürte ich, wie seine Augen mich anstarrten, sein Blick mich zu durchbohren suchte.
Ich ging ein paar wenige Schritte auf ihn zu, legte dann meinen Zeigefinger an meine Lippen und flüsterte "Na Kollege, auch hier?" Noch bevor er aus seiner Erstarrung erwachen konnte, fügte ich eilig hinzu "Hier ist nichts zu holen, ich hab schon alles durchsucht".
Einen Moment stierte er mich weiterhin an, dann zuckte er mit den Schultern, flüsterte mir ein fast unhörbares "Scheiße!" zu und schon einen Augenblick später konnte ich erleichtert hören, wie sich hinter ihm leise die Wohnungstür schloss.
Texte: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2022
Alle Rechte vorbehalten