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Der 7. Tag

 

 

 

 

"Nun, sieh!" rief Gott und riss im gleichen Augenblick den dunklen Vorhang beiseite, der gerade noch das dahinterliegende verborgen hatte.

Oh ja, der Teufel schaute. Ganz genau sah er hin und musste widerwillig zugeben, das, was er zu sehen bekam, verblüffte ihn. Denn dort, hinter dem schweren Vorhang, erblickte er die absolute Finsternis und mitten darin schwebte eine fast vollkommen blaue Kugel, die wie von innen zu leuchten schien.

"Was soll das sein?" fragte er stirnrunzelnd. Gott betrachtete ihn einen Moment lang und antwortete dann "Ich nenne es Erde".

"Erde?" schien der Teufel ratlos und fügte hinzu "Was soll das sein - Erde?"

"Aber siehst du es denn nicht? Schau doch ganz genau hin!" erwiderte Gott. Und der Teufel sah und das, was er sah, kam ihm fremd und ungewöhnlich vor - das Wasser, in mächtigen Wellen brach es sich am Land, ohne dieses zu überschwemmen, und als er genau hinsah, sah er, dass dieses Wasser voller Leben war. Allerlei Tiere schwammen in ihm herum und viele von ihnen trugen die schillerndsten Farben. Der Teufel schüttelte ungläubig den Kopf. Er ließ seine Augen weiterwandern und all das, was er zu sehen bekam, erstaunte ihn noch mehr. Da waren mächtige Bäume, die sich im Wind wiegten. Unter diesen Bäumen erblühten die schönsten Blumen, deren Blüten mit den Tieren des Wassers um die Wette und in den schönsten Farben leuchteten. Doch damit nicht genug. Der Teufel konnte unzählige andere Lebewesen entdecken, die teils umherwanderten, teils auf dem Boden krochen und ganz oben, über all dieser Pracht und noch weit über den Wipfeln der höchsten Bäume, beherrschten weitere Tiere das Firmament. Mit elegantem Flügelschlag strichen sie durch den Himmel und dem Teufel schien fast, nur für sie wäre all das von Gott erschaffen worden.

Es fiel ihm schwer, seinen Blick abzuwenden, doch schließlich tat er es und wandte sich Gott zu "Aber was soll das, wozu soll das gut sein?" , "Wozu das gut sein soll, fragst du? Siehst du denn das Wunder nicht?"

"Doch, doch, ich sehe, es ist ganz hübsch" sprach der Teufel, „aber wozu hast du es erschaffen?"

"Nun", sprach Gott "um dir meine Allmacht zu beweisen".

"Ach" erwiderte der Teufel "deine Macht kenne ich, doch das dort ist völlig ohne Nutzen", klang es höhnisch aus des Teufels Kehle und bevor Gott noch widersprechen konnte, fuhr er fort: "Schau auf das, was du Erde nennst. Das Meer, all die Pflanzen und selbst die Tiere, niemand beachtet dich. Sie wissen wahrscheinlich nicht einmal, wer sie geschaffen hat" lachte er "Nein, du musst Wesen erschaffen, die ihren Schöpfer erkennen, die ihn lieben, achten und zu ihm aufschauen, nur dann hat dein Werk eine wirkliche Bedeutung“.

"Papperlapapp!" rief Gott verärgert und fuhr dem Teufel über den Mund "Sechs Tage habe ich daran gearbeitet, mein Werk ist vollkommen! Ich bin müde, bin erschöpft, ich will von solchem Unfug nichts hören!" fuhr er ihn an, drehte ihm den Rücken zu und schritt gebeugt und enttäuscht von dannen.

"Ja geh nur!" rief der Teufel ihm voller Hohn hinterher "Geh und tu, was du willst!"

Und leise, fast unhörbar, mit diabolischem Grinsen setzte er hinzu "Denn auch ich tue, was ich will".

Und so hat am siebten Tag, der Teufel den Menschen erschaffen.

Impressum

Texte: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 11.09.2021

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