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Bring mich weg von hier!

"Hol mich raus aus Deutschland!

Mach mir mein Bett in Deinem Mund!"

sang Max Goldt als Mitglied von Nuuk auf dem Album "Nachts in schwarzer Seilbahn nach Waldpotsdam".

Ja, das will ich auch.

Ich will weg von hier.

Nicht für immer, aber lange genug, um mich auf die Rückkehr zu freuen.

Hol mich raus aus dem deutschen Winter.

Im Sommer muss ich nicht zu anderen stickigen, von Typen, wie ich selbst einer bin überbevölkerten Urlaubsparadiesen gebracht werden, um lokale Hitzewellen zu erleben, die als viel leichter zu ertragen gelten, als die eigenen.

Auch mit Geheimtipps, die entweder Erholung oder Abenteuer fern vom Massentourismus verprechen, bin ich nicht zu locken.

Bring mich in den Winter im Norden.

Bring mich nach Finnland an einen Ort, der sechs Mal ein A im Namen hat und mit zwei Äs hintereinander endet.

Ich will ein Häuschen beziehen, welches für den skandinawischen Winter gerüstet ist.

Es soll in allen Blickrichtungen kein weiteres Haus zu sehen sein.

Es soll 2 Etagen haben.

In der Mitte des unteren Raumes soll ein großer Kaminofen stehen, der leicht anzufeuern ist und bis zum nächsten Vormittag dafür sorgt, dass dicke Socken und Pudelmütze erst angezogen werden müssen, bevor das Haus für längere Zeit verlassen wird.

Vor dem offenen Kamin haben mindestens 2 Sofas und 2 Sessel für Entspannung und Gemütlichkeit bereit zu stehen.

Eine wohlklingende Stereoanlage mit ordentlich Kraft für Rumms und Gezischel und ein Flachbildfernsehapparat mit USB-Anschluss darf nicht fehlen.

Eine funktionell bestückte Küche muss das Haus haben.

Neben Backofen und Herd darf auch ein Toaster, eine Kaffemaschine, eine Friteuse und ein Wasserkocher nicht fehlen und nützliche Utensilien wie Kellen, scharfe Messer und ein Fleischthermometer sollen leicht auffindbar angeordnet oder eingeräumt sein. Auch eine Geschirrspülmaschine und eine Waschmaschine soll vorhanden sein.

Die Sauna muss auch für mehr als zwei Personen genügend Platz bieten, falls ein Fremder mit oder ohne Familie zu einem spontanen Besuch hereinschneit.

Sie soll einen direkten Ausgang zum See haben, um mit einem Sprung in den tiefen Schnee und dem Einreiben damit Abkühlung zu erlangen.

Sowohl im unteren, als auch im oberen Bereich wartet eine Toilette darauf, meine Exkremente aufzunehmen und eine Duschkabine dient zur Ganzkörperreinigung. Eine Badewanne muss nicht sein.

Der obere Raum dient nur zum Schlafen. Die Betten sind um den oberen Teil des Kamins angeordnet, sie quietschen nicht und die Matratzen sind hart genug für meinen lädierten Rücken und weich genug, um schön zu träumen.

Das Haus liegt neben einem Wald und an einem zugefrorenen See.

Vor dem Haus will ich riesige Schneemänner bauen können.

Das trockene Holz für den Kamin muss für mehrere Monate ausreichen und auch in leichter Kleidung erreichbar sein, ohne ins Bibbern zu geraten.

Die Anreise erfolge per Linien-Flugzeug nach Helsinki, dann mit einer Turboprop-Maschine zu einem dem Zielort nächst gelegenen Landeplatz und schließlich mit einem Taxi bis vor die Haustür.

Die Spikes an den Reifen des Taxis lassen seinen Fahrer mit einem Höllentempo über die vereisten Straßen rasen, die in ihrer Verschneitheit kaum zu erkennen sind, jedoch den Chauffeur nicht davon abhalten, ungegurtet mit seinen Fahrgästen zu parlieren, zu denen er sich höflich umdreht, statt sie im Rückspiegel zu beobachten.

Vom spärlichen Gepäck befreit soll mich das Taxi dann zum nächsten Örtchen bringen, wo Dinge gekauft werden können, die vergessen wurden, mitzunehmen, Nahrungsvorräte für die Zubereitung in der Küche, für das Frühstück und den schnellen Verzehr.

In einem Geschäft, das einer Apotheke gleicht, in dem sich eine Frau nach den erbetenen alkoholischen Getränken streckt, nachdem sie mich mit strengem Blick auf Redlichkeit geprüft hat, den wohltuend hohen Kaufpreis mit nach oben gezogenen Augenbrauen nennt und die Ware in spezielle Papiertaschen packt, damit jeder sehen kann, mit welchen Substanzen der Käufer sich ins Nirvana zu schießen pflegt, versorge ich mich mit Bäckchen rot machenden Getränken.

Nachdem nun alles verstaut ist, was verstaut werden muss, beginnen meine Ohren vor lauter Stille zu pfeifen und ich begreife, daß ich angekommen bin, wo ich sein will. 

Mit wem ich diese Zeit verbringe, ist klar. Gretha, der einzige Mensch, der mich nicht mit Floskeln belehrt hat, wie ich zu ertragen habe, was zu ertragen ist, sondern mir das gegeben hat, was ich am dringendsten brauche und ohne das ich nicht leben kann, soll bei mir sein. Kommt sie nicht mit bleibe ich zu Hause.

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 01.06.2017

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