Wo ist die Idee?
fragt sich Arthur
Ich gehe jetzt auf die Suche
nach meiner Idee.
Er lehnt sich zurück
und schließt die Augen
fest
Die Welt wird schwarz
dunkel
Er hört seine Gedanken
singen
erzählen
Sie führen ihn
hin
hin zur Idee
nehmen ihn mit
auf eine Reise.
Das Schwarz um Arthur herum verschwindet. Er lässt seine Gedanken vorbeiziehen, lässt sie tun, was ihnen gefällt. sie offenbaren sich ihm.
Arthur sieht sich selbst ganz und gar, klar und weit.
Ein Lied fliegt an ihm vorbei. Arthur hört es sich interessiert an, bis sich ein neuer Gedanke meldet, der sagt: “Hey du! Mach doch mal was Spannendes, etwas richtig Spektakuläres. Das ist dein Kopf, also denk dir doch einfach aus, was hier passieren soll!“
Das wist dann wohl Arthurs Phantasie. Er bleibt ganz ruhig, antwortet nicht und besieht sich weiterhin das Schauspiel in ihm. Plötzlich befindet sich Arthur inmitten einer wunderschönen, alten Stadt, den englischen Winkelgassen nicht ganz unähnlich und doch so eigen, dass sich Arthur sicher ist, so etwas noch niemals zuvor gesehen zu haben.
An jedem der alten, aber charmanten Häuser um ihn herum hängen bunte Blumenrabatten mit den phantastischsten Pflanzen. Doch diese sind nicht das einzige, was jene ungewöhnlich schöne Gedankenwelt in Arthur belebt, denn um ihn herum herrscht ein buntes und fröhliches Treiben produktiver und aufblühender Gedanken, jeder ständig dabei, sich weiterzuentwickeln. Sind dies etwa Arthurs Ideen?
Nein, das kann nicht sein, denkt er sich, diese Gedanken hier schöpfen aus der Kreativität in mir, entwickeln sich daraus, aber der Ursprung meiner Ideen sind sie nicht.
„Pssst! Arthur! Komm mal her, ich will dir etwas zeigen!“ ,meldet sich plötzlich einer der unsichtbaren Gedanken um ihn herum.
Arthur folgt ihm gespannt. Er läuft eine lange, enge Gasse entlang, vorbei an einem kleinen Laden, der allerlei Leckereien darbietet, vorbei an all den schönen Blumen, an den lärmenden und scherzenden Gedanken der Stadt, bis er schließlich von seinem Gedanken an einer staubigen, ein wenig verfallen wirkenden Kellertreppe angehalten wird.
„Komm, lass mich dir dein Leben zeigen.“ ,sagt er und führt Arthur die Treppe hinunter.
Auf dem Weg entdeckt Arthur einen zerstörten, eingeschlagenen und verdreckten Kaugummiautomaten. Er weiß nicht warum, fühlt sich allerdings sehr von diesem Gegenstand angezogen. Er steckt seine Hand hinein und schiebt den vielen Dreck, der sich auf dem Boden des Geräts angesammelt hat, ein wenig zu Seite.
Da plötzlich spürt er etwas Hartes zwischen seinen Fingern. Er greift danach und befördert es ans bereits ein wenig abgeschwächte Licht um ihn herum. Arthur streicht ein wenig Staub von der Oberfläche dieses Körpers und pustet den Rest mit einem kräftigen Atemstoß fort.
Er besieht sich den Gegenstand genau und erkennt alsbald, dass es sich hier um einen großen goldenen Schlüssel handelt.
„Nimm ihn mit. Wofür er gut ist, kannst nur du allein wissen.“
Arthur befolgt den Rat seines Gedankens, steckt den Schüssel in seine Hosentasche und setzt seinen Weg auf der Spur seiner Gedanken fort.
Endlich haben sie das Ende der Treppe erreicht und Arthur findet sich inmitten einer weiteren Stadt wieder. Es erstaunt ihn, dass diese hier der darüber fast genau gleicht, bis auf den Fakt, dass diese hier um einiges älter, ungepflegter und zerfallener aussieht.
Als kümmere sich niemand um sie, als sei sie weniger wichtig als jene andere Stadt.
Hier trifft Arthur nicht mehr auf bloße Gedanken, hier ist Arthur von Dunkelheit umgeben, es gibt in dieser Stadt nichts tatsächlich Wahrnehmbares. Zwischendurch vernimmt er ein leises Flüstern, vielleicht auch ein Lachen, aber er kann keinen rechten Sinn aus diesen Geräuschen ziehen.
„Das hier, lieber Arthur, ist die Ebene deiner Wünsche und Ängste.“, erklärt Arthurs Gedanke.
Daraufhin geht Arthur in eines der ein wenig heller wirkenden Häuser hinein und trifft auch sogleich auf einen Wunsch. Die Stimmung um ihn herum verändert sich, es wird heller und plötzlich wachsen einige Blumen aus Blumentöpfen auf den stuckverzierten Fensterbänken. Der weiche Teppich unter seinen Füßen bekommt auf einmal wieder Farbe, er hört fröhliche Musik und lautes Lachen aus der Etage über ihm. Auf einmal ertönt das sanfte und doch durchdringende Geräusch eines klirrenden Glases, jemand will anscheinend etwas sagen. Arthur strengt sich an, ja keinen Laut zu verpassen, versucht seinen Atem so gering wie irgend möglich zu halten, doch trotzdem versteht er nur wenige Bruchstücke der Rede:
„...lieber Freund Schopenhauer...einzigartig...stolz, heute...großartiges Werk...lesen zu dürfen.“
Dann bricht tosender Beifall im ganzen Saal aus und noch ehe Arthur sich noch weiter mit Lauschen vergnügen kann, wird er von seinem Begleiter hinausgezogen.
Arthur erinnert sich wieder an die Frage, die er sich zu Beginn seiner Reise gestellt hat: Sind das hier seine Ideen? Sicherlich nicht, denn die Idee kommt noch vor dem Wunsch, vor dem Anreiz für einen Wunsch. Arthur weiß, um seine Frage nach Inspiration lösen zu können, muss er erst einmal den Ursprung für seine Wünsche oder Ängste finden.
„Bist du bereit?“
Natürlich ist Arthur bereit und so macht er sich auf den Weg, seinen Gedanken weiterzuverfolgen.
Sie finden alsbald eine weitere, noch viel abgenutztere und verstaubtere Treppe, die sie noch weiter hinunter in die Ursprünge von Arthurs Gedankenwelt führt.
Die Stadt, in der sie sich nun befinden, ist bereits so alt, dass man sie nur noch mit viel Mühe und Phantasie als solche identifizieren kann. Das Straßenpflaster bröckelt unter Arthurs Füßen hinweg, wenn er hinüberläuft, die Häuser scheinen sich bereits unter seinen Blicken zu beugen und drohen, bald einzustürzen.
Trotzdem verspürt Arthur den unbezwingbaren Drang, diese Häuser zu betreten. Was würde wohl diesmal auf ihn warten?
Er hält die Luft an und schleicht sich an die erstbeste Tür heran, die er zu Gesicht bekommt. Die Türklinke fühlt sich porös, krümelig an und es schaudert dem Reisenden.
Dann mit einem Ruck stößt er die Tür auf und sieht sich erstaunt um. Er sieht ein Café, in dem viele Leute sich zu einem kühlen Getränk eingefunden haben. Es ist heiß in dieser Welt.
Das müssen meine Erfahrungen und Erinnerungen sein, denkt sich Arthur, denn woraus sonst entstehen meine Wünsche, Träume und Ängste, meine Gedanken?
Direkt vor sich erkennt Arthur einen Mann, der ihm nur allzu bekannt scheint. Ein Mann, tief über seine Notizen gebeugt, nicht bemerkend, wie er von einer liebreizenden Frau neugierig beobachtet wird.
„Das bin ja ich!“,entfährt es Arthur unvermittelt. So in Gedanken versunken, dass ich gar nichts weiter wahrnehmen kann. Kein Wunder, dass ich Angst vor dem Alleinsein habe, ich bin ja immer allein!
Direkt nach dieser Erkenntnis wird ihm allerdings bewusst, dass er das Ziel seiner Reise immer noch nicht erreicht hat. Erfahrungen lösen zwar Wünsche aus, aber noch lange keine Ideen, oder gar Inspirationen.
„Das hast du goldrichtig erkannt, Arthur“, sagte da sein Gedanke, „Es gibt noch eine weitere Ebene. Die Ebene der Grundlage deiner gesamten Gedankenwelt, deiner Kreativität. Dorthin musst du allerdings allein gehen und ich sage dir, du wirst überrascht sein. Bis bald, wenn du mal wieder in dich selbst gehst!“
Und so setzt Arthur seinen Weg allein fort. Nicht weit von dem Hause, in dem er sich gerade aufgehalten hat entfernt, befindet sich die letzte Treppe auf Arthurs Reise. Diese ist jedoch anders als alle bisherigen. Nicht nur, dass sie aus Metall ist und frisch poliert scheint, nein, noch vor der ersten Stufe ist ragt eine große, goldene Pforte empor. Arthur erinnert sich an seinen Schlüssel und steckt ihn in das Schloss des reich verzierten Einlasses. Wider Erwarten klickt das Schloss bereits nach leichtem Drehen mit dem Schlüssel und die Pforte schwingt auf.
Artur steigt die nun freiliegende Treppe mit Bedacht hinab und die Welt um ihn herum wird immer schwärzer und schwärzer. Aber trotzdem fühlt er sich behaglich wohl. Die Schwärze, die ihn hier umgibt, ist beruhigend, vollkommen. Arthur fühlt sich zum ersten Male vollkommen wohl dabei, er selbst zu sein.
Da plötzlich geschieht etwas: Einen Augenblick nur und doch spürbar. Ein Lichtblitz, nein vielmehr ein Energiestrahl, der schnell und durchdringend, kurz sein Bewusstsein erfüllt. Arthur durchflutet eine ungeahnte Wärme, eine Liebe, ein Gefühl der unendlichen Kraft.
Nun weiß er, dies hier ist er, Arthur. Pure Energie, die ihn durchfließt, erweckt ihn aus seiner Gedankenreise, seiner Reise auf der Suche nach dem, worauf er sich aufgebaut hat, auf der Suche nach der Idee.
Hier ist sie also.
Die Idee
und Arthur wird klar,
jede führt ihr eigenes Leben.
In jedem Moment
an jedem Tag
lebt jeder seiner
Gedanken,
jedes Gefühl,
jede Erinnerung,
jeder Wunsch
ein neues Leben.
Texte: Buchcover:
Friedensreich Hundertwasser: The Big Way
Tag der Veröffentlichung: 24.04.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Vianne, die mich auf allen meinen Reisen begleitet.