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Belarus - Kein Weg zurück

 

 

 

 

 

Nach wahren Ereignissen.

Ereignisse, die sich jetzt abspielen. Jetzt, in diesem Augenblick!

 

 

Der Weg war lang, unendlich lang. Tage, Wochen, Monate folgten wir ihm, schritten dahin auf der Straße der Träume. Folgten dem Ruf der Sehnsucht nach Frieden, Freiheit und Menschlichkeit. Wir glaubten dem Hass entronnen zu sein und war das Vorwärtskommen auch qualvoll, so war doch jeder von uns zurückgelegte Kilometer durchtränkt mit dem Glauben daran, am Ende unser Leben zurückzuerhalten.

Ich hätte dir gerne selbst von unserem Weg berichtet, hätte dir so gerne dabei in dein Gesicht geschaut und erzählt, wie es sich anfühlte, zu wissen, ein Geretteter zu sein. Gerne hätte ich dir die Hand gereicht, mit dir ein Lächeln getauscht und mit meinen Worten das Fremde zwischen uns für immer zum Schweigen gebracht.

Doch als wir die letzten Meter hinter uns ließen, mussten wir erkennen, dass wir nur einem Trugbild gefolgt waren. Dass es für uns keine Worte geben würde, keine helfenden Hände und selbst ein Lächeln wurde uns verwehrt.

Stattdessen stehen wir vor, mit Stacheldraht bewehrten Zäunen, blicken in die Mündungen von Maschinenpistolen und schauen in Gesichter, die so kalt sind, wie die Nächte im Wald, in den wir immer wieder zurückgetrieben werden.

Hier, an der Grenze spüren wir wieder den Hass, dem wir doch entflohen zu sein glaubten und ein jeder von uns fühlt tief in seinem Innersten, dass man uns das Menschsein aberkannt hat.

Auch davon hätte ich dir gerne selbst berichtet, dir in die Augen geschaut und versucht, dir zu erklären, wie es sich anfühlt, wenn die Träume sterben, dass Herz zerreißt und die Seele in tausend Splitter zerbirst. Wie es sich anfühlt, kein Mensch mehr sein zu dürfen.

Aber ich weiß, niemals werden unsere Blicke sich treffen, niemals unsere Seelen sich berühren, weil wir für ewig Fremde bleiben werden.

Zurück bleiben nur diese, von mir niedergeschriebenen Worte und die erdrückende Erkenntnis, dass du die wenigen, eng beschriebenen Seiten in deinen Händen halten wirst, ohne ihnen Beachtung zu schenken. Stattdessen wirst du deine Faust ballen, die Blätter in ihr zerdrücken und achtlos hinter dich werfen.

Ich weiß, dass auch ich sterben werde und das es kein leichter Tod sein wird. Vielleicht werde ich erfrieren, vielleicht verhungern, vielleicht wird eine eurer Kugeln mich niederstrecken. Doch auch wenn mein Tod Gewissheit ist, so fühle ich doch, dass es gut ist, euer Land niemals kennenlernen zu müssen. Ein Land, in dem nur Kälte herrscht, in dem es kein Mitgefühl gibt und ein jeder für sich alleine stirbt. Hier im Wald von Belarus wird mein Sterben ewig dauern, doch werde ich umgeben sein von Freunden, deren tote Seelen alle der meinen gleichen. Auf unserem Meer aus Tränen werde ich niemals einsam sein.

Den Krieg gegen uns, den mögt ihr zwar gewinnen, doch auch, wer den Krieg gewinnt, wird den Frieden verlieren.

Impressum

Texte: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 20.11.2021

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