Wir sitzen in der Kirche und reiben uns die Hände.
Gott ist Weiß, wir haben ihn nach unsrem Ebenbild erschaffen.
Man glaubt, wir würden lächeln und übersieht, wir blecken nur die Zähne.
Wir würden niemals Mauern bauen, wozu? Das Mittelmeer ist unser Freund.
Das Töten macht uns Skrupel, drum lassen wir es andre tun.
Wir sind moralisch unanfechtbar und schauen weg, wenn Blut gerinnt und faules Fleisch zum
Himmel stinkt.
Man hat uns oft geschlagen, besiegt hat man uns nie.
Wir gedenken all der Toten, die im Nebel des Vergangenem, nur Schatten auf das diesseits werfen und vergessen, dass auch heute, noch Rauch zum Himmel steigt.
Wir lieben unsre Kinder, dass glauben wir gewiss und lassen sie erfrieren, in einer Welt, die kalt und grausam ist.
Wir glauben an die Liebe, an jede, die für Geld zu haben ist und sprechen jede Träne, der
Erpressung schuldig.
Wir glauben an die Würde, von Frau und Mann und Kind und halten uns für Christen, verdammen den Islam.
Wir hassen jedes Kopftuch, jede Burka macht uns Angst, denn Selbstbestimmung, sagen wir, ist diesen Frauen fremd.
Auf dem Schulweg unsrer Kinder, prangen sie von den Plakaten. Laszives lächeln, nackte Brüste, all das, was wir für Würde halten.
In unseren Fabriken schwitzen Frauen, die für dieselbe Arbeit weniger bekommen, als ihr
Kollege nebenan.
Wir, wir halten das für Würde, für Selbstbestimmung und reden gar von Freiheit, die es zu schützen gilt.
Wir mögen nichts, was fremd ist, und sehen nicht, dass wir uns selbst zu Fremden werden.
Wir schmücken uns mit Mode, chic und sehr Modern. Wir stürmen die Regale und kaufen, nur
billig muss es sein und zucken nur die Schulter über all die Sklaven, die mit ihren Händen die Nacktheit unsrer Körper kleiden.
Kleider bluten nicht, so glauben wir zu wissen und schauen stumm und blind geradeaus.
Wir sind ein freies Land, das es zu schützen gilt. Mit Stacheldraht und Zäunen, mit Grenzen
unbezwingbar.
Wir sind ein freies Land und die dort draußen schaun herein und fragen sich, kann das denn Freiheit sein?
Wir glauben an die Wahrheit, wenn sie unsre eigne ist. Verdammen jede Lüge, doch nur, wenn sie von andren kommt. Sind arrogant und weltenblind und reichem jedem gern die Hand, wenn diese unsren Reichtum mehrt.
Wir, wir sind die guten und ich gehör dazu. Wir, wir sind die guten, das weißt auch du, das weiß auch ich, das weiß die ganze Welt.
Doch irgendwie tief drinnen wünscht ich mir, ich könnt ein wenig schlechter sein.
Texte: Ralf von der Brelie
Bildmaterialien: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 16.02.2020
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