Cover

Vom Warten auf ein Wort

Ebook-Ausgabe November 2017

Text: Frederick Becker

Kontakt: freddi28.becker@gmail.com

Cover: www.123rf.com # 53188689; # 68522346

Covergestaltung: Caro Sodar

Korrektur: Guido Becker, Vincent

 

Jede Verwertung und Vervielfältigung, auch auszugsweise, ist nur mit der

schriftlichen Genehmigung des Autors erlaubt.

 

Sämtliche Figuren und Orte in der Geschichte sind fiktiv.

Ähnlichkeiten mit bestehenden Personen oder Orten sind

zufällig und vom Autor nicht beabsichtigt.

 

Die Geschichte sagt nichts über die sexuelle Orientierung

des Covermodels aus.

 

Inhalt

Seit Benno zurückdenken kann, ist er schon in Claudius, den Cousin seiner verstorbenen Mutter,  verliebt. Dass sie verwandt sind, ist ihm egal. Selbst der erhebliche Altersunterschied von gut zwanzig Jahren ändert nichts an Bennos Gefühlen. Immer wieder versucht er, dem attraktiven Mann näherzukommen, überzeugt davon, dass sie füreinander bestimmt sind.

Nach dem Tod seiner Großmutter knickt Claudius schließlich ein und die beiden werden ein Paar. Allerdings läuft ihre Beziehung nicht so, wie Benno sich das erhofft, da Claudius nicht zu ihnen steht. Ständig zweifelt er und denkt, dass ihre Liebe keine Zukunft hat. Irgendwann hat Benno genug und entscheidet sich dafür, für mehrere Jahre nach Neuseeland auszuwandern. Immer mit der Hoffnung im Herzen, dass der Mann seiner Träume dadurch erkennt, dass er ohne ihn nicht leben kann.

Kapitel I

Benno

 

„Neuseeland? Weiter weg ging’s nicht?“ Zacharias räkelt sich auf meinem Bett, während ich Klamotten, Schuhe und diversen Elektrokram auf einen Koffer sowie meine große Sporttasche verteile. „Ist dir klar, dass dort gerade Winter ist und das die Weihnachten im Sommer feiern?“ Ich drehe mich zu meinem Kumpel um und reiße ihm eine meiner Boxershorts aus der Hand, an der er soeben schnüffeln wollte.

„Ja, nein, ja, ja“, beantworte ich seine Fragen und werfe unterdessen einen Berg Socken in die Tasche. Zacs ratlosen Blick entnehme ich, dass er keine Ahnung hat, wovon ich rede. Manchmal frage ich mich, wie er nicht nur das Abitur, sondern zusätzlich das erste Semester seines Jurastudiums geschafft hat.

„Wie lange willst du noch mal dortbleiben?“

„Geplant ist, bis zu meinem Abschluss. Das Jahr praktische Arbeit, welches ich nach dem Abi gemacht habe, bekomme ich angerechnet. Also mindestens weitere drei Jahre, bis zum Bachelor für ökologische Landwirtschaft. Nützlich ist, dass zur Universität auch eine riesige Farm gehört, auf der ich die restlichen Praktika absolvieren kann, die ich benötige.“ Er kaut nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und ehe ich es verhindern kann, lande ich neben ihm auf der Matratze. Locker legt er eine Hand an meine Hüfte und sieht mich treuherzig an.

„Bisher hast du es kaum ein paar Stunden ohne Claudius ausgehalten und nun willst du am anderen Ende der Welt studieren. Wieso, Bennolein?“ Ich versuche, etwas Abstand zwischen uns zu bringen, aber Zac hält mich fest. „Jetzt rede schon oder du riskierst, dass ich vor Neugier krepiere.“

„Ich kann dieses Hin und Her einfach nicht mehr ertragen“, gestehe ich leise. „Mal will er mich, dann zweifelt er wieder und stößt mich von sich, weil er denkt, dass ich mich früher oder später doch noch Austauben werde. Da wir verwandt sind und wegen des Altersunterschiedes, weiß immer noch kaum jemand überhaupt etwas von uns. Als Claudius erfahren hat, dass ich es dir erzählt habe, ist er ausgeflippt. Dabei ist er meist die Ruhe in Person.“

„Na ja, mir fällt es ja auch schwer zu glauben, dass du so gar kein Bedürfnis nach ein wenig Spaß verspürst. Es ist nämlich normal in unseren Alter, weißt du?“

„Nur weil wir unterschiedliche Vorstellungen von Spaß haben“, kontere ich und drehe mich auf den Rücken. Nach einigem Zögern frage ich: „Gibt es viele schwule Männer, die nicht miteinander schlafen?“

„Ihr habt keinen Sex?“ Zac setzt sich abrupt auf.

„Natürlich haben wir den, nur … also nicht so richtig …“

„Ah, verstehe. Fummeln, rubbeln und blasen, aber der Popo ist tabu. Traust du dich nicht?“

„Es liegt nicht an mir. Ich möchte schon …“ Ich vergrabe peinlich berührt das Gesicht im Kissen. Was tue ich hier? Spreche ich wirklich ausgerechnet mit Zac über mein Liebesleben? Wie verzweifelt kann man sein?

„Nicht jeder Mann steht auf Analsex. Das heißt nicht, dass er dich nicht … Na, dass er dich nicht richtig gern hat.“ Das war wohl das Gefühlvollste, was ich jemals von meinem Kumpel gehört habe.

„Ich denke, er mag es schon. Bloß eben nicht mit mir.“ Den Gedanken auszusprechen, macht es real. Ich schlucke schwer und versuche mein schmerzendes Herz zu ignorieren. Claudius ist davon überzeugt, dass die Beziehung mit mir sowieso nicht von Dauer sein wird. Egal wie sehr ich mich auch bemüht habe, seine Zweifel konnte ich nie vollständig ausräumen. Ich liebe ihn schon so lange, aber anscheinend ist das nicht genug.

„Das kann ich kaum glauben. Wie blöd muss man sein, um deinen Hintern abzulehnen?“ Zac streichelt über meine linke Pobacke, dann kneift er fest hinein. Ich schreie empört auf und springe aus dem Bett. Er lacht sich kaputt, wird aber gleich darauf wieder ernst. „Hör mal, du wirst in Neuseeland einen tollen Mann kennenlernen. In den du dich unsterblich verliebst und mit dem du fette Schafe auf eurer Farm züchtest. Fressen können die dann dein Bio-Gemüse und Bio-Gras. Was auch immer solche Viecher mögen.“ Ob ich will oder nicht, ich muss grinsen. „Ach ja, und er ist gut aussehend und verrückt nach Sex mit dir. Höchstens zwei, drei Jahre älter als du. Was von Vorteil ist, denn ihr habt dann in etwa die gleiche Lebenserwartung.“ Ich greife nach einem der Kissen und ziehe es Zac über den Kopf. Der Kerl hat eindeutig eine Schraube locker, aber dennoch werde ich ihn ganz bestimmt vermissen.

 

Die letzte Nacht in Deutschland verbringe ich allein. Claudius hat sich bereits am späten Nachmittag von mir verabschiedet, kurz nachdem mein Bruder eingetroffen ist, der mich morgen zum Flughafen begleiten wird. Er hat mich so fest umarmt, dass ich kaum noch Luft bekam und mich dermaßen leidenschaftlich geküsst, dass ich beinahe eingeknickt wäre und den Studienplatz sausen gelassen hätte. Landwirtschaft anstelle Biologie, wie zuerst geplant, zu studieren, entsprang dem Wunsch mit Claudius gemeinsam auf dem Gutshof zu arbeiten. Jetzt weiß ich noch nicht, was in drei Jahren sein wird und ob ich je hierher zurückkommen werde.

Ich schalte die Nachttischlampe ein, stehe wieder auf und nehme eine der beiden Bleistiftzeichnungen, die Claudius als Jugendlicher angefertigt hat, von der Wand. Ich entferne vorsichtig den Glasrahmen, entnehme das dünne Papier und klemme es zwischen einen meiner Collegeblöcke. So leise wie möglich öffne ich meine Zimmertür, schleiche die Treppe hinunter und wende mich nach rechts in Richtung des Kamins, neben dem ein Sideboard steht. Aus einer der Schubladen krame ich einen Packen Briefumschläge, in denen wir unsere Fotos aufbewahren. Ich mache kurz Licht, damit ich das Datum von den jeweiligen Umschlägen ablesen kann. Die Bilder von Claudius‘ Geburtstagsparty im letzten Jahr habe ich rasch entdeckt und durchgeblättert. Ich entscheide mich für zwei Fotos. Die restlichen lege ich wieder an ihren Platz. Zurück in meinem Zimmer sehe ich sie mir noch einmal genauer an. Auf einem Foto packt Claudius eines seiner Geschenke aus und lacht dabei in die Kamera. Die Entstehung des anderen Fotos hat er gar nicht bemerkt. Seine Wangen sind gerötet, die Lippen leicht angeschwollen, nachdem ich ihn auf dem Weg in die Küche abgepasst hatte, um ihm einen Geburtstagskuss zu geben. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war und wie unglaublich glücklich, als Claudius den Kuss erwiderte. Mit dem Finger zeichne ich die Form seiner Lippen nach. Zu lieben tut gerade verdammt weh. 

Impressum

Texte: Frederick Becker
Bildmaterialien: fotolia.com; 123rf.com, bearbeitet von Caro Sodar
Lektorat: Guido Becker, Vincent
Tag der Veröffentlichung: 10.01.2019

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