HINWEIS: In dieser Geschichte werden die Liebesszenen explizit und bildhaft beschrieben. Man sollte sie nur lesen, wenn man auch offen dafür ist.
Copyright © 2016 Krystan Knight
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Blitz und Donner hatten die ganze Nacht getobt. Schon mit dem ersten Tageslicht ging Karina an den Strand. Eine steife Brise fuhr ihr durchs Haar und die feine Gischt benetzte ihre Haut, doch die Elemente waren ihr egal. Sie wollte die Erste sein, die das frisch angespülte Strandgut zu Gesicht bekam.
Die Einheimischen sagten, dass das Meer nach solchen Unwettern häufig seine Schätze freigibt. Das Mädchen hoffte auf einen ganz besonderen: Bernstein.
In ihren Regenmantel und ein Paar Gummistiefel gekleidet, stieg sie über die frisch angespülten Steine. Sie dienten als Zeugen der Naturgewalten der vorigen Nacht. Noch immer war die See aufgewühlt.
Mit einem Stock bewaffnet, stocherte Karina nach dem großen Schatz. Zwischen dem angespülten Seetang und Schlick befand sich allerdings nur gewöhnlicher Zivilisationsmüll, der zum Teil aus dem Hafen von Drakniz stammte.
Der idyllische Ort wurde jedes Jahr von zahlreichen Touristen besucht. Leuten, die wie Karina, ein paar schöne Tage am Meer verbringen wollten, bevor sie der Alltag wieder in Beschlag nahm.
Das Mädchen beschloss, die Nähe des Dorfes hinter sich zu lassen, um ihr Glück bei den Klippen jenseits der Bucht zu versuchen. Nicht nur schien der Strand dort sauberer, nein, auch die Aussicht auf die sich über den Uferstreifen erhebende Klippen war diesen Abstecher wert. Die Natur wirkte hier noch so ursprünglich und unberührt.
Auf dem Kamm thronten Bäume, deren freiliegende Wurzelballen man von unten aus sehen konnte. Irgendwann in den kommenden Jahren würden sie bei einem Sturm, wie dem der vergangenen Nacht, abrutschen und ins Meer hinausgetragen werden.
Karina watete durch die Brandungszone. Die Ausläufer der Wellen umspielten ihre Gummistiefel und der hier stärkere Wind blies ihr die Gischt ins Gesicht. Das Mädchen nahm es hin, denn in ihren Augen funkelte die Entdeckerlust. Hin und wieder, wenn das Wasser sich zurückzog, erblickten sie etwas, das ihr Interesse weckte.
Die meisten Steinchen, die sie aufhob, waren wertloser Schrott. Nur selten fand sie ein Stück, das sich beim Polieren vielleicht als schmucker Bernstein offenbaren würde. Dann aber hatte sie Glück. Im Schwemmsand verborgen entdeckte sie eine silbern glänzende Münze.
Sie lag wohl schon einige Zeit im Wasser, denn die Brandung hatte die sichtbaren Einprägungen abgeschliffen. Auch wenn Karina daran zweifelte, dass sie etwas wert war, so empfand sie dies doch als Schatz, der sich lohnte, mitgenommen zu werden.
Bernstein entdeckte sie leider keinen. Das Mädchen hatte allerdings längst nicht aufgegeben.
Den gesamten Vormittag über suchte Karina das Ufer ab und entfernte sich dabei immer weiter von dem Dorf. Sie erkundete kleine Buchten, die von der Zivilisation vollkommen unberührt wirkten. Nicht einmal der übliche Müll war hier zu finden.
Dieser Ort wurde bestimmt nur selten von Menschen besucht. Immer wieder blickte sie voller Staunen auf die zerklüftete Küstenlinie. Es erinnerte das Mädchen an die Klippen von Dover, die sie vor Jahren einmal bei einem Klassenausflug gesehen hatte. Nur war der Fels hier rötlich und häufig von diffusen Sedimenten durchzogen.
An einer Stelle hatte es offenbar erst kürzlich einen Erdrutsch gegeben. Alles sah noch frisch aus, denn das Wasser hatte noch keine Zeit gehabt, den Schutt hinaus ins Meer zu tragen.
Ihrer Neugier folgend, sah sich Karina genauer um.
Die Abbruchkante war gewaltig und entsprach dem Volumen eines mehrstöckigen Wohnhauses. Das Geröll bestand zum Großteil aus Lehm und Kies, doch an einer Stelle konnte sie dunkle, von violettem Flussspat durchzogene Felstrümmer erkennen. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
Das Mädchen stieg über einen heruntergestürzten Baumstamm, dessen Krone bereits in der Uferbrandung lag. Plötzlich entdeckte sie hinter dem ganzen Schutt einen Spalt in der Erde. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich dieser als Eingang zu einer richtigen Höhle, die der Erdrusch freigelegt hatte. Mit ihrer von schwarzem Felsgestein umschlossenen Öffnung wirkte sie befremdlich fehl am Platz und weckte so in dem Mädchen weitere Neugier.
Karina kletterte über den Schutt und starrte schließlich in das dunkle Loch. Das Tageslicht reichte nur einige Meter, doch was sie erblickte, überwältigte sie bereits. Die Grotte war nicht nur ein einfaches Erdloch, sondern erinnerte vielmehr an eine Mineraliendruse von gewaltigen Ausmaßen.
Kristalle in unterschiedlichen Farbvariationen funkelten und lockten mit ihrem Glanz. Eine mystische Aura umschloss diesen Ort. Wie hypnotisiert kletterte sie über ein paar Felsbrocken hinweg in das Innere der Höhle.
Schon mit zwölf Jahren hatte Karina »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« von Jules Verne gelesen. Genau wie die Entdecker in diesem Buch, so fühlte sie sich jetzt auch dazu berufen, ein großartiges Abenteuer zu meistern.
Sie zückte ihr Handy. Es hatte hier zwar keinen Empfang, doch wenigstens half die Taschenlampenfunktion, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Mögliche Gefahren ignorierend, ging die Neunzehnjährige weiter in das kristallene Reich, welches an eine sagenhafte Märchenwelt erinnerte.
Ihre Augen funkelten aufgeregt. Die Luft roch angenehm rein. Kein modriger Geruch, wie sie es aus den Grotten und Katakomben kannte, die sie in ihrer Schulzeit erkundet hatte. Vor allem aber war es hier warm. Je weiter sie in die Kristallhöhle eindrang, umso mehr geriet das Mädchen ins Schwitzen.
Ein plötzliches Grollen ließ sie erstarren. Sie lauschte. Der unbekannte Laut war wieder verstummt. Karina spürte eine innere Unruhe aufsteigen, die sich bis dahin unter ihrer Neugier verborgen hatte.
Auf einmal wurde ihr bewusst, wie weit sie bereits in dieses unterirdische Reich eingedrungen war. Wenn jetzt ein neuer Erdrusch hinter ihr herunter kam, wäre sie hier lebendig begraben.
Erneut war ein Grollen zu hören und diesmal konnte sie es direkt unter und in sich fühlen. Ein flaues Gefühl beschlich ihren Magen. Angespannt wischte sich Karina den Schweiß von der Stirn. Sie wollte sich gerade umdrehen und in Richtung Ausgang flüchten, als eine Stimme aus dem Nichts zu ihr sprach: »Hallo, meine Kleine.«
Verwirrt sah sich das Mädchen um.
»Hallo?«, rief sie und hörte nur das Echo.
»Hallo?«, schrie sie erneut.
Es kam keine Antwort. Nur jenes tiefe Grollen, welches nicht nur von ihren Ohren, sondern von ihrem ganzen Körper aufgenommen wurde. Sie schluckte schwer. Denn langsam wurde ihr diese mystische Höhle unheimlich.
Wie von selbst begannen ihre Füße den Rückweg, erst langsam, dann immer schneller. Im Lichtkegel ihrer Lampe wirkten die Kristalle auf einmal bedrohlich. Da hörte sie hinter sich stampfende Schritte, während sie auf den Lichtspalt am Ausgang zueilte. Sie drehte sich erschrocken um und war für einen Moment unachtsam.
Ihre Gummistiefel rutschten über einen glitschigen Stein. Karina stürzte und ein stechender Schmerz durchfuhr sie. Das Handy glitt ihr aus der Hand, während sie einen gequälten Laut ausstieß, der ihr masochistische Erleichterung verschaffte. Zum Glück war der Boden hier von weichem Sand bedeckt, sodass sie sich nicht ernsthaft verletzte.
Das Licht ihrer Lampe fiel nun auf die mit Quarzkristallen überzogene Decke und tauchte die ganze Höhle in diffus funkelndes Zwielicht.
Karina richtete sich gerade auf, als sie auf einmal einen monströser Schatten auf sich zukommen sah. Sie hörte erst nur das Schlagen gewaltiger Schwingen, dann war dieses Ding über ihr.
Eine gewaltige Klaue schnellte hervor und drückte ihren Oberkörper erneut auf den Boden. Das Mädchen ächzte gequält. Sie wollte schreien, doch ihr versagte die Stimme, als sie im Lichtkegel über ihr plötzlich den Kopf eines riesigen Reptils erkannte.
»Nicht weglaufen«, sagte die Stimme in ihr.
Als ob sie überhaupt die Chance dazu hatte. Auf ihr lastete ein Gewicht, welches ihr die Luft aus den Lungen presste und ihr Hals war gefangen zwischen zwei Krallen dieses Monsters.
»Wer bist du?«, keuchte Karina ganz leise.
Das Reptiliengesicht war kantig und glich doch keinem Tier, das sie jemals gesehen hatte. Vielmehr erinnerte es sie an eine mystische Kreatur aus vergangenen Zeiten. Eines, das auf der ganzen Welt in Legenden erwähnt wurde.
»Ein Drache!«
Das Wesen beugte sich zu ihr. Karina konnte den heißen Atem spüren. Ihr Herz pochte wild. Sie fühlte sich in einem Traum gefangen.
Die Kreatur, die auf eine für sie unbekannte Art mit ihr kommunzierte, begann mit seiner Schnauze an ihr zu schnüffeln. Das Mädchen zitterte angespannt. Die Art, wie dieses Fabelwesen mit ihr umging, war so befremdlich und dabei zugleich intim.
Der Druck auf ihrer Brust ließ nach, als sich die Klaue anhob. Befreit rang sie nach Luft, nur um ihr erneut den Atem stocken zu lassen. Mit einem festen Ruck rissen die Drachenklauen ihr den Regenmantel vom Körper und verschonten dabei auch nicht den darunter getragenen Pullover.
Vor Angst bebend lag das Mädchen, nun nur noch mit Hose und Gummistiefel bekleidet, unter dem mächtigen Geschöpf, das sie als Drache kannte. Dieses ergötzte sich an ihrem schier reizvollen Anblick.
Karina schloss die Augen und hoffte aus diesem Traum zu erwachen. Deutlich spürte sie das Brennen, wo die Klauen über ihre Haut ritzten. Ihr Herz raste. Ihr Atem ging flach und schnell. Tief in sich ahnte sie die Präsenz der Kreatur. Sie schien nicht nur äußerlich, sondern auch in ihren Gedanken zu lauern.
Da fühlte das Mädchen auf einmal die Zunge des mystischen Reptils. Ein Prickeln durchfuhr ihren Leib, als diese den Konturen der Kratzer folgend ihren Oberkörper entlangtastete. Sie bekam eine
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2017
ISBN: 978-3-7438-4549-7
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