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Stupid Man

 

 

 

 

Unverwandt sah ich dem Typ, welcher vor mir saß in die Augen. Selbstbewusst und gelassen

kreuzte ich dann meine Arme vor die Brust. Dann lächelte ich ihn an. Er konnte meinem Blick nicht standhalten, senkte seinen Kopf und tat so, als würde er in der Akte, die vor ihm auf der grauen Tischplatte lag, herumblättern.

Sie hatten mich. Nach all den Jahren hatten sie mich tatsächlich erwischt und das nur, wegen dieser blöden Schlampe, die mich unentwegt angestarrt hatte, während ich meinen Job erledigte. Sie war der Grund, warum ich nicht schnell genug verschwinden konnte und weshalb ich nun hier saß,

diesem Arschloch von Bullen gegenüber, dem ich die Genugtuung, mich geschnappt zu haben, auf keinen Fall gönnen wollte. Ich wusste, dass es zu Ende war. Auch er wusste es. Doch Scheiße, es sollte ihm nicht auch noch Spaß machen, mich für den Rest meines Lebens im Knast sehen zu

können.

Ich war noch immer jemand, vor dem man lieber Respekt haben sollte. Respekt und Angst. Angst, ja angst sollten sie haben. Der Gedanke gefiel mir und ich spürte, auch dieser Bulle hatte Angst vor mir.

Ich war schon immer der Beste gewesen. Der beste und der Teuerste. Jede Kugel aus meinem

Gewehr kostete zwanzig bis fünfzigtausend Euro. Aber ich garantierte das sie traf. Immer!

Skrupel hatte ich nie. Jeder musste schließlich irgendwann sterben und ich beschleunigte es nur ein wenig, was mir ein gutes, sicheres und bequemes Leben eingebracht hatte.

Immer war ich vorsichtig gewesen. War nicht umsonst der Beste geworden und die Leute bezahlten gerne für meine Dienstleistung, die ihnen ihre Probleme mit einem einzigen Schuss aus dem Leben räumte.

Ich hätte noch viele Jahre so weitermachen können. Nur heute ging alles so schief, wie es nur schief gehen konnte.

Ich hatte gerade mein Gewehr von dem Autodach genommen, auf das ich es gelegt hatte, um mich abstützen zu können. Mein Schuss hatte wie immer getroffen und dort, weit vorne hinter der großen Glasscheibe, die nun ein kleines, unscheinbares Loch besaß, war jemand in sich zusammengesackt. Gerade wollte ich meine Waffe in den Kofferraum packen, den ich schon geöffnet hatte, als ich sie sah.

Die dumme Kuh stand auf der anderen Seite des Parkplatzes und starrte unentwegt in meine

Richtung. Noch nie war es mir in all den Jahren passiert, einen Zeugen zu haben, und so musste auch sie sterben. Es ärgerte mich ein wenig, aufgehalten zu werden, und noch mehr ärgerte es mich, dass mir niemand diesen Schuss bezahlen würde.

Ich legte an, suchte ihre Stirn durch das Zielfernrohr und drückte ab. Ein sauberer, einfacher Schuss, der mich übersehen ließ, dass man schon längst auf mich zugestürmt war. Mich

überrumpeln und zu Boden werfen konnte und schließlich dafür sorgte, dass ich nun hier, dem

Bullen gegenübersaß, und versuchte, mein Gesicht zu wahren.

Dabei, so ging es mir durch den Kopf, war es doch meine eigene Dummheit gewesen, den weißen Gehstock, welchen die Frau mit sich geführt hatte, zu übersehen.

Impressum

Texte: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 16.05.2021

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