"Ralf war immer fleißig und ordentlich. Sein Betragen war für alle stets Vorbild. Die
Mathematikaufgaben von morgen erledigte er immer bereits schon gestern"
So oder so ähnlich hätten es meine Eltern sicher gerne gelesen, wenn ich ihnen meine Zeugnisse unter die Augen hielt. Doch Schule und ich, tja, das waren zwei Gegensätze, welche sich nicht wirklich anzogen.
Schon an meinem allerersten Schultag erahnte ich wohl, was da die nächsten Jahre auf mich
zukommen würde.
Mutter hatte mich, zu meinem Leidwesen, wieder einmal so richtig herausgeputzt. Hatte mich in die Wanne gestopft, was schon alleine eine Besonderheit war, denn gebadet wurde bei uns eigentlich nur an Samstagen, und mich anschließend mit Waschlappen und Wurzelbürste ordentlich bearbeitet.
Ob es nun an dieser unsanften Behandlung meiner zarten Kinderhaut lag, die krebsrot und furchtbar brennend den nun kommenden Jahren als Vorboten diente, oder daran, dass Mutter mein unwilliges Murren in der Badewanne mit noch rabiaterer, porentieferer Reinigung beantwortete und mir den einzigen Fluchtweg aus der Wanne versperrte? Ich weiß es nicht. Doch sauer muss ich gewesen sein. Sauer auf Mutter, auf die Badewanne und jedwede unfreiwillige Reinigung. Sauer auf das
Leben und die Schule, welche ich noch gar nicht kennengelernt hatte.
Sauer wohl auch über den Spruch "Nun beginnt der Ernst des Lebens", der nichts Gutes erahnen ließ.
Ich war also ordentlich sauer, ja, so richtig sauer und tat, was getan werden musste.
Ich stürzte die Treppe hinauf, den Flur entlang und versteckte mich im Wandschrank.
Dort saß ich nun im Dunklen. Hörte, wie meine Mutter nach mir rief, und dachte über mein ach so kurzes Leben nach, welches so schön begonnen hatte und nun ein jähes Ende finden sollte.
Schule.
Meine ältere Schwester Kerstin ging doch schon zur Schule. Reichte das nicht?
Hatten meine Eltern denn nicht bemerkt, dass ihr die zwei Schuljahre, die sie schon absolviert hatte, in keinster weise den Hauch von Intelligenz eingebracht hatten?
Wurde nun ich geopfert?
Geopfert dieser öffentlichen Lehranstalt. Diesem, den Tag verderbenden, Tempel des Wissens?
Die Welt war gemein und ungerecht, resümierte ich dort in meinem dunklen Versteck und beschloss den kümmerlichen Rest meines, so hoffnungsvoll begonnenen Lebens, als Eremit in der
schützenden Dunkelheit des Schrankes zu verbringen. Umgeben von flauschig weichen
Wäschestücken und dem tröstlichem Geruch nach Mottenpulver.
Kaum hatte ich diese Gedanken verinnerlicht und mich von dem Leben da draußen verabschiedet, wurde die Tür des Wandschranks unsanft aufgerissen, ein Arm griff nach mir, eine stählerne Hand umfasste meinen Oberarm und zerrte mich aus meinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit.
Mutter hatte mich gefunden!
Ärgerlich zog sie mich Richtung Wohnzimmer, wo auf dem Tisch schon die große Bürste auf mich wartete, mit der sie mir kräftiger, als nötig gewesen wäre, durch die Haare fuhr, bis ihre
Bemühungen mit einem ordentlichem Rechtsscheitel belohnt wurden.
Schnell noch das Taschentuch aus ihrem Rock hervorziehend, zwei Mal drauf gespuckt und mir
damit durchs Gesicht gefahren und schon war ich fertig für meinen ersten Schultag.
Nun, weiter ist darüber nichts zu sagen.
Die Schultüte unter den Arm geklemmt, den viel zu schweren Tornister auf dem Rücken, schleifte mich meine Mutter erst zur Kirche und von dort direkt zur Schule.
Mein erster Schultag.
Das Unheil hatte begonnen!
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Es ließ sich nicht ändern und so beschloss ich, mich meinem Schicksal zu ergeben, und trabte nun Tag für Tag zur Schule.
Ein guter Schüler war ich sicher nicht. Auch kein allzu schlechter. Denn wenn ich schon
gezwungen wurde, die meiste Zeit meines jungen Lebens eingesperrt in Klassenräumen zu
verbringen, so wollte ich meine Anwesenheit in diesen wenigstens in Unsichtbarkeit verbringen.
Das funktioniert nicht?
Oh doch, das funktioniert und ich, ohne mir selbst schmeicheln zu wollen, beherrschte das
Unsichtbar machen in allen Facetten, bis hin zur Perfektion.
Wie man sich unsichtbar macht, möchtest du wissen?
Das wichtigste - niemals auffallen!
Nicht durch besonders gute und auf gar keinen Fall durch außergewöhnlich schlechte Leistungen auffallen.
Das ist das A und O, um sich unsichtbar zu machen!
Ja, ich war ein wahrer Meister darin!
Und das, obwohl es gerade für mich alles andere als leicht war, nicht aufzufallen. Denn schon bald hatte ich meinen Spitznamen weg. "Langer" hieß und heiße ich auch noch heute, für die, welche mich noch aus meiner Schulzeit kennen.
"Langer", denn mein Körperwuchs nahm überproportional zu dem wuchs meines Wissens zu, da ich dann doch nicht ganz zu verhindern wusste, was mir in der Schule eingetrichtert wurde.
Ich überragte alle meine Klassen- und Schulkameraden um mindestens zwei Köpfe. Und doch schaffte ich es und fiel nicht auf.
******
Drei.
In allen Fächern durchgehend eine Drei. Befriedigend!
Das war die Ernte meines mich unsichtbar Machens. Des nicht auffallen Wollens.
Über all die Jahre meines Schulbesuches und selbst im Abschlusszeugnis überall nur lauter dreien.
Die Drei wurde mein Freund.
Ein wenig gedämpft durch: "Ralf zeigt leider nur unzureichende mündliche Teilnahme am
Unterricht."
Diesen Satz mussten meine Eltern des öfteren hören, wenn es an Elternabenden und
Lehrergesprächen um meine Person ging.
Ja, ich war Durchschnitt.
Durchschnittlich gut. Durchschnittlich schlecht. Durchschnittlich blass, aber für den durchschnitt zu groß.
"Gab es da denn nicht doch ein paar Höhepunkte während Deiner Schulzeit?"
"Gab es da nicht auch überdurchschnittliche, glückliche Momente"? höre ich Dich fragen.
Doch, die gab es. Diese haben aber nur wenig bis gar nichts mit der eigentlichen Schule und meinen Leistungen zu tun.
Zuallererst wären da sicher meine Freunde zu nennen. Besonders Gerd.
Klein, feuerrote Haare, das Gesicht übersät mit Sommersprossen.
Im Reiterkampf waren wir unschlagbar!
Leicht wie eine Feder saß er oben auf meiner Schulter, während wir durch die Truppen der anderen marschierten und alles niederwalzten, was uns entgegenkam. Schon bald gingen uns die Gegner aus und wäre Reiterkampf eine olympische Disziplin gewesen, wir hätten es zu Weltruhm gebracht. Schon als Grundschüler wären wir reich und berühmt geworden.
Dann Frau Mangels. Eine kleine graue Lehrerin. Unscheinbar im Aussehen. Überwältigend in ihrer Zuneigung zu uns. Zuneigung, nur daraus erwachsen, dass wir Kinder waren. Ihre Kinder.
Mit leiser und ruhiger Stimme berichtete sie uns von den Wundern dieser Welt. Schaffte es, auch die noch so kompliziertesten Dinge einfach und begreifbar zu machen.
Wie oft setzte sie sich kurz vor ende der Schulstunde auf das Lehrerpult. Schloss ihre Augen und begann zu erzählen. Erschaffte mit ihren Worten Bilder vor unseren Augen, von denen wir
gefangen wurden. Erzählte von Fabelwesen, tapferen Rittern, unglücklichen Prinzessinnen,
Zauberern, Hexen und Kindern, die sich im Wald verlaufen hatten.
Und wir, wir lauschten ihrer Stimme, legten unsere Köpfe auf die Tische vor uns und ließen uns von ihren Worten entführen.
Mein Gott, was haben wir diese Frau geliebt!
Viel später, ich war schon in der Pubertät dann eine meiner Klassenlehrerinnen, die mich so
verwirrte, dass ich ständig das Gefühl hatte, in ihrer Gegenwart müsste ich vor Scham verbrennen.
Ich mochte sie nicht einmal besonders. Ihre blonden, hochtoupierten Haare, ihre hervorstehenden Zähne, die ihr die Ähnlichkeit mit einem Pferd verliehen. Ihre Strenge und ihre Humorlosigkeit.
Alles Dinge, die mich wenig anzogen.
Doch wenn sie in der Klasse vor uns stand, musste ich sie ständig anstarren. Oder eigentlich nicht sie, sondern ihr rundes Hinterteil, das immer in knallengen Cordhosen eingezwängt war und mich ebenso anzustarren schien, wie ich es anstarrte.
Ich schämte mich für meine wenig reinen Gedanken und befürchtete immer, dass man mir diese an der Nasenspitze ansehen könne.
Aber ich genoss es auch, dieses angenehme, warme Gefühl, welches sich beim Betrachten dieser Rundungen in meinem Bauch breitmachte und langsam zwischen meine Lenden kroch.
Wie oft hatte ich da an meinem Tisch in der Klasse gesessen und sie betrachtet, wenn sie dort vor uns auf und ab ging. Wie oft hatte ich mich gefragt, welche Farbe wohl ihre Unterwäsche haben würde und ob diese wohl mit Spitzen verziert wäre.
Sie mir in noch weniger, als in ihrer Unterwäsche vorzustellen, dazu war meine Scham dann aber doch zu groß.
Tja, und dann Herr Schaub. Der letzte Klassenlehrer, den ich vor meinem Abschluss hatte.
Bevor er unser Klassenlehrer wurde, hatte er schon einige Monate auf unserer Schule verbracht,
ohne selbst eine eigene Klasse zu haben. Als "Springer" hatte er so in kürzester Zeit alle Klassen durchgemacht und sich dabei den schlechtesten Ruf erworben, den sich ein Lehrer überhaupt
erwerben kann.
Rabiat, brutal, prügelnd, waren die drei Worte, mit denen er und sein zweifelhafter Charakter
umschrieben wurden.
Ausgerechnet ihn sollten wir nun nach den Sommerferien zum Klassenlehrer bekommen.
Das Mitleid der gesamten Schülerschaft war auf unserer Seite, aber auch das Aufatmen darüber, dass es unsere und nicht die eigene Klasse getroffen hatte, nun unter tyrannischer Herrschaft zu
stehen.
Mit bangen Erwartungen sahen wir dem ersten Schultag nach den Sommerferien entgegen.
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Laut und energisch stürmte er in unsere Klasse, brüllte kurz seinen Namen in den Raum und wandte sich auch schon dem Klassenbuch zu, das in rotes Leder gebunden, auf dem Lehrerpult lag.
Er nahm sich gar nicht erst Zeit, sich zu setzen. Im Stehen durchblätterte er die Seiten und überflog die Klassenbucheinträge der verschiedenen Schüler.
Spürbar beklemmendes Schweigen hing wie eine Gewitterwolke über unseren Köpfen.
Dann richtete er sich auf. Schaute einmal in die Runde und meinte "Bei mir wird es keine
Klassenbucheinträge geben, bei mir gibts gleich Ohrfeigen!"
Wir wussten wohl alle nicht so recht, wie mit dieser Ankündigung umzugehen war. Nur einer von uns ‘Eike‘, der immer schon ziemlich vorlaut war, traute sich, den Mund aufzumachen: "Das
versuchen Sie mal", kam es leise, aber herausfordernd aus seiner Ecke.
Herr Schaub baute sich vor uns auf und während er seine Arme über der Brust verschränkte,
verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen. Langsam bewegte er sich zu dem Tisch, an dem ‘Eike‘ saß und merklich in sich zusammenschrumpfte.
"Was hast Du gesagt?", fast flüsternd kamen diese Worte über Herrn Schaubs Lippen. Flüsternd, aber die Drohung hinter diesen Worten war unmissverständlich. "Was hast Du gesagt? Ich glaube, ich habe Dich nicht richtig verstanden", wiederholte er, als er direkt vor Eikes Tisch Halt machte. "Ähhhm, ähh, nichts", kam es stockend von Eikes Lippen, der eigentlich mit richtigem Namen
Thomas hieß. "Dann ist ja gut, ich dachte schon, ich hätte etwas gehört", meinte Herr Schaub.
Keine Begrüßung, kein "Wie waren eure Ferien?", kein sich gegenseitiges Vorstellen. So, als wäre er nicht der neue Lehrer und wir nicht seine neuen Schüler. So als hätte es die vergangenen
Ferienwochen nicht gegeben, begann er mit dem Unterricht.
Ja, nach dieser, unserer ersten Berührung mit unserem neuen Klassenlehrer, scheint es fast
unglaublich, aber ich und wohl wir alle, die wir seine Schüler und Schülerinnen waren, haben ihm wohl die schönsten, glücklichsten zwei Jahre unserer gesamten Schulzeit zu verdanken.
Als Lehrer zwar völlig untauglich, wurde er für uns alle zum Freund, zum Kumpel, mit dem man Pferde stehlen konnte. Zum Vertrauten, zum Kamerad.
Eine ganz eigene Geschichte müsste ich schreiben, um diesem wundersamen Abkömmling der
Lehrerschaft huldigen zu können.
Immer laut trat er vor uns auf, mit dröhnender Stimme, die wohl den zwölf Jahren seiner
Bundeswehrzeit geschuldet waren, die er absolviert hatte, bevor er dann das Lehramtsstudium
begann.
Er brachte uns zum Lachen. Er lachte über uns und war niemals böse oder ärgerlich, wenn auch wir über ihn lachten, sondern stimmte in unser Lachen mit ein.
Er war ein grober Klotz und ein unsicher tapsender Bär.
Er war ein harter Kerl und weich wie Marmelade.
Seinen Ruf, brutal und grob zu sein, wurde er trotzdem nicht los. Nein, ich glaube, er genoss diesen sogar und fast bin ich mir sicher, er tat so ziemlich alles, sich diesen Ruf zu erhalten.
Für den gesamten Rest der Schülerschaft und vielleicht auch für den Rest der Lehrerschaft blieb es ein Geheimnis, warum nie jemand von uns, seinen Schülern, auch nur ein böses Wort über ihn
verlauten ließ. Warum wir uns vor ihn stellten und ihn mit Worten und Klauen zu verteidigen bereit waren, wenn, wer auch immer, schlechtes über ihn sagte.
Wir waren seine Erste und sollten auch seine letzte Klasse sein, die er je unterrichtete.
Seine unkonventionellen Lehrmethoden, seine kumpelhafte art und nicht zuletzt auch sein Ruf,
brachen ihm das Genick.
Über jeden anderen Lehrer wären wir froh gewesen, hätte er das Lehramt niederlegen müssen und wäre suspendiert worden. Über jeden anderen hätten wir, voller Schadenfreude, Witze gerissen und uns die Hände gerieben.
Nicht aber über ihn.
Wie ein Schock traf es uns, als er uns eines Tages verkündete, dass er gehen würde, gehen musste.
Er wollte uns nicht im Stich lassen und musste uns doch verlassen.
Die letzten Stunden, die wir bei ihm hatten, habe ich nur als bedrückend in Erinnerung.
In der letzten Schulstunde überreichten wir ihm eine Flasche Champagner und einen kleinen Pokal, in den wir die Worte "Für den besten Lehrer der Welt" hatten eingravieren lassen.
Dieser große, tapsige Kerl, dieser Kleiderschrank von einem Mann, dessen donnernde Stimme uns die letzten beiden Jahre begleitet hatte, wurde nun zum ersten Mal leise und mehr als ein
flüsterndes "Danke" brachte er nicht heraus, während ihm die Tränen übers Gesicht liefen.
Nein, ich habe seinen Namen nicht verändert. Auch wenn mir sein Vorname entfallen ist, so hieß er doch wirklich Schaub mit Nachnamen. Ich dachte, er hat es verdient, hier mit seinem richtigen
Namen genannt zu werden.
Zum Nachtrag sei noch erwähnt, am Hungertuch musste er sicher nicht nagen, nachdem er seinen Job als Lehrer verloren hatte. Seine Frau besaß damals schon ein großes Maklerbüro in Celle, in das er als Geschäftsführer eingestiegen ist und wer weiß, ob nicht das, seiner echten Berufung näher kam, als die, sich mit Schülern herumzuschlagen.
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Eines der glücklichsten Erlebnisse meiner Schulzeit hat eigentlich nichts, absolut nichts, mit der Schule zu tun.
Wir wollten eine Bande gründen.
Eine Bande zu gründen, war wohl gerade sehr modern, vielleicht weil damals im Fernsehen gerade die Serie "Die Vorstadtkrokodile" lief. Wir, das waren etwa 20 Mädchen und Jungen, die meisten davon aus meiner Klasse.
Nun, ein Name für unsere Bande ward schnell gefunden: "Die Warloks".
Okay, ich gebe zu, ein ziemlich bescheuerter Name und zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, ich habe ihn nicht erfunden, wer dieses allerdings war, tja, das entzieht sich meiner Kenntnis.
Die Leute waren da, der Name war da, nur wer sollte der Anführer sein?
Nie hatte ich gewusst, was eigentlich meine Mitschüler von mir dachten, und so war ich mehr als nur überrascht, als mein Name als Vorschlag ins Gespräch gebracht wurde.
"Der Lange ist ehrlich, er hat noch nie jemanden hereingelegt". "Der Lange lügt nicht". "Der Lange ist nett". "Der Lange ist ein echter Freund". "Der Lange…"
Damals, als ich einstimmig zum Anführer gewählt wurde, war einer der bis dahin glücklichsten
Momente meines Lebens. Niemals hätte ich solche Freundschaftsbekundungen erwartet, nie hatten mich Gefühle so sehr überrollt. Ich hätte heulen können vor Glück!
Nun, eine lange Lebensdauer war den "Warloks" nicht beschert.
Ich taugte nicht wirklich als Anführer. Mir fehlt auch heute noch jede Autorität und energisch
aufzutreten, ist eine Kunst, die ich weder damals noch heute beherrsche.
Aber das mich meine Mitschüler so mochten, was sie über mich dachten, und die Sympathien, die sie mir entgegen brachten und die sie offen bekundeten, haben mich damals einfach umgehauen und mich zu einem glücklichen Menschen werden lassen.
Da fehlt doch noch etwas, werden vielleicht die denken, die mich kennen. "Du warst nicht immer nur ein dreier Schüler. Durchschnitt, befriedigend. In einem da warst Du immer gut, nein sehr gut sogar".
Ja, vielleicht stimmt das. Es ist wohl meinen Aufsätzen in der Schule zu verdanken, dass ich auch in Deutsch immer noch auf eine Drei im Zeugnis kam.
Fast immer bekam ich für meine kleinen Geschichten eine eins.
Doch mit den Aufsätzen verbinde ich keine wirklich guten Erinnerungen.
Immer wenn es daran ging, in der Schule Aufsätze zu schreiben, sprudelten die Worte nur so aus mir heraus. Mein Füllfederhalter konnte nicht schnell genug übers Papier flitzen, um all die Bilder in meinem Kopf in Worte zu formen.
Doch jeder Aufsatz war mit unwahrscheinlichem Druck verbunden, mit dem Kampf gegen die Zeit, den ich zwar immer gewann, denn wenn die Schulglocke den Punkt hinter den letzten Satz befahl, war ich fertig. Doch der Druck ließ dann lange noch nicht nach. Ich brauchte Stunden um mich
davon zu erholen.
Ein Wunder fast, dass ich Literatur und gerade das Schreiben heute so liebe. Haben mich die
Schulaufsätze doch eigentlich geleert, das schreiben zu hassen.
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Auch mein Abschlusszeugnis zeigte, ich war Durchschnitt. Auch hier nur lauter dreien.
Mit dem Abschlusszeugnis bekam jeder von uns das kleine Büchlein "Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland" überreicht.
Dieses Büchlein besitze ich noch heute. Nicht nur als Erinnerungsstück, sondern weil es mir etwas bedeutet, weil ich mir damals wie heute wünschte, dass aus diesem Grundgesetz vielleicht eines
Tages mehr als nur Worte werden, sondern gelebte Überzeugung.
War sie gut, meine Schulzeit?
Frei fühlte ich mich, als ich sie hinter mich gelassen hatte. Frei und endlich erwachsen.
Aber war sie gut?
Ja, doch, ich glaube, sie war gut.
Freundschaften, lachen, glückliche Momente, Sorgen und Probleme, die sich oft im Nichts
auflösten.
Doch ja, meine Schulzeit war gut, denn mit einem Lächeln kann ich an diese zurückdenken.
Texte: Ralf von der Brelie
Lektorat: Brigitte Rübsaat
Tag der Veröffentlichung: 12.07.2015
Alle Rechte vorbehalten