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Prolog

Verschleppt. Gefangen. Weit weg von jeglicher Geborgenheit und Vertrauen. Und es ist meine schuld. Der Transporter ruckelte ununterbrochen. Scheinbar fuhren wir über eine unbefestigte Straße, sicher war ich mir dabei allerdings nicht. Meine Augen waren verbunden. Völlig unerwartet hielt der Wagen an. Ich hörte wie zwei Türen sich öffneten und dann wieder schlossen. Wir waren wohl an dem Ziel angekommen. Ich hörte Stimmen. Die Männer die mich hierhergebracht hatten redeten, ich konnte sie aber nicht verstehen. War da noch jemand? Es klang nach deutlich mehr als zwei. Schritte näherten sich wieder dem Auto. Der Kofferraum Öffnete sich und mir wurde die Augenbinde Abgezogen. Eisblaue Augen starrten mich an. „Hallo Puppe, hab doch gesagt, dass wir uns wieder sehen“, er lachte mich dreckig an. Wäre ich nicht in so einer ungünstigen Position hätte ich ihm sein höhnisches grinsen aus dem Gesicht gewischt. Reis dich zusammen ermahnte ich mich. Du musst bedacht vorgehen. Es geht hier nicht mehr nur um dich. Ich sagte nichts und sah von ihm weg. Ich wollte ihn Ignorieren, doch das schien ihn noch mehr zu reizen. „Na schön, wenn du es auf die Tour willst.“ Er holte aus, schlug feste gegen meine Schläfe und alles wurde Schwarz.

Mein Kopf schien zu explodieren, als ich das nächste Mal erwachte. Ich war nicht mehr in dem Auto und man hatte mir die Fesseln abgenommen. Shitshitshit!

Ich versuchte so schnell wie möglich meine Umgebung wahrzunehmen. Es war dunkel. Ich Lag auf einer weichen Matratze. Der Raum war nicht groß, doch nicht so klein oder kalt wie ich mir eine Zelle Vorgestellt hatte. Es hätte gemütlich sein können. Wäre ich nur nicht so weit von Zuhause entfernt. Wo war ich überhaupt? Panik überkam mich. Doch ich gestatte ihr nicht besitz von mir zu ergreifen.
„Wir schaffen das“ flüsterte ich in den sonst leeren Raum hinein. Meine Hand fuhr über meinen minimal gewölbten Bauch. Ich bring uns hier raus, mein Krümel. Ich schloss die Augen und stellte mir das kleine Herz meines Babys vor und hoffte, dass es die Stärke seines Vaters hatte, denn eine große Überlebenschance hatte es nicht. Ich beschütze dich. Komme was wolle!

1. Ankunft

Ich steige aus dem Flieger und kann endlich durchatmen. Die letzten Stunden hatte ich das Gefühl, dass sich mindestens 20 Kilo Steine auf meiner Brust befanden. Flugangst. Ätzend. Doch nun war ich endlich frei und tief den Sauerstoff einatmen. Auf diesen Moment habe ich mich schon mein ganzes Leben lang gewartet. Endlich ankommen. Heimat finden.

Ich bin mit meinen Eisblauen Augen und meinen rabenschwarzen Haaren, die ich von meinem Vater geerbt habe immer schon aufgefallen. Meine helle Haut habe ich von meiner Mutter geerbt. Selbst in meinem langen und eher drahtigen Körperbau schlagen sich die Vorfahren meines Vaters durch. Eines Vaters den ich nur von Fotos kannte. Doch ich hoffte im Land meiner Vorfahren nun endlich die Ruhelosigkeit hinter mir zu lassen. In New York hielt mich jedenfalls nichts mehr. Der Tod meiner Mutter hatte mich schwer getroffen und doch war ich froh sie nun nicht mehr Leiden zu sehen. Und auch der Sehnsuchtsvolle blick, den ich schon mein Leben lang bei ihr Wahrnahm, war in dem Moment in dem sie Starb in Hoffnung umgewandelt. Hoffnung nun bald wieder in den Armen meines Vaters zu liegen. Mein Vater. Ich habe nur ein einziges Foto von ihm. Nur ein Bild, das Jahre vor meiner Geburt geschossen wurde. Ein Schnappschuss. Er hält meine Mutter im Arm und die Beiden schauen sich in die Augen, als ob die Welt um sie herum nicht existiert. Unvergleichliche und die Ewigkeit überdauernde Liebe. Manchmal wünschte ich mir auch so jemanden haben wie meinen Vater, doch diese Illusion habe ich mir nie gemacht. Das was meine Eltern hatten war einzigartig.

Ich beeilte mich möglichst schnell von dem Flughafen und ins Hotel zu kommen. Zum glück habe ich meinen Rucksack schnell vom Gepäckband angeln können. Als ich durch das Tor ging blickte ich mich gleich suchend um. Schnell fand ich wonach ich suchte. Eine kleine Rundliche Frau hielt ein Schild hoch mit dem Namen des Hotels, das ich für meine erste Nacht Gebucht hatte. 

„Hallo“ Ich ging schüchtern auf sie zu und sie lächelte mich freundlich an.

„Du bist Elena?“ Nachdem ich nicke führt die mich zu einem kleinen verbeulten Truck. Ich wuchte mein Gepäck auf die Ladefläche und steige neben ihr ein.

„Ich bin Hanna, meinem Mann und mir gehört das Hotel“ sagt Sie. Ich schließe sie Sofort ins Herz. Auf der zweieinhalb stündigen Fahrt zu dem kleinen Hotel am Rande eines Dorfes, erzählt sie mir ihr halbes Leben und nimmt mir so die Nervosität. Ich muss nie viel sagen und das ist gut so. Meine Gedanken werden sich schon ohnehin genug überschlagen, wenn ich zur Ruhe komme. Sie erzählt mir gerade von ihrem jüngstem Sohn Seth, der als Fremdenführer Touristen in dem Naturschutzgebiet herumführt, als wir die Einfahrt auf das Hotel zufahren. Dabei klingt Hotel, nach etwas Großem, Luxuriösen. Nicht nach diesem Gemütlichen kleinen Haus, inmitten von Grüner Landschaft.  Der Wald liegt keinen Kilometer vom Hotel entfernt. Begeistert lasse ich das Fenster runter und strecke meinen Kopf hinaus.

Langsam sauge ich die Luft ein. Der wind weht mir ins Gesicht und ich öffne meinen Zopf. Das ist Freiheit. Heimat. Ich weiß sofort, dass ich hierhergehöre. Das ist das Land meiner Urahnen. Ich spüre wie ihr Blut, durch meine Adern Pulsiert, spüre wie der Ruf der Freiheit, der mich schon mein ganzen Leben Quält, endlich gestillt wird. Es ist wie ein Befreiungsschlag. Ich habe mich mein ganzes Leben gefragt wer ich bin, woher ich komme und wohin ich gehöre und auch wenn mir dieser Ort keine genaue Auskunft über all diese Fragen geben kann.

„Das Hotel hat der Vater meines Mannes selbst erbaut. Die meisten Möbel, die die darin findest hat mein Mann mit ihm oder auch später mit unseren Söhnen selbst gebaut. Er hat in der Hütte dort eine kleine Werkstatt.“ Sagt Hanna zu mir und reist mich somit aus meinen Gedanken. Nach dem sie den Wagen abgeschlossen hat und wir auf das Gebäude zulaufen erkenne ich erst mit wie viel Liebe dieses Gebäude erbaut wurde. Die das Treppengeländer, das zu der Terrasse und dem eingangs Bereichs führt ist handgeschnitzt. Ich strecke meine Hand aus und lasse sie über den Handlauf gleiten. Ich fühle die Energie und die Geschichte, die diese Schnitzereien erzählen wollen. Sie drängen sich mir in den Geist, als schreien sie danach sich mir mitzuteilen. Doch ich verstehe nicht was sie mir zuflüstern wollen. Abgebildet sind ganz unterschiedliche Szenarien die mir jedoch keinen Zusammenhang haben. Mehrere Tiere die sich um einen Menschen geschart haben. Hunde? Nein Wölfe. Und Menschen die gemeinsam mit Speeren und Armbrüsten Jagen. Und Zwei Wölfe, die die Köpfe einander reiben. Umringt von anderen Wölfen. Alle diese Darstellungen werden umring von Schnörkeln und spiralen. Es ist wunderschön.

Diese Schnitzereien haben mich so sehr in den Bann gezogen, dass ich gar nicht bemerkt habe wie ein Mann aus der Tür getreten ist. Ich dachte zunächst, dass dies ein weiterer Gast ist, doch dann geht Hanna eilig auf ihn zu und sie küssen sich. DAS ist Hannas Mann? Ich weiß nicht, welchen Mann ich mir an der Seite dieser kleinen und rundlichen Frau vorgestellt habe. Aber auf jeden Fall nicht das! Dieser Mann ist ein Tier! Breites Kreuz, kantige Züge und mindestens zwei Meter groß. Sein Gesicht ist gezeichnet von Jahren harten Arbeitens. Seine Gelbgrünen Augen blitzen. Er hat einen Harten Ausdruck, der erst weich zu erden scheint, als er Hanna anguckt. Er ist wachs in ihren Händen.

„Das ist Gregor, mein Mann. Gregor das ist unser neuer Gast Elena“, er sah mich an und etwas blitzte in seinen Augen.

„Kennen wir uns?“  echte Neugier und noch etwas, was ich nicht definieren kann blitzt in seinen Augen auf.

„Wahrscheinlich nicht, ich komme ursprünglich aus New York“

„Ah“ und schon war dieses etwas aus seinem Blick verschwunden. Und das…Störte mich irgendwie. Ich wollte diesem Menschen was beweisen, wollte nicht gleich als die unbekannte und langweilige abgestempelt werden, so wie in meinem ganzen Leben. Und ich weiß nicht wieso aber vor allem wollte ich nicht von Gregor und Hanna so abgestempelt werden.

„A…aaber, ich weiß das mein Vater ursprünglich mal hier aus der Gegend kam.“ Sein Blick veränderte sich nur kaum merklich, doch er fragte nicht nach.

„Ich wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt, Elena“ Er gab Hanna einen Kuss und ging Richtung seiner Werkstatt.

Impressum

Texte: Svenja
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2021

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