Ärgerlich trete ich nach einem Klumpen Erde, der vor mir auf dem ausgetretenem Weg liegt. In hohem Bogen fliegt er davon, landete dann mit einem dumpfen Geräusch irgendwo, einige Meter seitlich auf dem Acker.
Ja, ich bin unzufrieden. Unzufrieden und wütend mit allem - meinem Leben, meinem Job, all den falschen Entscheidungen, die ich in der Vergangenheit gefällt hatte und unzufrieden über die vielen verpassten Chancen, die ich einfach so verstreichen ließ, ohne zuzugreifen. Das Schlimme daran ist, ich kann niemanden dafür die Schuld in die Schuhe schieben. Nur ich alleine bin schuld und das Wissen darum macht mich gleich noch wütender.
Ich fühle mich betrogen von allen und allem, am meisten aber von mir selbst.
Einen Moment lang bleibe ich stehen, betrachte den Weg vor mir, der ausgetreten und voller Löcher ist und nur aus festgefahrener Erde besteht. Dieser Weg, kommt mir in den Sinn, dieser Weg ist so wie mein Leben - zerklüftet, ohne festes Fundament und voller Schlaglöcher, die wie Stolperfallen wirken. Wenn man nicht aufpasste, trat man in sie hinein und lag auf der Schnauze und selbst wenn man sich anschließend wieder aufrappelte, blieb doch der Dreck an einem hängen.
Nicht einmal ein richtiges Ziel hatte dieser beschissene Weg. Er verband nur die Felder miteinander und endete dann, irgendwo weit vorne, vor einem Graben, dessen schmutziges und trübes Rinnsal nur aus dem bestand, was die Felder bei jedem Regen wieder auskotzen - Jauche und faulendes Wasser.
Ich war wütend und enttäuscht und nicht einmal meine Frau verstand mich noch. Früher einmal hatten wir über alles reden können, aber jetzt machte sie sich sogar lustig über mich, laberte irgendwas von Midlife - Crisis und das ich mich nicht so haben sollte. Dafür beäugte sie mich in letzter Zeit misstrauisch, nur wenn ich mal einer jungen Frau hinterher schaute. Als wenn sie denken würde ... Hatte sie früher nie getan und was soll der Quatsch. Als wenn ich, in meinem Alter ...
Dabei hatte alles so gut angefangen - keiner hatte mir folgen können, alle hatte ich sie hinter mir gelassen, hatte mich durchgesetzt und war schließlich Sieger geworden. Nach mir kam niemand mehr. Einen zweiten und dritten Platz, den gab es nicht. Außer mir waren alle nur Verlierer.
Ich hätte darauf aufbauen können, aufbauen müssen und meinen Platz verteidigen. Mich an ihm festkrallen und kämpfen.
Ich weiß nicht, was dann schief gelaufen ist und warum ich die Kurve nicht gekriegt hatte. Aber kaum neun Monate später kam ich auf die Welt und danach, so scheint mir, ging es nur noch bergab.
Texte: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2022
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