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Geliebte Hure

 Brief eines Ungehorsamen

 

 

 

Lange habe ich überlegt, an wen ich diesen Brief wohl adressieren könnte.

An die „Dort oben“ deren feiste Selbstgefälligkeit nur noch von ihrer Arroganz überflügelt wird?

An Merkel, deren einzige Entscheidung, die sie in ihrem Leben fällte, die war, niemals eine Entscheidung zu fällen.

Oder an Gabriel, dessen joviale Überheblichkeit darüber hinwegtäuschen soll, dass seine Partei, ehemals rot und den Arbeitern verpflichtet, schwarz geworden ist, so schwarz, dass sie selbst im Kohlenkeller noch Schatten wirft.

An die Grünen, die all ihre Ideale schon vor langer zeit über Bord warfen, um Mitspielen zu dürfen, in einem Spiel, dessen Opfer wir sind?

Oder an den kümmerlichen Rest, der sich selbst zerreibt?

An die dort rechts, deren Bedrohliche Intelligenz mir Angst macht?

Nein, sie alle würden diesen Brief wohl nicht lesen, nicht lesen wollen.

 

So schreibe ich an Dich, die Du mich aus deinem blutigem Schoß gepresst hast.

Deutschland - Mutter, Hure, geliebte, gehasste.

 

Ja, ich befürchte, auch Dich wird mein Brief nicht wirklich berühren. Du hast schon lange nichts mehr für mich übrig. Nichts für mich, nichts für all Deine anderen Kinder.

Und doch, ich Schreibe Dir, denn du stehst mir, trotz Deiner Ferne, immer noch am nächsten.

 

Nein, Deine Schönheit kann mich schon lange nicht mehr darüber hinwegtäuschen, welch hässliche Fratze sich dahinter verbirgt.

 

Millionen, denen Du das Leben nahmst.

Du hast es versprochen, hast behauptet, aus deinen Fehlern gelernt zu haben und wir haben es Dir geglaubt.

„Nie wieder Krieg von Deutschem Boden aus!“ hast Du in die Welt geschrien. Eine Verpflichtung, ein Versprechen an den Rest der Welt.

 

„Nie wieder Krieg, ohne Deutsche Waffen!“ das schreist Du heute. Wieder sterben Unzählige unter Deinem Namen.

Freundlich begrüßt Du sie, schüttelst ihnen die Hände, lächelst ihnen entgegen. All den Mördern, den Schlächtern, den Verrätern und Verbrechern an der Menschlichkeit.

Du sagst, Du müsstest das tun, denn der Halbmond würde auch uns bedrohen. Doch Du übersiehst, die Sichel hältst nur Du mit festem Griff. Zweitausend Menschen sterben jedes Jahr an unseren Grenzen. Menschen, auf verzweifelter Flucht vor der Unmenschlichkeit.

Du siehst das Werkzeug nicht in Deiner Hand, aber blitzend schlägt es durch die Massen.

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.

 

Menschlichkeit hattest Du Dir auf die Fahnen geschrieben. Ja, hattest Gesetze erlassen, um auch die zu schützen, die schwach und wehrlos sind.

All Deine Kinder sollten gleich sein. Sollten sich in Deinem Schoß sicher und geborgen fühlen. Nie wieder sollte es „Unwertes Leben“, sollte es „Untermenschen“ geben.

Aber nur die Worte hast Du abgeschafft, hast sie durch „Harz IV“ ersetzt.

So lässt Du sie auch heute wieder sterben.

Sie Verhungern, ihnen wird ärztliche Hilfe verweigert oder Verzweiflung treibt sie in den Selbstmord.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Doch wer Mensch ist, das bestimmst alleine Du.

 

Ja, Hure bist Du. Doch noch schlimmer, denn Du bist dabei, nicht nur Dich selbst zu verkaufen, auch uns, Deine Kinder, hast Du mit ganz oben auf die Rechnung gesetzt. TTIP, einmal unterzeichnet ist es das Grab unserer letzten Souveränität.

Und wir?

Wir stehen daneben. Schauen zu und Zucken mit der Schulter.

Schon einmal haben wir behauptet, wir konnten nichts dagegen tun.

Der Unterschied – damals, 1945, konnten wir sagen, wir haben von alledem nichts gewusst.

Heute wissen wir, doch tun noch immer nichts.

Wir, Deine Kinder, haben es von Dir gelernt, den Mund zu halten, was auch immer geschieht.

Dizipliniert, kalt, Gehorsam.

 

Nur einmal würde ich es mir wünschen, dass wir alle auf die Straße gehen. Die Fäuste in den Himmel strecken und ein Donnerndes, gemeinschaftlich heraus Geschrienes „NEIN!“ die lautlose Stille zerreißt.

Doch werden wir es jemals tun?

Wir, Deine Kinder, sind wohl die einzigen Menschen, welche nicht vom Affen abstammen.

Wir, wir stammen von den Duckmäusen ab.

Ein Volk ohne jede Zivilcourage.

 

Noch nicht all zu lange ist es her, das der deutsche Herbst durchs Land zog.

Du glaubst ihn überwunden, ihn hinter Dich gelassen zu haben.

Doch Du bist Alt geworden und spürst die winterliche Kälte nicht. Siehst nicht wie Eisblumen an den Fenstern, die Sicht nach draußen schon verzerren.

 

Deutschland-Mutter, Hure, Geliebte. Es gibt so viele gründe, Dich zu hassen.

So viele Gründe, sich von Dir loszusagen und Dir den Rücken zuzukehren.

Und doch ich bleibe.

Zu klein ist mein Hass, zu groß meine Liebe zu Dir.

Noch immer betört mich Deine Schönheit. Noch immer sind die Menschen, so wie ich es selbst bin.

Noch immer weiß ich, nur hier werde ich verstanden.

Der Wind in meinen Haaren, Regen und die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut, sind wie die letzten zärtlichen Umarmungen von Dir.

Deutschland, Deine Sprache, so wortgewaltig, so reich an Begrifflichkeiten. So schwer zu erlernen und doch, hat man es einmal geschafft, so birgt ihr Reichtum unendliche Möglichkeiten.

Die Schwerste, aber wohl auch die schönste aller Sprachen.

 

Deutschland, so viele sind unter Dir geknechtet, und doch, Du gibst mir auch noch heute die Ahnung, was Freiheit bedeutet.

 

Deutschland, noch glaube ich, es könnte sich was ändern.

Noch ist das Lachen nicht verklungen.

Noch Singen auch die Schmuddelkinder.

 

 

Deutschland, geliebte Hure.

Zu Hause bin ich überall, Daheim doch nur bei Dir.

 

 

Impressum

Texte: Ralf von der Brelie
Bildmaterialien: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 12.10.2014

Alle Rechte vorbehalten

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