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(Bellas POV)


Es waren sechs Monate vergangen seit ... er und seine Familie gegangen sind.
Doch ich fand einen Teil meines Friedens wieder... in Jacob Black. Er war meine Sonne, mein Trost, mein sicherer Hafen.
Doch in den letzten Wochen hatten wir keinen Kontakt mehr zueinander. Ich wollte ihn unbedingt sehen, deshalb rief ich jeden Tag bei ihm an. Aber er ging nie ans Telefon oder meldete sich zurück.
Eigentlich hatten wir vor, zusammen nach ... Edwards – Au! Dieser Schmerz! – Lichtung zu suchen. Aber jetzt im Moment schien ein ’Wir’ nicht möglich zu sein, darum machte ich mich alleine auf die Suche.

Nach etwa drei Stunden kam ich auf der verzauberten Lichtung an. Na ja. Ich hatte gehofft, dass sie auch heute verzaubert sein würde. Hatte gehofft, hier seine Stimme wieder zu hören, um mich an ihn zu erinnern, ohne wegen der Schmerzen zusammen zu brechen. Doch ich hatte das Gegenteil erzielt. Der Schmerz war überwältigend, ich sackte zusammen. Keuchend versuchte ich an etwas anderes zu denken. An Jacob, und daran, wie schön es war wenn er an meiner Seite war. Sofort ging es mir besser.
Ich versuchte aufzustehen. Eine Hand wurde mir hingehalten, doch ich ergriff sie nicht. Ich schaute nur überrascht auf, und mitten in das Gesicht der Person.
Die Schönheit seines Gesichtes war atemberaubend und die roten Augen hatten eine hypnotische Wirkung auf mich.
Laurent ist aus Denali zurück. Ich hatte gedacht, er hätte goldene Augen, wie die... Cullens. Sie haben mir damals erzählt, dass es in Denali ebenfalls eine Vampirfamilie gibt, die sich von Tierblut ernährt. Dorthin, in das verschneite Alaska, floh Laurent, als James und die... Cullens kurz vor einem Kampf standen. Ich habe gedacht er hätte sich verändert und würde so wie meine guten Vampire leben. Doch jetzt, da ich seine Augen direkt vor mir sah, zweifelte ich daran, ob er jemals seine „Ernährung“ umgestellt hatte.
„Bella?“, fragte Laurent überrascht. „Dich habe ich hier nicht erwartet.“
„Das sollte ich doch von dir behaupten“, antwortete ich ebenso überrascht.
„Nun ja, ich bin eigentlich im Auftrag von Victoria nach Washington gekommen. Aber hier, in diesem Wald, bin ich nur zum Jagen. Du weißt also, wie gefährlich das hier für dich werden kann.“ Ein boshaftes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Victoria wird sehr wütend auf mich sein, doch mir wird schon etwas einfallen, um sie zu besänftigen. Du solltest froh sein, dass ich dich gefunden habe und nicht sie. Du musst wissen, sie hat etwas Schreckliches für dich geplant.“ Wieder huschte ein fieses Lächeln über sein Antlitz. „Und um mehr Zeit zum überlegen habe, was ich ihr sage, werde ich dich jetzt töten“, hauchte er, „doch ich verspreche dir, du wirst Nichts spüren.“
So sollte ich also enden. War es mein Schicksal, von einem Vampir getötet zu werden? Ich hoffte nur, dass Alice das nicht sehen muss. Wow. Es war erstaunlich einfach, ihren Namen zu denken. Vielleicht... könnte ich auch ein letztes mal an ihn denken, daran wie seine Stimme klang, wie sich seine Haut anfühlte, wie ich ihm ein letztes Mal sagte, ich würde ihn lieben.
Ich spürte etwas Kaltes an meinem Hals, dann etwas Scharfes, dass meine Haut durchschnitt. Ich wollte losschreien, doch Dunkelheit legte sich auf mich, drückte meine Stimme nieder. Ich brachte keinen Ton hervor. Ich wurde vollkommen von der Dunkelheit umhüllt. Ich spürte nichts mehr, außer einem. Ein brennender Schmerz, Flammen, die meine Glieder durchzuckten.
Ich verlor das Bewusstsein, spürte aber weiterhin das Feuer, das die Qualen verursachte.


Mein Bewusstsein kehrte nach einiger Zeit wieder zurück, wie viel Zeit vergangen war, wusste ich allerdings nicht.
Ich lag auf einem Sofa, das fühlte ich. Und was ich noch fühlte, oder besser gesagt, immer noch fühlte, war das Feuer, der Schmerz, der an meiner Haut leckte. Ich brannte schon eine Ewigkeit, so kam es mir jedenfalls vor. Wahrscheinlich würde ich als verbranntes Stück kohle aufwachen, falls ich jemals aufwachen würde. Es war gut möglich, dass ich tot war. War das die Hölle? Der Himmel?
Nein. Der Himmel konnte das nicht sein. Er war nicht so. Voller Schmerz.
Das Brennen wird immer schlimmer.
Nach endlosen Minuten veränderte sich etwas. Das Feuer zog sich aus meinen Händen und Füßen.
Ich hörte wie jemand herum lief, sich mit einer anderen Person unterhielt. Wo war ich? Würde ich das jemals herausfinden?
Der Schmerz wich immer mehr aus mir. Ich bekam die Kontrolle über meinen Körper zurück. Ich wollte die Augen öffnen, die Umgebung in der ich mich befand sehen. Doch ich schaffte es nicht, ich hatte mich getäuscht. Die Kontrolle hatte ich doch nicht zurück bekommen.
Das Feuer in meinem Herzen schwoll so weit ab, bis es schließlich ganz erlosch.
Diesmal hatte ich die Kraft um meine Augen zu öffnen. Dies wollte ich tun, bis ich bemerkte, dass sie bereits offen waren. Wahrscheinlich gab es keine Zeitspanne zwischen den Gedanken und den Taten.
Doch was war mit mir?
Wo war ich? Das einzige was ich gerade sah, war helles Licht, dass mich blendete.
„Wie geht es dir?“, fragte eine sanfte, leise Stimme neben mir.
Ich schaute auf. Es war eine Frau die mich angesprochen hatte. Sie hatte hellblonde Haare, so hell, dass es schon fast an weiß grenzte. Ihre Augen waren gold, groß und wirkten auf mich kindlich.
Stotternd antwortete ich: „Äh... ja, mir geht’s gut. Aber eine Frage: wer bist du? Wo bin ich hier? Was ist passiert?“ OK, das waren drei Fragen.
Sie antwortete ganz ruhig. Als wäre das nichts Neues für sie.
„Ich bin Anna. Du bist in einem leerstehenden Haus in Forks. Und du wurdest von einem Vampir angefallen und bist jetzt selbst einer.“
Ich bin ein Vampir?
Ich bin ein Vampir!!
Ich. Bin. Ein. Vampir.
„Ich weiß, es klingt ziemlich unreal, aber es ist wahr.“ Sie deutete meinen abwesenden Gesichtsausdruck falsch. Ich weiß natürlich, dass es Vampire gibt. Ich war mit einem zusammen.
„Du glaubst mir nicht? Wie kann...“ Ich unterbrach sie mitten im Satz.
„Ich glaube dir doch! Ich weiß, dass Vampire existieren!“
„Du weißt über Vampire bescheid?“ Anna sah mich fragend an.
„Ja!“, beteuerte ich.
„Nun ja. Muss ich dir irgendetwas erklären? Oder hast du sonst Fragen an uns?“
„Uns?“, fragte ich etwas verwirrt. Warum hatten sich die anderen dann noch nicht vorgestellt oder nur gezeigt? Oder warum hatte ich sie nicht gehört?
„Ja, ich habe noch zwei Schwestern. Sie heißen Sash und Marleen.“, erklärte die blonde Vampirfrau.
„Und wo kann ich jagen gehen?“ Meine Kehle fing an fürchterlich zu brennen. Ich versuchte es zu ignorieren, doch das funktionierte nicht. Ich griff mit einer Hand an meinen Hals.
„Es kommt ganz darauf an, was du jagen willst. Wir können dich in unserer Familie aufnehmen, wenn du dich unserer Lebensart anschließen wirst.
Du hast die Wahl. Jagst du Menschen, so können wir nicht bei dir bleiben. Doch wirst du mit uns Tiere jagen, so wirst du in unserer Familie aufgenommen. Willst du bei uns bleiben?“
„Du hast gesagt, du hast Schwestern. Ich möchte sie kennen lernen, bevor ich mich entschließe, eurer Familie beizutreten.“
Anna nickte und sagte leise: „Na los, kommt her!“
Marleen und Sash rannten die Treppe herunter. Erst jetzt registrierte ich, in welchem Haus wir uns befanden.
Es war das Haus der Cullens.
Es stand alles so da, wie an meinem 18. Geburtstag.
Ich war traurig, als ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ und einen schwarzen Flügel auf einem kleinen Podest stehen sah.
„Hallo. Ich bin Marleen und das ist Sash. Wir freuen uns, dich kennen zu lernen und hoffen, dass du unserer Familie beitreten wirst.“ Sie riss mich aus meinen Erinnerungen.
Marleen war groß, zierlich und hatte lange schwarze Haare. Ihre Augen waren so gold, wie die von Anna. Sie erinnerte mich an Rosalie, aber nicht weil sie sich ähnlich sahen, sondern deshalb, weil sie genauso perfekt und wunderschön aussah wie sie. Sie war wie eine Rosalice. Halb Rosalie, halb Alice.
Sash war von kleinerer Statur, nicht ganz so zierlich wie Marleen, aber doch sehr anmutig. Sie hatte eine rote kurze Frisur. Ich war mir sicher, dass sie dieselben goldenen Augen hatte, wie die anderen beiden.
Sie schienen nett zu sein. Sehr liebevoll. Es überraschte mich, als ich merkte, dass sie mich in ihrer Familie aufnehmen wollten, ohne dass sie mich vorher kannten. Sie wussten doch nichts von mir, und trotzdem akzeptierten sie mich. Außer eine.
„Und wie ist dein Name?“, fragte Sash verbittert.
Hm. Sollte ich ihnen meinen richtigen Namen sagen? Ich entschied mich dagegen und meinte, mein Name sei Jolyn.
„Also, Jolyn. Willst du zu unserer Familie gehören?“, fragte Marleen.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Sash hoffte, dass ich ‚nein’ sagte.
„Ich werde auf jeden Fall Tierblut trinken, so wie ihr, doch ich weiß nicht, ob ich in eure Familie hinein passe.“, antwortete ich langsam.
„Natürlich wirst du in unsere Familie passen!!“, versuchte Anna mich umzustimmen. Sash sah sie wütend an. Es gefiel ihr nicht, dass ihre Schwestern
Was soll’s?, dachte ich mir.
„OK. Ich werde mich euch anschließen. Und wo kann ich jetzt jagen? Meine Kehle wird dem nicht mehr lange Stand halten können.“, meinte ich und versuchte abermals den Schmerz zum ignorieren.
„Komm mit, ich gehe mit dir Jagen.“, sagte Anna fröhlich. Sie schoss aus der Tür heraus. Ich folgte ihr auf den Fuß.
„Ähm, Anna! Wie jagt man überhaupt?“, rief ich ihr nach.
„Es ist ganz instinktiv. Schließ die Augen, atme tief ein, höre genau hin, dann überlasse dich einfach deinem Instinkt“, erklärte Anna.
Ich befolgte ihre Anweisungen. Ich roch meine erste Beute, hörte ihren Herzschlag.
Ich rannte los. Obwohl die Bäume mir so nah waren und dachte ich könnte meinen Lauf durch die Geschwindigkeit nicht kontrollieren, gab es keinen Zusammenstoß mit ihnen. Etwa 200 m entfernt von meinem Opfer blieb ich stehen. Es war ein Puma, ebenfalls auf der Jagd.
Ich sprang auf ihn und durchbohrte mit meinen Zähnen sein Fell und seine Haut. Ich hatte genau bei der Hauptschlagader zugebissen.
Sein Blut floss meinen Hals hinunter. So ein schönes Gefühl. Es linderte die Schmerzen.
Als das Tier leer gesaugt war, richtete ich mich auf. Meine Kleidung war ganz zerfetzt. Wo sollte ich jetzt neue Klamotten auftreiben?
Ich lief zurück zum Haus. Anna wartete dort bereits auf mich. Vielleicht konnte sie mir etwas zum Anziehen leihen? Ich würde sie fragen.
„Jolyn? So schnell zurück?“, fragte Marleen überrascht.
„Ja, ich war nicht sehr durstig“, lächelte ich, „Du, Anna? Kannst du mir ein paar Klamotten leihen? Meine haben die Jagd nicht überlebt.“ Ich kicherte.
„Aber natürlich, Süße“, antwortete Anna.
Sie kam auf mich zu, nahm meine Hand und zog mich in ihr – nein! Rosalies – Zimmer. Dort gab sie mir eine hellblaue Bluse und eine schwarze Stoffhose. Dazu reichte sie mir noch dunkelgraue Pumps und eine Kette mit einem Metallanhänger.
„Was ist das den?“, fragte ich misstrauisch.
„Das“, antwortete sie, „ist unser Familienwappen.“
Auf dem Wappen war ein Wolf zu erkennen, ein Stern und drei Monde.
„Wofür stehen diese Zeichen?“, wollte ich wissen.
Sie erklärte: „Also, der Wolf steht für Stärke, der Stern für Licht und Hoffnung und die Monde für Geheimnisse, Schönheit und Reinheit. Und da du jetzt zur Familie gehörst, möchte ich, dass du dieses Wappen trägst.“
Sie sagte dies, als wäre sie die Anführerin der Familie... Wie hieß die Familie eigentlich?
„Anna? Wie nennt man euch denn? Habt ihr einen ‚Nachnamen’ unter dem ihr bekannt seid? Und es klingt so, als hättest du hier das Sagen. Ist dem so?“ Ich war sehr neugierig. Ich wollte alles über meine neue Familie wissen.
„Wir sind die Cezannes. Und ja. Ich bin die Anführerin, weil ich die älteste bin. Ich habe sie alle gerettet, bevor sie an Krankheiten starben oder bei einem Überfall fast umkamen.“
„Das heißt also, dass Marleen und Sash fast umgekommen wären, wenn du sie nicht gerettet hättest?“, schlussfolgerte ich.
„Ja. Weißt du warum ich sie gerettet habe? Ich habe sie gerettet, weil sie eine unglückliche Vergangenheit hatten. Ich kann nämlich die Vergangenheit der Personen sehen, auf die ich mich konzentriere. Doch deine Vergangenheit, sie ist mir verborgen. Ich habe da einen Verdacht, doch ich dachte nicht, dass es so etwas wirklich gibt. Ich glaube, du bist ein Schutzschild gegen mentale Angriffe.“ Sie versank in Gedanken.
Ein Schutzschild? Das versuchte ich mir vorzustellen, doch ich sah nur ein mittelalterliches Schild vor mir. So eine absurde Vorstellung. Ich, ein Schutzschild? Nun ja, das würde eigentlich auch erklären, warum Edw... er meine Gedanken nicht lesen konnte.
Ich wollte nicht länger darüber nachdenken, deshalb sagte ich: „Erzähl mir von dir und den anderen. Wie wären sie gestorben? Wann wurden sie verwandelt? Wie sind sie so? Was denken sie von mir?“
Anna begann zu erzählen: „Ich wurde 1705 in London geboren, führte, für die damaligen Verhältnisse, ein sehr wohlhabendes Leben. Für uns war die Wirtschaftskrise etwas, worüber wir uns keine Sorgen machen mussten. Eines Tages meinten meine Eltern, ich wäre alt genug, um zu heiraten, dabei war ich gerade einmal 16! Aber es war mir egal. Ich wollte eine schöne, prunkvolle Hochzeit. Meine Eltern stellten mich meinem Zukünftigen, den sie ausgesucht hatten, vor. Erstmals wunderte ich mich über seine Blässe und die schwarzen Augen, doch er sah perfekt aus. Er war wie ein Engel, blond und groß. Wir sollten uns kennenlernen, so ließen uns meine Eltern alleine. Als wir miteinander redeten, hörte ich zum ersten Mal seine wunderschöne Stimme. Er erzählte mir von sich. Er wurde in England geboren und war 23 Jahre alt! Wie gesagt, er hatte blonde Haare. Sein Name war Carlisle. Sein Vater war ein Pfarrer, ist aber vor einiger Zeit gestorben... Hey, was ist los, Jolyn? Warum bist du so steif?“, fragte Anna plötzlich, „kennst du einen Carlisle?“
Ich erzählte ihr besser nicht die Wahrheit, wie gut ich ihn kenne, dass ich alles, bis auf diese Stelle, kannte.
„Nein. Den Namen höre ich zum ersten Mal.“
„Wenn du meinst... Wo war ich stehen geblieben? ... Ach ja! Die Hochzeit die meine Eltern vorbereiteten, war kurz nach meinem Geburtstag. Ich war zwar zu frieden, dass ich meine Eltern glücklich machte, doch was brachte es mir? Ich war nicht glücklich mit ihrer Entscheidung. Ich liebte ihn nicht. Er hätte für mich ein Bruder sein können, aber niemand den ich heiraten wollte.
Und ich spürte, dass auch er mich nicht heiraten wollte. Am Anfang war ich etwas beleidigt, doch so wusste ich, dass wir beide dasselbe empfinden.
Wir lebten drei Monate zusammen. Inzwischen wussten wir alles übereinander. Nur eines verschwieg er mir.
Eines Nachts kam er leise in mein Zimmer geschlichen. Er erzählte mir, was er war. Ich war natürlich geschockt, doch gleichzeitig so erleichtert, dass er mir vertraute. Er sagte mir, er würde mich verwandeln wollen. Das tat er auch. Ich blieb ein Jahr bei ihm, doch seine Lebensweise gefiel mir nicht, also habe ich ihn verlassen. Ich jagte noch ein paar Jahre Menschen, aber dadurch ging es mir immer schlechter.
Mir kam wieder in den Sinn, wie Carlisle gejagt hatte, und so versuchte ich es auch wieder. Es tat mir gut, keine Menschen mehr töten zu müssen.
Ich hätte Carlisle suchen können, doch ich hatte Angst, er würde mich nicht akzeptieren, da ich sehr lange Menschenblut getrunken hatte.
Sash wurde 1801 in New York geboren. Als ich sie fand war sie schwerkrank. Ich konnte sie nicht sterben lassen. Ich sah ihre Vergangenheit und habe mir gedacht, dass ich sie so nicht hätte enden lassen können. Nicht mit diesen schrecklichen Erinnerungen. Sie sollte auch eine schöne Zeit in ihrem Leben haben und die würde ich ihr gewähren.
Sie wurde früher nur schlecht behandelt, benutzt, vergewaltigt, von ihrem Vater geschlagen...“ Sie wurde durch ein Knurren aus dem Wohnzimmer unterbrochen.
„D-doch mehr darf ich dir nicht über Sash nicht erzählen. Nur noch eines. Sie kann das Aussehen von sich und anderen Personen beliebig Ändern“, erklärte Anna schnell und fuhr dann fort: „Marleen ist 1901 in Chicago geboren worden. Sie war ein Waisenkind, doch sie hatte eine normale Vergangenheit gehabt, aber sie sollte nicht sterben. Ich habe gesehen wie gütig sie war... Sie hatte mir nie viel über sich erzählt und ich habe sie nie belauscht.
Und was müssen wir über dich wissen?“
Ich hielt es für das Beste, zu lügen, doch ich achtete darauf, dass so viel wie möglich der Wahrheit entspricht.
„Ich bin 1992 in Portland geboren. Vor etwa einem Jahr bin ich hier her zu meinem Vater gezogen. Und dann, vor ein paar Tagen bin ich in den Wald gelaufen und traf auf den Vampir.“
„Hast du ihn jemals zuvor gesehen?“
„Nein“, log ich.
Natürlich kannte ich Laurent schon länger. Seit dem Baseballspiel mit den ... Cullens – ich zuckte leicht zusammen – ist Victoria, James Gefährtin, hinter mir her, um sich für ihn zu rächen, nachdem ... Edward ihn getötet hatte. Das hatte er nur getan, um mich zu retten. Damals hätte ich alles darauf verwettet, dass er mich liebt. Doch die Worte, die er mir damals im Wald gesagt hatte, zerstörten alles.
Ich durfte nicht mehr an so etwas denken, das würde mir nur Schmerzen bereiten.
„Anna“, versuchte ich mich abzulenken, „bringst du mir das Kämpfen bei?“
„Wozu denn?“, fragte sie.
„Ich muss es lernen. Irgendwann wird es so weit sein und ich muss mich gegen jemanden verteidigen, und ich weiß nicht wie man kämpft. Es ist wichtig, dass ich es schon jetzt lerne!“
Widerstrebend gab sie mir recht. „Na gut, aber du wirst es nicht von mir lernen, okay?“
„Von wem dann?“
„Von Marleen. Sie ist die beste Kämpferin in der Familie.“ Sie lächelte mich an.
Wir gingen nach unten. Marleen und Sash saßen auf dem Sofa und unterhielten sich leise.
„Marleen, kommst du mal kurz mit? Ich muss dich etwas fragen“, meinte Anna.
Sie stand auf und die beiden liefen in die Küche.
„Sash?“, fragte ich nach einem kurzen Moment des Schweigens. Sie wendete mir den Kopf zu. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“
„Welchen?“, seufzte sie.
„Kannst du mein Aussehen ändern? Ich möchte nicht mehr an meine Vergangenheit gebunden sein.“
Sie sah mich mitleidig an. „Natürlich. Wie möchtest du denn aussehen?“
„Kannst du auch die Körpergröße ändern?“ Sie nickte.
Ich begann zu beschreiben, wie ich gerne aussehen würde.
Ich spürte, wie sich meine Gestalt veränderte.
„Fertig“, sagte Sash, „du kannst dich jetzt selbst betrachten und mir sagen, ob du zu frieden bist, oder nicht.“ Sie sagte es ganz herablassend, als würde es sie nicht interessieren, ob es mir gefiel.
Ich ging den Gang entlang, bis ich einen Spiegel fand, der meinen ganzen Körper zeigte. Mir stockte der Atem. Sie hatte gute Arbeit geleistet, ich sah genauso aus, wie ich es beschrieb.
Nun war ich nicht mehr Isabella, mit braunen glatten Haaren, braunen Augen. Ich war nicht mehr 1,63m groß. Ich war jetzt Jolyn, hatte dunkelblonde gewellte Haare, rote Augen und war 1,77m groß.
„Wo ist Joe?“, fragte Marleen aus dem Wohnzimmer.
„Im Flur, beim Spiegel“, gab Sash unbeteildigt zur Antwort.
Das schwarzhaarige Vampirmädchen kam auf mich zu, blieb aber verdutzt stehen.
„Jolyn? Bist du das?“
„Das frage ich mich auch, ich erkenne mich kaum wieder. Nicht einmal meine Gesichtszüge sind dieselben“, flüsterte ich.
„Warum? Warum hast du dich ändern lassen?“ Marleen klang verwirrt.
„Ich möchte meine Vergangenheit hinter mir lassen. Ich will nicht mehr tagtäglich an die letzten sechs Monate meines Lebens erinnert werden.“ Ich wendete ihr meinen Kopf zu und lächelte traurig.
„Ach so... Ähm, was ich dir sagen wollte. Das mit dem Kampftraining geht klar“, sagte sie, nun wieder ganz fröhlich. So kannte ich meine Marleen, auch wenn ich sie erst seit etwa einer Stunde kannte.


Am nächsten Morgen sollte das Training beginnen, doch Marleen wollte erst einmal die Theorie durchnehmen. Sie verhielt sich wie eine Lehrerin.
‚Niemals frontal angreifen, dem Feind niemals den Rücken kehren, nie unaufmerksam werden, sich vor älteren Vampiren in acht nehmen...’ Es war einfach sich daran zu halten, denn es war, wie beim Jagen, ganz instinktiv.
Währenddessen lernte ich Marleen besser kennen. Zum Beispiel welch Gabe sie hatte oder welche Vorlieben. Sie konnte die Stärke aller Vampire um sich herum spüren, wer der Stärkste ist oder der Schwächste.
Ganze zwei Wochen hämmerte sie mir die Theorie ein, dann begannen wir, endlich, mit dem praktischen Kampf. Marleens Kommentaren zufolge, schlug ich mich ziemlich gut für eine Neugeborene.

Doch wie sich herausstellte, hatten wir nicht genug Zeit das zu üben. Anna spürte, dass eine Gefahr auf uns zu kam, eine große Gefahr.

In letzter Zeit hatte ich mich ein wenig zurück gezogen, es tat mir nicht gut, in dem Haus zu sein. Und wie es der Zufall will, habe ich auch noch sein Zimmer bekommen!
Anna, Marleen und Sash, okay, nur Anna und Marleen, sprachen mich nur noch an, wenn sie etwas Wichtiges brauchten.
So wie an dem Tag, der mein Leben als Vampir veränderte.
Ich war gerade auf der Jagd. Ein sehr gut riechender Puma stand vor mir, er roch besser als jedes Tier, dass ich jemals gerochen hatte. Ich wollte mich auf ihn stürzen, doch Anna rannte auf mich zu. Die Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Joe! Du musst unbedingt mit mir mitkommen! Es hängen Leben von dir ab!!!“, schrie sie. Sie rannte wieder los, ich hinterher.
Wir kamen auf der Lichtung an, auf der Laurent mich angegriffen hatte.
Vor mir standen Anna, Marleen und Sash. Als ich meinen Blick nach rechts wendete, sah ich weitere zwölf Vampire. Die Frau mit den silberblonden Haaren hatte einen wütenden Gesichtsausdruck. So etwas kannte ich schon. Das kam in der letzten Woche sehr häufig vor.
„Okay, wen habt ihr schon wieder umgebracht?“, fragte ich, genervt wie immer, an meine Schwestern gewandt. Langsam kam es mir so vor, als wäre ich die Anführerin, ich musste immer alles klären, musste immer reden und dafür sorgen, dass niemand zu Schaden kam.
„Wir wissen es nicht!“, meinte Marleen ängstlich.
Wir trafen immer viele Zirkel, die sich an meinen Schwestern rächen wollten. Niemals hatte jemand Angst gezeigt, vor allem nicht Marleen.
Ich wandte mich zu dem anderen Zirkel. „Warum seid ihr hier?“, fragte ich höflich.
„Wir sind gekommen, um derjenigen den Kopf abzureißen, die meinen Gefährten getötet hat!“, meinte das silberblonde Vampirmädchen.
„Wer war dein Gefährte?“ Es gefiel ihr offensichtlich nicht, dass ich die ganze Zeit Fragen stellte. Am liebsten würde sie uns sicher allen den Kopf abschlagen.
„Tu nicht so, als ob du ihn nicht kennst, du Miststück!“ Sie war außer sich vor Wut.
„Sag mir doch, wie er hieß. Vielleicht können wir das auf zivilisiertere Weise lösen.“, sagte ich ganz ruhig. Es war lästig, alles alleine tun zu müssen. Konnten die anderen mir nicht helfen?
„Er hieß Laurent! Hatte Rasterlocken, goldene Augen, etwas zu dunkle Haut für einen Vampir. Klingelt’s bei dir?“ Sie wurde immer unhöflicher.
Zum ersten Mal meldete sich Sash zu Wort.
„Also, ich glaube ich weiß, von wem du redest. Er war der Vampir, der unsere liebe Jolyn umbringen wollte.“ Sie warf mir einen eiskalten Blick zu, der bedeutete, dass es ihr nichts ausgemacht hätte, wenn er mich getötet hätte. „Aber goldene Augen hatte er nicht. Sie waren eindeutig rot.“
„Also habt ihr ihn doch umgebracht!“, schrie die Frau wutgebrannt. Sie wollte auf Sash zuspringen und sie in Stücke zerreißen, doch ich ging noch rechtzeitig dazwischen, um sie davon abzuhalten. Es wird eindeutig schwieriger, diesen ‚Streit’ zu schlichten, als in anderen Fällen.
Ich versuchte sie zu beruhigen: „Ganz ruhig. Wir werden das alles hinbekommen, ohne dass jemand verletzt wird, vor allem nicht du. Du hast bereits genug gelitten.“
Das Vampirmädchen beruhigte sich ein wenig und wich zurück. Die anderen ihrer Gruppe hatten sich nicht die Mühe gemacht mir zu helfen.
„Hör zu. Ich will dir etwas erklären, dass ich am eigenen Leib erfahren habe...
Ich weiß, wie es ist, die wichtigste Person im Leben zu verlieren. Doch mir Wut und Rache kannst du deinen Schmerz nicht lindern. Du musst versuchen damit zu leben. Ich weiß es klingt schwer, aber es ist möglich.
Und weißt du, diese drei Vampirfrauen haben mir das Leben ermöglicht. Sie haben sich nicht um ihr eigenes Leben gekümmert und mich gerettet. Ich weiß, du hättest dasselbe getan, wenn du die Chance dazu gehabt hättest.“
„Aber, er kann dich nicht angegriffen haben, er hat doch so wie wir Tierblut getrunken. Er hat mir versprochen, nie wieder Menschenblut zu trinken!“, meinte sie verzweifelt
„Es gibt viele Wege, eine Lüge vor der geliebten Person zu verbergen“, redete ich auf sie ein.
Ich ließ meinen Blick über die Reihe hinter der silberblonden Vampirin gleiten. Wahrscheinlich waren sie nur im Falle einer Eskalation da.
Ich beäugte die elf Personen und spürte, dass mir etwas Wichtiges entging.
„Er... hat... mich... belogen?“, fragte sie schockiert.
Dann passierte etwas, womit niemand rechnete.
Die Vampirfrau, die uns noch vor wenigen Minuten den Kopf abreißen wollte, brach zusammen. Ich fing sie mit den Armen auf, bevor sie auf dem Boden landete. Warum tat ich das eigentlich? War ich wirklich so liebevoll, dass ich einen wildfremden Vampir in den Arm nahm und diesen auch noch tröstete. Die Antwort war ja. Ja ich war wirklich so liebevoll.
Sie schluchzte leise vor sich hin.
„Er hat mir etwas vor gemacht? Warum lügt er mich an? Ich dachte er liebt mich!“, jammerte sie.
„Es wird alles gut“, flüsterte ich ihr zu.
Die Vampirfrau aus der hinteren Reihe mit dem rotblonden Haaren kam auf uns zu, sie zog eine weitere Blondine mit sich.
„Komm mit, Kate. Bringen wir Irina an einen anderen Ort“, meinte sie.
Die Blondine entgegnete: „Okay, Tanya. Komm Irina!“
Wir standen beide auf.
Tanya, Kate und Irina... das sagte mir doch etwas. Doch ich kam nicht darauf, was es war.
„Da wir diese Angelegenheit geklärt haben, möchte ich uns vorstellen“, begann der blonde Mann, nachdem Tanya, Kate und Irina gegangen waren.
Er nannte die Namen der einzelnen Vampire: „Das sind Alice und Jasper, Rosalie und Emmett, Esme und Edward. Und ich bin Carlisle.“ Er deutete auf die beiden weiteren Personen neben sich. „Und das sind Eleazar und Carmen.“
Als ich ihre Namen hörte, wurde ich ganz steif. Wie konnte ich sie nicht erkennen? Wie konnte ich ihn nicht erkennen? Er stand vor mir, und ich erkannte ihn nicht. Ich war so enttäuscht von mir.
Am liebsten wäre ich auf sie zu gerannt, hätte ihnen gesagt wer ich war. Ich wäre auf ihn zu gerannt, hätte ihn geküsst, ihn umarmt, hätte ihm gesagt, dass ich ihm alles verzeihen würde, sobald er sich entschuldigen wollte.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie einer von ihnen, wahrscheinlich Jasper, seinen Blick verwundert auf uns richtete. Er musste meine starken Gefühle gehaben.
„Und wer seid ihr?“, fragte Carlisle, als ich nicht antwortete.
„Ach so. Das sind Anna, Sash und Marleen. Und ich heiße Jolyn.“
Anna meldete sich zu Wort, nachdem sie sich sicher war, dass sie niemand angreifen würde. „Wollt ihr vielleicht zu uns nach Hause? Dort können wir uns in Ruhe unterhalten.“
„Aber natürlich. Es wäre interessant, etwas über euch zu erfahren“, meinten Carlisle und Esme gleichzeitig.
Nun taute auch die hyperaktive Marleen wieder auf. „Dann folgt mir! Ich führe euch hin!“ Und schon war sie im Wald verschwunden.
Die anderen liefen ihr hinterher, nur Anna und ich blieben hinter ihnen stehen.
„Danke, Joe. Du hast uns gerettet“, meinte sie erleichtert.
„Hey, ihr habt mich doch auch gerettet. Jetzt sind wir quitt.“ Ich lächelte sie an.
Ich kann es nicht glauben. Die Familie, von der ich dachte, ich hätte sie für immer verloren, rannte in die Richtung unseres Hauses. Eigentlich ist es ja ihr altes Haus.
Ich hatte nicht gemerkt, dass Anna mich umarmte, so sehr war ich in Gedanken versunken. Ich erwiderte ihre Umarmung, ließ sie dann aber wieder los, als ich hörte, wie jemand aus dem Wald kam. Es war Tanya.
„Wo sind die anderen?“, fragte sie.
„Oh, sie sind zu unserem Haus gegangen“, antwortete Anna. „Komm mit, wir führen dich zu ihnen.“
Ich rannte voraus.
Als wir beim Haus ankamen, sah ich, dass Emmett, Jasper, Esme und Edward im Wohnzimmer auf dem Sofa saßen. Aus der Küche hörte ich Sashs, Eleazars und Carlisles Stimmen. Sie redeten darüber, wie wir darauf kamen Tierblut zu trinken.
Marleen war wahrscheinlich oben, mit Alice, Rosalie und Carmen.
Ich holte mein Buch unter einem Sofakissen hervor und setzte mich auf den Boden. Tanya ging direkt zu Edward.
Anna lief zur Küche, um am Gespräch teil zu nehmen.
„Wo sind Kate und Irina?“, fragte Esme.
„Sie sind zurück nach Denali. Irina braucht etwas Zeit, um das alles zu verkraften“, erklärte Tanya, dann legte sie ihren Arm um Edward s Schultern und lehnte ihren Kopf an ihn. So zärtlich wie ihr Arm dalag, das versetzte mir einen Stich in mein totes Herz, doch ich ließ mir nichts anmerken. Ich senkte meinen Blick auf das Buch in meinem Schoß und tat so, als würde ich lesen. Wäre ich noch ein Mensch, wäre mir wahrscheinlich mir Träne übers Gesicht gelaufen.
„Hey, Jolyn. Macht es dir etwas aus, wenn ich den Fernseher einschalte?“, fragte Emmett.
„Hm? Äh, nein, nein. Mach ruhig“, stotterte ich.
Im Fernseher liefen zurzeit nur Nachrichten, die niemand sehen wollte. Ich schlug vor, sie sollten sich eine DVD ansehen. Tanya wollte einen Liebesfilm und schaute Edward dabei verführerisch an. Ah! Noch ein Stich, diesmal aber viel heftiger als zuvor.
Jasper zuckte zusammen und meinte: „Bei einem Liebesfilm werde ich hier verrückt. Ich bin für einen Horrorfilm.“
„Ich will einen Actionfilm sehen!“, sagte Emmett entschlossen. Esme war auf Tanyas Seite.
Edward meinte, es sei ihm egal, als alle ihn ansahen.
Es war ein seltsames Gefühl seine Stimme zu hören.
So gewannen Tanya und Esme. Ich nahm eine DVD. Der Film hieß ‚Mit dir an meiner Seite’
Ich versuchte nicht auf Tanya und Edward zu achten. Vergeblich.
Während einer Kussszene merkte ich, wie Tanya näher an Edward heran rückte.
Der pochende Schmerz in mir wurde immer schlimmer. Jasper verkrampfte sich immer mehr.
Ich konnte mich kaum konzentrieren. Plötzlich sah ich, wie Tanyas Gesicht dem von Edward immer näher kam. Er schaute sie an. Schnell ergriff sie ihre Chance und presste ihre Lippen auf seine.
Das gab den Ausschlag. Der Schmerz erfasste mich, fuhr mir durch die Glieder. Dieser Schmerz war noch viel schrecklicher, als der, der während meiner Verwandlung in meinem Körper loderte.
Von außen sah ich bestimmt so aus, als wäre alles normal, doch mein Inneres brannte förmlich.
Jasper schrie laut auf, krümmte sich und lief zu Boden.
Ich hatte ganz vergessen, dass er die Gefühle anderer spüren konnte. Er litt im Moment bestimmt genauso sehr wie ich. Doch weiterhin ließ ich mir nichts anmerken.
Alice, die seine Schrei gehört hatte, rannte panisch auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Alle sahen ihn mit einer Mischung aus Verblüffung und Schock an. Edward drückte Tanya weg und sah Jasper und mich abwechseln an. Sein Gesichtsausdruck sah schockiert und gleichzeitig gequält aus.
Ich achtete darauf nicht in seine Augen zu sehen, damit er meine Qualen nicht bemerkte.
„Wie hältst du das nur aus?“, fragte Jasper an mich gewandt.
„Man gewöhnt sich daran“, sagte ich ruhig, dann nach kurzem Zögern: „Ich sollte jetzt besser gehen.“
Ich stand auf und rannte in mein Zimmer, um mich zu beruhigen. Hier musste ich das alles wenigstens nicht ertragen.
Ich setzte mich vors Fenster, lehnte meinen Kopf an die Scheibe, schloss die Augen und dachte an nichts.
Ich hatte nicht gemerkt, dass ich meinen Schild über das ganze Haus spannte, bis ich spürte, wie sich die Personen unten bewegten.
Wie ich meinen Schild kontrollieren konnte, habe ich von Anna gelernt.
Ich spürte eine Person die Treppe herauf kommen; in die Richtung meines Zimmers.
Die Tür öffnete sich und Anna trat ein.
„Geh wieder, bitte“, sagte ich flehend und sah sie niedergeschlagen an.
„Warum bist du gerade weggerannt?“, fragte die mitleidig.
Ihr gefiel es am wenigsten, dass ich oft traurig und alleine war. Sie litt mit mir, sie würde so vieles tun, um mich glücklich zu sehen.
„Oder eine bessere Frage: Was war das für eine Aktion da unten? Und was hat Jasper damit gemeint: ‚Wie hältst du das nur aus’?“
Ich hörte, wie alle im Wohnzimmer verstummten, sie waren alle neugierig darauf.
„Erzähle ich dir wann anders“, murmelte ich.
Anna sah mich noch einen kurzen Moment lang an, sagte dann: „Komm wieder nach unten.“
„Gib mir noch ein paar Minuten, dann bin ich unten.“
Sie verließ das Zimmer.


(Edwards POV)

Als Jolyn herein kam, nahm sie sich ein Buch und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden.
‚Sturmhöhe’. Dieses Buch hatte Bel... sie früher gerne gelesen. Es tat weh, an sie zu denken, und nur einer weiß darüber Bescheid. Jasper konnte die Gefühle um sich herum spüren und beeinflussen. Da ich seine Gedanken lesen kann, wusste ich genauso gut wie er, wer was fühlte.
Alle waren froh, dass es keinen Kampf gab, alle fühlten dieselbe Erleichterung.
Nur eine fühlte etwas anderes.
Jolyn war traurig, mehr als nur traurig. Sie war niedergeschlagen, deprimiert.
Und Tanya, sie verhielt sich so wie immer: versuchte Interesse in mir zu wecken, benahm sich verführerisch, um mich zu überzeugen, dass ich... sie einfach vergessen soll, weiterleben.
Wenn sie wüsste, wie schwer es ist, die Liebe seines Lebens zu verlassen und das nur zu ihrer eigenen Sicherheit. Wäre sie mir nicht so unglaublich wichtig, dann wäre es mir egal.
Ginge es nicht um ihre Sicherheit, wäre ich nie gegangen.
Tanya kam nun auf mich zu, setzte sich neben mich und legte ihren Arm um meine Schultern. Sie konnte es einfach nicht lassen.
Durch Jasper spürte ich einen leichten Stich. Er kam von Jolyn. Warum?
Ich seufzte innerlich. Warum kümmerte es mich etwas, was ein wildfremder Vampir fühlte und dachte.
Emmett fragte ob er den Fernseher anschalten könne, doch dort liefen nur Nachrichten, also holte Jolyn eine DVD.
Es lief gerade eine Kussszene, als sie wieder einen Stich spürte.
Tanya bewegte ihr Gesicht auf meines zu. Ich wollte ihr einen ernsten Blick zuwerfen, doch dazu kam ich nicht.
Ihre Lippen berührten die meinen.
Nun war es nicht möglich Jolyn zu ignorieren, ihren Schmerz zu ignorieren.
Er schoss wie Feuer durch ihren Körper, aber das tausend Mal schlimmer. Er war sogar noch schlimmer als mein Schmerz.
Das war zu viel für Jasper. Er schrie auf und fiel zu Boden. Alice kam von oben auf ihn zu gerannt und nahm ihn in den Arm.
Wir alle sahen ihn schockiert an.
Tanya drückte ich von mir weg, sah zu Jolyn, dann zu Jasper und wieder zu Jolyn.
Mir war aufgefallen, dass ich sie bisher nie richtig ansah. Auch jetzt war das kaum möglich, denn sie sah Jasper an.
Sie hatte dunkelblonde Harre, die schon fast braun waren. Es verdeckte ihr halbes Gesicht, so konnte ich ihr Aussehen nicht besser beschreiben.
Jasper sah Jolyn mit schmerzverzerrter Miene an.
„Wie hältst du das nur aus?“, fragte er gepresst.
„Man gewöhnt sich daran“, gab sie unnatürlich gelassen zurück. „Ich sollte jetzt besser gehen“, sagte die nach einigen Sekunden.
Und schon war sie im ersten Stock verschwunden.
Es war ein ungutes Gefühl, so nah an Tanya zu sitzen, also stand ich auf und setze mich auf die Treppe.
Ich würde gerne wissen, was Jolyn nun dachte. Doch dann fiel mir ein, dass es mich nicht zu interessieren hat.
Es war seltsam, nicht zu wissen was sie denkt. Das passierte mir bisher nur einmal. Ich wagte es nicht an ihren Namen zu denken, aus Angst Jasper ein weiteres Mal zu verletzen.
Ich erinnerte mich an die Volturi, an Aro, dessen Gabe meiner doch so ähnlich war. Könnte das nicht genauso sein? Renata war ein Schutzschild, wäre es dann nicht möglich, dass Jolyn eine ähnliche Gabe besaß?
Warum dachte ich überhaupt darüber nach? Als interessierte ich mich für sie...
Anna lief in meine Richtung, sie wollte nach oben.
Ich machte ihr Platz und ließ sie durch.
Als sie oben ankam, hörte ich, wie sie mit Jolyn redete. Sie fragte sie, was das hier unten war. Nun schwiegen alle, sie wollten auch den Grund erfahren.
„Erzähle ich dir wann anders“, hörten wir sie von oben sagen.
Wir stöhnten alle auf.
Anna wollte dass Jolyn wieder runter kam.
Sie kam alleine wieder runter.


(Bella POV)

Ich stand auf und ging zur Tür. Noch einmal atmete ich tief, wappnete mich gegen das, was mich unten erwarten könnte. Ich lief zur Treppe, blieb aber an der obersten Stufe stehen. Edward saß am untersten Treppenabsatz. Sollte ich an ihm vorbei gehen? Mich auch auf die Treppe setzen? Wieder im Zimmer verschwinden?
Ich entschied mich für die erste Möglichkeit.
Als ich nach unten rannte, achtete ich darauf, niemandem in die Augen zu sehen. Ich machte vor der Eingangstür halt, begab mich auf die Veranda und setzte mich auf die kleine Treppe. Die Sonne kam seit drei Wochen zum ersten Mal hinter den Wolken hervor. Meine Haut funkelte, reflektierte die Sonne.
Das sah so schön aus, ich konnte kaum glauben, dass dieses Lichtspiel von meinem Körper kam.
Gerade einmal nach fünfdreifünfzehntel Minuten war die Sonne zu sehen, bis sie hinter dem Horizont verschwand.
Jemand kam auf die Veranda, es war Edward.
„Hallo“, sagte er leise.
„Hallo“, gab ich zurück. Meine Stimme klang traurig.
„Darf ich dich etwas fragen?“, wollte er wissen. Als Antwort nickte ich einfach. „Warum hattest du vorhin solche Schmerzen?“
Verwundert sah ich ihn an, wendete meinen Blick aber schnell wieder ab.
„Woher weißt du, dass ich Schmerzen hatte?“, fragte ich und tat so als wäre ich überrascht. Ich wusste natürlich, woher er das wusste.
„Ich kann die Gedanken von jeder Person lesen, abgesehen die von dir.“ Er sah mich prüfend an.
„Ich glaube ich kenne den Grund. Ich bin ein Schutzschild gegen mentale Angriffe“, erklärte ich.
„Kommen wir jetzt zu meiner Frage zurück. Warum hattest du solche Schmerzen?“, fragte er erneut.
„Liebesschmerz“, antwortete ich kurz und knapp.
„Das kenne ich“
Hm... war es vielleicht doch möglich dass... nein! Bestimmt geht es um Tanya, weil sie zu aufdringlich ist, oder weil er sie mehr liebt als sie ihn.
„Um wen geht es denn?“ Ich versuchte ihm mehr zu entlocken.
„Kennst du nicht. Aber wahrscheinlich hasst sie mich jetzt so oder so, da ich sie verlassen habe. Und um wen geht es bei dir?“, wollte er wissen.
Das kann doch nur heißen, dass es nicht Tanya ist, aber ich sollte mir keine zu großen Hoffnungen machen...
Ich überging seine Frage. „Liebst du sie noch?“
„Warum beantwortest du meine Frage nicht?“
„Bei mir ist es so ähnlich wie bei dir“, meinte ich.
„Also hast du ihn auch verlassen?“, löcherte er mich mit Fragen.
„So zu sagen“, flüsterte ich. Es war schrecklich ihn anzulügen. „N-nein. Anders herum!“, stotterte ich. „Ich kann mich kaum daran erinnern.“ Falsch. Ich kann mich an alles erinnern.
„Vermisst du ihn?“, fragte er.
„Das könnte ich dich auch fragen: Vermisst du sie?“
„Das hat dich nicht zu interessieren!“, zischte er.
„Dann hat es dich doch auch nicht zu interessieren, ob ich ihn vermisse. Dass ich ihn sogar sehr vermisse!“ Ich war geschockt, wie schnippisch ich mit ihm redete.
„Also vermisst du ihn doch?“, schlussfolgerte er.
„Hey! Ich hab dir doch gesagt, dass es dich nicht interessiert!“
„Wie war er denn so?“ Er hörte einfach nicht auf, mich zu befragen.
Ich gab mich geschlagen und sagte zum größten Teil die Wahrheit: „Er war nett, liebevoll und fürsorglich. In seiner Nähe habe ich mich wohl gefühlt und war glücklich... dann ist er gegangen.“
Ich stand auf und wollte wieder ins Haus gehen.
„Eine letzte Frage noch!“, beeilte sich Edward zu sagen.
Ich drehte mich zu ihm um.
„Warum hast du dich an ihn erinnert als Tanya mich geküsst hat?“, fragte er misstrauisch.
Darauf war ich nicht gefasst. Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen. „Ihr... nun ja ihr... habt mich an uns erinnert.
Tanya war wie ich und du wie er.“
Oh, oh. Hatte ich zu viel gesagt?
Wie konnte ich ihm, ihm, meiner großen Liebe, sagen, dass meine große Liebe wie er war? Da hätte ich ihm doch gleich sagen können, dass er meine große Liebe ist!
Wieder drehte ich mich zum Haus und ging in übermenschlicher Geschwindigkeit ins Wohnzimmer. Tanya beäugte mich misstrauisch.
Ich setzte mich neben Esme und Alice, die Jasper immer noch im Arm hielt. Jasper sah mich seltsam an. Ich versuchte ihn zu ignorieren.
„Hey, Joe! Wollen wir morgen shoppen gehen? Ich will dich etwas kennen lernen und beim shoppen habe ich genug Zeit dazu.“ Alice’ Augen strahlten bei dem Wort ‚shoppen’.
„Sicher“, sagte ich freundlich, obwohl ich ein bisschen Angst hatte. Würde sie mich erkennen oder könnte ich gut genug lügen? Ich wusste es nicht.

Am nächsten Tag fuhren Alice und ich in ihrem gelben Porsche nach Seattle. Sie meinte, es gäbe dort ein gutes Einkaufszentrum.
Wir gingen direkt zum New Yorker. Dort suchten wir uns verschiedene Kleidungsstücke aus und sagten unsere Meinungen zu jedem Outfit.
Nachdem wir die Kleidung bezahlt hatten, gingen wir weiter zu einem Schuhgeschäft, dessen Namen ich nicht einmal kannte, da Alice mich schnell hinein zerrte.
Ich probierte gerade ein Paar Stiefel an, als sie mich plötzlich fragte: „Wie war er noch so? Wie sah er aus?“
„Wie sah wer aus?“, fragte ich verwirrt. Ich wusste nicht, worauf sie hinaus wollte.
„Na, der jenige, der dich verlassen hat!“
„Oh, ach so“, murmelte ich. „Es ist schwer über ihn zu reden, aber ich werde es versuchen.“ Ich hatte das Gefühl, dass ich ihr alles anvertrauen konnte. Genauso wie früher. „Er war ein Vampir“, sagte ich leise, so dass die Menschen um uns herum nichts mitbekamen. „Er hat immer nur an mich gedacht, nie an sich selbst.“
„Wollte er dich verwandeln bevor er gegangen ist?“, fragte sie.
„Nein, er fand es wichtiger, dass ich ein Mensch bleibe.“ Den Grund verriet ich ihr nicht.
„Hast du ihn sehr geliebt?“
„Ich hätte alles für ihn getan. Alles was möglich ist. Ich wäre für ihn sogar gestorben.“
„Weißt du, wie er zum Vampir wurde?“, fragte sie weiter.
„Ja. Er wäre fast an einer Krankheit gestorben, da wurde er verwandelt. Aber eigentlich wollte er das nicht“, erklärte ich.
Sie schien zu überlegen. Als ich den letzten Satz sagte, schaute sie auf. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
Plötzlich umschlossen mich ihre Arme. „Bella! Bella, ich habe dich so sehr vermisst! Weißt du überhaupt, wie lange ich nach dir gesucht habe? Ich habe immer auf deine Zukunft geachtet, nur um zu wissen dass es dir gut geht. Ich habe dich nicht gesehen und machte mir Sorgen um dich! Du weißt nicht, wie erleichtert ich jetzt bin!“, sprudelte es aus ihr heraus. Sie fing an zu schluchzen.
„Es ist alles gut, Alice. Jetzt bin ich ja bei dir“, beruhigte ich sie.


(Edwards POV)

Jolyn und Alice sind heute sehr früh weggefahren, um rechtzeitig in Seattle zum Shoppen anzukommen.
Eleazar und Carmen sind zurück nach Denali gegangen, da sie sich, so weit von ihrem Heim entfernt, nicht wohl fühlen können.
Die anderen Mädchen sind zu Hause geblieben, oder besser gesagt, nicht zu Hause, sondern im Umkreis von 20 km. Sie sind beim Jagen. Carlisle, Jasper, Emmett und ich sind alleine zurück geblieben.
Da es für Emmett und Jasper zu langweilig wurde, liefen sie nach Tacoma, um sich dort neue Autos zu kaufen und sie dann umzubauen.
Carlisle war in seinem alten Arbeitszimmer um ein paar alte Bücher mitzunehmen, natürlich hatte er Anna vorher gefragt, da das alles nun ihr Eigentum war. Weil sie früher ihm gehörten, hatte sie zugestimmt.
Gestern Abend habe ich die beiden gehört, wie sie darüber redeten, was in der Zeit passiert war, in der sie sich nicht gesehen hatten. In Carlisle Gedanken las ich, dass er sie damals erschuf. Warum hatte er uns nie etwas davon erzählt?
Ich ging in mein altes Zimmer, dem Geruch zufolge war schien es nun Jolyn zu gehören.
Sie erinnerte mich an Bel... sie. Zum Glück war Jasper nicht in der Nähe. Er sollte nicht mit mir leiden.
Seit gestern habe ich zu viel an sie gedacht. Sollte ich nach ihr suchen, jetzt, da ich ihr so nahe bin?
Ich entschied mich dafür.
Nur fünf Minuten rannte ich zu ihrem Haus. Als ich durch ein Fenster ihres Hauses sah, sah ich wie Charlie da saß, sein Gesichtsausdruck war traurig.
In seinen Gedanken suchte ich nach der Ursache dafür.
>Wie kann das nur sei? Wie kann meine Tochter nur von einem Bären getötet worden sein?

Bella,

tut mir leid, dass ich dir, seit wir gegangen sind, nicht gemailt habe.
Ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Edward ist bei uns! Er wohnt mit uns in New Hampshire. Bitte komm vorbei und sag ihm, dass du nicht Jolyn sondern Bella bist. Für mich ist es sehr schwer, nicht an dich zu denken, wenn ich Edward sehe. Ich möchte ihm dann immer sagen, dass du lebst und dass du genau vor seiner Nase warst. Aber ich werde mein Versprechen halten! Also bitte, komm so schnell wie möglich!

Alles Liebe, Alice.



Sie wohnen in New Hampshire. Das ist sehr weit entfernt von hier. Und Anna achtet darauf, dass ich nicht verschwinden kann.
Ich schrieb Alice eine Antwort.

Alice,

hör zu. Ich kann nicht kommen. Anna, Marleen und Sash lassen mich nicht mehr weg. Ich würde gerne, aber ich schaffe es nicht! Und ich kann sie auch nicht überreden!
Es tut mir leid...

Bella.



Es tat weh, Alice zu enttäuschen.
Ich rannte nach unten zu Anna.
„Anna? Kann ich bitte gehen? Ich weiß, dass ihr euch Sorgen um mich macht, aber es ist lebenswichtig!“, flehte ich sie an.
„Nein, Jolyn. Du bist noch sehr unerfahren. Wenn du auf einen Vampir stößt, der dich töten will, was machst du dann? Das hast du noch nicht gelernt“, meinte Anna.
„Dann kommt doch einfach mit!“
„Das geht nicht. Ich muss arbeiten, und Marleen und Sash müssen zur Schule.“
Ach ja, das hatte ich ja vergessen. Die Cezannes sind neu in der Stadt. Anna kümmert sich um ihre jüngeren Schwestern Marleen und Sash, die immer noch zu Schule gehen. Das war die offizielle Version. Sie durften doch nicht für einige Tage, oder sogar Wochen, verschwinden.
„Verstehe“, murmelte ich frustriert.
Da fiel mir etwas ein. Anna musste von 12 Uhr bis 16 Uhr arbeiten und Marleen und Sash waren bis 15 Uhr in der Schule. Ich hätte drei Stunden Zeit, um von hier zu verschwinden.
„Denk nicht einmal daran abzuhauen, sobald wir alle aus dem Haus sind!“, warnte sie mich.
Verdammt! Warum durchschauen mich die meisten immer so schnell?
Weggehen schied aus, doch was kann ich tun, um Edward wiederzusehen und ihm zu sagen, dass ich Bella bin?

Am nächsten Morgen blieb Marleen Zuhause und tat so, als wäre sie krank. So konnte sie auf mich aufpassen. doch sie konnte nicht immer so tun, als sei sie krank. Deshalb kündigte Anna ihren Job. Wir hatten so oder so genug Geld zur Verfügung.
Jeden Tag schlich sie um das Haus herum. So konnte sie mich schneller aufhalten, falls ich vorhatte aus dem Fenster zu fliehen.

Eines Tages hielt ich es aber nicht mehr aus. Ich sprang aus dem Fenster. Ich versuchte wegzurennen, doch Anna war schnell und stark genug, um mich zurück zu ziehen.
„Anna, bitte! Ich muss gehen! Ich kann schon auf mich aufpassen!“, jammerte ich.
„Ich kann kein Risiko eingehen! Du bedeutest mir als Schwester zu viel.“
Da konnte ich einfach nicht widersprechen, denn ich empfand dasselbe für sie. Ich konnte nicht einfach weggehen, sie brauchten mich und ich sie. Ich würde sie nicht zurücklassen. Niemals.


Drei Jahre später

Oben in meinem Zimmer packte ich meine Sachen in einen großen Koffer. In letzter Zeit war ich sehr oft mit Marleen shoppen, dadurch hatte sich eine Menge Klamotten angesammelt.
„Joe, beeil dich! Wir müssen gehen!“, rief Sash zu mir. Seit den vergangenen drei Jahren verstanden wir uns viel besser. Ich erfuhr mehr über sie, ihre Vergangenheit.
„Ja ich mach doch schon so schnell ich kann!“, rief ich zurück.
Wir mussten umziehen. Sash begegnete vor drei Tagen einem Jungen, dessen Blut sehr verlockend auf sie wirkte. Das hielt sie noch aus, doch als er sich an einem Blatt schnitt und Sash in der Nähe war, konnte sie nicht widerstehen. Da sie die letzte war, mit dem man ihn gesehen hatte, wurde es gefährlich für uns. Gefährlich deshalb, weil die Menschen schneller hinter unser Geheimnis kommen könnten, und da es verboten ist, dass Menschen von Vampiren wissen, müssten wir entweder alle töten oder verwandeln. Taten wir das nicht, hatten wir die Volturi am Hals. Die Volturi waren eine königliche Vampirfamilie in Italien. Sie sind wie eine Vampirpolizei, die dafür sorgten, dass wir die Regeln einhielten. Damit sie nicht erst kommen mussten, gingen wir kein Risiko ein und zogen um.
Wo wir wohnen würden, wusste ich noch nicht, doch ich würde es bald herausfinden.
Als ich fertig mit Packen war, rannte ich die Treppe herunter.
„Endlich!“, meinte Anna. „Das hat ja ewig gedauert!“
Ich stieg ins Auto. „Weniger reden, mehr fahren!“, wies ich sie an.
Sie wartete bereits im Auto auf mich, Sash und Marleen.
Nun setzten sich auch die beiden und Anna beschleunigte.
Ich achtete kaum darauf wohin wir fuhren, bis wir an den ersten Schildern vorbeikamen. Der Weg führte immer weiter nach Norden.
„Wo werden wir denn jetzt wohnen?“, fragte ich.
„In Denali, Alaska. Dort wohnen aus Tanya, Kate und Irina, die drei Vampirfrauen, denen wir vor drei Jahren begegnet sind.“ Marleens Stimme klang aufgeregt. Sie vermisste Tanya sehr. Sie waren gute Freundinnen geworden.
Anna fuhr sehr schnell, so, dass wir nach sechs Stunden, 34 Minuten und drei sechzehntel Sekunden im sonnenlosen Dorf ankamen.

Anna, Marleen und Sash tranken Tierblut, dadurch bekamen sie goldene Augen. Ich tat dasselbe. Also hatten sich meine Augen nach vier Monaten von karmesinrot in topasgold verwandelt.
Durch die weniger erschreckende Augenfarbe und der Tatsache, dass mich niemand kannte, konnte ich in Denali zur Schule gehen.

Anna fuhr durch Denali, immer weiter und weiter, bis wir an einem sehr eindrucksvollen Haus vorbeikamen. Sie hielt an.
Wie wir uns so ein Haus leisten konnten? Es war von Vorteil, wenn man mit jemandem zusammen lebte, der seit über 300 Jahren Geld sammelte. Wenn diese Person auch noch Inhaberin eines Modeunternehmens war, dann konnte es uns an Geld nicht fehlen. Wir lebten im Luxus und wir genossen es.
„Wir sind da!“, verkündete Anna freudig. Ich stieg aus und lief unserem künftigen Heim entgegen. Von außen sah es sehr zeitlos aus.
„Lasst uns rein gehen!“, meinte Marleen. Sie zog mich am Arm mit hinein. Im Inneren angekommen ließ sie mich sofort los und stürmte in das erstbeste Zimmer. Dem Anschein nach war es ein sehr großes Haus, mehrstöckig und halbverglast. So wie bei den Cullens.
Ich ging in das erste Zimmer. Es war nicht sehr groß und doch nicht zu klein. Es hatte einen begehbaren Kleiderschrank. Die Wände waren in einem hellen grün gehalten. Die ganze Nordwand bestand. Der Raum war komplett eingerichtet. Das Bett stand an der Ostwand, daneben ein gut bestücktes Bücherregal und ein Schreibtisch mit einem Laptop. An der Westwand waren CD-Regale mit tausenden von Musikstücken. Das perfekte Zimmer für mich.
„Das ist mein Zimmer!“, rief ich. Schnell holte ich meine Sachen aus dem Auto und rannte wieder zurück. Bevor man mir das Zimmer wegschnappen konnte, legte ich meine Klamotten in das dafür vorhergesehene Fach in meinem begehbaren Kleiderschrank. Meine meiste Kleidung bestand aus Designerschuhen und Markentaschen. Die Hälfte davon hatte ich noch nie getragen.
Während ich meine Sachen auspackte, hatte ich nicht auf meine Umgebung geachtet. Da ich das wieder tat, hörte ich, wie sich Anna, Marleen und Sash um ein Zimmer stritten. Ich lachte in mich hinein.
Nachdem ich meinen Schrank eingeräumt hatte, legte ich mich auf das Bett und fing an nachzudenken.
Marleen hatte erwähnt, dass Tanya, Kate und Irina hier in Denali wohnten. Als ich an Tanya dachte, kamen mir Erinnerungen hoch, wie sie Edward geküsst hatte. Bei dem Gedanken an ihn hätte ich losheulen können, doch da dies seit drei Jahren, sechs Monaten und neun Tagen nicht mehr möglich war, brachte ich ein Schluchzen zustande.


Ich hörte leise Schritte auf mich zukommen, deshalb raffte ich mich schnell wieder auf und versuchte normal zu wirken. Anna öffnete die Tür zu meinem Zimmer.
„Joe, du solltest dich für die Schule bereit machen. Ihr müsst in ein paar Minuten zum Unterricht.“
Ich wollte nicht in die Schule, nicht an diesem verhängnisvollen Tag, nicht am dreizehnten September, an meinem Geburtstag. Das war der Tag, an dem mein Leben zerstört wurde. Anna, Marleen und Sash hatten schon gemerkt, dass ich immer an diesem Tag viel schlechtere Laune hatte als sonst.
Anna ging wieder aus dem Zimmer um mich alleine zu lassen. Nicht schon wieder mein Geburtstag, wegen dem ich so gelitten habe. Langsam stand ich auf und ging zu meinem Schreibtisch. Dort lagen bereits meine Schulbücher, Anna hatte sie zu unserem Haus liefern lassen. Ich packte sie in eine schwarze Tasche und ging nach unten in die Garage. Es wurde Zeit, dass ich mir mein eigenes Auto kaufte. So musste ich nicht auf die anderen warten, und sie nicht auf mich. Nach der Schule würde ich zum Autohändler gehen. Natürlich würde ich mir kein einfaches Auto kaufen. Es sollte schnell, gemütlich und schnittig sein. In den letzten Jahren interessierte ich mich immer mehr dafür. Ich wurde also zur Autonärrin.
Marleen und Sash warteten ungeduldig auf mich. Man konnte es ihnen ansehen, wenn es sie nervte, dass ich oft sehr spät kam.
„Na, endlich! Warum brauchst du immer so lange, Joe!?“, wollte Sash wissen.
„Tut mir leid. Anna hat mir gerade eben erst bescheid gesagt.“
„Nun gut. Wer hat Lust in die Schule zu gehen?“, fragte Marleen sarkastisch. Sie hasste es von so vielen Menschen umgeben zu sein. Dort konnte sie ihren Kräften keinen freien Lauf lassen. Genau so wie Sash. Und immer wird man beobachtet, fügte ich in Gedanken dazu, vor allem dann, wenn man neu ist.
Marleen beschleunigte und fuhr auf die Schnellstraße. Ich wusste nicht, dass wir etwas außerhalb von Denali wohnten, und somit auch weit von der Schule entfernt.
„Oh, ich hoffe so sehr, dass Tanya auch zur High School geht! Das wäre so toll!“, schwärmte sie.
„Du und deine Tanya“, murmelte Sash, „das geht mir langsam auf die Nerven. Tanya hier, Tanya dort...“ Sie ließ den Satz in der Luft hängen und schüttelte den Kopf.
Es interessierte mich nicht wirklich, ob ein anderer Vampir hier wohnte. Nur ich und meine Schwestern zählten für mich.
Aber dann waren da noch Edward und Alice. Sie zählten wieder auf eine andere Weise für mich. Klar, Anna, Marleen und Sash bedeuteten mir viel, doch im Gegensatz zu den Cullens war das nichts. Wenn es nach mir ginge würde ich meine ganze Zeit mit ihnen verbringen. Doch das Schicksal schien mich zu hassen, also ging es eben nicht nach mir.
Es war immer noch erstaunlich, wie schnell ich so etwas durchdenken konnte. Inzwischen sollte ich daran gewöhnt sein, doch ich bin es nicht.
Einer der Nachteile bei den Vampiren war, dass sie sich zu schnell ablenken ließen, so wie ich gerade.
Also dachte ich wieder an das Jetzt und Hier.
Marleen fuhr sehr schnell. Wäre ich ein Mensch hätte mich das zu Tode erschreckt. Doch ich kannte hohe Geschwindigkeiten, sie machten mir nichts mehr aus.
Nach fünf Minuten und 27 Sekunden kamen wir auf dem Schulparkplatz an.
Sehr viele Autos waren schon etwas älter. Nur drei Wagen stachen einem sofort ins Auge. Unserer, ein schwarzer Porsche 911 Turbo, ein silberner Volvo und ein Mercedes S 600.
Diesen Volvo würde ich überall wieder erkennen. Er konnte nur einer Person gehören. Eine Person, die mir mehr bedeutete als mein Leben. Eine Person, für die ich alles tun würde. Eine Person, die nicht wusste, wer ich wirklich war.
Die Person war Edward Cullen.
Wir stiegen aus dem Auto, bewegten uns in Richtung Sekretariat, um unsere Stundenpläne abzuholen. Von überall wurden wir beäugt.
Es wäre für Menschen ganz normal. Doch wir waren keine Menschen.
Für Vampire ist es eine Herausforderung. Denn es gab neue Gerüche, manchmal viel verlockender als andere, und andere, neugierige Personen, die alles über einen Wissen wollten.
Man durfte nicht auffallen, man musste wegen dem Wetter aufpassen, wegen den Instinkten, den übermenschlichen Bewegungen, dem Benehmen. Wegen allem, kurz gesagt.
„Marleen!“, ertönte eine melodische Stimme.
„Joe!“ Diesmal hörte ich eine höhere Stimme rufen.
Zwei sehr bleiche Mädchen kamen auf uns zu. Das eine war groß und hatte rotblonde Haare. Das zweite Mädchen war klein und hatte schwarze Haare, die ihren Kopf wie einen Kranz umrahmten.
Es waren Alice und Tanya. Alice schloss mich in ihre Arme, Tanya tat dasselbe mit Marleen.
„Oh, Mann! Joe, ich kann es kaum glauben! Warum seid ihr hergezogen?“, fragte das schwarzhaarige Vampirmädchen.
„Nun, ja. Es gab so einige Komplikationen“, sagte ich und nickte kaum merklich zu Sash. Alice wandte den Blick zu ihr, ihr Gesichtsausdruck wechselte von neugierig zu wissend, dann von wissend zu erschreckt. Nun blickte auch ich Sash an.
Man konnte ihre roten Augen sehen. Um diese zu verdecken, benutzte sie Kontaktlinsen, da ihre Gabe, das Aussehen zu verändern, bei typischen Vampirmerkmalen versagte. Doch durch das Vampirgift, das den Fremdkörper loswerden wollte, lösten sich die Kontaktlinsen nach einer Stunde auf. Sash hatte zum Glück immer Vorrat dabei.
Sash sah mich fragend an. Mit den Lippen formte ich das Wort ‚Kontaktlinsen’. Sie verstand sofort was los war. Sie griff in ihre Tasche, holte ein Schächtelchen heraus und legte goldfarbene Linsen auf das Auge.
Ich wusste aus Erfahrung, wie unangenehm das war. Man sieht, als Vampir, jeden feinen Kratzer auf dem Glas. Durch die Farbe wird die Sicht getrübt und im Unterbewusstsein will man sogar, dass die Kontaktlinsen verschwinden. Man denkt sich nur noch: ‚Ist mir egal, ob ich auffalle. Ich will wieder richtig sehen!’
Sash blinzelte krampfhaft und verzog leicht das Gesicht. Nur noch drei Wochen, dann bräuchte sie sie nicht mehr.
„Alice, wir müssen jetzt weiter, unsere Stundenpläne abholen. Sehen wir uns später wieder?“, fragte ich.
„Natürlich! Bis dann.“ Zum Abschied umarmte sie mich noch einmal. „Tanya, komm. Wir müssen jetzt auch los!“ Sie liefen weiter zu ihren ersten Stunden.
Wir wendeten uns wieder Richtung Sekretariat.
Als wir in dem kleinen Raum ankamen, erwartete uns bereits eine Frau. Sie hatte dunkle Haut, schwarze Haare, grüne Augen und trug ein blaues Top.
„Ah, die Cezanne-Schwestern! Also, hier sind die Pläne des Schulgeländes, eure Stundenpläne und Formulare, die eure Lehrer unterschreiben sollen. Am Ende des Tages bringt ihr die Blätter wieder. So das ist für Marleen...“ Sie reichte ihr die Papiere. „Sash... und Jolyn. Einen schönen Tag. Viel Glück“, sagte sie zum Abschied.
Ich hatte mich für Französisch eingeschrieben. Marleen und Sash für Mathematik. So hatten wir nicht alle dieselben Kurse.
„Was habt ihr jetzt?“, fragte ich.
Marleen schaute auf ihren Plan. „Wir müssen zu Chemie, Haus 9. Und du?“
„Ich geh zu Spanisch. Haus 3.“
„Na, dann bis später.“ Und Marleen und Sash waren verschwunden.
Schnell, aber immer noch im menschlichen Tempo, lief ich zu meinem ersten Kurs.
Vor der Tür blieb ich kurz stehen, atmete tief durch und ging dann hinein. Der Lehrer war noch nicht da.
In der letzten Reihe sah ich drei unnatürlich bleiche Schüler. Ich lächelte leicht. Es waren Rosalie, Emmett und Alice. Als diese mich erblickte, breitete sich ein Strahlen auf ihrem Gesicht aus. Neben ihr war ein freier Platz. Ich lief zu ihr hin und legte meine Tasche neben den Tisch.
„Hey! Das ist so toll, dass wir den selben Spanischkurs haben! Oh, das wird witzig!“, begann sie, kaum dass ich angekommen war. Ich lachte amüsiert auf.
Der Lehrer kam in den Raum und ich ging zu ihm nach vorne.
„Ah, du bist Miss Jolyn Cezanne. Ich bin Mister Juan y Tous“, stellte sich der Mann vor.
Mister Juan y Tous war ein großer gebräunter Mann mit schwarzen Haaren. Er musste so um die dreißig sein. Für ihn war ich minderjährig, ich gab mich für 16 aus, doch das schien ihm egal zu sein. Denn der Blick den er mir zuwarf, verriet Interesse. Es war ihm nicht abzudenken, dass er mich attraktiv fand. Jeder Mensch fand uns Vampire attraktiv und anziehend. Doch in seinen Augen sah ich, dass er sich eine richtige Beziehung vorstellen könnte. Ich wünschte, ich hätte Edwards Gabe. Ich musste wissen, was er dachte, denn sein Blick machte mir Angst.
„Herzlich Wilkommen in der Klasse. Bitte setze dich wieder.“
Sein Blick folgte mir. Ich hörte wie er panisch aufatmete, als er merkte, dass in der Richtung, in die ich mich bewegte, sehr viele Plätze neben Jungen, die für Menschenmädchen sehr attraktiv aussahen, waren. Doch wie er erleichtert feststellte, setzte ich mich neben das Mädchen Alice Cullen.
„Por lo tanto, late la gente, ahora tu en la página 30 del libro”, begann Mister Juan y Tous. Natürlich verstand ich alles, was er sagte. Ehrlich gesagt, ich wusste alles, so wie jeder Vampir. Ich hatte alles in den letzten drei Jahren gelernt, obwohl ich nicht zur Schule gehen konnte.
Und ich konnte nicht mehr nach Edward suchen, da Anna, Marleen und Sash sich sonst zu viele Sorgen um mich machen würden. Auch wenn ich Edward mehr liebte als alles andere, so konnte er auch warten, denn man sieht sich ja immer zweimal im Leben. In unserem Fall hieß es mehrmals. Ich hatte immer daran geglaubt, dass wir uns wieder sehen würden.
„Jolyn!“, rief mich Mister Juan y Tous auf.
Durch mein erweitertes Denken, konnte ich mich auf mehrere dinge gleichzeitig konzentrieren. So hatte ich zum Glück auch die Frage mitbekommen.
Ich antwortete , ließ es aber wie eine Frage klingen, damit ich nicht als Streber dastand.
Den Rest der Stunde wurde nur ich aufgerufen. Das nervte langsam.
Als es dann endlich zum Stundenwechsel klingelte, atmete ich erleichtert auf.
Ich hatte meine Sachen bereits zusammen gepackt, da kam ein Junge mit blonden gegelten Haaren auf mich zu. Ein heftiges Déjà vu überkam mich.
„Hi! Ich bin Mike Sonntag. Du bist Jolyn Cezanne, oder?“, fragte er schüchtern.
Es war, als würde sich mein erstes High-School-Leben wiederholen. Die Stellen mit Edward würde ich gerne wieder erleben, doch auf die Menschen, wie Mike, hatte ich garkeine Lust. ‚Sollte noch jemand aus meiner Vergangenheit kommen, dann werde ich mich ohrfeigen!’, dachte ich.
„Hi!“, kam eine andere Stimme hinter Mike hervor. „Ich bin Jasmine, kannst mich aber Jessy nennen“, stellte sich ein kleines, braunhaariges Mädchen vor. ‚Okay, das zählt!’ Damit ich nicht allzu dumm rüberkam, wendete ich mich an Alice, die seltsamer Weise immernoch neben mir saß, und bat sie: „Schlag mich!“
Sie zögerte nicht. Es war nur eine leichte Schelle.
„Danke, Alice!“ Ich wendete mich wieder Mike und Jasmine zu. „Okay, geht wieder.“
„Was war das denn gerade?“, fragte das braunhaarige Menschenmädchen.
„Nichts.“
„Äh, was hast du in der nächsten Stunde?“, fragte Mike stotternd.
„Was hast du denn?“, stellte ich die Gegenfrage.
„Ich habe Physik.“
„Oh, schade. Ich habe Politik!“ ‚Danke, Gott! Danke, dass wir nicht dieselben Kurse haben!’, dachte ich.
„Du, Joe, ich habe jetzt auch Politik“, meinte Alice fröhlich.
„Super!“
„Na, dann komm mit! Ich bringe dich dort hin!“
Wir standen gemeinsam auf. Jessy war vor einigen Sekunden verschwunden, weil sie von irgendjemand gerufen wurde.
„Also, tschüss Mike!“, sagte ich gespielt freundlich. Alice und ich waren bereits aus dem Raum verschwunden, doch durch mein gutes Vampirgehör bekam ich noch mit, was Mike als letztes flüsterte: „Mann, ist die heiß! Ich glaube, sie mag mich!“
Ich schüttelte genervt den Kopf. „Trottel!“ Alice kicherte leise vor sich hin.
Als wir zur Stunde kamen, sahen wir noch zwei freie Plätze. Wir setzten uns dort hin.
Marleen und Sash saßen in der hintersten Reihe, wir in der mittleren.
Ich hoffte, dass meine Schwestern unserem Gespräch, das ich vorhatte zu führen, nicht zuhören würden.
Als die Lehrerin hereinkam tat ich dasselbe wie im Spanischunterricht. Sie stellte sich vor und schickte mich zurück auf meinen Platz.
„Wir müssen reden“, sagte ich leise zu Alice, kaum dass ich mich hingesetzt habe.
Ich merkte, dass meine Schwester Sash neugierig aufblickte. Ich wollte Alice vorschlagen Zettelchen zu schreiben, doch da schrieb die bereits an mich.
Auf dem stand:

Schon verstanden. Und was willst du mir sagen?


Ich begann zu schreiben.

Tut mir leid, dass ich nicht kommen konnte. Anna, Marleen und Sash hielten mich im Haus fest.
Aber eine wichtigere Fragen: Wo ist Edward?


Noch bevor ich zu Ende geschrieben hatte, riss sie mir das Blatt aus den Händen. Sie hatte wahrscheinlich gesehen, was ich schreiben wollte.

Er ist hir in der Schule.


Als ich das las, erstarrte ich einen kurzen Moment. Als ich wieder auftaute schrieb ich:

An dieser Schule?
Welche Stunde hat er gerade?


In dem Moment, in dem ich dies auf Papier brachte, wurde Alice aufgerufen. Ich hatte nicht einmal die Frage mitbekommen. Sie antwortete ganz ruhig. Danach nahm sie mir den Zettel wieder ab.

Er hat im Moment auch Politik, aber in einem anderen Raum.
Unsere Klasse war überfüllt, da wurden wir aufgeteilt. Aber in der nächsten Stunde, Chemie, wirst du neben ihm sitzen.


Endlich eine gute Nachricht. Im nächsten Kurs konnte ich sein perfektes Antlitz wieder sehen. Dann könnte ich ihm endlich die Wahrheit über mich erzählen!
Alice hatte wieder eine Zukunftsvision, das war ja ihre Gabe, und ich sah sie gespannt an.

Danke


Schrieb sie auf das Blatt.

Wofür?


Ich wusste nicht was sie meinte.

Danke, dass du es ihm erzählen wirst! Länger hätte ich das nicht für mich behalten können.


Ich begann zu lächeln.
Nur noch zehn Minuten, dann würde ich ihm wieder begegnen! Ich war so aufgeregt!
Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Diese letzten zehn Minuten wollten einfach nicht vergehen, als wollten sie mich provozieren. Genervt legte ich den Kopf in die Hände und seufzte.
Plötzlich ertönte die Schulklingel, ich klaubte meine Sachen zusammen und stürmte aus dem Zimmer. Alle sahen mich seltsam und verwirrt an. Sogar Alice hatte das nicht kommen sehen, aber sie sieht ja immer alles!
Alice rannte hinter mir her. „Joe, jetzt mach mal langsam! Wir fallen zu sehr auf!“, meinte sie.
„Tut mir echt leid, Alice, doch ich bin im Moment sehr aufgeregt! Da kann ich meine Handlungen nicht kontrollieren!“
Wir kamen vor dem Klassenzimmer an, konnten jedoch nicht hinein, da der Eingang von Schülern blockiert war. Ich versuchte mich durch die Menge zu drängen, ohne jemanden zu berühren. Mit Erfolg. Ich kam durch die Tür, schaute mich im Raum um, auf der Suche nach dem freien Platz neben Edward, den mir Alice prophezeit hatte. Und da sah ich ihn.
Er saß ganz hinten, in der linken Ecke des Zimmers. Dort ging ich hin und begrüßte ihn mit einem leisen „Hallo!“
Er drehte den Kopf leicht in meine Richtung, wandte seine Augen aber nicht auf mich, und nickte kaum merklich. Der Raum begann sich mit Schülern zu füllen.
Ich setzte mich auf den Stuhl neben ihn und sah, genau wie er, nach vorne.
Als ich ihn begrüßt hatte, konnte ich sein Gesicht zum Teil sehen. Darin war Trauer zu erkennen. Er sah schlimmer aus, als bei unserem letzten Treffen. Warum?
Ich lauschte seinen Atemzügen, bis diese von der Schulklingel unterbrochen wurden.
Der Unterricht begann.
Der Chemielehrer Mr. McStone betrat das Zimmer. Ich stand auf, stellte mich dem Lehrer vor und übergab ihm die Formulare zum Unterschreiben.
Nachdem dies geklärt war, ging ich zu meinem Platz neben Edward zurück. Mr. McStone begann den Unterricht. „Also Leute. Heute werdet ihr in Partnerarbeit arbeiten“, verkündete er, teilte danach ein Blatt mit Arbeitsanweisungen aus.
Ich drehte mich zu Edward, der bereits mit den Aufgaben angefangen hatte.
Er drehte sich nicht zu mir, schien mich nicht zu beachten. Aber dann fragte er: „Warum seit ihr hergezogen?“
Ich war verblüfft, dass es ihn überhaupt interessierte. „Sash wurde rückfallig“, antwortete ich kurz.
„Das heißt, sie hat einen Menschen gebissen?“, wollte er wissen.
„Scheint so“, gab ich sarkastisch zurück. Bella, lass den Sarkasmus, der ist jetzt echt nicht angebracht!, rief ich mir in Gedanken zu.
Wir arbeiteten weiter an der Aufgabe, doch nach einiger Zeit hielt ich das Schweigen nicht mehr aus.
„Warum sieht du so bedrückt aus?“, fragte ich leise.
„Nicht von Belang“, murmelte er noch leiser.
„Edward,sag es mir, bitte! Du kannst mir vertrauen.“ Ich musste den Grund einfach erfahren. Ich liebte ihn ja immer noch, deshalb musste ich es in Ordnung bringen.
Er seufzte. „Ich habe dir vor drei Jahren von einem Mädchen erzählt. Und ich liebe sie immer noch. Sie ist... tot.“ Er sprach nicht weiter.
Was?! Er dachte ich, Bella Swan, wäre tot? Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen! Das durfte nicht sein! Ich werde es ihm erzählen! Jetzt sofort!
„Edward, ich muss dir etwas sage...“ Weiter kam ich nicht. Er sah mich gespannt an. Seine Augen, die vor Trauer eben noch gequält aussahen, glühten jetzt vor Intensität. Ich hatte glatt vergessen, was ich wollte.
„Was willst du mir sagen?“, fragte er, als ich nicht fortfuhr.
„Was wollte ich?“, stellte ich verwirrt die Gegenfrage. Ich dachte, Vampire vergessen nichts?!
Aber vielleicht war es ja dieses Strahlen in Edwards Augen, das aufgetaucht war, als er mich ansah. Dass er das empfand, wenn er mich als Jolyn Cezanne sah und nicht als Bella Swan, machte mich traurig und fröhlich zugleich.
„Du wolltest mir etwas sagen“, half er mir auf die Sprünge. Seine Stimme klang sanfter als sie sein sollte.
Das erschwerte es mir nur, mich zu konzentrieren und mich zu erinnern, was ich sagen wollte.
„Erzähl ich dir wenn wir alleine sind...“ Und wenn ich wieder weiß, was es ist, fügte ich in Gedanken hinzu.
„Du kannst es mir auch jetzt sagen, wenn du mir vertraust.“ Er sah mich flehend an. Ich wusste natürlich, worauf er hinaus wollte.
„Edward, nicht so. ich werde es dir normal sagen... wenn wir alleine sind.!
„Na gut“, murmelte er.
Den Rest der Stunde unterhielten wir uns über belanglosere Themen. Aber hier und da fragte Edward nach, ob ich es ihm doch nicht sagen will. Er ließ einfach nicht davon ab!
So, wie er mit mir redete, klang es so sanft, vorsichtig, als wollte er nichts Falsches sagen und mich damit vergraulen.
Die Stunde war leider viel zu schnell vorbei.
„Was hast du jetzt?“, fragte ich Edward.
„Ich habe Französisch. Und du?“
„Ich auch. Haus 5“
„Dann wirst du wieder neben mir sitzen.“ Er lächelte mich zu frieden an. Wir liefen los zu unserem nächsten Kurs.
Die Französischstunde verging genauso wie Chemie: sobald Edward und ich fertig mit den Aufgaben waren, unterhielten wir uns über alles Mögliche.
Wieder klingelte es. Die Stunde ging sehr schnell vorbei. Edward fragte, ob ich mich in der Mittagspause zu ihnen setzen würde.
Ich sagte natürlich zu.
Auf dem Weg zur Cafeteria redeten wir weiter.
„Wir sind alleine“, sagte Edward plötzlich. Ich konnte mich zum Glück wieder daran erinnern, was ich ihm sagen wollte. Ich wollte ihm sagen, dass ich Bella Swan war und dass ich ihn immer noch liebte.
„Wir sind alleine“, wiederholte ich seufzend. „Was ich dir sagen wollte... Ich bin...“ Wieder kam ich nicht weiter. Ich wurde unterbrochen.
„Joe! Wo warst du denn? Nach Politik habe ich dich nicht wieder gesehen! Ich habe mir Sorgen gemacht!“, rief Marleen hinter uns.
„Tut mir leid, Marleen. Aber ihr müsst mir auch vertrauen können!“, redete ich auf sie ein. Hoffentlich verstanden sie es bald!
Marleen trat zwischen mich und Edward. Ich sah zu ihm hinüber. „Tut mir Leid“, formte ich mit den Lippen. Er nickte nur.
Als wir in der Cafeteria ankamen, führte er und direkt zu dem Tisch seiner Familie. Sie hatten die Tische zusammen geschoben, damit wir alle beisammen sitzen konnten.
„Hey, Joe! Lange nicht gesehen!“, begrüßte mich Emmett. Alle begrüßten uns, wir setzten uns und begannen über dieses und jenes Thema zu reden. Ich hörte kaum hin, starrte nur auf die Tischplatte.




So Leute, bis hier her geht es nur. Doch mausihale97 wird eine überarbeitete Version schreiben, das heißt, ihr könnt euch freuen, irgendwann (wann genau weiß ich leider nicht) ab hier weiterlesen zu können. Warum sie es überarbeitet hat, weiß ich nicht, aber ihr könnt sie mal fragen. ;)
Ich hoffe, es hat euch gefallen! Wenn ihr Wünsche zu einem neuen Buch habt:
Schreibt mir einfach eine Nachricht. ;))
Na ja, das war jetzt von meiner Seite.
Also, bis denne.
Und die Kommis nicht vergessen. ;)!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.02.2011

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