Die Beine fest an meinen Oberkörper gezogen, meine Arme um die Knie geschlungen saß ich da und lauschte in die Stille hinein.
Ob es wohl vorbei war?
Sanft wiegte ich meinen Körper vor und zurück. Immer wieder vor und zurück. Den Schmerz in meinem Rücken, den mir das harte Holz zufügte, wenn ich dabei gegen dieses stieß, spürte ich kaum. Aber nein, eigentlich war das gelogen, denn ich fühlte das Holz und wie mir dessen scharfkantige Ecke sich in meinen Rücken bohrte, ganz deutlich. Jedes Mal wenn mein Rücken beim zurück schaukeln gegen es stieß, fühlte ich den Druck gegen meine Wirbelsäule und wie der Schmerz mir, leicht stechend, zwischen den Schulterblättern hinaufkroch. Doch auf seltsame Weise empfand ich es nicht als Schmerz, sondern als gemahnte mich dieser an meine Lebendigkeit.
Ich hockte da, die Beine fest an mich gezogen, meine nackten Arme um meine Knie geschlungen, auf die ich nun meinen Kopf legte. Noch immer waren sie ein wenig feucht von meinen Tränen, gegen die ich hatte nicht ankämpfen können. Zu viel Angst, zu viel Ungerechtigkeit und viel zu viel Wut, die ich gespürt hatte, als dass ich ihrem Fluss hätte Einhalt gebieten können.
Wieder lauschte ich in die Stille hinein. War es vorbei?
Angestrengt horchte ich in meine Umgebung. So als könnte mein eigenes Erstarren der Ruhe um mich die Antwort entlocken.
War es vorbei oder war es nur eine Atempause, bevor es weitergehen würde. Heftiger und schlimmer als zuvor?
So gerne wäre ich aus meinem Versteck gekrochen, mich gereckt und den Schmerz hinter mir gelassen. Doch die Ungewissheit hielt mich zurück. Die Ungewissheit darüber, ob sich der Sturm wirklich gelegt hatte und auch die Gedanken daran, wie es war, bevor er über mir hereingebrochen war, hinderten mich daran, mein Versteck zu verlassen.
Ich sehnte mich nach meinen Tränen zurück, denn solange ich geweint hatte, durfte ich nur fühlen und war nicht gezwungen nachzudenken. Doch meine Augen blieben trocken. In meinem Kopf purzelten Wortschnipsel und Fragmente von Gedanken herum, gegen die ich versuchte, mich zur Wehr zu setzten, und mich weigerte, sie zu ordnen und ihnen Raum zu geben.
Plötzlich hörte ich Schritte. Dann sah ich ein paar Füße eilig vor meinem Versteck hin und her gehen. Schließlich blieben die Füße direkt vor mir stehen. Verweilten einen Augenblick und dann, ganz langsam, wurden aus den Füßen Beine, Arme, ein Körper und schließlich das Gesicht von Mama, die sich direkt vor mir in die Hocke gesetzt hatte und mich nun ernst anschaute.
Doch dann verwandelte sich ihr Gesicht. Ich sah das Leuchten in ihren Augen, erst danach ihr Lächeln, dann ihre Arme, die sie mir entgegenstreckte und von denen ich es zuließ, dass sie mich vorsichtig unter dem Küchentisch hervorzogen und mich sanft an sich zogen. Ich spürte ihre Hände, die mir zärtlich über meinen Rücken, über mein Haar strichen. Atmete ihren Duft ein, lauschte ihren sanften, liebevollen Worten und wusste, ja, es war vorbei.
Texte: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 01.11.2021
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