Du hättest mir die Nachricht nicht senden sollen.
„Lieber Ralf, ein glückliches, wundervolles Jahr 2016 wünsche ich Dir. Alles Liebe, Deine…"
Nein, das hättest Du nicht tun sollen.
Ich hatte doch schon seit Wochen nicht mehr an dich gedacht und jetzt, jetzt ist alles wieder da.
All die Sehnsucht, die Träume und dieser leise, bohrende Schmerz.
Wann hatte das alles begonnen?
Und aufgehört, wann hat es aufgehört?
Hatte es denn jemals aufgehört?
An all dem, war nur dieses Foto im Internet schuld.
Den Kopf, leicht schräg auf die Arme gelegt. Mit sanftem Lächeln und einem Blick, der mein Herz berührte, schautest du mich an.
Zu Beginn war es nicht einmal die Frau auf dem Bild, die mich interessierte, nein, es war das Bild selbst. Wie war es möglich, so viel Seele in einem Foto festzuhalten?
Ich musste es wissen. Nur deshalb schrieb ich dir.
„Wer bitte, wer hat dieses Foto aufgenommen?“, war die erste Frage, an die ich mich erinnern kann.
„Ich!“, kam deine prompte Antwort, „Ich habe es selbst aufgenommen“.
Ab da schrieben wir uns regelmäßig, zwei, drei Mal die Woche. Dann täglich und ja, später dann, in jeder freien Minute.
Unsere Nachrichten wurden länger, wurden irgendwann mehr, sehr viel mehr als nur bloße
Mitteilungen.
Du erzähltest mir von deinem längst erwachsenem Sohn, auf den du so stolz bist und der irgendwo als Programmierer arbeitet, und davon, dass ihr euch viel zu selten seht.
Du erzähltest mir von deiner gescheiterten Ehe. Dem Mut, den es dich gekostet hatte, irgendwann endlich den Entschluss zu fassen auszubrechen, aus einem Leben ohne Zukunft. Berichtetest von all deinen Kämpfen, dem Ringen um Freiheit und schließlich von deiner Scheidung.
Und ich?
Auch ich erzählte dir mehr und mehr über mich. Von meiner Ehe, die nun schon seit über zwanzig Jahren vor sich hin dümpelt und davon, dass ich immer geglaubt hatte, sie wäre glücklich und nun nicht mehr wüsste, ob sie das wirklich war.
Auch von meinem Sohn berichtete ich dir, der an Lebensjahren schon erwachsen, aber eigentlich immer noch ein Kind war.
Dann geschah etwas, was wir beide wohl nicht gewollt, aber vielleicht doch heimlich herbeigesehnt hatten.
In unsere Worte mischten sich Sehnsucht und Zärtlichkeit, das Gefühl des sich Findens, ohne
gesucht zu haben.
All die Worte, Hunderte, Tausende und nicht eines davon konnte beschreiben, was ich begann für dich zu empfinden.
Dann unser erstes Telefonat.
Schon Tage davor war ich aufgeregt. Was sollte ich dir sagen? Das schreiben war so einfach
gewesen. Die Buchstaben zu Worten formen und diese in die Tastatur des Rechners tippen, war wie ein nicht enden wollender Strom, der floss, auch ohne eigenes zu tun.
„Ich weiß, wie Deine Stimme klingt“, schrieb ich dir „Und bitte verzeih, wenn ich am Telefon nicht die richtigen Worte finden sollte.“
Ja und wirklich, lange bevor ich das erste Mal den Klang deiner Stimme hörte, wusste ich, wie sich diese anhören würde.
Woher?
Aus deinen, von mir gelesenen, Worten?
Aus dem Bild in meinem Kopf, in meinem Herzen, das ich mir von dir gemacht hatte!
Als du dann den Hörer am anderem Ende abnahmst und ich dich endlich auch hören durfte, war
alles vertraut und doch so neu.
So anders, so richtig.
Nein, ich musste nicht nach Worten suchen. Sie sprudelten wie von selbst aus mir heraus, um sich ihren Weg in dein Herz zu bahnen.
Auch dir schien es nicht anders zu ergehen und so redeten wir, redeten über Stunden hinweg.
Über was?
Das war nicht wichtig, nur dass WIR zählte.
Als wir dann auflegten, wurde es still. Unerträglich still, und erst da wurde mir bewusst, wie einsam ich mich fühlte, so ohne dich.
Ich setzte mich an meinen Computer, wollte der Stille ausweichen, sie wegschubsen, um sie nie wieder in mein Leben zu lassen.
Ich musste dir schreiben, alles sagen, was mich bewegte. Dir sagen, was der Klang deiner Stimme mir bedeutete.
Lange starrte ich auf den weißen Bildschirm. Ungeduldig blinkte oben links der Cursor auf. Pong, pong, pong. Schreib, schreib, schreib!
Den Kopf auf die Hände gestützt, stierte ich unablässig auf die leere Fläche vor mir.
So viele Worte waren in mir. So viele, verwirrende Empfindungen wühlten in meinen Eingeweiden und doch, pong, pong, pong, keine Worte, die ausdrücken konnten, was ich sagen wollte.
Lange saß ich da, untätig, aufgewühlt und doch wie gelähmt.
Ja, ich wusste es doch. Es gab diese Worte, die all das ausdrücken konnten, was ich dir sagen
wollte und eigentlich, eigentlich hatte ich sie längst schon gefunden. Nur Mut müsste ich haben.
Ich haderte mit mir, zweifelte und spürte die Angst davor, vielleicht alles zu verlieren.
Vielleicht hätte ich dir an diesem Abend nicht geschrieben, vielleicht auch nicht an den folgenden Abenden, wenn ich mir nicht vorgestellt hätte, wie du da sitzt und wartest. Darauf hoffst, eine
Nachricht von mir zu bekommen.
Dann endlich überwand ich mich, legte die Hände auf die Tastatur und schrieb.
Es ist wohl die kürzeste Nachricht, die du je von mir bekommen hast und doch, nie sind mir Worte so schwergefallen und nur selten waren sie so ehrlich.
Noch einmal schaute ich auf den Bildschirm, sah, was ich geschrieben hatte, spürte Angst und ehe mich diese zum abermaligem zweifeln bringen würde, drückte ich auf Senden.
Drei Worte hatte ich geschrieben, nur drei Worte: „Ich Liebe Dich!“
Pong, pong, pong. Jetzt war es mein Herz, das ich pochen hörte.
Ich wartete. Die halbe Nacht lang wartete ich auf eine Antwort von dir. Vergeblich. Dann ging ich zu Bett, wo ich mich den Rest der Nacht von einer auf die andere Seite wälzte.
Am nächsten Morgen noch immer keine Nachricht.
Fahrig und unkonzentriert brachte ich irgendwie den Arbeitstag hinter mich. Dann, endlich zu
Hause, der Blick ins Postfach.
Noch immer nichts.
Hatte ich alles verloren, noch ehe ich es gewonnen hatte?
Hatte ich dich abgeschreckt und dafür gesorgt, dass du dich nun für immer von mir abwenden
würdest?
Du ahnst nicht einmal, welche Angst ich ausgestanden habe, bis dann endlich, endlich doch noch deine Nachricht eintraf.
Es war schon spät am Abend und doch hatte ich Angst sie zu öffnen.
Was hattest du mir geschrieben?
Hatte ich mich lächerlich gemacht, wartete vielleicht Ablehnung hinter deinem Absender oder tröstende, nichtssagende Worte, die doch nur das eine meinten? „Nein, tut mir leid, kein Interesse.“
Solange ich deine Mail nicht öffnen würde, solange bestand Hoffnung für mich und so suchte ich für mich selbst Ausreden, um das unvermeidliche hinauszuschieben. Wusch das Geschirr vom Abendessen ab, suchte Dinge zusammen, die ich vielleicht am nächsten Tag benötigen würde, räumte meinen Kleiderschrank aus, um zu sehen, ob es nicht Klamotten geben würde, die ich zur Altkleidersammlung geben könnte.
Irgendwann aber blieb nichts weiter zu tun, wäre jeder weitere Vorwand nur zu einer erneuten Flucht geworden, und so klickte ich endlich, voller bangen, auf deine Mail.
Auch du hattest nicht viel geschrieben und ja, ich glaubte in diesem Moment, als ich deine
Nachricht las, dass du dieselbe Furcht, dieselben Zweifel gespürt hattest, als Du diese Worte
niederschriebst, wie ich am vergangenem Abend.
Was ich empfand, als ich deine Mail las, lässt sich nicht in Worte fassen, aber wie sehr, wie sehr hatte ich mir damals gewünscht, dass du an meiner Seite wärst.
Konnte es sein, dass ich jemals glücklicher in meinem Leben war, als in diesem Moment, als ich
lesen durfte, was dort stand?
„Ich Dich auch!“
Immer und immer wieder musste ich die Worte lesen, um sie begreifen zu können.
„Ich Dich auch!“, nur diese wenigen Worte und doch, nie, nie habe ich schönere, glücklich
machendere erhalten.
Jetzt gab es keine Grenzen mehr zwischen uns. Alles, was wir uns ab da schrieben, all die
Telefonate, die wir führten, waren durchtränkt von zärtlichen, liebevollen Worten und dem Hunger nach Leben.
Es war wie in einem kitschigem Hollywood Film, als wir uns das erste Mal trafen. Und weil es so war, wusste ich, es war nichts falsches daran.
Du wolltest mir die kleine Stadt zeigen, in der du dein Leben verbrachtest und ausgerechnet an
diesem Tag, dem Tag unseres ersten zusammentreffen, regnete es in Strömen.
Mittags wollten wir uns vor dem naturkundlichen Museum treffen, weil ich mich nicht auskannte in deiner Stadt und dieser Treffpunkt, so sagtest du, am einfachsten zu finden sei.
Ich war fast zwei Stunden vor unserer verabredeten Zeit da. Nervös ging ich auf und ab. Würdest du enttäuscht von mir sein, wenn wir uns das erste Mal gegenüberstanden? Würden sich all unsere Empfindungen in Luft auflösen, sich gar als Irrtum erweisen?
Ich hatte schon tage vorher Angst, dass es so sein könnte. Deshalb hatte ich all die Mails, die wir uns geschickt hatten, ausgedruckt und zu einem Buch gebunden, welches ich dir schickte.
Wenn nichts bleiben würde, sollten wenigstens diese überdauern.
Mehr als 300 Seiten.
Geweint hast du, schriebst du mir, geweint vor Glück, als das Päckchen mit dem Buch bei dir
eintraf.
Auch damals wäre ich gern an deiner Seite gewesen.
Du kamst zu spät zu unserer Verabredung. Auch das machte mir Angst. Hattest du es dir anders überlegt?
Doch dann sah ich dich durch die fallenden Wassertropfen eilen. Den viel zu großen Regenschirm über deinem Kopf balancierend und versuchend den Pfützen vor dir auszuweichen, liefst du auf mich zu.
Abrupt hieltest du vor mir an, murmeltest irgendeine Entschuldigung für dein Zuspätkommen, blicktest zu mir auf, der ich viel größer war als du, und strahltest mich an. Dann strecktest du mir schüchtern deine Hand zur Begrüßung entgegen, die ich absichtlich übersah und dich einfach in den Arm nahm und an mich drückte.
Hättest du mir damals geglaubt, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich auch schon vorher wusste, wie du dich anfühlst und wie dein Haar riecht?
Wie lange wir dort standen, fühlend und eng umschlungen, ich weiß es nicht. Die Ewigkeit selbst wäre zu kurz gewesen.
Ja, auch das sehr klassisch, als wir die Tür zum Museum öffneten. Nicht um die Exponate zu
bestaunen, sondern uns aufzuwärmen und weil es dort drinnen ein kleines Kaffee gab, in das wir uns setzten.
Wir saßen an diesem kleinen, runden Tischchen, aßen Kuchen, lachten und redeten über unser
beider Vergangenheit. Nur über die Zukunft sprachen wir nicht. Umschifften diese, als hätten wir beide scheu davor, ein Versprechen zu geben, ohne es halten zu können.
Dann zeigtest du mir deine Stadt. Zaghaft faste ich deine Hand und ging mit dir durch den Regen.
Du zeigtest, erklärtest, redetest ohne Unterlass und ich hörte dir zu, ohne den Sinn deiner Worte zu begreifen. Nur der Klang deiner Stimme, die Wärme deiner Nähe und das Lächeln auf deinem
Gesicht, lebt in meiner Erinnerung weiter.
Wieder saßen wir in einem Kaffee, in dem ein großer Kachelofen wohlige Wärme und
Gemütlichkeit ausstrahlte.
Wir hatten uns einen Tisch, ganz hinten in einer der Ecken ausgesucht. Dort wo wir, von
neugierigen Zuhörern ungestört, reden konnten. Dort, wo ich meine Finger sanft über deine Hand gleiten lassen konnte.
So viel hatten wir uns zu sagen.
Hier legte ich dir das kleine Päckchen in die Hand. Die Halskette mit dem silbernen Herz und dem blauem Stein und hoffte, du würdest verstehen, ohne dass ich erklären musste.
Ja, sogar du hattest ein Geschenk für mich.
Das kleine Notizbuch, auf der ersten Seite ein paar liebevolle Worte von dir, dann dein Foto und der Abdruck deiner Lippen aus rotem Lippenstift.
Nie habe ich etwas schöneres erhalten.
Meine Gedanken und Gefühle sollte ich darin notieren, sagtest du und ich versprach es dir.
Doch nie hat ein Wort von mir seinen Weg darin gefunden, aus Furcht dieses für mich so kostbare Kleinod mit meiner krakeligen, ungelenken Handschrift für immer zu verderben.
Manchmal, nur selten und in besonders traurigen Momenten, nehme ich das Büchlein an mich, betrachte dein Bild, lese die wenigen Worte und streiche vorsichtig mit dem Finger über deine Lippen.
Die leeren Seiten, heute erscheinen sie mir, wie ein Omen für das, was von uns blieb.
Ich weiß, sie werden niemals gefüllt werden.
Dann unser Abschied.
Später Nachmittag und noch immer regnete es.
Engumschlungen standen wir auf dem Parkplatz vor meinem Auto. Der Regen durchtränkte unsere Kleidung, lief dir wie Tränen über das Gesicht. Nie sahst du zerbrechlicher aus, nie habe ich mich selbst so schwach gefühlt, wie in diesen Augenblicken.
Unser erster Kuss. Schüchtern, zaghaft, nur gebend ohne zu fordern.
Unser erster Kuss. Deine Wärme, die Sanftheit deiner Lippen, der Geschmack nach Regen. Nie werde ich ihn vergessen.
Unendlich viel haben wir uns geschrieben, haben telefoniert, habe ich dich in deiner kleinen Stadt besucht. Und irgendwann, irgendwann trauten wir uns, auch über die Zukunft zu sprechen. Eine
gemeinsame Zukunft.
Alles, alles würde ich für dich tun, habe ich dir versprochen. Nein, das waren keine leeren Worte.
Alles würde ich hinter mir lassen, auch wenn ich dafür Schmerzen zufügen und Scherben
zurücklassen müsste.
Wenn der Gedanke daran, mir auch Furcht bereitete.
Vielleicht hätte ich damals ein schlechtes Gewissen bekommen müssen, der Frau gegenüber, mit der ich die letzten zwanzig Jahre mein Leben verbracht hatte. Aber da war nichts, denn alles
zwischen dir und mir war so richtig, so liebevoll, so einzigartig. Nichts davon wollte ich
wegwerfen, klammerte mich daran, versprach, ohne dass du je ein Versprechen von mir
eingefordert hättest.
„Wir sind zu alt, für Experimente, aber jung genug für einen neuen Anfang“, sagte ich dir, um
deine Zweifel zu zerstreuen. Du lächeltest mich an, schienst mir zu vertrauen und meinen Worten glauben zu schenken.
Heute rede ich mir ein, wir hätten die Entscheidung gemeinsam getroffen, doch weiß ich, eigentlich warst nur du es, die bestimmte, dass wir uns trennen müssten. Ich nichts zerstören dürfte von
meinem bisherigem Leben.
„Lass uns Freunde bleiben“, ein Satz, den ich niemals selbst sagen wollte, niemals hören wollte. Am allerwenigsten von dir.
Hast du je begriffen, wie sehr ich dich liebte?
Betrogen?
Ja, vielleicht habe ich betrogen.
Nicht dich, niemals dich. Nicht meine Frau. Nur mich selbst habe ich betrogen und vielleicht,
vielleicht tue ich das immer noch.
Manchmal schaue ich die vielen Fotos an, die du mir in all der Zeit gesendet hast und die ich auf meinem Handy mit mir herumtrage.
Ich sehe dein lächelndes Gesicht, schaue in deine Augen und würde so gerne vergessen. Vielleicht sollte ich sie löschen, ausradieren. Doch das kann ich nicht. Zu viel von mir selbst würde dabei für immer verschwinden.
Früher einmal wurden Fotos auf Papier gedruckt. Man trug sie mit sich herum und mit der Zeit
bekamen sie Risse, wurden die Farben blasser, legte sich eine Patina aus Sepia über sie und
schenkte uns die Gnade des vergessen können.
Heute sind die Bilder elektronisch und noch nach vielen Jahren leuchten sie uns entgegen, wie an dem Tag, als sie aufgenommen wurden, und machen das entschwinden jeder Erinnerung unmöglich.
„Lieber Ralf, ein glückliches, wundervolles Jahr 2016 wünsche ich Dir. Alles liebe Deine…"
Nein, Du hättest mir diese Nachricht nicht senden dürfen.
Ich laufe ziellos über die Felder, wie ich es immer tue, wenn mich etwas verwirrt, beschäftigt oder aufwühlt.
Der erste Tag des neuen Jahres ist erst wenige Stunden alt und doch, das Jahr kommt mir nicht jung vor. Noch immer wirkt es wie das alte, dass sich weigert zu sterben. Erst später, sehr viel später, wenn allmählich alles wieder grün wird, die ersten Knospen aus den Zweigen hervorbrechen und die ersten Sonnenstrahlen wärmend auf die Erde fallen, erst wenn das Leben wieder erwacht, werde ich spüren, dass das alte Jahr vergangen ist.
Ich laufe über unebene Erde, der Wind zerzaust mein Haar und dort, wo eigentlich Schnee liegen sollte, ist nur aufgeweichter Boden, stehen Wasserpfützen, in denen sich die dunklen Wolken
spiegeln.
Ich fühle, wie die kälte des Tages langsam durch meine Kleidung dringt, wie sich meine Schuhe voll nässe saugen.
Es ist Zeit umzukehren, denke ich. Nach Hause zurückzukehren und frage mich dabei, wo das sein mag.
Nachwort
Ich habe lange überlegt, welche Worte ich wähle, habe geschrieben und wieder gelöscht, um von vorne zu beginnen und trotzdem, noch immer weiß ich nicht, ob es mir gelungen ist, all das auszudrücken, was ich sagen wollte.
Während des Schreibens kamen mir manchmal Zweifel, ob diese, doch sehr intime Begegnung, überhaupt von mir niedergeschrieben werden sollte, oder es nicht besser wäre, all das zu vergessen.
Auch auf diese Frage habe ich keine Antwort gefunden.
Für viele, wohl die meisten, wird diese Erzählung traurig klingen, hat sie doch kein Happy End und erzählt von unerfüllter Sehnsucht und von der Suche nach dem Gefühl des Angekommen sein.
Für mich aber trägt die Erinnerung an das, was da mit mir, mit uns, geschah, mehr als diesen leisen Schmerz in sich, den ich heute noch manchmal fühle.
Ich war damals, im vergangenem Jahr, 50 Jahre alt, und wie es bei wohl fast allen Menschen ist, zieht das Leben an einem vorüber, ohne das man es selbst bemerkt.
Erst wenn etwas Unvorhergesehenes, etwas was unser bisheriges Dasein durcheinander bringt geschieht, spüren wir wieder diesen Hunger in uns und sehen plötzlich unser eigenes Leben mit ganz neuen Augen.
Für mich war das die Begegnung mit dieser Frau, die es geschafft hatte, Gefühle in mir wachzurütteln, die ich schon fast vergessen glaubte.
Seit Jahren spürte ich wieder Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen, fühlte mich wieder wie ein Teenager und es fehlte nicht viel und ich hätte wohl auch Akne bekommen.
Zu Beginn habe ich versucht, mich dagegen zur Wehr zu setzen, doch das, was ich empfand, war viel stärker, als ich je sein könnte.
Ich war verliebt!
Dieses Gefühl war so wunderbar, so mitreißend, so einmalig und ein paar Monate lang hielt ich mich für den glücklichsten Menschen der Welt.
Deshalb birgt die Erinnerung an dieses Erlebnis für mich sehr viel mehr, als nur traurige und schmerzhafte Gedanken.
Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich dieses wundervolle Wesen kennenlernen durfte, die Frau, die mich, für eine kleine Weile, all das Fühlen ließ und mir Träume schenkte.
Texte: Ralf von der Brelie
Bildmaterialien: Ralf von der Brelie
Lektorat: Brigitte Rübsaat
Tag der Veröffentlichung: 05.01.2016
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