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SOFORT

aufstehst, hole ich das kalte Wasser!", droht Katana von draußen. "Ich meine es ernst!"
Ich seufze leise, und gleite aus dem Bett. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass meine strohblonden Haare wieder einmal unmöglich aussehen. Strohblond. Auch deswegen werde ich gehänselt. Nur weil ich nicht aussehe wie alle anderen. Was kann ich dafür, wenn meine Mutter Deutsche ist? Was kann ich dafür, wenn ich nicht einmal wie ein richtiger Japaner aussehe? Nicht einmal Katana hat blondes Haar. Nur ich. Ich streiche es glatt und beginne mich anzuziehen. Wenigstens die Klamotten sind in meiner Schule alle gleich. Schuluniform. Sieht zwar nicht besonders toll aus, aber ändern kann es sowieso niemand von uns.
Als ich unsere moderne Küche betrete, ist Katana bereits weg, aber wenigstens hat sie mir Frühstücksflocken gemacht. Ich esse schnell, aber eigentlich möchte ich so langsam wie möglich essen, eins nach dem anderen. Ich hasse Schule. Ich hasse jeden einzelnen von ihnen. Schule ist die Hölle.
"Guten Morgen Mr.Penns. Schön dass sie uns auch beehren.", meint der Lehrer mit ironischem Unterton und notiert sich meine erneute Verspätung. Ein paar aus der Klasse kichern. Niemand sonst wird auf Englisch angesprochen. Nur ich. Nicht einmal das Mr. stimmt. Es sollte Herr heißen. Aber das verstehen die Lehrer sowieso nicht. Schweigend gehe ich zu meinem Platz in der letzten Reihe. Ich sitze alleine, und bin wirklich froh deswegen. Müsste ich neben einem von ihnen sitzen, wäre mein Leben noch schrecklicher als sonst. Langsam hole ich meine Hefte heraus und lege sie auf den Tisch. Ich kann zwar fließend japanisch sprechen und auch mit dem Schreiben habe ich keine großen Probleme, trotzdem komme ich nicht immer ganz mit. Manche Lehrer bemerken es mit einem Augenzwinkern, andere mustern mich missbilligend. Doch die meisten merken es sowieso nicht. Wie sollten sie auch? Schließlich bin ich in fast allen Fächern gut. Sehr gut.
Jemand schmeißt ein Zettelchen Papier nach mir. Ich würde es am liebsten den Werfern ins Gesicht schmettern, aber ich möchte keinen noch schlechteren Eindruck auf den neuen Lehrer machen. Er ist jung, am Anfang seiner Karriere. Seit der letzte Mathelehrer gestorben ist, unterrichtet er uns. Gestorben. Er hatte sich erhängt. Weswegen ist bis heute unklar, aber ich bin froh, dass er weg ist. Der Mann war ein wahrer Tyrann.
Langsam schiebe ich den Zettel zum Rand des Tisches, aber plötzlich zischt jemand:
"Es steht etwas drauf!"
Überrascht hebe ich eine Augenbraue. Mir hat noch nie jemand Zettelchen geschrieben. Bestimmt eine Drohung. Dass meine Haare abrasiert werden. Dass ich verprügelt werde. Dass ich vergiftet werde. Alltag. Allerdings nicht als Zettel.
Langsam öffne ich ihn.

Heute, sieben Uhr, hinter der Schule. M.



Seltsam. Von wem kann das sein? Es gibt jede Menge Schüler, die mit M anfangen. Nicht wenige davon sind Mädchen. Aber welches Mädchen könnte an mir Interesse haben? Mädchen hassen mich genauso, wie Jungs, und Interesse habe ich auch noch nie an ihnen gezeigt.
Trotzdem beschließe ich nach der Judo-Stunde mal dort vorbeizuschauen. Selbst wenn sie mich wieder verprügeln möchten, ich weiß mich zu wehren. Außerdem tun sie immer auf stark, aber in Wahrheit sind sie genauso lasch wie ich. Nicht einmal Judo können sie. Judo. Der einzige Sport, den ich mag. Der einzige, der mir etwas bedeutet. Ich zerknülle den Zettel und werfe ihn auf den Boden. Sieben Uhr. Ich werde dort sein.

"Das Bein etwas Höher, Akeno!", rät mir der Trainer von Weitem. "Ansonsten sieht das gut aus."
Ich nicke und befolge seinen Rat. Ich bin einer der besten in dem Judo Kurs. Deswegen bin ich auch etwas enttäuscht, als der Kurs nach zwei Stunden endet.
Eigentlich hasse ich die Schulduschen, aber dieses Mal benutze ich sie sogar gerne. Wir haben bis sieben Uhr Zeit, uns umzuziehen. Eine halbe Stunde. Die meisten duschen davor noch. Ich bin froh, dass kein anderer aus meiner Klasse den Kurs besucht. Niemand soll meinen viel zu zarten Körper sehen, wenn ich mich umziehe. Egal wie viel Judo ich mache, Muskeln kann ich trotz allem nicht aufbauen. Dafür bin ich einfach nicht geschaffen. Was die aus den anderen Klassen sehen, ist mir egal. Sie sind in Ordnung. Obwohl, auch unter ihnen habe ich nicht einmal annähernd so etwas wie Freunde.
Punkt sieben Uhr stehe ich hinter der Schule, an die Wad gelehnt. Noch ist niemand da.
"Da haben wir ja unser Mauerblümchen."
Ich zucke zusammen, als sich Mamoru in voller Größe vor mir aufbaut.
"Was willst du?", frage ich leise. Als ob er mich so schon nicht genug quält.
"Habe ich dir nicht Prügel versprochen, Schwuchtel?"
Ich hasse es, wenn jemand dieses Wort gegen mich verwendet. Es macht mich schutzlos. Bloß weil ich nicht weiß, in wen ich verliebt bin.
"Was habe ich dir getan?", frage ich leise. "Wieso bist du so zu mir?"
"Klappe, Schwuchtel!", brüllt Mamoru. "Du verdienst es einfach!"
Seine Faust saust in Richtung meines Gesichtes. Ehe ich auch nur einen Arm heben kann, um mich zu verteidigen, liegt Mamoru schon am Boden. Ein großer, kräftiger junger Mann steht an der Stelle, wo eben noch Mamoru stand.
"Lass dir nicht wehtuen, nur weil du anders bist.", rät er mir. Ich merke, dass er kaum älter ist als ich. "Ich bin Haru.", fügt er hinzu.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 14.01.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Fey <3

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