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Blick zurück ins jetzt

 

 

 

 

 

 

Um es mit wenigen Worten zu sagen, halte ich alles was mit Wahrsagen, Hellsehen oder ähnlichem Schabernack zu tun hat für blanken Unsinn!

Sollte es tatsächlich möglich sein, in die Zukunft zu schauen, so hätte dieses doch zu bedeuten, dass diese Zukunft schon existent ist. Eine Art Parallelwelt zu unserer Gegenwart. Schicksal wäre nicht nur ein Wort, sondern tatsächliche Gegebenheit!

Ich lehne es entschieden ab, an etwas zu glauben, was sich Schicksal nennt!

Niemand von uns wäre dann mehr für seine Taten verantwortlich. Nicht für die Guten, nicht für die Schlechten.

Alles, was wir tun, wäre vom Schicksal vorbestimmt. Wer sollte uns also belohnen? Wer sollte uns gar bestrafen, für das, was wir tun und taten?

Nein, ich glaube nicht daran, dass „Schicksal“ uns unserer Verantwortung enthebt. Weder der Verantwortung für persönliches Handeln noch der Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, in der wir leben.

Ich lehne es entschieden ab, dass Menschen wie Hitler und Stalin uns unabwendbar vom Schicksal auferlegt worden waren. Ich lehne es ebenso ganz entschieden ab, an die vorbestimmtheit eines jeden Krieges zu glauben und an das Unabwendbare, dass von Tag zu Tag dreißigtausend Kinder in der Dritten Welt sterben müssen.

Ich lehne es ebenso entschieden ab, daran zu glauben, dass Menschen, die bereit waren, die Unversehrtheit ihres eigenen Lebens unter das Leben und die Liebe zu ihren Mitmenschen zu stellen, nur unter „Schicksal“ einzustufen.

Was hätte ihr Mut, ihre Entschlossenheit, ihre Aufopferung für einen Wert, wenn es doch nur vorbestimmtes Schicksal wäre?

Nein, meine Bewunderung für Menschen wie Mohandas Karamchand Gandhi (Gandhi), Michael King jr. (Martin Luther King) oder Anjezë Gonxha Bojaxhiu (Mutter Theresa) und vielen hier Ungenannten begründet sich nicht darin, dass uns diese Menschen vom Schicksal vorbestimmt waren, sondern darin, dass sie aufstanden, um NEIN zu sagen. Dass Sie die Kraft besaßen, ihre Angst zu überwinden, um der Gesellschaft, in der sie lebten, ihren Stempel aufzudrücken und das Gesicht derselben für immer zu verändern.

Sie alle waren nicht vorbestimmt, sondern wurden erst durch das Leben geformt und zu denen gemacht, welche uns heute in Erinnerung sind.

Nein, die Zukunft existiert nicht schon im Jetzt. Die Zukunft sind immer nur wir, die wir heute und in der Gegenwart leben.

Deshalb halte ich jede Form der Wahrsagerei für blanken Humbug.

 

Nun, da ich meine Ablehnung der Wahrsagerei gegenüber ausreichend dargelegt habe, wird es niemanden verwundern, dass mein Kontakt zu der selbigen eher als bescheiden zu bezeichnen ist.

Weder interessiert mich solche in irgendwelchem Maß, noch lese ich Horoskope, in denen kläglich versucht wird, die Zukunft zu deuten.

Mein einziger Kontakt zur Wahrsagerei liegt schon viele Jahre zurück.

Damals muss ich wohl in etwa vierzehn oder fünfzehn Jahre alt gewesen sein.

 

Alljährlich fand in unserem Dorf ein Volksfest statt. Ein kleines, aber gut besuchtes Ereignis. Bot es doch ein wenig Abwechslung vom täglichem Einerlei unseres Ortes, in welchem sonst nicht sehr viel los war.

Auch mich hatte es zum Festplatz gezogen. Doch es waren nicht die bunten Karussells und Buden, oder das Festzelt, auf dem mit mehr oder weniger großem Können, unsere örtliche Blaskapelle ihr Bestes gab, um die Menschen zu unterhalten, und zum Tanzen zu animieren, was mich zum Festplatz gezogen hatte.

Viel mehr war es das fahrende Volk, welches aus allen Himmelsrichtungen für wenige Tage in unser Dorf gekommen war und mich auf unbestimmte Weise faszinierte und in seinen Bann zog.

All die Menschen, welche so anders aussahen, als die, die ich sonst tagtäglich zu Gesicht bekam. Viele von ihnen hatten ein südländisches Aussehen und trugen Kleidung, welche so bunt und farbenfroh war, dass niemand im Dorf sich jemals wagen würde, diese in der Öffentlichkeit zu tragen, sollte er nicht beabsichtigen, einen Skandal herauf zu beschwören und zum Gespött der Leute zu werden.

All dieses Fremde ließ mich eine Welt erahnen, die mir völlig unbekannt war, in mir aber die Sehnsucht entfachte, dieses Unbekannte entdecken zu wollen.

So wundert es wohl nicht, dass ich mich nicht gemeinsam mit all den anderen Menschen aus dem Dorf auf dem Festplatz tummelte, sondern abseits desselben herum strich. Dort wo all die Wohnwagen der fremden Menschen einen Kreis um den Festplatz bildeten, trieb meine Neugier mich hin.

 

So schlenderte ich zwischen den Wagen umher. Meinen Blick dabei ständig hin und her schweifen lassend, um auch noch das kleinste und nichtigste dieser, für mich so fremden Welt, in mich einzusaugen.

Wohnwagen, so bunt und farbenfroh, wie die Menschen, die in ihnen lebten. Zwischen ihnen Leinen gespannt, auf denen ebenso farbenprächtige Kleidung zum Trocknen oder Lüften aufgehängt war.

Einzelne Hunde unbestimmter Rasse schlichen um die Wagen. Ihre Schnauzen dicht am Boden, schnüffelnd nach Essbarem suchend, nahmen sie kaum Notiz von meiner Gegenwart.

Fremd tönende Musik drang zu mir. Musik, deren Klänge mir ebenso fremd waren, wie die Sprache, in denen die Lieder erklangen. Aber auch wenn ich weder die Töne noch die Worte in etwas mir Bekanntem einzuordnen vermochte, so spürte ich doch die Fröhlichkeit und den Hauch der Melancholie, die sich in dieser Musik widerspiegelte.

 

Nur wenige Menschen sah ich, denn die meisten waren wohl damit beschäftigt, auf dem angrenzendem Festplatz irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Diener der bezahlten Fröhlichkeit.

 

Hinter mir erklang eine Stimme: „Junge, hallo Junge!“ rief diese. Abrupt drehte ich mich herum. Doch im ersten Augenblick konnte ich den Ursprung der Stimme nicht entdecken. Erst als die Stimme mich ein zweites Mal ansprach, erblickte ich eine alte Frau, die ihren Kopf aus dem Fenster eines der Wohnwagen hervorgestreckt hatte und mich nun wieder ansprach „Junge, was tust du hier?“. Ich spürte, wie mir röte ins Gesicht schoss und anstatt zu antworten, zuckte ich nur mit den Schultern. Ich hatte nichts Verbotenes getan und doch fühlte ich mich ertappt. Ertappt dabei, in eine Welt eingedrungen zu sein, in der ich nichts verloren hatte.

 

Wieder erklang die Stimme der alten Frau, doch dieses Mal fordernder „Junge, was tust du hier?“ Dabei bedeutete sie mir mit einem ihrer Zeigefinger näher zu kommen, was ich nur zögerlich tat.

 

Der Wohnwagen, aus dem die Alte blickte, war ein großer, hölzerner Kasten, welcher auf zwei Rädern stand. Unter der Deichsel war ein Gestell aus Holzbalken angebracht, welches den Wagen daran hinderte nach vorne zu kippen. Nur noch die abblätternde braune Farbe schien das rissige Holz, aus dem der Wagen bestand, daran zu hindern, vollends auseinanderzufallen. Zwei große Fenster, deren Rahmen einmal weiß gewesen sein mochten, nun aber unregelmäßiges Grau zeigten, beherrschten die Seitenansicht des Wagens. Unter jedem dieser Fenster war ein Kasten angebracht, in dem sich einige rot blühende Blumen zu behaupten suchten. Am hinteren Teil des Wohnwagens befand sich eine Treppe, deren drei, wenig Vertrauen erweckende Stufen, zum Eingang dieser Behausung führten.

Zögernd schritt ich näher heran. Als ich schließlich direkt vor dem Wagen zum stehen kam, musste ich meinen Kopf weit in den Nacken legen, um zu der Alten emporzublicken.

Ihr runzliges Gesicht ließ mich ihr Alter nicht einmal annähernd erahnen. Einen kurzen Augenblick schoss es mir durch den Kopf, dass sie wohl schon alt genug sein mochte, um beim letzten Abendmahl gekellnert zu haben.

Unzählige Falten durchzogen in tiefen Furchen ihr Gesicht, aus dem sie mich mit wachen Augen ansah. Ein farbenprächtiges Tuch, eng um den Kopf geschlungen, ließ nur wenige ihrer dünn gewordenen, grauen Haare hervorschauen.

Noch einmal wiederholte sie ihre Frage „Was suchst du hier?" Ich hörte mich ein klägliches

"Nichts“ ausstoßen. „Wie ist dein Name, Junge?“, „Ralf “ antwortete ich ihr schüchtern, dabei auf den Boden zu meinen Füßen schauend. "Komm herein, Ralf!„ Teils erschrocken, teils neugierig schaute ich zu ihr empor. „Komm!“ forderte sie mich ein zweites Mal auf. Dabei mit ihrem knochigem Zeigefinger, mit dem sie mich eben noch zu sich gewunken hatte, Richtung Treppe weisend. Ein leises Lächeln ließ einen zahnlosen Mund erblicken. "Nun komm schon, lass dich nicht erst lange bitten!„

Ich weiß nicht, weshalb ich damals dieser Aufforderung folge geleistet habe, denn mein erster Impuls bestand darin, einfach davon zu laufen. Vielleicht war es die Bestimmtheit, mit der sie mich hieß, zu ihr in den Wagen zu kommen. Eine Bestimmtheit, die keinen Widerspruch duldete und unter deren Entschlossenheit sich für einen Moment selbst die Blumen in den Kästen zu ducken schienen.

Langsam wendete ich mich der hölzernen Treppe zu, die ich schließlich emporstieg. Knarrend hielten die Stufen meinem Gewicht stand. Nur drei Stufen und doch schien es mir die längste Treppe der Welt.

Vorsichtig öffnete ich die Tür zum Inneren des Wagens.

Es war August, ein herrlicher Sommertag und doch, hier drinnen herrschte Dunkelheit. Vorhänge aus dickem, dunkelrotem Stoff verbannten das warme Licht der Sonne. Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an das wenige, vorhandene Licht, welches von einigen, wahllos im Raum verteilten Kerzen stammte. Allerlei seltsame Gegenstände standen überall herum, hingen sogar von der gewölbten Decke des Wohnwagens herab, welcher nun, wo ich ihn betreten hatte, größer wirkte, als es von außen den Anschein gehabt hatte.

Ausgestopfte Vögel, deren einst glänzendes Gefieder nun Staubbedeckt und grau geworden war, standen auf den wenigen Möbelstücken, die das spärliche Mobiliar bildeten. Auch direkt über meinem Kopf schwebte einer dieser Vögel. Ein großes, schwarzes Ding hing dort an unsichtbaren Fäden. Mit ausgebreiteten Schwingen und toten Augen aus Glasperlen, in denen sich meine kümmerliche Gestalt spiegelte, schien es mir tief in die Seele zu blicken.

 

Die Wände waren verziert mit allerhand Symbolen, deren Bedeutung mir völlig unbekannt waren, deren Sinn ich aber gerne verstanden hätte. Und doch überkam mich eine Ahnung, sollte ich all dieses Unbekannte verstehen, würde es mich erbarmungslos in den Wahnsinn treiben.

An den wenigen Stellen, an denen die Wände frei waren von Symbolen und seltsam anmutenden Schriftzeichen, waren Regale angebracht, auf denen allerhand Gläser, Tiegel und Flaschen standen, deren Inhalt mir verborgenen blieb.

 

Das sanfte Flackern der wenigen Kerzen warf Schatten in den Raum, deren Dunkelheit tänzelnd nach dem wenigen Licht zu greifen schien, mit dem Ziel, auch dieses zu verschlingen.

Die Alte hatte in der Zwischenzeit an einem runden Holztisch Platz genommen. Dieser stand direkt mir gegenüber in der Mitte des Wagens. Auch auf diesem kleinem Tischchen stand eine entzündete Kerze, deren schwacher Schein gespenstisches Licht auf das Gesicht der Alten warf. Ihre Falten schienen dadurch noch tiefer, ihre Augen noch lebendiger und durchdringender zu werden.

Furcht stieg in mir empor und als hätte die Frau diese gespürt, sagte sie „Fürchte dich nicht. Komm, setz dich", dabei deutete sie mit ihrer rechten Hand auf den einzig freien Stuhl im Raum, welcher direkt ihr gegenüber an dem Holztisch stand.

Langsam und mit pochendem Herzen erreichte ich diesen und ließ mich schließlich darauf nieder.

Ohne ein weiteres Wort an mich zu richten, blickte sie mich an, schien geradewegs in mich hinein, durch mich hindurchzuschauen.

Nur zögerlich brachte ich den Mut auf, auch sie genauer zu betrachten.

Obwohl es draußen warm war und hier im inneren des Wagens eine stickige Hitze herrschte, trug die Alte dicke, wollende Kleider. Ein ebenso farbenprächtiges Halstuch, wie es schon ihr Kopftuch war, schmückte ihre Schultern. Eine Halskette aus bunten Perlen lag um ihren schlanken, sehnigen Nacken. Auf den Perlen konnte ich vereinzelt dieselben Symbole entdecken, welche schon die Wände des Wohnwagens verzierten.

An Ihren Handgelenken trug sie einige goldene Armreifen, welche ein leises, klirrendes Geräusch verursachten, wenn sie bei den wenigen Bewegungen der Alten, aneinander schlugen. Die Finger beider Hände waren mit auffällig großen Ringen geschmückt. Auch diese trugen die mir nun schon bekannten Ornamente.

 

Heute kann ich nicht mehr sagen, wie lange wir uns so gegenüber saßen und uns gegenseitig betrachteten. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor.

 

Irgendwann beugte sie sich vor, kam dabei meinem Gesicht immer näher. „Ralf" sagte sie, und obwohl ich nicht wusste, sollte dieses nun eine Frage, oder nur eine Feststellung sein, antwortete ich mit „Ja.„

Sie schaute mir direkt in die Augen, und obwohl ich es gerne getan hätte, wagte ich nicht, ihrem Blick auszuweichen.

 

Abrupt griff sie nach meinen Händen und zog diese zu sich heran. Mit erstaunlich festem Griff hielt sie nun meine beiden Hände in den ihren. Doch schon nach wenigen Augenblicken ließ sie von meiner linken Hand ab, schob diese, voller Desinteresse von sich und widmete sich allein meiner rechten Hand.

Zögernd zog ich meinen linken Arm von ihr fort, bis dieser unter dem Tisch auf meinem Schoss zu liegen kam.

Die Alte drehte und wendete meine rechte Hand, betrachtete sie von allen Seiten, strich hier und da mit ihrer eigenen rechten Hand über meinen Handrücken oder berührte diesen nur sanft mit ihrem Zeigefinger.

All das ließ ich ohne Widerspruch geschehen.

 

Dann endlich drehte sie meinen Handrücken Richtung Tischplatte, drückte diese nun sanft aber bestimmt nach unten, so das meine Hand, mit der Handfläche nach oben, auf dem Tisch zu liegen kam.

Die alte Frau beugte sich abermals vor, betrachtete erst mich, bevor sie sich wieder meiner Handinnenfläche zuwendete.

Langsam, aber mit unerwarteter Kraft strich sie mit der Handfläche ihrer rechten Hand, über die meine. Ich wagte es nicht, mich zu rühren, ihr gar meine Hand zu entziehen.

Jetzt begann sie mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand, die Linien meiner Handflächen nachzuziehen. Unverständliches, fast lautloses Gemurmel drang dabei über ihre Lippen.

 

So plötzlich, wie sie meine Hände an sich gerissen hatte, so plötzlich begann sie zu sprechen. Mit vorgebeugtem Oberkörper und fortwährend die Innenfläche meiner Hand betrachtend, sprach sie „Du wirst viele Reisen unternehmen, wirst viele fremde Länder und Menschen kennenlernen. Nur wenige, aber dafür gute Freunde werden deinen Lebensweg begleiten.“

Kaum des Atmens fähig, saß ich ihr gegenüber. Mein Herz schlug pochend gegen die Innenseite meiner Brust, so als wollte es jeden Moment herausspringen.

Ich glaubte, die Alte müsse das laute Klopfen meines Herzens hören können, so wie es in meinen Ohren widerhallte. Doch diese sprach unbeirrt und mit ruhiger Stimme weiter. „Du wirst ein glückliches Leben führen." Ein Moment des Zögerns unterbrach den gleichmäßigen Klang ihrer Stimme. Wieder strich sie mit ihrer Handfläche über die meine. Dann fuhr sie mit dem Zeigefinger eine der Linien meiner Handfläche nach. Einmal, zweimal, immer wieder. So, als würde sie versuchen wollen, die schwachen Falten, welche die Linien meiner Handflächen bildeten, einzuebnen.

Dann schaute sie mich an, blickte mir direkt in die Augen, legte mir ihren Zeigefinger, welcher eben noch rastlos über meine Hand strich auf einen Punkt in meiner Handfläche und sprach „Du wirst sterben."

Wie sehr ich erschrak, mag man sich vorstellen.

Auch sie, die Alte, spürte sogleich mein Entsetzen.

Mit festem druck um meine Hand, welche ihr soeben mein Todesurteil verkündet hatte, beschwichtigte sie doch sogleich „Nein, nicht jetzt, nicht sofort wirst du sterben. Noch ist deine Zeit nicht gekommen. Aber Dein Leben wird nicht sehr lange währen. Deine Lebenslinie hat es mir verraten, älter als fünfzig Jahre wirst Du nicht werden."

Erleichterung ließ das rasen meines Herzens nachlassen. Ich spürte, wie wieder das, noch eben zu Eis erstarrte Blut, warm in meinen Adern zu fließen begann.

 

Noch einmal richtete sie ihre Stimme an mich „Mach dir keine Sorgen. Fünfzig Lebensjahre ist nur eine kurze Spanne, aber bis dahin wirst du glücklich sein und das ist sehr viel mehr, als viele andere über ihr Leben, währt es auch noch so lang, berichten können."

 

Einen Moment noch schauten wir uns an. Dann sagte sie „Du kannst jetzt gehen, aber denke daran, was auch immer geschehen soll, wird geschehen!„

 

Schnell sprang ich auf. Ich wollte nur raus hier. Fort von dieser alten Frau, welche mir so unheimlich anmutete. Nur fort. Hinaus in die wärmenden Strahlen der Sonne. Hinaus ins Licht.

 

Ich drehte mich nicht noch einmal um. Stürzte hinaus ohne Gruß, ohne ein auf Wiedersehen, nach welchem mich auch nicht wirklich verlangte.

 

 

Nun, dieses war meine einzige Begegnung mit der Wahrsagerei und bestärkte mich nur darin, jeden Versuch die Zukunft zu deuten, als blanken Unfug abzutun.

 

Was hatte mir die alte Frau damals schon groß mitgeteilt?

Dass ich viel reisen würde, andere Länder und Menschen kennenlernen dürfte?

Welch eine Voraussage, wo doch die Entfernungen in unserer heutigen Welt immer kleiner werden und das Reisen zu einem Volkssport geworden ist.

 

Das ich nur wenige, aber dafür gute Freunde haben werde?

Oh ja, das ist zutreffend. Aber wer kann von sich behaupten, viele und durchweg alles gute und wirkliche Freunde zu haben?

 

Dass ich ein glückliches Leben führen werde?

Was ist dann die Definition von Glück?

War und bin ich wirklich glücklich, oder einfach nur zufrieden?

 

Nun, und was ist mit meinem prophezeitem, frühem Tod?

Damals, als ich vierzehn oder fünfzehn war, hat mir diese Prophezeiung keine Angst gemacht. Für einen so jungen Menschen sind fünfzig Lebensjahre geradezu salomonisch.

Und heute?

Nein auch und gerade heute, verursacht mir der Gedanke daran, mit fünfzig sterben zu müssen, keine furcht. Denn genau heute vor fünfzig Jahren bin ich geboren. Heute ist mein fünfzigster Geburtstag und mir geht es ausgesprochen gut!

Nicht das kleinste Zipperlein verdirbt mir die Gesundheit, geschweige denn eine ernsthafte Krankheit, die meinen baldigen Tod zur Folge hätte.

 

Nein, meine Begegnung damals, die wohl eher als unfreiwillig zu gelten hat, hat mich geradezu darin bestärkt, die Wahrsagerei als blanken Unsinn abzutun!

 

 

 

Aus dem Polizeibericht

 

 

Gestern, in den frühen Abendstunden, fanden einige Personen in einer Wohnung die Leiche eines Mannes.

Die Personen, deren Namen der Polizei bekannt sind, waren mit dem Mann befreundet und wollten gemeinsam mit diesem, seinen fünfzigsten Geburtstag feiern. Als trotz mehrmaligem, vergeblichem Läuten an der Wohnungstür, diese nicht geöffnet wurde, drangen die Personen mit Gewalt in die Wohnung ein.

Dort entdeckten sie den Wohnungsinhaber im Wohnzimmer reglos auf dem Teppich liegend.

Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod des Bewohners feststellen.

Die genaue Todesursache steht noch nicht fest. Die Polizei schließt ein Verbrechen allerdings aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Lektorat: Michaela Schmiedel
Tag der Veröffentlichung: 06.04.2014

Alle Rechte vorbehalten

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