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Schwarz

Ein Souvenir aus Afrika

 

 

 

Lange hatte ich nichts mehr von ihm gehört, viel zu lange! Zugegeben, unsere Freundschaft war wohl eher als lose zu bezeichnen. Auch waren wir beide nicht die wirklich großen Telefonierer. Jedes Telefongespräch, dass länger als eine Minute dauerte, war gehaltloses Geplapper, so meinten wir beide. Aber trotzdem, ich machte mir wirklich Sorgen, denn seit Wochen hatte ich schon nichts mehr von ihm gehört!

Ich beschloss, ihn aufzusuchen. Vorsichtshalber nahm ich den Schlüssel für seine Wohnung mit, den er mir vor langer Zeit mit den Worten „Man kann ja nie wissen“, überlassen hatte. Noch nie hatte ich diesen Schlüssel benutzt, benutzen müssen.

 

Als ich vor dem Haus stand, in dem er wohnte, wirkte dieses Verlassen. die Fenster waren, soweit ich sehen konnte, alle geschlossen.

An einigen Fenstern waren die Rollläden heruntergelassen.

Ein unruhiges, dumpfes Gefühl machte sich in meinem Magen breit.

„Nun los!“, machte ich mir selbst Mut.

Langsam ging ich auf die Haustür zu. Der Blick auf den Briefkasten, rechts neben der Eingangstür, verhärtete meinen Verdacht. Der Briefkasten quoll über, einige der Poststücke lagen auf dem Fußabstreifer vor der Eingangstür. Sie hatten keinen Platz mehr gefunden, im übervollem Briefkasten und so hatte der Postbote diese wohl einfach vor die Tür gelegt.

Auch wenn ich nicht viel Hoffnung hatte, dass mir tatsächlich jemand die Tür öffnen würde, drückte ich zaghaft auf den Klingelknopf.

Das Melodische Leuten der Haustürglocke schallte im Inneren des Hauses durch die Zimmer.

Nichts geschah.

Noch einmal betätigte ich die Klingel, doch auch dieses mal - nichts.

Langsam holte ich den Schlüssel hervor, spürte, dass ich leicht zitterte und mein Herz klopfte mit heftigem Pochen.

Vorsichtig, als könnte mir schon das Türschloss irgendetwas antun, steckte ich den Schlüssel ins Schloss.

Mein Herz raste nun. Selten das mir etwas so schwerfiel, wie das umdrehen des Schlüssels im Türschloss.

Was erwartete mich dort drinnen?

In meinem Kopf schwirrten die dunkelsten Fantasien umher. Im Geiste sah ich meinen Freund dort drinnen liegen, schon seit Wochen tot.

Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter und einen kurzen Moment wollte ich zurückweichen.

Vielleicht sollte ich doch lieber nicht völlig allein dieses Haus betreten?

Vielleicht wäre es besser, lieber die Polizei zu rufen?

Aber was, wenn doch alles in Ordnung war?

Würde ich mich dann nicht lächerlich machen?

Ich traf eine Entscheidung!
Tief holte ich noch einmal Luft, dann drehte ich vollends den Schlüssel im Schloss herum und stieß die Tür auf.

 

In der Wohnung war es Dunkel, nur wenig Tageslicht fiel durch die nun geöffnete Haustür herein. Alles lag im Schummerlicht und es war still, sehr still.

Langsam und vorsichtig trat ich ein, spürte meine Angst, die vom Magen über meinen Rücken, hinauf zum Nacken kroch.

Es roch muffig. Es musste schon lange her sein, seitdem die Fenster das letzte Mal geöffnet worden waren. Auch ich traute mich nicht, einen der heruntergelassenen Rollläden herauf zu ziehen, um ein Fenster zu öffnen. Stattdessen drückte ich auf den Lichtschalter rechts der Tür.

Ich fühlte mich wie ein Dieb.

Im aufflammenden Licht sah ich Staub, der durch die Luft glitt.

Ich durchquerte den Hausflur. Rechts von mir lag das Schlafzimmer. Die Tür war geöffnet und vorsichtig blickte ich hinein.

Auch hier knipste ich das Licht an.

Das Bett war durchwühlt, aber der Staub auf der Laken sagte mir, dass es schon lange nicht mehr benutzt worden war.

Direkt neben dem Schlafzimmer lag das Bad, die Tür war geschlossen. Langsam und vorsichtig drückte ich die Klinke herunter, schob ebenso sachte die Tür auf.

Auch das Bad war leer. Ein Handtuch lag auf dem Boden, gerade so, als wäre eben erst jemand unter der Dusche hervorgekommen. Aber auch hier nur Staub und leere.

Auf der anderen Seite des Flurs befand sich die Küche, auch hier war die Tür geschlossen, auch hier öffnete ich diese sehr vorsichtig und blickte hinein, aber auch hier war schon lange niemand mehr tätig gewesen.

In der Spüle standen einige benutzte Teller, Schimmel hatte sich auf ihnen gebildet und es roch unangenehm.

Nun blieb mir nur noch das Wohnzimmer.

Wieder spürte ich mein Herz in meinem Hals pochen und fühlte, wie ich heftiger zu atmen begann. Das Wohnzimmer war das letzte Zimmer in der Wohnung, in dem ich meinen Freund vorfinden könnte.

Die Tür zum war nur angelehnt.

Ich dachte daran, wie oft mein Freund und ich dort drinnen gesessen, Wein tranken und ganze Nächte durch diskutiert hatten. Gespräche, die mir sehr angenehm in Erinnerung blieben und die unsere Freundschaft über die vielen Jahre, die wir uns kannten, stetig festigten.

Ich drückte langsam die Tür auf, ein schneller Blick durch den Raum gab mir die Erkenntnis, auch hier würde ich meinen Freund nicht vorfinden.

Ich fühlte mich seltsam erleichtert, hatte ich ihn doch schon als Leiche vor mir gesehen.

Ich trat ein.

Das Wohnzimmer, so wusste ich, war der größte Raum in der Wohnung.

Links von mir stand die Couch. Lange schon waren die ledernen Sitzflächen abgenutzt und unansehnlich geworden. Davor der mächtige Eichentisch, eine leere Tasse stand auf diesem. Auf der Couch lagen Bücher und Zeitschriften verstreut. Auch auf dem Teppich vor meinen Füßen lagen Bücher, zum teil aufgeschlagen. An den Wänden Regale, auch diese voll mit Büchern, Mappen und Zeitschriften.

Nichts stand ordentlich in den Regalen, alles lag durcheinander, nichts schien nach irgendeinem, mir bekannten System geordnet zu sein.

Rechts von mir das große Fenster, die Gardinen davor waren zugezogen.

Vor dem Fenster der Schreibtisch, überseht von Schriftstücken. Auch hier stand eine noch halb volle Kaffeetasse. Schimmel hatte sich auf dem Kaffee gebildet. Auf den Papieren neben der Tasse befanden sich zum teil braune Ränder, wie, als hätte jemand dort hin und wieder eine Kaffeetasse abgestellt.

Der Raum wirkte unordentlich, aber so wie ich ihn aus meiner Erinnerung kannte.

Mein Freund war nie besonders ordentlich gewesen, auch das hatten wir wohl gemeinsam.

Ich wusste, der Schreibtisch war das wichtigste Möbelstück in der Wohnung, hier verbrachte mein Freund die meiste Zeit. Lesend, schreibend oder einfach nur nachdenkend.

Ich ging auf den Schreibtisch zu. Der einfache Stuhl davor, dessen Sitzauflage auch schon sehr viel bessere Tage gesehen hatte, wirkte unbequem. Ein einfacher Küchenstuhl. Ich habe nie verstanden, wie mein Freund es stundenlang auf diesem Möbelstück aushielt, wusste aber, dass es nicht seine Art war solchen, für ihn unwichtigen Dingen, Bedeutung beizumessen.

Ich setzte mich.

Mein Blick schweifte über die vor mir liegenden Papiere.

Alles schien durcheinander und ohne jede Ordnung.

Dort lagen einzelne Zettel mit Notizen, ebenso ein Stapel Briefe. Dass meiste waren aber wohl Rechnungen und Werbeanschreiben, jedenfalls nichts mit einer persönlichen Handschrift.

Nichts schien mir an diesem Sammelsurium von Briefen, Zetteln und losen Blättern irgendwie interessant zu sein. Bis mein Blick auf einen Schreibblock fiel, der, halb verdeckt von diversen Schriftstücken, vor mir lag. Wahrscheinlich wäre auch er mir nicht weiter aufgefallen, wenn meine Augen nicht die ersten Worte auf dem Block erfasste hätten - „Was geschieht mit mir?“

Ich nahm den Block an mich. Ein ganz normaler Schreibblock, wie es ihn billig in jedem Supermarkt zu kaufen gab. Dass oberste Blatt fleckig, zum teil waren die Ecken geknickt.

Schließlich begann ich zu lesen:

Was geschieht mit mir?

Ich weiß es nicht, nur weiß ich, dass ich es aufschreiben muss, um nicht einzuschlafen und um meine Angst zu betäuben.

Vielleicht wird irgendwann einmal irgendwer dieses hier lesen. Vielleicht wird es irgendwann einmal eine Erklärung für das, was mit mir passiert, geben.

Ich habe keine dafür, ich habe nur Angst. Angst, die mich aufzufressen droht. Angst, die meine Brust umklammert und mir das Atmen schwerfallen lässt.

Und ich weiß, ich darf nicht einschlafen!

Aber ich versuche, mich zu konzentrieren, versuche, meine Gedanken zu ordnen, versuche, von ganz vorne zu beginnen:

Vor nun etwa zwei Jahren war ich in Burkina Faso, Westafrika.

Ein schöner Urlaub sollte es werden. Ein schöner Urlaub wurde es auch. Abseits aller Touristenströme, wollte ich das Land, die Menschen und die Kultur kennenlernen.

Von Ouagadougou, der Hauptstadt aus, fuhr ich ins Landesinnere. Die Gastfreundlichkeit, Herzlichkeit und Neugier der Menschen, machte es mir leicht, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Meine Kenntnis der französischen Sprache trug ein übriges dazu bei, dass es mir leicht fiel, etwas von der Seele dieses Landes aufzunehmen und zu einem kleinem teil zu meiner eigenen zu machen.

Ich will jetzt und hier nicht über all die Menschen und Dinge berichten, die mir begegneten, denn ich spüre die Müdigkeit in mir, gegen die anzukämpfen immer schwerer fällt. Ich weiß, egal was ich auch tun werde, irgendwann werde ich unweigerlich einschlafen, und dann?
Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich nicht mehr sehr viel Zeit habe, dem Schlaf zu entrinnen.

 

Einige Länder habe ich in einem Leben schon bereisen dürfen. Jede dieser Reisen bereicherte mein Dasein und öffnetet mir den Blick für Neues.

Was ich aber nie tat, war, mir Souvenirs von diesen Reisen mitzubringen.

Meine Fotos, Gespräche und die Gedanken an Erlebtes, waren mir Erinnerung genug. Ich hatte noch nie viel übrig, für irgendwelchen touristischen Schund.

So lag es auch nicht in meiner Absicht, mir irgendein Souvenir aus Burkina Faso mit nach Hause zu nehmen.

Dass ich es dann doch tat, war vielleicht Bestimmung, vielleicht auch Schicksal?

 

Ich war auf meiner Reise durch Burkina Faso in einem Dorf namens Boni gelandet.

Boni lag etwas abseits der normalen Route zwischen Ouagadougou und Bobo Dioulasso, der zweitgrößten Stadt Burkina Fasos.

Eigentlich hatte ich nur einen Tramper unterwegs aufgelesen. Ein Einheimischer, der unterwegs von einem Markt nach Hause war. Sein Ziel war eben dieser Ort Boni.

Seine Dankbarkeit darüber, dass ich ihn mitnahm, für mich sowieso kein großer Umweg, wollte er zeigen, in dem er mich zu sich nach Hause einlud.

Neugierig nahm ich diese Einladung gerne an.

 

Boni ist ein sehr kleines Dorf, ohne befestigte Wege, ohne Strom und Wasserzufuhr.

Ein Dorf, wie es sie zu Tausenden in Afrika gibt.

Am Rande des Dorfes lag ein, nur etwa 100 Meter hoher Hügel.

Wie mir die Einheimischen berichteten, bestand Boni eigentlich aus vier einzelnen Dörfern, die, in jeder Himmelsrichtung eines, am Fuße dieses Hügels lagen.

Mit dem Hügel hatte es eine besondere Bewandtnis. Dort oben, so erzählte man mir, wohnten die Geister der Ahnen, um von dort das Dorf zu bewachen, zu schützen oder zu strafen. Je nachdem, wie auch immer ihnen gerade zumute war.

Bei dem gemeinsamen Essen, welches uns bald nach unserer Ankunft dargereicht wurde, erzählte man mir viel über die Menschen aus Boni. Ihre Gewohnheiten, ihre schwere Arbeit auf den Feldern, den vielen male, als die Ernte ausblieb, weil die Trockenheit, die sowieso schon kargen Böden noch ärmer machte. So das all die Arbeit, der Versuch Mutter Erde ein wenig an Leben zu entlocken oft vergebens war.

Aber in diesem Jahr war der lang herbeigesehnte Regen gekommen und hatte die Felder fruchtbar gemacht und die Ernte war erfreulich gut ausgefallen. Die Geister, droben auf dem Hügel, schienen wohlgesonnen zu sein.

Auch berichtete man mir von den Festen, die kurz bevorstanden. Von den Masken, die, Jahrhunderte alt, oben auf dem Hügel in einer Höhle untergebracht waren und nur einmal im Jahr von wenigen, ausgewählten Männern des Dorfes, von dort heruntergeholt wurden.

Man berichtete mir von den Tänzen und Zeremonien, für die diese Masken ein wichtiger Bestandteil waren.

Gern hätte ich mir das alles angeschaut. Aber die Festlichkeiten, von denen mir berichtet wurde, lagen in einer Zeit, in der ich schon lange wieder zurück daheim sein würde.

Dann erzählte mir einer der alten Männer, dass einer seiner Söhne sehr geschickt war und neben vielen anderen Dingen, auch eine dieser Masken nachgeschnitzt hatte.

Kaum hatte er mir dieses berichtet, wurde er auch schon zurechtgewiesen.

Alles verstand ich nicht, aber so viel, dass es sich wohl um ein Sakrileg handeln müsse, was der Sohn mit seiner Schnitzerei getan hatte, verstand ich schon.

Die Masken waren etwas Heiliges für diese Menschen, diese nachzumachen, schien Frevel zu sein.

Aber trotzdessen wurde jemand fortgeschickt, den Sohn des alten Mannes zu holen.

Es dauerte auch gar nicht lange, bis der Sohn des Alten durch die Tür der Hütte trat, in der wir saßen.

Ein groß gewachsener, junger Mann, sehr schlank, fast schlaksig.

In seiner einen Hand trug er etwas, das in ein Tuch gewickelt war. Man bedeutete ihm, mir dieses zu reichen.

Wortlos, aber grinsend, streckte er mir seine Hand mit dem Bündel entgegen.

Ich nahm es in Empfang, faltete das Tuch auseinander.

In meiner Hand hielt ich nun eine Miniatur, einer der für das Dorf und seine Menschen so wichtigen Kultgegenstände.

Die Maske war nur etwa zwanzig Zentimeter hoch.

Handwerklich war sie sicher ordentlich gearbeitet. Aus dunklem Holz, mit bunten Perlen besetzt, schaute mich eine menschenähnliche Fratze an. Die Maske war nicht sehr schön, jedenfalls nichts, was ich mir zu Hause an die Wand hängen würde.

Warum ich sie dann trotzdem kaufte?

Vielleicht, weil sie mir als etwas Frevelhaftes dargeboten wurde und mich dieses reizte?

Vielleicht weil ich mich, nach so viel Gastfreundschaft erkenntlich zeigen wollte?

Vielleicht auch nur, weil sie mir einfach günstig zum Kauf angeboten wurde?

Ich weiß es nicht!

Nur das, als ich das Land wieder verließ, die Maske mit in meinem Reisegepäck lag.

 

Daheim angekommen, war ich versucht, die Maske einfach zu entsorgen.

Stattdessen aber, legte ich sie in meinen Schlafzimmerschrank.

Eine Weile vergaß ich sie völlig.

Solange bis die Träume begannen.

Albträume, die mich angsterfüllt und schweißgebadet aufwachen ließen.

Der Traum war immer derselbe, nur eine Kleinigkeit änderte sich jedes Mal und davor hatte ich die größte Furcht.

In meinem Traum stehe ich auf einem Hügel. Es ist Dunkel um mich herum, meine Augen gewöhnen sich nur langsam an diese Dunkelheit.

Über mir stehen die Sterne am Firmament, zum Greifen nah.

Dann nehme ich die Trommeln wahr. Die Nacht ist erfüllt von den gleichmäßigen Klängen der Trommeln und ich weiß, ich bin in Afrika.

Irgendwo, völlig allein, umgeben von der Nacht und dem Warmen, samtenem Wüstenwind.

Dann erblicke ich weit unter mir Lichter.

Lagerfeuer erahne ich sogleich.

Dort sind Menschen, dort will ich hin. Dort würde ich nicht mehr allein sein.

Doch meine Beine gehorchen mir nicht. Ich will gehen, aber sie bewegen sich, trotz all meiner Willenskraft, nicht einen Zentimeter weit.

Ich versuche, meine Hände zu Hilfe zu nehmen.

Umklammere mein eines Bein mit beiden Händen, zerre und ziehe. Aber nichts, es bewegt sich nicht den winzigsten Millimeter.

Entmutigt richte ich mich auf.

Dort steht sie!

Dort wo soeben noch die Sterne leuchteten, ist nur noch die Maske zu sehen. Diese Fratze, die mich anstarrt, so starr, so unendlich Böse. Ich sehe die Augen, die nichts als leere Höhlen sind. Erfüllt nur mit Dunkelheit und grenzenloser schwärze. Schwarz, das alles verschluckt, jedes Licht, jedes Leben, jede Seele.

Komme ich der Maske näher?

Kommt sie mir näher?

Das Dunkel kommt mir näher!

Zieht mich an, will mich in sich hineinziehen!

 

Dann wache ich auf, kalter Schweiß rinnt mir die Stirn entlang. Mein Herz rast vor Angst und ich habe das Gefühl, dass meine Brust, wie mit eiserner Hand, zusammengedrückt wird.

Es ist die Maske, dieselbe, die ich damals in Burkina Faso erstanden hatte.

Dieselbe, die schon fast vergessen, in meinem Kleiderschrank liegt.

Ich glaubte, ich könnte diesem Traum entfliehen, in dem ich die Maske loswerden würde.

Aber nein, die Maske ist fort, doch der Traum ist mir geblieben.

Immer und immer wieder derselbe Traum, der mich quält. Aber in jedem Traum komme ich der Dunkelheit, der absoluten Schwärze näher und habe sie nun schon fast erreicht.

Was geschieht, wenn ich in die Dunkelheit eintauche?

Wenn ich eins mit ihr werde?

Ich weiß nicht zu sagen, was dann geschieht. Nur weiß ich, bin überzeugt davon, dass es das Ende sein wird.

Seit Tagen unterdrücke ich jeden Schlaf, aber ich spüre, dass ich dem nicht mehr lange widerstehen kann. Meine Willenskraft wird schwächer und ich sehne mich so sehr danach, endlich Schlafen zu dürfen.

Was geschieht mit mir?

Gott sei meiner Seele gnädig!

 

 

Langsam senkte ich den Schreibblock, starrte vor mich hin.

Nach seiner Afrikareise hatten wir viel darüber gesprochen. Er hatte mir Fotos gezeigt, hatte mir von dem Land und den Menschen berichtet und davon, wie anders dort alles ist. So viel anders, als unser eigenes Leben.

Aber nie hatte er mit mir über diese Maske oder seine Albträume geredet.

Warum nicht?

Hatte er dasselbe Gefühl, wie ich vor kurzer Zeit, als ich vor seiner Haustür stand und überlegte, die Polizei zu rufen?

Hatte er, so wie auch ich, Angst davor, sich lächerlich zu machen?

Vor mir, seinem Freund?

 

Lange blieb ich gedankenverloren sitzen.

Draußen dämmerte es schon, als ich endlich beschloss aufzustehen, um das Haus zu verlassen.

Noch einmal blickte ich mich in der Wohnung um.

Nichts hatte sich hier geändert, seitdem ich gekommen war, und doch war nun alles anders.

 

Ich trat hinaus in die Dämmerung und langsam, fast geräuschlos, zog ich die Tür hinter mir zu.

Meinen Freund habe ich nie wieder gesehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Ralf von der Brelie
Bildmaterialien: Ralf von der Brelie
Cover: Ralf von der Brelie
Tag der Veröffentlichung: 30.06.2013

Alle Rechte vorbehalten

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