Mein besonderer Dank gilt Manuela Schauten, welche mir nicht nur eines ihrer Bilder für das Cover zur Verfügung stellte, sondern mich durch dieses Bild erst dazu Inspirierte diese Geschichte zu Papier zu bringen.
Vor sich hin pfeifend schlenderte Knödel durch die Straßen des kleinen Städtchens. Die Sonne meinte es an diesem Tag besonders gut und glühte nur so vom Himmel herunter.
Knödel war das egal. Er liebte die Sonne, mochte es, wenn sie auf seiner Haut brannte und wenn andere träge und faul, von der Hitze des Tages müde geworden, jeden noch so kleinen Schattenplatz bevölkerten, wurde Knödel erst so richtig lebendig.
Nun, Knödel war natürlich nicht sein richtiger Name, denn eigentlich hieß er Ottokar Blichenstiel.
Zu beginn, als ihn irgendwann alle nur noch Knödel nannten, mochte er diesen Spitznamen überhaupt nicht leiden. In der Zwischenzeit hatte er sich allerdings daran gewöhnt und, so fand er, so schlecht war dieser Name ja auch wieder nicht. Besser zumindest, als von allen nur Blichenstiel genannt zu werden.
Wenn Knödel an sich selbst dachte, und das tat er zuweilen, dachte er immer nur an Knödel, nie aber an Blichenstiel oder gar Ottokar. Beide Namen mochte er nämlich nicht all zu gerne und, da war er sich sicher, würden selbst seine Eltern damit beginnen, ihn nur noch Knödel zu rufen, so hätte er seinen richtigen Namen sicher bald selbst vergessen.
So hatte er sich irgendwann einfach damit abgefunden, Knödel zu heißen.
Der Name passte aber auch wirklich all zu gut zu ihm.
Pummelig, wie er nun einmal war, erinnerte zugegebener maßen alles an ihm an einen Knödel. Hinzu kamen seine feuerroten Haare die, da konnte er machen was er wollte, immer wild vom Kopf abstanden.
Besonders schlimm war es an jedem Sonntagmorgen, wenn seine Mutter ihn zum leidigem Kirchgang fertigmachte. Schier alles versuchte sie dann, diese Haarpracht zu bändigen und aus ihnen so etwas wie eine Frisur zu fabrizieren. Wasser, Pomade, Glätteisen. Alles hatte sie, zum Leidwesen von Knödel, schon probiert. Meist aber vergeblich und war es ihr doch einmal gelungen, klatschte sie vor Freude darüber in die Hände, drückte ihrem Jungen einen feuchten Kuss auf jede Wange und beteuerte 100 Mal, wie hübsch er jetzt doch aussah.
Nein, von hübsch konnte keine Rede sein, vergewisserte sich Knödel, wenn er dann vor dem großem Spiegel im Schlafzimmer seiner Eltern stand und das Elend, welches ihn bemitleidenswert anstarrte, betrachtete.
Seine Mutter musste wohl blind sein, entschied er dann und sah sich den fremd gewordenen Jungen im Spiegel ganz genau an. Betrachtete seine, nun eng am Kopf liegenden, angeklatschten Haare. Musterte den Knaben da vor ihm, der sich sichtlich unwohl in dem, ihm aufgezwungenem Sonntagsstaat fühlte, welcher so furchtbar am Hals kratzte. Schaute dann auf die Schuhe, die blank geputzt und glänzend, so überhaupt nicht zum Fußballspielen taugten. Seufzte dann tief und ergeben und fühlte sich, wieder einmal, von seiner Mutter unverstanden, ins Elend gestürzt.
Eltern, ja Eltern waren schon komische Wesen entschied er dann nicht zum ersten Mal.
Auch sein Vater war da nicht sehr viel anders. Mit Strengen Blicken und scharfen Augen musterte ihn dieser immer erst, bevor es dann hinaus auf die Straße ging, der Kirche entgegen.
Kein Fußelchen entging seinem Vater dabei und selbst die Zwille, die Knödel neulich ganz tief in seiner Hosentasche versteckt hatte, blieb vor seinem Vater nicht verborgen.
Mit anklagenden Blicken hatte sein Vater diese aus Knödels Tasche hervorgeholt, doch anstatt etwas zu sagen, nur unwirsch mit dem Kopf geschüttelt und auch wenn Knödel doch eigentlich nichts Böses getan hatte, so hatte sich dieser, unter den Blicken seines Vaters, schuldig gefühlt.
Ja, auch sein Vater war da nicht viel anders, als es seine Mutter war. Nur, noch viel Strenger, als Mutter es jemals sein konnte.
Knödel war sich da nicht ganz sicher. Lag es daran, dass sein Vater Beamter war, dass dieser immer so streng und ungeduldig mit ihm war, oder war er Beamter, weil er mit diesen, für Knödel eher zweifelhaften Tugenden, von vornherein ausgestattet worden war?
Beamter bei der Reichsbahn war etwas Besonderes, wie sein Vater immer oft und gerne betonte. Knödel sah ihn im Geiste vor sich. Seinen Vater, wie dieser im Wohnzimmer vor ihm auf und ab ging, während er selbst, mit gesenktem Haupt vor ihm stand. Schuldbewusst, weil er mal wieder irgendeine Dummheit begangen hatte oder schon wieder einer dieser verhassten blauen Briefe aus der Schule zu Hause eingetroffen war.
"Pünktlichkeit, Fleiß und, mein Sohn, an oberster Stelle Disziplin", deklamierte sein Vater. "Disziplin, Disziplin ist das A und O im Leben, merk Dir das mein Sohn", resümierte sein Vater weiter "Was wäre wohl aus mir geworden, hätte ich mir diese Tugenden nicht schon in frühem Kindesalter zu Herzen genommen?" Knödel wusste, sein Vater erwartete keine Antwort auf diese Frage, denn diese gab er sich gleich selbst. Vorwurfsvoll weiter fahrend, dabei seine Schritte, quer durch die Wohnstube, noch um ein Quäntchen beschleunigend fuhr er fort "Beamter, Beamter wäre sicher keiner aus mir geworden, schon gar nicht Beamter bei der Reichsbahn. Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin, in welchem Beruf kommt es wohl mehr darauf an, als gerade bei der Reichsbahn?" Dann stoppte sein Vater abrupt, baute sich vor Knödel auf, legte ihm die Hände schwer auf die Schultern, schaute ihm anklagend ins Gesicht und meinte, tief seufzend "Ottokar, Ottokar, was soll bloß noch aus Dir werden?" Aber auch auf diese Frage erwartete Vater keine Antwort, denn das aus diesem Bengel nie im Leben etwas Gescheites werden würde, dessen war er sich gewiss.
Oh, Knödel wusste mit seinen, gerade einmal 12 Lebensjahren, ganz genau, was aus ihm werden würde und hätte sein Vater ihn wirklich danach gefragt, so wäre es sicher wie aus der Pistole geschossen aus ihm herausgesprudelt. Lockführer wollte er werden. Lockführer und mit diesen Dampfrössern hinaus in die weite Welt fahren. Lockführer oder aber Schifffahrtskapitän, wo er dann in einer schicken Uniform ganz oben an der Reling stand, während alle an Bord nach seiner Pfeife tanzen müssten. Fremde Länder würde er entdecken und alle würden ihn für seinen Mut und seine Entschlossenheit bewundern. Naja, aber für alle fälle, man konnte ja nie wissen, hatte sich Knödel noch einen dritten Plan zurechtgelegt. Wenn er weder das eine noch das andere werden könnte, dann würde er wenigstens Piratenkapitän werden. Eines der Dreien würde schon klappen, da war er sich ganz sicher und dann, später einmal, würde ihm sein Vater wieder die Hände auf die Schultern legen und bewundert sagen "Ah, Ottokar, was ist nur aus Dir geworden. Die Welt hast Du bereist, fremde Länder entdeckt und alle Welt bewundert Dich, während ich immer noch als kleiner Beamter und Bahnhofsvorsteher mein Leben über den Büchern verbringe"
Tja, er würde es ihnen schon beweisen, irgendwann einmal, was in ihm, Knödel, alles so Drin steckte!
Hatte er wieder einmal irgendetwas angestellt, war es nur sein Vater, der ihm, zum wer weiß wie vieltem male, eine Standpauke hielt. Mutter saß dann nur daneben, hatte, wie er, den Kopf gesengt und lauschte dem Vater bei dessen vorwurfsvollen Reden. Dass Mutter nur so da saß und fast genauso schuldbewusst wirkte, wie er selbst sich fühlte, tat Knödel fast mehr weh, als all die Worte seines Vaters. Sagte Mutter dann doch einmal etwas, klatschte sie in die Hände, dieses Mal jedoch nicht aus Freude darüber, dass ihr etwas gelungen war, sondern mehr aus Verzweiflung über ihren Jungen. Auch sie hatte dann die Angewohnheit mit dem Kopf zu schütteln nur waren ihre anklagenden Worte weniger streng und taten deshalb wohl doppelt so weh "Mein Junge, nimm Dir doch ein Beispiel an Deiner Schwester" sagte sie dann vorwurfsvoll.
Jaaa, seine Schwester Josefine. Immer artig, immer adrett und 2 Jahre jünger als er es war.
Nie machte sie sich schmutzig, nie lärmte sie herum. Nie gab es Beschwerden aus der Schule, nie gab sie patzige Antworten, wenn sie irgendetwas gefragt wurde. Nie zeriss sie beim Spielen ihre Kleider, niemals machte sie auch nur den kleinsten Ärger.
Manchmal fühlte Knödel etwas wie Eifersucht in sich aufkeimen, wenn von seiner kleinen Schwester die Rede war und manchmal ertappte er sich sogar dabei, dass er sich wünschte, sie wäre einfach nicht da. Wäre weg, so als hätte es sie nie gegeben.
Naja, aber nur manchmal und eigentlich sogar äußerst selten wünschte er sich dieses, denn, für ein kleines Mädchen, war Josefine eigentlich gar nicht so dumm, zickig und gemein. Wenn Knödel es recht betrachtete, mochte er Josefine sogar recht gerne, was er aber niemals im Leben zugegeben hätte und sich selbst auch nur sehr selten eingestand. Gab es mal wieder irgendeinen ärger zu Hause, war sie die Einzige, die immer zu ihm hielt, egal was auch immer er angestellt hatte. Hatte Vater mal wieder all seinen ärger über ihm abgeladen oder Mutter kummervoll auf ihn herabgeblickt, so war es seine Schwester Josefine die später, wenn er alleine war, zu ihm ins Zimmer schlich, sich neben ihn setzte und wortlos und tröstend seine Hand nahm. Manchmal, bekannte er zögernd, mochte er seine Schwester wirklich ziemlich gerne.
Nun, aber jetzt und heute schob er all diese grauen Gedanken weit von sich. Die Sonne schien und fröhlich vor sich hinpfeifend schlenderte er vor sich hin. Gab es etwas Schöneres als einen solchen Tag?
Es war ende Juli, er war 12 Jahre alt, strahlendes Wetter und das großartigste, heute war der erste Ferientag. Ewig lange brauchte er nun nicht mehr die harte Schulbank zu drücken. Sich keine Ausreden mehr einfallen lassen, für nicht gemachte Hausarbeiten. Keine Angst vor dem Eintreffen blauer Briefe zu haben. Ewig lange könnte er nun tun und lassen, was er wollte. Sein Herz schlug leicht und beschwingt in seiner Brust, die vor ihm liegende Ferienzeit versprach grenzenlose Freiheit. War es da ein wunder, dass er so Fröhlich vor sich hinpfiff?
Die Hände tief in die Taschen seiner Hose vergraben, schlenderte Knödel durch die Gassen der Stadt.
Der Stein, welcher da plötzlich auf dem Kopfsteinpflaster des Gehsteiges vor ihm auftauchte, kam ihm nur all zu gelegen.
Entschieden tänzelte er auf diesen zu. Das gespannte Verstummen des Publikums hätte aus dem Fallen einer Stecknadel ohrenbetäubenden Lärm entstehen lassen. Seine zu engen Schlitzen verengten Augen betrachteten den Ball vor ihm mit konzentrierter Siegesgewissheit. Würde er es schaffen? Würde er den Ball mit nur einem einzigem Schuss, über die Köpfe seiner zahlreichen Gegner ins Tor kicken können? Würde er somit das von allen ungeduldig erwartete Siegtor dem erleichtertem Publikum zum Geschenk machen können?
Die 90ste Minute hatte schon begonnen und nur er, er ganz alleine hatte nun die Möglichkeit den Triumph für seine Mannschaft nach Hause zu holen. Noch einmal betrachtet er den Ball vor seinen Füßen, berechnete die zu erwartende Flugbahn und die daraus resultierende Wucht des Abstoßes, welche er aufbringen musste. Alle Augen waren nur auf ihn gerichtet. Die gespannte Erwartung des Publikums war fast körperlich zu spüren. Langsam setzte er sich in Bewegung. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er endlich entschlossen und, so wie zuvor im Kopf berechnet, weit mit seinem rechtem Fuß ausholte und diesen schließlich mit aller Wucht Richtung gegnerisches Tor trat.
Jaaaaa! Der Ball saß. Unhaltbar für den Torwart der gegnerischen Mannschaft. Das Publikum sprang auf. Wo eben noch Gespannte Stille herrschte, erklang ein Brausen und Toben. "Tor, Tor, Tor!" Zwischen all dem Tumult hörte er immer wieder seinen Namen rufen "Knödel, Knödel, Knödel!"
Knödel schreckte auf, oh verdammt, da rief ja wirklich jemand seinen Namen. Schon sah er den Gemüsehändler auf sich zurennen und dessen Gesichtsausdruck verhieß nichts wirklich gutes.
Zu sehr war er in seinen spielerischen Gedanken verloren gewesen, als das Knödel das Bersten der Schaufensterscheibe wahrgenommen hätte, als der Stein, eben noch unschuldig zu seinen Füßen liegend, gleich darauf, einen hohen Bogen beschreibend, in das Fenster mit den Auslagen einschlug.
Nun, es wäre wohl äußerst schwer gefallen, dem Gemüsehändler, der nun wild mit den Armen fuchtelnd und schimpfend auf ihn zugestürmt kam, die Kunstfertigkeit des soeben getätigten glaubhaft darzustellen und so tat Knödel das Einzige, was ihm in diesem Moment als richtig erschien, er gab Fersengeld.
Prustend versuchte der Gemüsehändler noch eine weile hinter Knödel herzuhasten. Doch schon bald gab er es auf. Lange würde er seinen Laden nicht unbeaufsichtigt alleine lassen können und, so dachte er bei sich "Dich krieg ich schon!"
Knödel verschwand eiligst um die nächste Straßenecke, rannte, als wenn der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her wäre.
Nach Atem ringend und sich die Seite haltend, in der es unangenehm zu Stechen begonnen hatte, machte er aber alsbald halt. Schweiß ran ihm übers Gesicht, den er sich hastig mit dem Ärmel seiner Jacke abwischte. Er war sich nun sicher, dass ihm der Gemüsehändler nicht mehr folgen würde. Aber, so wusste er, die Strafe würde auch so früh genug folgen. Es war nicht immer leicht Knödel zu sein und mit seinem Aussehen überall aufzufallen. Jeder in diesem kleinem Städtchen kannte ihn und wusste natürlich auch um seine Eltern.
Tief, in sein Schicksal ergeben, seufzte Knödel auf. "Der erste Ferientag und schon ging alles daneben", fluchte er leise vor sich hin.
Knödel wäre aber nicht Knödel gewesen, hätte ihn diese Erkenntnis lange erschüttert.
Schon bald erhob er sich von dort, wohin ihn seine Flucht geführt hatte und setzte seinen Weg weiter fort. Bald schon spitzte er auch wieder seine Lippen und fröhliches Pfeifen klang durch die engen Gassen der Stadt.
"Extrablatt, Extrablatt!" erklang es von Weitem. Der Zeitungsjunge, der ihm da entgegen kam, war einer seiner Freunde. Einer von denen, dem er den Namen Knödel zu verdanken hatte. Auch wenn seine Eltern, insbesondere sein Vater, es nicht gern sahen, dass er sich mit diesen "Lümmeln", so sein Vater, herumtrieb, war es Knödel doch so ziemlich egal, was seine Eltern davon hielten. Er mochte den Jungen, der ihm schon so Erwachsen vorkam, wusste dieser doch immer allerhand zu erzählen.
"Na, wie läuft das Geschäft?", fragte er ihn, als die beiden schließlich zusammentrafen. "Mies, die Leute haben keine Lust zum Lesen. Ist ihnen wohl zu heiß"
"Was gibt´s denn Neues?" wollte Knödel nun wissen und schielte dabei auf den Zeitungspacken, den sich der andere Junge über den einen Arm gelegt hatte. "Kauf Dir ne Zeitung" grinste ihn der Junge an, überließ ihm aber bereitwillig eine aus seinem Stapel.
Weltmännisch nahm Knödel diese entgegen, überflog nur kurz die erste Seite auf der ganz oben das Datum des heutigen Tages zu lesen war, 23. Juli 1926. Blätterte dann weiter "Mhm, mhm, mhm" murmelte er hin und wieder bei sich und hoffte das dieses wissend und Erwachsen klingen würde. "Mach hin, ich muss weiter!", forderte ihn sein Freund ungeduldig auf. Knödel ließ sich allerdings nicht von der Ungeduld seines gegenüber aus der Ruhe bringen. Seite um Seite blätterte er weiter, überflog diese kurz, stutzte dann "Deine Zeitung ist blöd" meinte er dann zu seinem Freund gewandt "Blöd? Du bist höchstens blöd" wehrte sein Freund ab. "Na schau mal selbst", meinte Knödel "Da heißt eine genau so wie meine Schwester, nur haben sie´s falsch geschrieben" dabei auf einen Artikel auf der dritten oder vierten Seite deutend. "Was, da heißt eine Blichenstiel?", rief sein Freund erstaunt aus. "Quatsch, nicht Blichenstiel. Josefine heißt se, genau wie meine Schwester, nur haben sie´s falsch geschrieben". "Zeig mal her" erwiderte sein Freund und versuchte ihm dabei die Zeitung zu entreißen, was aber nicht wirklich gelang, wo dieser doch noch den einen Arm voll mit Zeitungen vor sich her trug.
Stattdessen hielt ihm Knödel die Zeitung vors Gesicht "Siehste, Josefine, aber die ham´se mit Ph geschrieben". "Ich sag doch, Du bist blöd!", rief sein Freund aus und tippte sich mit der einzigen freien Hand, die er zur Verfügung hatte an die Stirn. "Is doch ne Amerikanerin. Josephine Baker heißt die" "Na, dann ist halt nicht deine Zeitung blöd, sondern die Amerikaner, wenn sie noch nicht mal richtig schreiben können" antwortete Knödel trotzig. "Soll ganz berühmt sein, ne Tänzerin oder so was", wandte sein Freund ein, ohne auf das letztgesagte von Knödel einzugehen. "Berühmt? So ein Quatsch. Berühmt werd ich bald selber!" empörte sich Knödel, dabei die Zeitung wieder ordentlich zusammenfaltend und diese anschließend seinem Freund in die Hand drückend.
"Wer´s glaubt!" grinste sein Freund. "Na, wart´s mal ab!", rief Knödel, dabei seinem Freund kräftig auf die Schulter hauend. "Jetzt muss ich aber weiter", schloss er die Unterhaltung ab. Drehte sich auch schon um und machte sich auf den Weg, während sein Freund ihm immer noch nachstarrte "Der hat doch ne Meise" dachte dieser bei sich, ordnete seine Zeitungen und setzte dann ebenfalls seinen Weg fort.
Ein richtiges Ziel hatte Knödel eigentlich nicht, aber wie so oft gelangte er auch dieses Mal zum Bahnhof. Er mochte diesen, beobachtete gerne die ein und ausfahrenden Züge. Liebte das Geräusch des zischenden Dampfes, welcher aus ihren Zylindern entwich, wann immer sich einer von ihnen in Bewegung setzte.
Er beobachtet gerne all die Menschen, die ankamen oder abfuhren. Die feinen Damen in ihren hübschen Kleidern, das Gesicht mit Rüschenbesetzten, zierlichen Schirmchen vor der Sonne geschützt. Die ebenso feinen Herren in ihren Anzügen, wenn diese beflissentlich die Koffer der Damen an sich nahmen oder diesen über die Stufen halfen. Galant nannte man das wohl, schoss es Knödel durch den Kopf.
Was er aber am allerliebsten mochte, war es, sich vorzustellen, wohin all diese Züge wohl fahren mochten und wie es an diesen, für ihn unbekannten Orten wohl ausschaute. Zu gerne wäre er einmal mitgefahren und hätte einen dieser Orte selbst besucht.
Nicht dass er es noch nie versucht hatte.
Einmal hatte er sich ganz heimlich in einen dieser Waggons geschlichen. Wie selbstverständlich sich dann auf eine der, mit rotem Plüsch bezogenen Bänke breitgemacht. Hatte aus dem Fenster geschaut und sich gewundert, dass von hier drinnen, die Welt ganz anders ausschaute, als dort vom Bahnsteig aus. Gespannt hatte er darauf gewartet, dass der Pfiff das Signal zur Abfahrt gab, ein Ruck durch den Zug gehen würde und ihn davon tragen würde, irgendwo hin, wohin, das war ihm egal.
Ein Ruck ging dann auch wirklich durch ihn hindurch. Doch war es nicht das Anfahren der Lokomotive, das ihm die Entdeckung der Welt dort draußen versprach. Viel mehr war es der schmerzliche Ruck, der durch ihn hindurchging, als der Schaffner ihn entdeckte, ihn an einem seiner Ohren hochzog und ihn sogleich, schimpfend nach draußen beförderte. Direkt dorthin, wo der Stationsvorsteher sein kleines Büro hatte, direkt also zu seinem Vater.
Na, die Predigt, die dann folgte, kann sich wohl jeder vorstellen und sollte hier aus Rücksicht nicht wiederholt werden. Soviel sei nur gesagt, nach Beendigung derselben brannte nicht nur eines von Knödels Ohren ganz gewaltig, sondern auch das Sitzen fiel ihm in den nächsten tagen recht schwer.
Seit der Zeit machte er immer einen großen Bogen um das Büro seines Vaters und auch dem Schaffner versuchte er möglichst nicht unter die Augen zu kommen.
Nun, die meisten von uns hätten wohl gleich auch einen großen Bogen um den Bahnhof gemacht. Nicht aber Knödel, dessen Sehnsucht und Neugier viel zu groß war, als das Er nicht der Gefahr ins Auge zu blicken vermochte.
Fernweh, das wusste auch Knödel schon, trotz seiner erst wenigen Lebensjahren an Erfahrung. Fernweh ist unheilbar.
Die Luft war heiß und träge. Wie ein zu dicker Mantel legte sie sich um den Körper und so behäbig wie die Luft, wirkten auch die Menschen auf dem Bahnhof lustlos und müde, so dass Knödel bald darauf beschloss, von hier zu verschwinden und zu schauen, was sonst noch in der Stadt auf ihn wartete.
Gehofft hatte er es schon, einen seiner Freunde zu treffen, als er wieder langsam durch die Straßen schlenderte. Gehofft, aber nicht wirklich erwartet. Ein schriller Pfiff ließ ihn aus seinen Gedanken hochfahren. Nur einer konnte so Pfeifen, wusste Knödel sogleich. Und richtig, Hans, den alle nur den Langen nannten, stand schon bald vor ihm.
Auch "Der Lange" trug seinen Spitznamen nicht umsonst. Hoch aufgeschossen baute er sich vor Knödel auf. Sein schlaksiger Körper wackelte leicht hin und her, wie ein Mast in leichtem Wind. Es hatte fast den Anschein als hätte "Der Lange" Schwierigkeiten durch die höhe seines Körpers das Gleichgewicht zu halten.
"Tach Knödel" begrüßte er Knödel. "Tach", antwortete dieser.
"Muss Dir was zeigen", sagte der Lange und deutete dabei hinter sich.
Viele Worte machte "Der Lange" nie. So als wollte er die Höhe seiner Gestalt mit möglichst kurzen Sätzen kompensieren.
"Was`n?" wollte Knödel, neugierig geworden, wissen.
"Da oben", antwortete der Lange und deutete mit dem Kopf hinter sich. Dorthin wo das Haus lag, in dem er und seine Familie lebten. "Eigentlich hab ich keine Zeit", Log Knödel "Hab Wichtigeres zu tun, als mir von Dir den Tag zu stehlen" "Dann halt nicht" meinte der Lange und wandte sich auch schon, merklich beleidigt, von Knödel ab. Natürlich hatte Knödel Zeit, sehr viel sogar, wusste auch gar nicht so recht zu sagen, warum er das Gegenteil behauptet hatte. Außerdem, der Lange war keiner von denen, die große Worte machten, die sich anschließend als Luftblasen herausstellten.
"Na in Ordnung", sagte Knödel deshalb gönnerhaft.
Neugierig geworden folgte er dem Langen.
Es war dunkel, als sie gemeinsam den Hausflur betraten. Dunkel und, rümpfte Knödel die Nase, roch unangenehm nach gekochtem Kohl.
Knödel wusste, der Lange und seine Familie hatten nicht viel Geld, der Vater arbeitete bei einem Kohlenhändler und fuhr Tag für Tag mit dem Pferdegespann für andere Leute Kohlen aus. Die Mutter vom Langen hingegen flickte und wusch die Wäsche für Leute aus der Nachbarschaft. Von irgendwoher ertönte Babygeschrei, als die beiden die knarzende Treppe betraten, die zu des Langen Wohnung führte. Zwei Treppen höher standen sie schließlich vor der Wohnungstür. Grinsend und mit einer einladenden Handbewegung öffnete der Lange die Tür.
Auch die Wohnung war dunkel und wenig einladend. Ein kleiner Flur, die kalkverputzten Wände wirkten schmutzig grau. Dann standen sie auch schon in der Küche. Auch hier roch es nach gekochtem Kohl. Eine Wäscheleine war quer über dem Herd gespannt. Strümpfe, Hemden und andere Kleidungsstücke baumelten davon herunter. In der Mitte stand ein großer, wackliger Küchentisch, um den herum 8 Stühle gereiht waren. Gerade genug um alle Familienmitglieder unter zu bringen.
Sein Freund forderte Knödel mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. Gemeinsam durchquerten sie die Küche und betraten das Wohnzimmer. Auch dieses war nur spärlich eingerichtet und ließ die Armut der hier lebenden erkennen.
Der Lange schritt zielstrebig auf einen, in der Zimmerecke stehenden, schmalen Schrank zu. Zierlich, mit zahlreichen, hölzernen Ornamenten verziert, stand dieser wie ein Fremdkörper dort. Aber nicht der Schrank war der eigentliche Grund für das "Wau!", welches Knödel unwillkürlich entfuhr, als er das Gerät, dass oben auf diesem Schrank seinen Platz gefunden hatte erblickte.
Fragend schaute er den Langen an. "Von Klara, hat´se letztens mitgebracht, als sie zu Besuch hier war"
Klara, das wusste Knödel, war die älteste Schwester vom Langen und lebte in der großen Stadt Berlin.
Sie hatte es "Gut getroffen" wie die Leute zu sagen pflegten und sich irgendeinen wohlhabenden Kaufmann geangelt.
Ja, es musste ihr wohl wirklich gut gehen, wenn sie solche Geschenke machen konnte.
"Pfundig!", rief Knödel aus. Eines der neuen Modewörter, die er nur zu wirklich besonderen Anlässen benutzte und die zu denen gehörten, die sein Vater missbilligte weil sie "Unserer schönen Sprache nicht angemessen waren", wie er oft, all zu oft betonte.
Knödel aber war sich ziemlich sicher, auch sein Vater hätte bei diesem Anblick kein besseres Wort finden können als "Pfundig!"
Knödel wusste, wozu dieses Gerät dort auf dem Schränkchen gut war. Er hatte schon viel darüber gehört, gesehen hatte er allerdings noch nie eines.
Schweigend öffnete der Lange nun die einzige, schmale Tür des Schränkchens und entnahm dem inneren einen Braunen, großen Umschlag. Aus diesem holte er dann sogleich eine runde, schwarze Scheibe hervor, die er mit spitzen Fingern und so vorsichtig auf den Teller des Apparates legte, als wäre es das Wertvollste der ganzen Welt.
Dann drehte er an einer kleinen Kurbel, die sich an der Seite des Gerätes befand. Hob anschließend einen metallenen Arm von einer Auflage, schwenkte diesen über die Scheibe und setzte ihn dort, ebenso vorsichtig, wieder ab. Sogleich löste er einen kleinen Hebel. Die Scheibe begann sich erst langsam, dann immer schneller werdend, um die eigene Achse zu drehen, bis sie schließlich in gleichmäßiger Geschwindigkeit ihre Runden drehte.
Ein knistern und Rauschen ertönte aus dem, über dem Apparat angebrachtem, großem, goldfarbenem Trichter. Ja und plötzlich, plötzlich wurde die ärmliche Wohnstube erfüllt von Musik.
"Pfundig!" entfuhr es Knödel ein weiteres Mal und wie zur Bekräftigung seines Ausrufes, setzte er gleich noch ein "Wow!" hinterher.
Andächtig lauschten die beiden Jungs den melodischen Klängen, die wie von Zauberhand von der sich stätig drehenden, schwarzen scheibe zu kommen schienen.
"Hans, dass müssen die anderen auch sehen!" Der Lange lächelte, wusste er doch, es war etwas ganz Besonderes wenn Knödel ihn nicht bei seinem Spitznamen, sondern bei seinem richtigem Namen ansprach. Tatsächlich hatte der Lange nun in den Augen von Knödel beträchtlich an maß zugenommen, dass dessen Körpergröße noch um einiges übertraf.
Die "Anderen" das waren all die Freunde der beiden. Jungs mit denen sie gemeinsam die Schulbank drückten, Fußball spielten oder sonst irgendwie verbandelt waren.
"Das geht nicht", meinte der Lange, die Begeisterung Knödels bremsend, "Was sollen meine Eltern sagen, wenn hier alle die Wohnung belagern?" "Nee" setzte er noch schnell hinzu "Das gibt nur Ärger"
"Schade", meinte Knödel zerknirscht. Dann aber erhellte sich sein Gesicht grinsend auf. "Na, wenn die Jungs nicht zum Grammofon können, dann muss das Grammofon halt zu ihnen!", rief er aus.
"Bist Du verrückt geworden, wie soll das denn gehen?" empörte sich der Lange.
Knödel fuhr sich mit der Hand durch sein feuerrotes Haar, das wie immer wild vom Kopf abstand. Kratzte sich dann ein wenig gedankenverloren am Kopf. Legte schließlich die Stirn in Falten und man sah ihm an, wie es in ihm arbeitete.
"Eine oder zwei Stunden werden Deine Eltern das Grammofon bestimmt nicht vermissen. Ehe sie noch dahinter kommen könnten, wäre es doch schon wieder da"
zweifelnd schaute der Lange Knödel an. Auch er dachte angestrengt nach, wobei sein Körper wieder langsam und gleichmäßig hin und her schaukelte.
Wäre es nicht verlockend, den anderen Jungs dieses Wunderteil vorführen zu dürfen?
Er dachte daran, wie ihn Knödel gerade eben respektvoll Hans genannt hatte. Die Jungs würden sicher ebenso große Augen bekommen und für eine kleine Weile würde er ihr Held sein können.
Dann aber dachte er an seine Eltern. Was, wenn sie dahinter kommen würden? Was, wenn das Grammofon beschädigt, gar unbrauchbar gemacht würde?
Er wollte es sich lieber gar nicht erst auszumalen versuchen.
"Nein!" entschied er deshalb "Unmöglich!"
"Ach Hans, sei keine Memme. Nur eine, allerhöchstens zwei Stunden" schmollte Knödel.
Da war es wieder, dieses respektvolle Hans.
Hin und her gerissen, zwischen Gefühl und Vernunft grübelte der Lange weiter. Vergaß dabei sogar mit seinem schlaksigem Oberkörper zu schaukeln.
Im Geiste sah er es schon vor sich, wie ihm die anderen Jungs anerkennend auf die Schulter klopften. Hörte das bewundernde Pfeifen, welches zwischen ihren Zähnen hervor zischte. Sah das grinsen auf ihren Gesichtern und wie sie alle um das Grammofon herumstanden. Wie sie ihn Beobachtenden, wenn er gekonnt und überlegen das Gerät bediente. Die kleine Kurbel drehte und schließlich Musik ertönte, begleitet vom bewunderndem Jubel all seiner Freunde.
Die Verlockung war einfach zu groß. Also fasste er einen Entschluss.
"Also gut" gab er sich geschlagen "Aber noch einmal, wie soll das Funktionieren?"
"Das lass mal meine Sorge sein", antwortete Knödel "Mir wird da schon was einfallen"
Einen richtigen Plan hatte Knödel allerdings noch nicht, als er den Langen verlassen hatte und nun wieder durch die Straßen trabte.
Das Grammofon musste unbemerkt aus dem Wohnzimmer verschwinden, dachte er. Das aber, müsste wohl das kleinste Problem sein, denn, so wusste er vom Langen, dessen Familie hielt sich die meiste Zeit eines jeden Abends in der kargen Küche auf, denn nur dort hatten alle Familienmitglieder auch ausreichend Platz. Das Wohnzimmer hingegen wurde nur an Sonntagen und zu besonderen Gelegenheiten betreten. Nein, es dürfte kein Problem sein, den Apparat für kurze Zeit zu entführen.
Das weitaus größere Problem entstand hingegen aus dem wohin.
Wohin nur mit dem Grammofon, hätte man es erst einmal geschafft, dieses aus der Wohnung seines Freundes hinauszubefördern.
In Gedanken ging Knödel all die Orte durch, die ihm so einfielen, doch keiner wollte ihm so recht zusagen.
Es wurde langsam Abend und Knödel spürte ein Grummeln in der Magengegend. Ein sicheres Zeichen dafür, dass es bald Essenszeit war und er gut daran tat, nach Hause zu gehen. Ganz wohl war ihm bei diesem Gedanken allerdings nicht, hatte er doch die zerbrochene Schaufensterscheibe des Gemüsehändlers nicht vergessen.
Langsam ging er die Straße entlang, die ihn nach Hause führen würde. Je näher er der elterlichen Wohnung kam, je langsamer wurden jedoch seine Schritte. Sein Gewissen plagte ihn und er befürchtete, auch der Gemüsehändler hatte ihn sicher nicht vergessen.
Langsam überquerte er den Marktplatz, der jetzt zur frühen Abendstunde fast leer vor ihm da lag. Nur dort, ganz am Rande des kleinen Platzes, unter den Schatten spendenden Bäumen, standen noch ein paar Stände, an denen die Beschicker allerdings auch schon dabei waren, ihre Waren einzuräumen.
Auf den wenigen Bänken, die vereinzelt den Platz umsäumten, saßen einige Leute. Meist ältere Menschen in Gespräche vertieft. Erzählungen von damals, einer Zeit als das Leben noch schöner, besser und angenehmer war, als es die heutige zu sein scheint.
Knödel ging an dem Brunnen vorbei, welcher früher einmal den Bewohnern der umliegenden Häuser als Wasserspender gedient haben mochte, welcher nun aber nur noch der Zierde des Marktes diente.
Schon bald und viel zu früh für Knödels Geschmack, stand er vor dem Haus in dem Er wohnte. Es war das Letzte am Platz und grenzte direkt an die alte, von Efeu umrankte Stadtmauer.
Sein Blick tastete die Fenster ab, blieb einen Augenblick an den fröhlich bunten Blumen hängen, die in voller Pracht im zweiten Stock, in den Blumenkästen am Balkon, ihre Farbenvielfalt entfachten und die ihm trügerische Sicherheit vorgaukelten. In ihrer Unschuld nicht ahnend, welches Donnerwetter auf Knödel wartete, würde er erst einmal seinem Vater unter die Augen treten müssen.
Seufzend und in sein Schicksal ergeben öffnete Knödel die Haustür "Hat ja keinen Sinn" dachte er bei sich "Am besten ich bringe es so schnell wie möglich hinter mich"
Nein, der Gemüsehändler hatte Knödel und die zerbrochene Schaufensterscheibe keinesfalls vergessen, so wie es Knödel noch insgeheim gehofft hatte, als er die Wohnung betrat.
Sein Vater erwartete ihn schon. Mit strengen Blicken, die Mundwinkel ärgerlich nach unten gezogen, schritt dieser ungeduldig im Wohnzimmer auf und ab, erwartungsvoll das Eintreffen seines Sohnes herbeisehnend.
Als Knödel in das Wohnzimmer trat, kam ihm sein Vater entgegen. Eine schallende Ohrfeige landete klatschend auf seinem Gesicht und färbte seine Wange in fast dasselbe rot seiner Haare.
Wieder einmal stand Knödel mit schuldbewusst gesengtem Kopf vor seinem Vater. Wieder einmal hörte er sich all die Vorwürfe an und wieder einmal schritt sein Vater dabei unablässig, mit eiligen Schritten durchs Wohnzimmer. Aber auch dieses Mal spürte Knödel, dass sich der Zorn seines Vaters allmählich im Nichts verlor, als dieser, wie schon so oft, abrupt vor ihm stoppte, ihm die Hände auf die Schultern legte und begann über die "Deutschen Tugenden" zu deklamieren. Natürlich vergaß er auch dieses Mal nicht zu erwähnen, das gerade er, als Beamter der Reichsbahn, diese Tugenden nicht nur beherzigen musste, sondern zu seinem eigentlichem Lebenszweck erhoben hatte.
Ja, und noch während sein Vater so auf ihn herabsah und vorwurfsvolle Worte auf Knödel herabprasseln ließ, keimte in Knödel eine Idee auf.
Sein Magen grummelte weiterhin, als Knödel endlich in sein Zimmer entschwinden durfte. Abendessen würde es für ihn, so hatte Vater bestimmt, heute nicht geben.
Knödel hatte sich rücklings auf sein Bett geworfen, und als seine Schwester Josefine zu ihm ins Zimmer kam, um ihm ein wenig Trost zu spenden, auch nicht vergessen hatte, ihm ein Stück Kuchen, welcher vom Nachmittag übrig geblieben war mitzubringen, wunderte sie sich nicht schlecht darüber, als sie ihren Bruder nicht, wie erwartet, zerknirscht und traurig auf seinem Bett liegend vorfand, sondern im Gegenteil leise vor sich hinsummend und mit den Füßen wippend, scheinbar gut gelaunt und keinesfalls schuldbewusst und in sich gekehrt.
Trost war hier wohl nicht mehr nötig dachte sich Josefine, stellte ihm den Teller mit dem Kuchen auf das Nachtschränkchen, welches neben dem Bett stand und verließ kopfschüttelnd das Zimmer.
Nein, der Kummer hatte sich aus Knödels Gedanken verzogen. Hatte dieser doch keinen Platz mehr gefunden, neben all den großen Ideen, die in Knödel gereift waren. Das zuvor unangenehm plagende Gewissen war dem Kummer gefolgt, fand doch auch dieser keinen Raum mehr in der nun freudigen Erwartung, die sich in der Seele des Jungen eingenistet hatte.
Knödel hatte sein Lächeln wieder zurückgewonnen, während er da so, mit ausgestreckten Beinen, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, auf dem Bett lag.
Nein, der Lange und er würden ihren Kameraden das Grammofon nicht einfach nur vorführen. Ein Fest würde es werden, ein richtiges Fest, mit allem Drum und Dran. Und war es nicht komisch, das ausgerechnet sein Vater ihn erst auf diese Idee gebracht hatte?
Einmal gereift, war die Umsetzung des Planes nicht schwer, nur äußerst langwierig fand Knödel.
Den ganzen nächsten Tag verbrachte Knödel damit, all seine Freunde und somit auch die Freunde vom Langen aufzusuchen, um ihnen seine Idee zu unterbreiten und schmackhaft zu machen. 14 Jungs musste er dazu besuchen. 14 Mal dieselbe Geschichte erzählen. 14 mal jeden Zweifel aus dem Weg räumen. 14 Mal das geplante mit den größten, ihm zur Verfügung stehenden Worten bis in den Himmel loben, ohne dabei das eigentliche Geheimnis preiszugeben. Denn ein Geheimnis sollte es bis zum Schluss bleiben, wo und zu welchem Anlass das Fest stattfinden würde.
Die ganze Stadt musste er an diesem Tag durchqueren um alle Jungen, einen nach dem anderen, zu besuchen und auch wenn es eigentlich nur ein kleines Städtchen war, heute erschien sie Knödel wie die größte aller Städte und seine vor Muskelkater schmerzenden Füße bestätigten ihn in seiner Ansicht.
Als letzten suchte er dann den Langen auf. Schließlich musste auch dieser Bescheid wissen, um seine Vorbereitungen treffen zu können.
Auch wenn der Lange anfangs nur wenig Begeisterung zeigen mochte, für die Idee seines Freundes. Sogar schon bereute, jemals sein Einverständnis gegeben zu haben, siegte am Ende doch die Verlockung des anstehenden Festes und nicht zuletzt ein langezogenes, Bittendes "Aber Haaaans!" über die Vernunft.
Alles war bestens vorbereitet, fand Knödel und rieb sich in freudiger Erwartung die Hände, als er schließlich auch den Langen wieder verlassen hatte und fröhlich pfeifend nach Hause trabte.
Gleich morgen Abend würde es los gehen.
Das musste man Knödel zugestehen und war vielleicht eines der wenigen Dinge, die er mit seinem Vater gemein hatte, auf sein Organisationstalent, immer dann, wenn es darauf ankam, konnte man sich verlassen.
Schon bald hatten sich alle Jungs vor dem Rathaus der Stadt eingefunden. Der Platz vor dem Gebäude, war für alle die am kürzesten zu erreichende Strecke, hatte Knödel bestimmt. So tummelten sich auch schon bald 15 Jungs dort herum. Alle voll der ungeduldigen Neugier auf die Dinge, die da folgen würden.
15 Jungs?
Ja, denn den Langen, den würden sie alle gemeinsam abholen, schließlich war er am heutigem Abend die wichtigste Person überhaupt.
Zwei der Jungs zogen einen Handwagen hinter sich her, als die Gruppe sich endlich auf den Weg machte.
Dieser war schon gut gefüllt. Einige Flaschen Wein, Gläser, ja sogar ein paar Zigarren hatten sie geschafft zu "Organisieren", wie man den heimlichen Diebstahl in den heimischen Gefilden nannte.
Es dauerte nicht lange, bis sie in die Nähe der Wohnung des Langen angekommen waren. Ab hier machte sich Knödel alleine daran, das restliche Stück des Weges zurückzulegen. All zu auffällig wäre es gewesen, wenn plötzlich 15 Bengel in den Hinterhof des Gebäudes gezogen wären, in dem der Lange wohnte.
Alles war bis ins kleinste durchdacht und kaum hatte Knödel den Hof betreten, pfiff er so laut er konnte zum Fenster hinauf, hinter welchem der Lange ihn erwarten sollte. Nun, sein Pfiff war sicher nicht so laut und durchdringend, wie es der von Hans gewesen wäre. Aber doch laut genug, um gehört zu werden. Gleich darauf öffnete sich auch schon ein Fenster in einem der oberen Stockwerke. Der Lange schob seinen Kopf daraus hervor, gleichzeitig um sich schauend um sich zu vergewissern, dass die Luft rein war.
Für einen kurzen Moment verschwand sein Gesicht im Fensterrahmen, nur um auch sogleich wieder darin aufzutauchen. Er gab Knödel ein kurzes Handzeichen, dann begann er auch schon damit, einen gut zugebundenen Sack an einem Strick herunterzulassen.
Vorsichtig und wortlos nahm Knödel diesen entgegen und löste den Strick. Der Sack mit dem Grammofon war schwerer als er vermutet hätte, doch es würde schon gehen. Schnell zog der Lange den Strick wieder herauf, nur um gleich darauf einen weiteren Sack abwärts gleiten zu lassen. Auch diesen nahm Knödel entgegen, wusste er doch, ohne diesen Zweiten würde das Grammofon erst gar nicht funktionieren. Befand sich doch der Trichter in ihm.
Zum letzten Mal zog der Lange den Strick empor, verschwand dann damit im Haus, wo sich sogleich das Fenster schloss.
Keine zwei Minuten später stand Hans dann vor Knödel. Beide begrüßten sich fast lautlos, bevor jeder einen der Säcke an sich nahm. Schnell hatten sie ihre Freunde erreicht, die schon ungeduldig warteten.
Nun, jetzt waren sie komplett und es konnte endlich los gehen.
Nur Knödel kante das Ziel ihrer Wanderschaft durch die Stadt. Argwöhnisch beobachtet von späten Spaziergängern trabten alle jung´s eiligst hinter Knödel her. Besonders die beiden, welche den nun schwerer gewordenen Handwagen hinter sich herzogen, auf dem, neben all den anderen Dingen, auch das Grammofon seinen Platz gefunden hatte, bekamen dabei rote Backen und stöhnten, leise fluchend, vor sich hin.
Knödel führte die Truppe vorbei am Bahnhof, von dem er wusste, dass sein Vater heute dort Dienst tat. Dann schlugen sie einen großen Bogen. Eine ganze Weile trabten sie alle hinter Knödel her, der ganz genau wusste, wohin die Reise ging und langten schließlich wieder am Bahnhof an, nur dieses Mal von der anderen Seite, weit weg von den Gebäuden, Bahnsteigen und, was für Knödel das wichtigste war, weit weg von seinem Vater.
Hier draußen, abseits der Empfangshalle, standen all die Waggons, die erst noch für eine eventuelle Reise sortiert und auf den Weg gebracht werden mussten. Hier wurde gereinigt, gewartet, verschoben und, das wusste Knödel, nicht mehr einfach Bahnhof genannt, sondern Rangierbahnhof.
Zu gerne hätte Knödel seine Freunde zu einem der erste Klasse Waggons geführt und mit ihnen die vor ihnen liegende Feier auf diesen roten und so wunderbar weichen Sitzen gefeiert. Doch die erste Klasse Waggons standen gefährlich weit vorne, zu nah an dem Büro seines Vaters. So hatte er sich entschlossen, dass die dritte, oder Holzklasse, wie man sie nannte, ausreichen musste.
Zielstrebig steuerte Knödel auf einen, etwas abseitsstehenden Wagen zu und ja, stellte befriedigt grinsend fest, die Tür ließ sich öffnen.
Es erwies sich als unmöglich, den Handwagen über die Gleise zu ziehen. Den Freunden blieb deshalb nichts anderes übrig als diesen, etwas abseits, und gut versteckt zwischen einigen Büschen und Sträuchern, stehen zu lassen und all die Sachen von Hand zu dem Waggon zu schleppen.
Leise, so wie Knödel es ihnen geboten hatte, kletterten sie behände über die Schienenstränge, hinauf auf die Trittbretter des Wagens und hinein ins Innere ihres Festplatzes.
Knödel war der Letzte, der die Stufen erklomm. Leise verschloss er die Tür hinter sich und befahl dann, alle Vorhänge an den Fernstern zu schließen.
Es wurde dunkel im Inneren des Waggons. Aber auch daran hatten die Freunde gedacht. Einige holten Kerzen hervor, diese wurden auf dem Boden und den Ablagen verteilt und schon bald durchflutete schummriges Licht den Innenraum des Wagens.
"Plop" machte es, als schon bald darauf die erste Weinflasche ihres Korkens entledigt wurde. Das Klirren von Gläser, begleitet von leisem Lachen ertönte und unterdrücktes Husten begleitete die Schwaden von Zigarrenqualm, der sich so allmählich im Wagen auszubreiten begann.
Als alle Jungs endlich ihren Platz auf den harten Holzbänken gefunden hatten, war es an Knödel und Hans, endlich das Geheimnis und den eigentlichen Anlass ihrer Zusammenkunft zu lüften.
Gemeinsam öffneten die beiden vorsichtig die Verknotungen der beiden Säcke und hoben das darin verborgene hervor. Gespannte Erwartung breitete sich auf den Gesichtern aller anwesenden aus. Auch das Erste "Ah!" und "Oh!" ward nun zu hören, als die Ersten erkannten, um was es sich bei diesem Geheimnis handelte.
Lächelnd betätigte der Lange behutsam die kleine Kurbel, während Knödel ihm die sorgsam verpackte Schallplatte reichte.
Ein Raunen ging durch den Wagen, als dann endlich die ersten Takte der Musik erklangen.
Der Lange stand vor seinen Kameraden, sein Oberkörper schaukelte gewohnt gleichmäßig hin und her, nur wirkte es dieses Mal nicht deplatziert, sondern passte sich dem Takt der Musik an. Bis an die Ohren rot geworden, empfang er die Bewundernden Anerkennungen und lobenden Pfiffe seiner Freunde.
"Pfundig!", "Wow!", "Uui!", "Ahh!" erschallte es durch den Raum.
Ja, genau so hatte es sich Knödel vorgestellt.
Gläser und Flaschen wurden herumgereicht und war Knödel zu beginn auch noch etwas in Sorge gewesen, dass sein Vater sie vielleicht doch noch hören und ertappen würde, so wurden seine Bedenken alsbald hinweggefegt. Fort gespült von dem allzu Verlockendem, im Kerzenlicht Funkelndem rot, des so wunderbar im Bauch wärmenden Alkohols.
Ganz allmählich wurde es laut im Waggon und schon bald wurden selbst die Töne des Grammofons übertönt. Fröhliche Geselligkeit breitete sich aus, die auch schon bald darauf den Langen überwältigt hatte, so dass niemand mehr, nicht ein einziger der hier versammelten Freunde weitere Vorsicht an den Tag legte.
Laut und Fröhlich erklangen die Stimmen und bald schon hoben die Ersten an und es erklang ausgelassener Gesang.
Nun, wie jeder weiß, Alkohol hat nicht nur eine berauschende Wirkung auf den Geist des Menschen. Auch das Bedürfnis, sich nach Einnahme einer entsprechenden Menge zu erleichtern, steigt mit dem Genuss desselben.
So wundert es nicht, als dann nach und nach einjeder der Jungs hinaus auf die Plattform des Wagens gingen, welche durch die Türen, am ende des Waggons leicht zu erreichen waren, um von dort aus, hinunter auf die Schienen, diesem Bedürfnis nachzukommen.
War es nun ein Versehen oder gar Absicht?
Niemand mochte es hinterher sagen, fest aber stand, einer der Knaben musste an dem Silber glänzendem Rad gedreht haben, welches sich rechts, auf der Plattform befand und dem Lösen der Bremse diente.
Während drinnen, hinter noch immer verschlossenen Gardinen, das Fest fröhlich voranschritt, setzte sich der Wagen langsam in Bewegung. Unbemerkt von den Jungs rollte er erst ganz allmählich an, stetig schneller werdend, eilte er dann dem Bahnhof zu.
Zu spät erst bemerkten die Freunde, dass sich der Waggon selbstständig gemacht hatte.
Unablässig an Geschwindigkeit zunehmend raste er voran. Panik machte sich unter den Jungs breit, erste Schreie erklangen, dann schoss der einstige Festwagen auch schon am Büro des Bahnhofvorstehers vorbei.
Dieser war gerade dabei, die letzten Eintragungen des Tages in das große, vor ihm liegende Buch zu tätigen. Soeben setzte er den Punkt hinter den zuletzt geschriebenen Satz, der da lautete "Keine besonderen Vorkommnisse", als auch schon der unkontrolliert dahinrasende Wagen an seinem Fenster vorbeibrauste.
Knödels Vater sprang erschrocken auf, auch ihn erfasste Panik und alle erdenklichen Katastrophen türmten sich in seinen Gedanken wie eine Wand vor ihm auf.
Schnell stürmte er nach draußen und eilte dem Wagen hinterher. Er sah es schon vor sich, wie dieser auf einen der anderen Wagen krachte oder gar entgleiste. Schon glaubte er das zerbersten von Holz und das Kreischen brechenden Stahls zu hören, als ihm bewusst wurde, diese Laute drangen nicht aus seinen Gedanken an sein Ohr, sondern tatsächlich kam der Lärm aus dem Inneren des Wagens, dem er nun um so eiliger hinterher hastete.
Schreiend und mit vor Angst erstarrten Gesichtern, klammerten sich die Jungs im Inneren des Waggons an den Sitzen fest, während dieser schneller und schneller ihrem Schicksal entgegenraste.
Ein Wunder musste es wohl gewesen sein, ein Wunder, oder aber der "Dort oben" hatte seine schützende Hand über sie gelegt.
Der Waggon eilte durch den Bahnhof, vorbei an Gebäuden, Bahnsteigen und umherstehenden Wagen um schließlich mit einem ohrenbetäubendem "Rumms" hart gegen einen Prellbock zu krachen.
Abrupt endete hier die wilde Fahrt. Ein Ruck ging durch den Waggon, wild umherpurzelnde Jungs stießen sich Köpfe an, tuschierten mit Beinen und Armen die Bänke und Wände, bevor sie dann, zitternd und schwer atmend dort liegen blieben, wohin sie der Aufprall geschleudert hatte.
Eine kleine Weile wurde es still, dann begann sich der erste zu rühren und vorsichtig seine Gliedmaßen zu bewegen. Ängstlich darauf achtend, sich nichts gebrochen zu haben. Die anderen taten es ihm nach und schließlich rappelte sich einer nach dem anderen auf. Blass, sprachlos und die einstige Fröhlichkeit wie weggewischt, standen sie sich gegenüber.
Nur der Lange lag noch auf dem Boden, krampfhaft das Grammofon umklammernd, das bis auf eine winzige Delle im Trichter, heil geblieben war. Nur die Schallplatte war bei dem Aufprall vom Teller geschleudert worden und lag nun, in tausend Stücke zerborsten, in einer Ecke des Wagens. Erst die beruhigenden Worte von Knödel und die Zusicherung, dass dem Grammofon nichts geschehen war, konnten auch den Langen dazu bewegen, endlich aufzustehen.
Auch der Bahnhofsvorsteher hatte nun endlich den so plötzlich abgebremsten Waggon erreicht, aus dem nun nach und nach die Jungs zum Vorschein kamen. Der eine oder andere sich dabei, mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht, die nur leichten Blessuren reibend.
Nichts hätte sich Knödel in diesem Moment sehnlicher gewünscht, als das sich vor ihm die Erde auftun würde und er so den Blicken seines Vaters entfleuchen könnte. Doch soweit ging das Wunder nicht, das ihm dieser Gefallen vergönnt gewesen war.
Hatte die Feier auch ausgelassen und Fröhlich begonnen und einen angenehmen Abend versprochen, so gab es nun in der Stadt viele, still gewordene Jungs, die in ihren Betten lagen, die Augen an die Decke gerichtet und nicht schlafen konnte. Nicht zuletzt auch, weil ihnen die Kehrseite all zu sehr von der verordneten Strafe brannte.
Das Grammofon war zu seinem angestammten Platz zurückgekehrt. Die kleine Delle im Trichter würde den Langen noch viele, viele Jahre daran erinnern, an diesen Abend, welcher doch so einen fröhlichen Anfang genommen hatte.
Auch Knödel war es nicht besser ergangen, als seinen Kameraden.
Als Josefine sich an diesem Abend heimlich in sein Zimmer schlich, sich still neben ihm auf das Bett setzte, wortlos seine Hand in die Ihre legte wusste er, seine Schwester würde immer zu ihm halten, egal was auch immer geschehen mochte. Gern hätte er seinen Kopf gehoben und sie dankbar angelächelt, doch zu sehr schämte er sich, als das Er ihr ins Gesicht schauen hätte können. So drückte er nur ganz sanft ihre Hand.
Er wusste, dass er etwas falsch gemacht hatte und dieses Wissen rührte nicht alleine von dem ziehen seines Hinterteiles her, welches sein Vater tüchtig bearbeitet hatte. Er wusste, aber in dieses Wissen mischte sich auch eine kleine Portion Trotz und später, als er wieder alleine war, in seinem Bett lag und ins Dunkel starrte, wusste er ebenso, dass er es ihnen allen eines Tages beweisen würde. "Irgendwann würden sie schon sehen und erkennen, was in ihm steckte", dachte er bei sich. Irgendwann, da war er sich ganz sicher.
Texte: Ralf von der Brelie
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Lektorat: Michaela Schmiedel
Tag der Veröffentlichung: 31.05.2015
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