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Kapitel 3


~Akeno's Sicht~

Ich war noch nie zuvor in so einem Schuppen gestanden. Zu wenig Zeit. Keine Lust. Vielleicht auch ein paar Hemmungen. Aber jetzt stehe ich hier. Und könnte mich ohrfeigen. Wie hatte ich glauben können, Maid-Cafes seien spießig und kitschig?
Schon als ich den Laden das erste Mal betrete, werde ich freundlich empfangen. Freundlich. Ein echt seltsamer Tag.
"Darf ich sie zu ihrem Tisch begleiten, mein Herr?", fragt die Maid freundlich und nimmt mir die Jacke ab, um sie an den Garderobenständer zu hängen. Alles ist hier mit Teppichen ausgelegt, cremefarbene Teppiche. Abgesehen von ihnen ist das Cafe ziemlich farbenfroh gestaltet. Keiner hat auf Design wert gelegt, nur auf Gemütlichkeit. Und ich fühle mich wie Zuhause. Neben der Garderobe steht ein Schuhständer.
"Sie können ihre Schuhe wechseln, um die Teppiche nicht zu verunreinigen.", erklärt die Maid freundlich, als sie meinem Blick folgt. "Üblicherweise machen das aber nur die Stammgäste."
Ich sehe, wie sich Haru die Schuhe abstreift und ich mache es ihm nach. Offensichtlich ist er nicht zum ersten Mal hier und ich möchte keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Die Hausschuhe sind bunt und furchtbar plüschig. Normalerweise hätte ich sowas nie angezogen.
"Tisch 3, wie immer.", sagt Haru lächelnd zu der Maid, die ihm zuzwinkert und vorausgeht.
Haru schiebt mich von hinten ein Stück vorwärts, um mir klarzumachen, dass ich ihr folgen soll. Die meisten der anderen Gäste heben den Kopf und nicken uns beim vorbeigehen zu, manche grüßen Haru. Stammgast. Von wegen er steht nicht auf Frauen.
"Setzen sie sich meine Herren.", sagt die Maid. "Was darf ich ihnen bringen?"
"Zwei mal Kakao mit Schokolade und zwei Reis-Omeletts."
"Gerne, mein Herr.", sagte die Maid mit einem Lächeln und verschwand in der Küche.
"Na, oft hier?", zog ich Haru auf. "Ich dachte du stehst nicht auf Frauen."
Er lachte und hob schützend die Hände.
"Schon gut, du hast mich erwischt. Ich liebe dieses Café."
Als wären wir schon seit Jahren Freunde. Als würden wir uns ewig kennen. Kann man so schnell jemandem vertrauen? Wieso bin ich hier? Haru ist völlig fremd. Er hätte auch ein Pädophiler Spinner sein können, der mich nur deshalb gerettet hat, um mir was anzutun. Was weiß ich über ihn? Ich kenne seinen Namen. Weiß, dass er schwul ist, jedenfalls nach eigenen Angaben. Weiß, dass er auf Maid-Cafés steht, jedenfalls auf dieses hier. Nicht viel. Es ist schon spät. Wenn ich nicht nach Hause komme, würde es keinen wundern. Es wäre klüger, aufzustehen und zu verschwinden. Aber was würde ich schon verlieren? Eltern habe ich keine mehr meine Schwestern können manchmal echt die Hölle sein, ich weiß nicht einmal, ob sie mich vermissen würden. Abgesehen davon habe ich sowieso keine Freunde. Ich würde niemandem fehlen.
"Woran denkst du?", fragt Haru neugierig und beugt sich zu mir rüber.
"Ich weiß nicht.", antworte ich und lege den Kopf schief. "Du willst mich aber nicht entführen oder so?"
Einige Leute zucken zusammen, als sie Haru's überschwängliches Lachen hören, doch die meisten schütteln nur amüsiert den Kopf, als kennen sie das alles schon längst von ihm.
Innerhalb von Sekunden hat er sich wieder gefasst und sieht mich an, als ob nichts gewesen wäre, nur in seinen Augen sehe ich noch den Schalk.
"Hallo? Du kannst Judo.", sagt er grinsend. "Ich könnte dich bestimmt nicht einmal anfassen, ohne dass ich sofort am Boden läge. Obwohl du so klein bist."
"Ich bin nicht klein.", korrigiere ich ihn. "Du bist schuld. Du bist viel zu groß. Ich weiß nicht einmal, ob meine Tricks bei dir funktionieren würden. Ich komme ja nicht einmal bis zu deiner Schulter."
Ich plaudere viel zu viel. So viel habe ich noch nie gesagt. Zu niemandem.
Die Maid unterbricht unser Gespräch, in dem sie mit einem freundlichen Lächeln das Tablett mit den bestellten Gerichten vor uns abstellt.
"Ich wünsche ihnen einen angeregten Appetit, meine Herren.", wünscht sie, verneigt sich und begrüßt den nächsten Kunden.
Ich schnappe mir eine Gabel und fange an zu essen. Kakao und Omelette. Passt nicht besonders gut zusammen. Trotzdem schmeckt es fantastisch.
"Übrigens ist das nicht nur ein Café.", berichtet Haru, der viel früher fertig ist. Er hat das Essen immerzu in sich hineingeschaufelt, ohne Rücksicht auf Verluste. "Man darf sich hier auch nach einem anstrengenden Arbeitstag ausruhen mit einer Fußmassage von der Lieblingsmaid. Außerdem gibt es Sammelkarten. Für jeden Besuch gibt es einen Punkt. Bei zehn Punkten bekommst du ein Foto mit deiner liebsten Maid. Irre, nicht? Ich hab schon drei davon. Drei. Allerdings habe ich keine Lieblingsmaid. Sind alle toll."
Er redet und redet. Die große Spieluhr in der Ecke des Cafés fängt an, ein Lied zu spielen. Klänge. Angenehme, hölzerne Klänge. Acht Uhr.
"Die haben hier bis zehn auf.", erklärt Haru. "Toll, oder? Dann können wir noch länger bleiben."
Ich verdrehe die Augen. Haru ist wirklich seltsam. Wieso mag ich ihn so sehr?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.01.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Fey <3

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