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Kapitel 0 - Prolog

Die grelle Sonne stach ihr unbarmherzig ins Gesicht, als sie das vergleichsmäßig kühle Haus verließ. Die Luft flirrte und ließ die schon halb zerfallenen Häuser um sie herum bizarr verschwimmen. Sie kniff die Augen zusammen und schlang sich ihr Tuch, das sie vor der Sonne schützen sollte um den Kopf. Entschlossen setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die einfachen weißen Häuser sahen leblos aus und verlassen. Teilweise waren sie schon zerfallen und die Trümmer schienen im grellen und heißen Sonnenlicht zu glühen. Als sie zur Seite blickte huschte eine Eidechse erschrocken davon und verschwand im Schatten eines Steines.


Ihre Schritte waren kaum zu hören, trotz der Stille die sie umgab. Feiner Sand wirbelte um ihre Füße bei jeden Schritt und hüllte sie und ihre braunen Sandalen in ockerfarbenen Sandstaub. Das Aschgraue Tuch, das so gut wie ihren gesamten Körper bedeckte, war schon an so mancher Stelle gerissen, hatte Löcher und war eingehüllt in Staub und Dreck. Noch einmal zog sie sich das Tuch über die Nase. Es war herunter gerutscht. Nun blickten nur noch ihre wachsamen Augen darunter hervor. Aufmerksam wanderten sie über die Sanddünen. Der Weg, der von Emp nach Savas führte war schon halb mit Sand bedeckt und keine Menschenseele war zu sehen.


Der seichte Wind hauchte über die trostlose Landschaft, blies ihr die brennende Hitze in die Augen. Diese wurden reflexartig schmal um sich zu schützen. Die Tasche mit dem Proviant und dem Wasserschlauch baumelte an ihrer Schulter und stieß immer wieder gegen ihren unteren Rücken. Es würde zwei Tage und drei Nächte dauern zur Stadt des Handels, nach Savas zu wandern. Ihre Heimat, die Tempelruinen von Emp, war ein ganzes Stück weit von Savas entfernt. Nun war es an der Zeit für sie, ihre Heimat zu verlassen. Der Brunnen war versiegt und die weißen Trümmer und Häuserruinen zerfielen langsam aber sicher. Die Sandstürme in der Gegend wurden immer häufiger, als ob sie sich diesen Ort der früheren Zivilisation und der heiligen Stätte erneut einverleiben wollten. Noch ein letztes Mal sah sie sich um. Die Tempelruinen waren nur noch als weiß-gelbe Punkte am Horizont zu erkennen. Sie atmete tief durch, dann drehte sie sich um und setzte ihren Weg fort.


Es würde lange dauern, das wusste sie. Schön öfters war sie von Emp nach Savas gewandert. Meistens um Lebensmittel zu kaufen. Sie lächelte. "Kaufen" war dann doch etwas viel gesagt... Sie spürte bereits, wie die Hitze durch das Tuch um ihren Kopf und das dreckige Kleid sickerte und ihre Haut zum brennen brachte.
Es war nicht einfach in einer Welt zu leben, wo die Tage so heiß waren, wie Feuer und die Nächte so kalt wie Eis. Schon bald begannen ihre Füße zu schmerzen. Der heiße Sand, der in ihre Sandalen drang brannte unbarmherzig. Sie wünschte sich nichts mehr, als ein wenig Wasser über sie zu gießen und sie zu kühlen. Doch konnte sie nicht. Sie wusste, die Tage würden mörderisch werden.


Mangelndes Wasser, unerträgliche Hitze und in der Nacht grausame Kälte, die ihr in die zitternden Glieder fuhr. Entschlossen kämpte sie sich weiter. Versuchte den Schmerz und die aufkeimende Erschöpfung zu ignorieren. Ihre Stirn legte sich in Falten, ein dünner Schweißfilm legte sich auf ihre Haut und ihr Atem kam stoßweise. Und doch setzte sie einen Fuß vor den anderen. Zwang sich dazu keinen einzigen Augenblick stehen zu bleiben, zu verschnaufen. Denn sie wusste, dass die Hitze einem so zu kopf steigen konnte. Sie könnte umfallen es könnte ihr schwindelig werden. Mit starrem Blick sah sie auf den Horizont und doch hatte sie das Gefühl ihm mit jedem Schritt nicht auch nur ein bisschen näher zu kommen...


Die Sonne stand hoch am Himmel, drückte sie nieder mit einer großen Wand aus Hitze. Sie griff in ihre Tasche und zog ihre Wasserflasche hervor. Sie trank nur einen einzigen Schluck und genoss, wie das wenigstens ein wenig kühlere Wasser ihre brennende Kehle hinunterrann. Dieser eine Schluck musste reichen für zwei weitere Stunden. Eine Reise durch die Wüste war ein Kampf um das nackte Überleben. Der Wunsch nach Wasser war groß, der Vorrat gering. Man konnte nur das nötigste mitnehmen, denn das Gewicht von zu viel Wasser würde Kraft kosten. Wenn sie Lebensmittel "kaufte", nahm sie auf dem Rückweg ein Kamel mit. Doch sie hatte nichts in Emp, mit dem sie ein Kamel versorgen konnte, so schickte sie es jedesmal zurück und ließ es zu seinem früheren Besitzer laufen. Sie spürte schon, wie sich an ihrem linken Fuß eine Blase bildete und verfluchte den Sand mit jedem Schritt, der nun an ihr rieb und sie wieder aufscheuerte. Ein stechender Schmerz durchfuhr sie bei jedem Auftreten. Kämpfend und erschöpft reckte sie den Kopf nach oben, schloss die Augen und stellte sich eine Oase vor mit frischem Wasser und Pflanzen die Schutz vor der mörderischen Sonne boten. Als sie ihre Augen wieder öffnete, sah sie für einen kurzen Moment ihre Vorstellung vor sich wahr werden. Doch sie wusste, dass es nur ihre Sinne waren, die ihr einen Streich spielten. Der Kompass zeigte noch immer nach südwesten. Sie war auf dem richtigen Weg.


Sie wusste nicht, wie viele Stunden sie schon gewandert war. Sie wusste nicht, wie lange sie dies noch durchhalten würde. Mit der Zeit war sie in einen tranceartigen Zustand gefallen. Das dunkle Tuch des Abends spannte sich langsam aber sicher über dem blauen Dach und ließ sie noch müder werden, als sie es ohnehin schon war. Es war so weit. Den ersten Tag hatte sie erfolgreich bestanden und ein Stück der mörderischen Wüste bezwungen. Erschöpft ließ sie sich auf eine Sanddüne fallen und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

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Tag der Veröffentlichung: 07.02.2014

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