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Mutige Wege...

 

 

Sieben bis acht Kurzgeschichten

 

mit Illustrationen von Siegrid Graunke Gruel

 

 

 

 

Inhalt:

 

 

 

1 Astrids Weg:

 Nerviges Telefon.

Tanja

Neue Begegnungen

Ungutes Erwachen und verliebte Freunde

Glückliches Einschlafen

Ab ins Abenteuer

 

 

2 Davids Flucht nach vorn

 

 

3 Sarah allein zu Haus:

 Im neuen zu Hause

Ohne Geld in Crazywelt

Kein Nesthäkchen mehr

Frag den Abendwind

Concert am Sonntag

Tom und Achim

Nachtflug über die Landstraße.

 

 

4 Ben gegen den Rest der Welt:

 Süße Katzenbabys

Franziska

Zeche prellen mit Carmen

Liebesabenteuer

Saufabend

Wieder zu Haus

Guter Vater

 

 

5 Liebe verloren Mara begegnet

Geschwíndigkeitsrausch mit Rast

Eine  lange Fahrt durch die Nacht

Bei Tom 

 

 

6 Die geheimnissvolle Straße:

 Franks' Neugier

Melissa

Frank und Melissa

Steffan, Frank und Melissa

Ronny

Waldläufer

Ronny, Wald und Sterne

Gabriel fährt durch die Nacht

England

Der Unfall

In Britannien ?

Der Weg zum Strand

Seltsame Einheimische

Rückweg

 

 

7 Nachtbusfahrten

Wenn der Nachtbus fährt...

Nachtbusfahrt in der City

Nachtbusfahrt nach house

 

 

8 Siegrid und Daniel

 Rückblende

Unser Wiedersehen

 

 

 

 

Astrids Weg

Inhalt:

 

Nerviges Telefon...

Tanja

Neue Begegnungen

Das Telefon klingelt.

Verliebte Freunde

Ungutes Erwachen

Glückliches Einschlafen

Ab ins Abenteuer!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nerviges Telefon

 

Seit Wochen immer um die gleiche Zeit. Astrid ist sichtlich genervt davon.

"Was will dieser Typ von mir!", sagt sie laut und knallt die Tür zum Wohnzimmer zu. Vergeblich versucht sie sich wieder an ihre Englischübungsaufgaben. Der Typ heißt Tobias, ist in ihrem Kopf drin seit zwei Wochen und spukt darin umher. Sie hat ihn auf einer Party kennengelernt, letzten Monat, bei einer Freundin von Julie. Zuerst fand sie ihn ganz hip, hatte mit ihm zusammen gesessen, Bier getrunken und rumgealbert, aber dann wollte er mehr, sie aber nicht. Er wurde plötzlich richtig zudringlich.

Astrids' Freund Kevin war nicht da, sondern für ein Weiterbildungsprogramm in den USA für eineinhalb Jahre. Natürlich vermisst sie ihn oftmals sehr, aber sie wollte sich ablenken, - nicht wie ein zurückgelassenes 'Heimchen' nur auf seine Rückkehr warten. Und deshalb war sie auch zu dieser Party gegangen, klar...

Eigentlich tut ihr dieser Tobias sogar ein bißchen leid, denn er hat ihr in einem handgechriebenen Brief seine Verliebtheit gestanden und sie dabei fast wie eine Göttin umworben. Na, aber das ging ja grad noch, schlimm und abstoßend findet sie bloß seine Anrufe, die ständig kamen, - obwohl sie ihm bei seinem ersten Anruf deutlich zu verstehen gegeben hat, dass zwischen ihnen beiden nichts laufen wird... Aber jetzt macht es ihr ein bisschen Angst sogar.

Astrid packt ihre Hefte zusammen; - vielleicht könnte sie besser mit Julie lernen. Bis morgen vormittag musste ihr Englisch sitzen, dann würde die Arbeit geschrieben werden, vor der schon allen graute...

Langsam geht sie wieder rüber ins Wohnzimmer, um ihr Handy zu holen, doch genau in dem Moment, wo sie es vom Tisch aufnehmen will, klingelt es. Nein! Schon wieder dieser Tobias! Ist der krank oder wie? Und sofort danach, klingelt auch noch das Telefon und sie mag nicht rangehen, denn Tobias versucht sie auch schon über das Festnetz ihrer Eltern anzurufen. Ein unbehagliches Schaudern durchfährt sie. "Verdammt...!"

Sie drückt schnell auf den Hörer und wählt Julies' Nummer.

 

Draußen ist es ziemlich kalt, - die typische Kälte der lezten Februartage,  brr nasskalt!

Bis zu Julie ist es zum Glück nicht soo weit, - etwa dreißig Minuten zu Fuß. Astrid hat auf den AB gesprochen, denn Julie hat im Moment kein Handy. An diesem Tag hat sie immer Musikunterricht, das weiß Astrid. Sie müsste also auf alle Fälle gleich wieder zuhause sein, denn es ist ja schon fast acht...

Das denkt sie auf dem Weg, der durch viele kleine Straßen führt, wo Einfamilienhäuser aneinandergereiht stehen und Nieselregen ihr Begleiter ist.

 

 

 

 

                                                                                                                           *

 

"Sag mal, wo bleibt denn eigentlich schon wieder Astrid?", fragt ihre Mutter Vincent, als sie den Abendbrottisch deckt. "Es ist schon gleich neun Uhr." Sie war spät von der Arbeit nach Haus gekommen, weil sie noch Abrechnungen in der Praxis fertig machen musste.

"Weiß nicht, Mam", sagt Vincent. "Bestimmt is sie bei ner Freundin. Ich esse jetzt nicht, - vielleicht später, lass alles stehen." Damit schnappt er sich aus dem Kühlschrank ein Pappschachtel Eistee und ist schon aus der Küche.

Astrids Mutter geht zum Fenster. Es ist dunkel draußen. Sollte sie mal bei Julia anrufen...?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tanja

  Endlich, - das Haus von Julie.

Der Vorgarten ist nass und grau, gar nicht wie sonst, wo licht und Wärme von innen durch das Fenster schien und sie umhüllte, sobald sie durch die kleine Eingangspforte hinein ging. Die Jallousien sind heruntergelassen. Astrid geht langsam zur Haustür und ihr Herz schlägt jetzt lauter. Keiner da etwa...? Bitte nicht das!

Sie klingelt ein paar Mal und dann noch einmal. Nichts rührt sich. "Ach Mist! Julia wo bist du?"

Anrufen geht ja nicht. Julia hat nämlich deshalb grad kein Handy, weil der 'Direks' es einfach einkassiert hatte. "Ihr habt zwei Möglichkeiten", hatte er erklärt. "Entweder ihr gebt mir eure Handys freiillig heraus, jetzt und hier und ich verzichte darauf eure Eltern zu informieren, oder ich bin gezwungen eine Meldung an die Behörden zu machen."

Was er eigentlich damit meinte, mit Behörden, war unklar, doch würde es bestimmt darauf hinauslaufen, dass sie für die Zwischenprüfung zum Abi nicht zugelassen werden. Julia hatte zwar laut empört gesagt: "Das ist ja Erpressung!", doch es hat dann deshalb auch nichts mehr genützt...

Na, wenigstens hat sie noch ihr altes Handy zuhaus, wenn auch im Moment ohne Guthaben drauf. Nee, sie lässt sich nicht erpressen!

Aber jetzt ist es kalt, - ziemlich kalt und nass. Wohin...? Bloß nicht den ganzen Weg wieder zurück laufen. Also schnell zum Bus gehen. Doch jetzt schon wieder nachhaus fahren, dazu hat sie wenig Lust. Ob sie vielleicht einmal zu Tanja fährt...?

Tanja wohnt ziemlich weit außerhalb, von hier aus gesehen, aber der Bus fährt dahin. Sie ist soo cool - und irgendwie - welterfahren! Astrid war ganz begeistert von Tanja, die älter ist als sie und Julie und als Verkäuferin in einem Store für junge Mode arbeitet. Auf dieser Party, vor ein paar Wochen, hat sie sie kennen- gelernt. Ja..., ihr könnte sie das doch erzählen, von diesem nervigen Tobias... und davon, was für einen Stress er ihr macht.

Bestimmt würde sie ihr helfen können, dass er damit aufhört. Ja, genau! - Tanja, das ist die Idee!

 

Mit jedem Schritt zur 'Bushalte' denkt sie über ihren Plan nach, ihre Mutter anzurufen, sobald sie bei Tanja ankommen würde, um ihr zu sagen, dass sie bei Julia wäre, - damit sie sich keine Sorgen machen brauchte und womöglich wieder auf die Idee käme bei den Fentholz anzurufen! Das war sowieso schon jedesmal so peinlich..., denkt sich Astrid und seufzt. Es ist nicht leicht, siebzehn zu sein.

 

 

                                                                                                                                                                 *

 

Es ist kurz vor zehn als Frau Lindner sich entschließt, spätestens jetzt bei den Fentholz anzurufen. Doch niemand meldet sich, - nachdem sie es zehnmal klingeln gelassen hat, nach einem zweiten Versuch.

 

                                                                                                                                                                 *

 

Tanja steht in gestylter Kluft an der Haustür im siebten Stock.

"Astrid?! - Mensch wo kommst du denn jetzt her?", sagt sie und schließt die Tür wieder auf. "Du, ich muss aber gleich los, hab ne Verabredung, aber - für ne Zigarette is immer Zeit. Komm rein, Geh bitte leise, mein Vater schläft."

Astrid folgt ihr möglichst leise den langen Flur entlang, um die Ecke bis zum Ende durch, wo Tanjas' Zimmer jetzt zu erkennen ist. Um den Türrahmen bewegen sich nämlich bunte Blinklichter, flackern munter auf und ab, wie in einer Schauspielerinnengaderobe.

"Was führt dich denn in meine Gegend?", sagt Tanja etwas zerstreut, aber warmherzig und kramt Zigaretten hervor. "Setz dich doch, willst du ne Zigarette? Komm, erzähl mal."

Astrid lehnt die Zigarette ab, denn sie raucht ja nicht, sagt dann etwas verlegen: "Och,- nichts besonderes. Ich - wusste ja nicht, dass du was vorhast. Eigentlich - wollte ich zu Julia, aber ihr Handy ist geklaut und..."

"Was geklaut?!",ruft Tanja jetzt entsetzt aus und lässt Astrid nicht weiterreden. "Ach Süße, das tut mir leid, wisst ihr schon wer das Schwein war?"

"Keine Ahnung", sagt Astrid zögernd und scheinbar betroffen, denn sie merkt ja, dass jetzt wohl eher nicht die richtige Zeit ist, mit Tanja über Tobias zu reden.

"Tja", sagt Tanja nach einer kurzen Denkpause,"das is Shit, nee" und sieht dabei auf ihre Armbanduhr. "Also - ich muss jetzt leider los, ist schon gleich halb acht. Ich will den Typen auf keinen Fall verpassen, hab ihn grad erst kennengelernt. Du, der sieht mega super gut aus, alles dran, was ich so mag, du weißt schon - bodymäßig."

"Kein Problem", sagt Astrid. "Ich will dich nicht aufhalten. Sonst - bin ich am Wochenende ja manchmal hier, weil mein Cousen, hier in der Nähe..."

Ja, sowas denkt sie sich schnell aus, denn ihr Besuch soll nicht so wirken, als wäre sie auf Tanjas' Gesellschaft angewiesen. Außerdem findet sie sie jetzt doch nicht mehr soo toll...

Sie gehen beide wieder über den langen Flur zurück zur Haustür.

"Hab ich auch alles?", flüstert Tanja. "- Ja, ich glaub schon, sei bloß leise, mein Vater darf nicht aufwachen." Dann öffnet und schließt sie die Tür hinter ihnen.

Vor dem Eingang naht ein Taxi heran, als sie aus dem Hauseingang kommen. Sofort läuft Tanja drauf zu und gleich, nachdem das Taxi angehalten hat, macht sie mit dem Fahrer ihre Fahrt an der offenen Tür klar, bevor ein Fahrgast überhaupt richtig ausgestiegen ist. Doch dann dreht sie sich zu Astrid noch einmal um. "Oder willst du noch ein Stück mitfahren?", fragt sie. "Ich weiß ja nicht, wo du hin willst, - aber keine Umwege. Das wird dann zu knapp für mich."

"Nein danke", sagt Astrid, "ich nehm den Bus."

"Meld dich mal wieder", sagt Tanja und gibt ihr links und rechts einen angedeuten Kuß auf die Wangen, weil man das so macht in ihrer Szene. Sie steigt nun umständlich ein, wegen ihrer Highheels, die sich zwischen den Bordsteinen verhackt haben, und dann braust das Taxi schnell mit ihr davon.

 

 

 

Neue Begegnungen

Was für ein verdammter Pechtag !

Traurg geht Astrid wieder die Hauptstraße entlang, denn als sie fast bei der Haltestelle ankommt, naht schon der Bus hinter ihr heran, wartet nicht einmal bis sie einsteigen kann und fährt einfach los!

'Come in', liest sie auf der Werbeaufschrift an seinem Heck. Sehr witzig, aber - ja! Plötzlich fällt ihr der Name ein. So hieß doch der Laden, wo sie noch gewesen waren, nach der Party, Julie, sie und Tanja, am frühen Morgen auf einen Kaffe, bis der erste Bus fuhr...

Ja klar, da würde sie jetzt hingehen und es sich gemütlich ergehen lassen, bei einem heißen leckeren Kakao...

Sie biegt in die nächste Seitenstraße ein und geht dann immer weiter gerade aus. Weit kann es eigentlich nicht mehr sein..., hier schon abbiegen? Nein, noch weiter.

Und in der nächsten Seitenstraße leuchten ihr schon die Lichter vom 'Come in' entgegen. Wie wunderbar!

Als sie ankommt, geht sie langsam hinein, bahnt sich einen Weg, vorbei an vielen besetzten Tischen und dabei fällt ihr Blick auf die Uhr über den Tresen. Oh, schon gleich halb zehn schon...

Sie bestellt bei einer freundlichen Bedienung einen großen Becher Kakao mit Sahne und überlegt, ob sie jetzt zuhaus anrufen sollte... Doch bestimmt hat ihre Mutter sich gerade hingelegt, wie meistens am Donnerstag, wenn sie länger arbeiten muss...

"Kann ich von hier telefonieren?", fragt sie, als die Kellnerin mit dem Kakao kommt.

"Eigentlich nicht", sagt die. "Wir haben nur ein Notruftelefon für dringend. Aber du kannst kurz mein Handy benutzen, - ausnahmsweise." Und dabei lächelt sie freundlich.

"Vielen Dank", sagt Astrid sichtlich erleichtert und wählt dann gleich Vincents Nummer. Ach, ist die vorletzte Zahl auch richtig...? Zwei oder acht?

"Hi Vince, ich bin's. Schläft Mama?"

"Was? - Ja."

"Bitte sag ihr, dass ich bei Julia bin, damit sie sich keine Sorgen macht, ja?"

"M mh', leider schon geschehen und - wo bist du wirklich?", fragt Vince gleich nach.

"Na gut", sagt Astrid. "Bin bei ner anderen Freundin, kennst du nich. Sagst du's ihr, wenn sie wieder aufsteht?"

"Weiß nicht, - wann kommst du denn zurück?"

"Elf ungefäir. Leg sonst Zettel..."

"Gut, okay", sagt Vince und klick hat er schon aufgelegt.

Ach ja, es tut gut einen verschworenen Bruder zu haben...

 

In dem Moment stolpert ein junger Typ über einen Stuhl, der etwas abgerückt von ihrem Tisch steht und fällt dabei beinahe vor ihr auf die Knie. Er fängt sich etwas unbeholfen ab und jetzt schauen sie... wundervoll glänzende Augen an.

"Sorry", sagt er, wärend ein anderer junger Typ ihm folgt und dann vor ihm stehen bleibt.

"Pass - doch mal auf Con", sagt der laut lachend und zu Astrid erklärend:"Der is besoffen."

Er lacht dabei immer noch immer und schnappt nach Luft. "Er is immer so!", jappst er dabei. "Alter, - setz dich bloß hin."

"Das - macht ja nichts -", sagt Astrid etwas verlegen.

"Wer hier wohl hier besoffen ist", sagt jetzt der Junge, der also Con heißt und lässt sich auf einen Stuhl neben ihr fallen.

"Ent - schuldigung", sagt jetzt wieder der andere Junge und rappelt sich hoch. "Er is immer so - aufdringlich."

 

Wie es dazu kam, dass die beiden nun an ihrem Tisch plötzlich sitzen, Bier bestellen und für Astrid gleich eins mit, kommt also bloß einfach auf sie zu, denn die beiden Jungs sind total nett, wenn auch etwas - betrunken. Doch sie sind überhaupt nicht aufdringlich, sondern nur etwas albern. Astrids' traurige Einsamkeit löst sich dabei einfach auf und sie mag die beiden jetzt richtig gern neben ihr haben. Es ist so lustig mit ihnen und sie bestellt sich sogar ein Glas Wein, den sie mit Julia und Tanja nach der Party hier getrunken hatte. Denn, außer Schule, gab es bisher wenig Aufregendes in Astrids' Leben, bis auf diese eine besondere erste Party natürlich.

Dave, wie der Junge, mit den schönen klaren Augen genannt wird, ist soo lustig und nett und so cool, und Con ebenso, so dass sie andauernd lachen muss, über das, was die beiden so von sich geben und von dem, was sie alles erzählen.

 

"Wir schließen jetzt", sagt irgendwann plötzlich der Kellner. "Darf ich dann jetzt die Rechnung bringen?"

"Ou, - Schluss für heute", sagt Con. "Tja, Dave, dann musst du die äm Rechnung wohl übernehemen."

Sehr munter kommt diese Bemerkung von Con zwar rüber, doch Astrid wird es nun schlagartig klar, dass dieser Abend wohl jetzt zuende ist. Dave legt jetzt schweigend zwei Geldscheine auf den Tisch. Und Con guckt dabei schweigend zu.

"Ich hab doch auch Geld dabei!", sagt Astrid jetzt und sucht in ihrer Tasche nach ihrem Portemannei.

"Is -t - schon alles bezahlt", lallt Con aber nur dazu und legt noch ein paar Münzen dazu.

 

 

 

Etws später stehen sie dann noch länger an der Straße vor dem 'Come in', denn keiner von ihnen will jetzt daran glauben, dass sie sich jetzt wirklich trennen müssen. Dave ergreift das Abschiedswort aber dann und sagt. "Solln wir dir n Taxi bestellen? Oder kommst du noch mit - su uns?"

Er ist jetzt auch ziemlich betrunken und schwankt beim Reden hin und her. Dabei hält er sich an Astrid etwas fest.

"Ich - hab morgen Schule", sagt Astrid. "Aber - ich kann euch ja anrufen...?"

"Klar, rufst du an", sagt Con jetzt und stützt Dave etwas ab. "Taxinummer hab ich - gleich."

Dabei tippt er jetzt auf seinem Handy herum, lacht dabei immer wieder einmal auf, weil er einiges, was er dabei sieht lustig findet.

 

Ein Abschid ist niemals wirklich lustig, doch wenn man sich dabei etwas umarmt, wenn auch ziemlich betrunken und das Taxi komischerweise gleich schon da ist, freut man sich gleichermaßen auf das nächste Wiedersehen, obwohl man nicht weiß, ob es wirklich stattfinden wird.

"Wir rufen dich an, hast du - ei -ne Tellefon -number?", sagt Con wieder scherzhaft und sitzt schon halb neben ihr auf der Rückbank.

"Klar -", sagt Astrid und sagt ihm ihre Hausanschlußnummer auf, die Con gleichsam in sein Handy, fehlerfrei hoffentlich, eintippt.

"Schlafen Sie wohl, Ver - ehrtes -te", sagt er dann und ist mit seinem Kopf schon wieder draußen.

"Schön - gute Nacht", ist noch von Dave zu hören, bevor das Taxi mit ihr startet, mit tausend Wünschen in die wundervolle Nacht hinaus.

Denn - manchmal sind Sterne unsichtbar...

 

 

Verliebte Freunde - und ungutes Erwachen

Am nächsten Morgen hat Astrid verschlafen. Jetzt zeigt der Radiowecker neunuhrzwanzig an und ist auf vollen Touren, mit viel Gelaber. "Ach, Mist!"

Doch so schlimm findet sie's dann doch nicht, denn die Mathearbeit war für die zweite Stunde angesagt worden, und sie konnte ja nicht ausreichend dafür lernen..., mit wem auch?!

Langsam geht sie die Treppe hinunter, eingewickelt in ihre Patchworkdecke - von Mama zu Weinachten. In der Küche liegt ein Zettel und ein Fünfzigeuroschein:

Astrid, bitte kauf für's Wochenende ein. Ich fahre gleich nach der Arbeit zu Tante Lilli und Onkel Bruno. Vincent ist im Trainingslager, weißt du ja. Hier nochmal die Telefonnummer von den beiden, falls was sein sollte: 04155/ 23 40 61
Bin am Sonntag zurück.

Ps. Wenn du abends noch zu einer Freundin willst, sei bitte um elf wieder zuhause, allerspätestens um zwölf! Kuss Mama

 

So, das bedeutete also - freie Bahn fürs Wochenende! Phantastisch!

Also erstmal einen sahnig süßen, Pulverkaffee aufgießen, ja!

Und jetzt fällt ihr alles wieder ein, - die beiden Jungs von gestern Abend, wieviel Spaß sie zusammen hatten! Sie waren so lustig gewesen - und diese unendliche Warmherzigkeit, die von den beiden ausging... Oh ja, die muss sie einfach wiedersehen, am besten an diesem Wochenende! Hat sie nicht dem Con ihre Telefonnummer gegeben? Aber ja doch, im Taxi...

Ob sie wohl nachher anrufen? Oh, hoffentlich...!

Aber kein Anruf kam an diesem Tag.

 

Astrid verkricht sich ersteinmal vorm Fernseher. Zum Glück läuft ein spannender Film, wobei man sich entspannen kann, denn der Kopf dröhnt doch noch etwas. Nicht einmal Juli ruft an. Wieso eigentlich nicht...?

Aber auch am Sonnabend kommt der ersehnte Anruf von den beiden nicht, obwohl sie in der Nacht süße Träume von ihnen hat.

Astrid setzt die ersten Märzpflanzen im Garten in die Holzkästen, die ihre Mutter schon dafür bereitgestellt hat, denn das Wetter ist sanft windig warm und duftet schon nach Frühling - und es lenkt sie ab von den ständigen Gedanken an den Abend...

Jedenfalls macht es zuversichtlich, dass der Anruf bestimmt bald kommt. Ja, schade, dass sie keine Nummer von den beiden hat. Wie war das noch gewesen?

"Wie war nochmal deine Nummer, Astridchen?", hatte Dave plötzlich scherzhaft gefragt, als sie zusammen das viele Bier tranken, am Tisch im 'Come in', obwohl Sie ihm ihre Nummer gar nicht gesagt hatte und "brauchst aber nich nochmal sagen, 0176 - 4 - 3 72 80 -0. Hab - sie mir schon gemerkt..."

Klar war er etwas betrunken dabei, aber sie wusste schon, wie er es meinte. Daraufhin fing Con dann so laut an zu lachen, über gar nichts eigentlich, bloß weil er so betrunken war und alles nur komisch fand und dann lachte sie einfach mit, während ihre Herzen in Flammen standen, weil sie sich so sehr mochten... Dave hat ihr dann seine Nummer auf einen Bierdeckel gekritzelt und Con hat ihn dann auf seinen Kopf gelegt und dabei gemeint: "Oh, - ein neuer Hut. Kann ich gut gebrauchen..." und sie dabei mit glänzenden Augen verliebt angesehen. Ja, und dann rangelten die beiden herum und der Bierdeckel flog irgendwann im hohen Bogen in Richtung Tresen zurück und über ihn hinweg...

Und dann, beim Abschied haben sie sich angesehen, als würden sie sich schon ewig kennen... und so als wären sie Freunde für alle Zeiten...

 

 

Der Sonntagmorgen vergeht langweilig, nur mit Rockmusik vom Radiowecker in ihrem Zimmer, denn sie hat einfach keine Lust aufzustehen. Kein Anruf.

War sie denn wirklich nur ein versuchtes Abenteuer für die beiden gewesen? Nee, das konnte doch nicht sein...

 

Um halb drei am Nachmittag geht sie hinunter in die Küche. Die Sonne scheint ein paar Strahlen durchs Fenster, aber der Himmel ist durchzogen von vielen kräftigen weißen aufdringlichen Wolken. Astrid legt eine Pizza in den Backofen, - vielleicht hat sie ja Hunger, denn eigentlich hat sie seit zwei Tagen nichts gegessen, bloß Fruchtyoghurt und Schokoladenkekse hat sie genascht. Da fällt jetzt ihr Blick auf das Schlüsselbrett neben der Haustür, denn ein spärlicher Sonnenstrahl fällt gerade drauf, als sie auf dem Küchenstuhl sitzt und abwartet, bis die Pizza fertig ist. Einsam hängt da nur der Kellerschlüssel. Sie könnte ihr Fahrrad rausholen und zu Juli fahren...

 

Ein lautes Knacken und die Kellertür springt auf. Der Hauseigentümer hatte die alte Holztür im Herbst ausgetauscht, gegen diese gemeine Stahltür...

"Sie brauchen hier nur noch unterschreiben, frau Hellfang", hat er zu hrer Mutter gesagt, als sie mit ihr und Vince hier unten war, weil in ihrem Keller eingebrochen wurde, - drei Wochen nach Papas Auszug. Einen Tag später wurde die schöne alte Holztür deshalb durch diese hässliche Stahltür ersetzt. Und seitdem ist sie nicht mehr in den Keller gegangen, - zuletzt mit Vincent an diesem Tag, um nachzuschauen, ob doch noch was gestohlen worden ist., Aber es war nichts weggekommen von ihren Sachen und auch die Fahrräder standen unversehrt im Vorkeller. Der Einbrecher war nur ein Penner gewesen, der sich für eine Nacht dort unten einquatiert hatte...

 

Asttrid fühlt den Schlüssel in ihrer Hand. Papa darf ich ohne dich in den Keller...? Sie öffnet das kleine Vorhängeschloss und tritt ein.

Wie oft waren sie hier gewesen in Kindertagen, um Werkzeug heraufzuhloen für Vince' Eisenbahn oder um alten Kram herunterzubringen... Ja, sie war immer gern mitgegangen,auch weil es im Keller immer so geheimnisvoll riecht. Aber später hat ihr Vater eine andere Frau kennengelernt und von da ab war sie nicht mehr seine beste Tochter von der Welt, weil er dann nicht mehr ihr bester Papa von der Welt war.

Sie späht durch den Raum, nee nichts ist mehr da. Der kleine Keller ist absolut aufgeräumt und - leer. Keine kaputten Eisenbahnwagongs mehr, die dort drüben immer herumlagen und das Regal steht jetzt auf der anderen Seite, mit alten Sachen von ihrer Mutter drinnen. Eine Schneiderpuppe und ein paar Schaufensterpuppenteile, die wie Leichenteile daraus hervorsehen. Eine einzige Kiste mit Bier und einigen Weinflaschen obendrauf steht ganz hinten an der Wand...

Und bei dem Anblick fällt ihr der lustige Abend mit Con und Dirk wieder ein. Plötzlich hat sie das Bedürfnis wieder so high zu sein, wie mit den beiden, nimmt sich kurz entschlossen eine von den Weinflaschen und zwei Biere aus der Kiste. Danke Mama, du hast doch nichts dagegen...?

 

Wieder oben in der Wohnung stellt sie alles auf den Wohnzimmertisch, nimmt sich ein schönes Weinglas aus der Vitrine und setzt sich in Papas ehemaligen Lieblingssessel. Der Wein ist süß und ziemlich dickflüssig, - oh, da hat sie einen Portwein erwischt.

Nach einem halben Glas ist ihr etwas schwindelig, - nee, lieber jetzt ein Bier aufmachen. Ja, mmh, das schmeckt gut, beinahe so, wie das von Con und Dave...!

So, jetzt noch Musik dazu vom Radio, denn die Cds ihrer Mutter geben nicht gerade das her, was sie gut findet.

 

 

 

 

 

Irgendwann muss sie dann wohl eingeschlafen sein und hört es nicht, als ihre Mutter um halb zehn nachhause kommt...

 

Am Montagmorgen gibt's dann ein unschönes Erwachen für sie.

Was ist... wieso wird es denn schon hell? Ach so ja, sie war ja nur kurz eingeschlafen und jetzt wird's gerade dämmrig draußen! Alles okay. Doch nee, was ist das denn?!

Als sie in die Küche kommt, um sich Kaffee zu machen, liegt da wieder ein Zettel auf dem Küchentisch, diesmal ein roter - mit der Handschrift ihrer Mutter:

Liebe Astrid!

Du hast nicht eingekauft und Alkohol getrunken! Ich habe dich nicht geweckt, damit du deinen Rausch ausschlafen kannst!

Deine Schule hat mich heute früh um acht angerufen und mir Fragen gestellt, weshalb du seit 3Wochen nur unregelmäßig in der Schule warst!

Was ist mit dir los? !

Heute um vierzehn Uhr kommt eine Sozialarbeiterin zu dir. Bitte lass sie rein und erzähl ihr von deinen Problemen, von dennen weder ich noch Vincent etwas wissen.
Noch sind alle nett und möchten nur helfen!

Für heute bist du vom Unterricht befreit. Alles weitere heut Abend, Mama

 

Wie fast ohnmächtig liest Astrid die Mitteilung ihrer Mutter.

Vincent! Wieso hast du mich nich rechtzeitig geweckt...?!

Aber jetzt registriert sie erstmal richtig, dass heute also Montag ist und nicht Sonntagabend. Sie rennt schnell in sein Zimmer, aus purer Verzweiflung. Da -, is das Bett von Vince unberührt.

Ach ja, - frei bis Dienstagabend im Trainingslager!

Ja..., er kriegt ja immer frei für sein - Sportprogramm!

Sie lässt sich erschöpt auf sein Bett fallen. Sozialarbeiterin, 14 Uhr. Schulverweis bestimmt - ein Jahr vor dem Abi.

Wie kann ein Mensch nur so alleingelassen sein, wie sie sich jetzt fühlt..., allein mit einer Sozialarbeiterin, die gleich kommt, einem Vater der nie mehr für sie da ist, einem Bruder, der alles bekommt, was er will... 

 

Nachdem eine dicke, schweratmende Frau um puncto vierzehn Uhr vor der Tür stand, hat Astrid sie wortlos hereingelassen und sich mit ihr ins Wohnzimmer platziert, notgedrungenerweise. Aber außer viel bla bla von der kam nichts rüber und Astrid konnte nur knapp auf ihre merkwürdigen Fragen antworten. Irgendwann war die Frau Gerstenkreimer dann aufgestanden mit den Worten: "Jetzt, wo ich schon vieles über dich weiss, äh Astrid, - ich darf doch du sagen, - kann ich absehen, dass du wohl etwas überfordert bist mit den Anforderungen, die dir die Schule vorgibt. Das ist aber nichts Schlimmes. Ich schlage also vor, dass wir dich auf die Realschule versetzen. Damit werden auch deine Lehrer einverstanden sein..., bla bla ..., ich denke, dass du es dadurch leichter haben wirst..., bla, bla."

Astrid hat die ganze Zeit über wenig gesagt, nur zugegeben, die Mattearbeit nicht mitgeschrieben zu haben und ein paar Fehltage mit ihrer Freundin zum Lernen verbracht hat. Das stimmte ja auch, bloß dass sie und Julie sich dabei eher neueste Musikvideos angesehen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: eigene Buchillustrationen
Cover: eigenes Cover
Tag der Veröffentlichung: 18.05.2018
ISBN: 978-3-7438-6916-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle Lesemäüse, - für verregnete Tage zum Träumen und zum Ablenken, als Trost bei Liebeskummer - und für Daniel.

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